Das Ende

Am selben Mittwoch, dem 23. Mai

Zweite Ermahnung

Nachdem die genannten Artikel mit der Beurteilung der Pariser Universität besagter Jeanne erklärt worden waren, wurde sie durch den erwähnten Doktor ermahnt, sie möge wohl auf ihre Worte und Taten achten, besonders bezüglich des letzten Artikels. Und er sagte folgendes zu ihr:
»Jeanne, teuerste Freundin, nun, am Ende Eures Prozesses, ist es an der Zeit, wohl zu bedenken, was Ihr gesagt und getan habt. Denn der Bischof von Beauvais und der Vikar des Inquisitors und andere zu Euch gekommene Doktoren haben Euch öffentlich und geheim, um der Ehre des Glaubens und des Gesetzes Jesu Christi, der Gewissensruhe der Christen und der Beilegung des entstandenen Ärgernisses willen, und zum Heil Eurer Seele und Eures Leibes, sehr sorgfältig ermahnt. Man hat Euch zudem erklärt, welchen Schäden für Seele und Leib Ihr Euch aussetzt, wenn Ihr Eure Worte und Taten nicht richtigstellt und bessert, indem Ihr Euch dem Urteil der Kirche unterwerft. Diese Mahnungen habt Ihr bis jetzt nicht beachten wollen. Und obgleich in Euren Taten und Worten genug vorhanden war, um Euer Urteil festzusetzen, haben die genannten Richter jedoch aus Sorge um das Heil Eurer Seele und Eures Leibes Eure Aussagen der Pariser Universität, welche die Leuchte aller Wissenschaft und Ausrotterin aller Irrlehren ist, zur Prüfung übersandt. Nach dem Gutachten der Universität haben die Richter angeordnet, Euch abermals liebevoll zu ermahnen, indem man Euch auf die Irrtümer, Ärgernisse und andere Fehltritte hinweise und Euch bitte, ersuche und ermahne um der Liebe Unseres Herrn Jesu Christi willen, der einen so grausamen Tod erdulden wollte, um das Menschengeschlecht loszukaufen, doch Eure Worte und Taten richtigzustellen und sie dem Urteil der Kirche zu unterwerfen, wozu jeder treue Christ gehalten und verpflichtet ist. Laßt nicht zu, daß man Euch von Unserm Herrnjesus Christus trennt, damit Ihr seiner Glorie teilhaftig werdet, und wählt nicht den Weg der ewigen Verdammnis wie die Feinde Gottes, die tagtäglich die Menschen zu behelligen und zu beunruhigen suchen, indem sie zuweilen die Gestalt von Engeln oder Heiligen annehmen und behaupten, sie seien diese, wie es in den Leben der Kirchenväter bezeugt ist. Wenn Ihr darum solche Erscheinungen habt, glaubt ihnen nicht, sondern weist solche Unglaubwürdigkeiten und Einbildungen zurück, indem Ihr den Worten und Auffassungen der Universität von Paris und der anderen Doktoren zustimmt, die sich auf das Gesetz Gottes und die Heilige Schrift verstehen. Sie sind der Auffassung, daß man solchen Erscheinungen und anderen ungewöhnlichen Dingen nicht glauben darf, wenn nicht ein Zeugnis der Heiligen Schrift oder ein anderes hinreichendes Zeichen oder Wunder vorliegt. Ihr habt sehr leichtfertig gehandelt und geglaubt, ohne Euch in frommem Gebet an Gott zu wenden, damit er Euch darüber Sicherheit gebe. Ihr habt Euch an keinen Prälaten oder sonst einen weisen und gelehrten Kirchenmann gewandt, der Euch in der Wahrheit hätte unterweisen können; was Ihr in Anbetracht Eures Standes und der Einfalt Eures Wissens hättet tun müssen. Nehmt ein Beispiel: wenn Euer König Euch kraft seiner Autorität eine Festung anvertraut und Euch verboten hätte, jemanden einzulassen, und wenn einer sagen würde, er käme vom König, so dürftet Ihr ihn nicht einlassen, es sei denn, er weise einen Brief oder ein anderes sicheres Zeichen vor. Ebenso hat Unser Herr Jesus Christus, als er gen Himmel fuhr, die Leitung der Kirche dem heiligen Petrus und seinen Nachfolgern anvertraut und ihnen verboten, jene, die in seinem Namen kämen, einzulassen, wenn dies nicht anders als durch ihre Behauptungen erwiesen sei. Und so dürfen wir Euren Worten keinen Glauben schenken, da Gott es verboten hat. Und daher müßt Ihr, Jeanne, bedenken: wenn unter der Herrschaft Eures Königs, als Ihr bei ihm wart, ein Ritter oder ein anderer aus irgendeinem Herrschaftsbereich gekommen wäre und gesagt hätte: »Ich werde dem König nicht gehorchen und mich keinem seiner Beamten unterwerfen«, würdet Ihr nicht sagen, daß er zu verurteilen ist? Was wollt Ihr also von Euch selber sagen, die Ihr im Glauben Jesu Christi durch das Sakrament der Taufe auf die Welt gekommen seid, wenn Ihr seinen Beamten nicht gehorcht, das heißt den Prälaten der Kirche? Welches Urteil wollt Ihr über Euch selber sprechen? Ich bitte Euch, laßt ab von dieser Meinung, wenn Ihr Gott, Euren Bräutigam, und Euer Heil liebt, und gehorcht der Kirche, indem Ihr Euch ihrem Urteil unterwerft. Und wißt, daß, wenn Ihr es nicht tut und in Eurem Irrtum verharrt, Eure Seele zur ewigen Höllenpein verurteilt wird, und für den Leib fürchte ich sehr, daß er dem Untergang verfällt. Es darf Euch weder menschliche Scham noch eitle Furcht zurückhalten, in denen Ihr vielleicht befangen seid, weil Ihr früher in großen Ehren standet, die Ihr zu verlieren fiirchtet. Gebt der Ehre Gottes den Vorzug, dem Heil Eures Leibes und Eurer Seele, und bedenkt, daß Ihr, wenn Ihr nicht tut, was ich Euch sage, die Kirche und den Glauben aufgebt, den ihr beim heiligen Sakrament der Taufe versprochen habt, die Autorität Gottes und die Kirche mißachtet, die von Unserm Herrn gelenkt und geleitet wird. Denn er sagte den Prälaten: »Wer auf Euch hört, der hört auf mich, und wer Euch mißachtet, der mißachtet mich.« Wenn Ihr Euch also der Kirche nicht unterwerfen wollt, so wollt Ihr Gott nicht untertan sein, und Ihr irrt in dem Glaubensartikel: >Wir sollen an die katholische Kirche glauben.< Die Autorität dieses Artikels ist Euch hinreichend erklärt worden.
In Anbetracht dessen bitte und ermahne ich Euch im Namen des hier anwesenden Herrn Bischofs und des Herrn Glaubensinquisitors, Eurer Richter, bei der Verehrung, die Ihr dem Leiden unseres Erlösers, Eures Schöpfers, entgegenbringt, und der Liebe, die Ihr für das Heil Eurer Seele und Eures Leibes hegt, ändert Euch und bessert Eure Irrtümer und kehrt auf den Weg der Wahrheit zurück, indem Ihr gehorcht und Euch dem Urteil der Kirche und ihrer Entscheidung unterwerft. Damit werdet Ihr Eure Seele und Euren Leib, wie ich hoffe, vom Tode retten. Tut Ihr aber das Gegenteil und bleibt Ihr v«goag so why daß Eure Seele verdammt wird, während ich für Euren Leib die Vernichtung fürchte. Davor möge Euch Gott bewahren. Amen.«
Nachdem besagte Jeanne derart ermahnt worden war und alle Zureden angehört hatte, gab sie folgendes zur Antwort: »In meinen Worten und Taten berufe ich mich auf das, was ich in meinem Prozeß darüber gesagt habe. Und ich will sie aufrechterhalten.« Ferner von erwähntem Magister Pierre gefragt, ob sie nicht glaube, daß sie gehalten ist, ihre Worte und Taten der streitbaren Kirche oder anderen als Gott zu unterwerfen, antwortet sie: »Ich will aufrechterhalten, was ich im Prozeß immer gesagt habe. Und wenn ich vor der Hinrichtung stünde und sähe das Feuer brennen und das Holz hergerichtet und den Henker oderjenen, der das Feuer schüren müßte, dazu bereit, mich hineinzustoßen, und selbst wenn ich im Feuer stünde - ich sagte nichts anderes, als was ich gesagt habe. Und was ich gesagt habe, will ich aufrechterhalten bis in den Tod.« Daraufhin fragten die Richter den Prornotor in dieser Sache und besagte Jeanne, ob sie noch etwas sagen wollten. Sie antworteten: nein. Und so schritt der Bischof zum Abschluß gemäß dem Schriftstück, das er in der Hand hielt und das folgenden Wortlaut hat: »Wir, als in dieser Sache zuständige Richter (...) schließen die Angelegenheit ab. Und wir setzen den morgigen Tag fest, um in dieser Sache Recht zu sprechen und zu verfahren, wie Recht und Vernunft es gebieten.« In Gegenwart von Bruder Isembard de la Pierre und Herrn Mathieu le Basteur, Priester, und Louis Coursel, Kleriker, aus den Diözesen Rouen, London und Noyon, als dazugerufene Zeugen.

Widerruf

AUF DEM FRIEDHOF VON SAINT-OUEN
AM DONNERSTAG, DEM 24. MAI

Predigt von Magister Erard: »Die Rebe kann keine Frucht bringen von sich selber, sie bleibe denn am Weinstock«, Johannes 15:

Nach der Predigt sagte der Herr Prediger zu Jeanne: »Hier sind die Herren Richter, die Euch zu wiederholten Malen aufgefordert und ersucht haben, Ihr möget Eure Taten und Worte unserer heiligen Mutter Kirche unterwerfen. Und in diesen Worten und Taten fand sich manches, was nach Meinung der Kleriker nicht gut zu sagen oder aufrechtzuerhalten ist.«
Worauf sie antwortet: »Ich will Euch antworten. Was die Unterwerfung unter die Kirche angeht, so habe ich ihnen in diesem Punkt geantwortet; was mein Tun betrifft, so möge man es nach Rom bringen zu unserem heiligen Vater, dem Papst, auf den ich mich nächst Gott berufe. Und meine Worte und Taten habe ich auf Geheiß Gottes vollbracht.» Ferner sagt sie, daß sie ihre Worte und Taten niemandem zur Last legt, weder ihrem König noch einem anderen, und wenn eine Verfehlung vorliegt, so fällt sie auf sie und keinen anderen.
Gefragt, ob sie ihre Worte und Taten, die verworfen worden sind, widerrufen will, antwortet sie: »Ich berufe mich auf Gott und unsern heiligen Vater, den Papst.«
Ihr wurde gesagt, das genüge nicht, und man könne unsern heiligen Vater nicht von so weit herholen; und die Ordinarien seien Richter, jeder in seiner Diözese. Darum sei es nötig, daß sie sich auf unsere heilige Mutter Kirche berufe und befolge, was die Kleriker und sachkundigen Männer erklärt und über ihre Worte und Taten beschlossen hätten. Dazu wurde sie bis zu drei Malen ermahnt.
Als man daraufhin begann, den Urteilsspruch zu verlesen, sagt sie, sie wolle alles befolgen, was die Richter und die Kirche sagten und verfügten. Und in Gegenwart der Vorgenannten und einer großen Menge von Leuten leistete sie nun schriftlich Abschwörung und Widerruf in folgender Form.[15]
Es folgt [16] die Abschwörung von Jeanne la Pucelle, geleistet am vierundzwanzigsten Mai vierzehnhunderteinunddreißig:
Jeder, der im christlichen Glauben geirrt und gefehlt hat und der dann durch die Gnade Gottes zum Licht der Wahrheit und zur Einheit unserer heiligen Mutter Kirche zurückgekehrt ist, muß wohl auf der Hut sein, daß der Feind der Hölle ihn nicht in den Irrtum und die Verdammnis zurückfallen läßt.
Es folgt der Wortlaut des Schriftstücks, von dem der Bischof von Beauvais und die anderen Richter sagen, Johanna habe es verfaßt und mit eigener Hand unterzeichnet. Was ich nicht glaube. Und in Anbetracht des Folgenden ist es auch nicht glaubhaft.

Das Schriftstück wurde von Jean Massieu verlesen, der sich 1456 erinnert, *daß es kurz war. Es kann sich also nicht um die beiden langen Formeln handeln, die eine in französischer, die andere in lateinischer Sprache (die erstere nicht genau wiedergibt), die man in das lateinische Protokoll aufgenommen und im Rehabilitationsprozeß für eine angebliche Abschwörung erachtet hat, die nach Abschluß des Prozesses angefertigt wurde.
Pater Doncoeur meint, daß die Formel des Manuskripts von Orléans diejenige sei, die Johanna sprach, unterzeichnete (führte man ihr die Hand?) und unter die sie ein Kreuz setzte; das »etc.« decke zwei Ausführungen der langen Formel:

  1. eine Liste der Verbrechen: Johanna erklärt sich für schismatisch und häretisch, da sie andere durch ihren törichten Glauben verführte, Gott lästerte, unanständige Kleider trug, auf grausames Blutvergießen aus war, die Sakramente mißachtete, Abgötterei trieb, indem sie böse Geister verehrte und anrief.
  2. ein Versprechen an den heiligen Petrus und den gesamten Klerus, nie mehr zu ihren lrrtümern zurückzukehren, in der Einheit der Kirche und im Gehorsam des Papstes in Rom zu bleiben. Die kurze Abschwörung läßt nur das Wesentliche übrig: die Verleugnung der Stimmen, die Unterwerfung unter die Kirche:

»Ich, Jeanne, die Jungfrau genannt, armselige Sünderin, nachdem ich die Fallstricke der Irrtümer, in denen ich befangen war, erkannt habe, und durch die Gnade Gottes zu unserer heiligen Mutter Kirche zurückgekehrt bin, damit man sehe, daß ich nicht nur scheinbar, sondern aufrichtigen Herzens und guten Willens zu ihr zurückgekehrt bin, bekenne, daß ich schwer gesündigt habe, indem ich lügnerisch vorgab, Offenbarungen von Gott und seinen Heiligen, von der heiligen Katharina und der heiligen Margareta gehabt zu haben, etc. Und alle meine Worte und Taten, die gegen die Kirche sind, widerrufe ich, und ich will in der Einheit der Kirche bleiben, ohne je davon abzulassen. Unterschrieben mit meinem Zeichen. Johanna. Ein Kreuz.

Urteil

Nach dieser Abschwörung sprach der Bischof das endgültige Urteil, (Als der Bischof von Beauvais am 29. Mai den Beisitzern den Ablauf des Prozesses darlegte, erinnert er sich, daß zwei Urteile verfaßt wurden, bevor Johanna in Saint-Ouen erschien, »für alle Fälle, falls sie widerrufen sollte«.) das mit den Worten begann:

In nomine domini. Amen. Alle Hirten der Kirche, die um das Volk Gottes besorgt sind und es treu leiten wollen, müssen sorgsam darauf achten, daß nicht der Teufel durch Arglist und Trug die Schafe Jesu Christi verführe und täusche. Daher ist es notwendig, durch große Wachsamkeit seinen falschen und unheilvollen Anstrengungen entgegenzuwirken. Du, Jeanne, gemeinhin die Pucelle genannt, bist nun zu mehreren Irrtümern im Glaubenjesu Christi verleitet worden, deretwegen du vor Gericht gestellt und angehört worden bist. Wir haben sorgfältig alle Punkte und Artikel deines Prozesses, deine Geständnisse, Antworten und Behauptungen geprüft, desgleichen die Magister und Doktoren der theologischen Fakultät von Paris, mehrere Prälaten und Doktoren des Rechts, des kanonischen wie des bürgerlichen, die in dieser Stadt Rouen weilten und die dich liebevoll ermahnt und lange auf deine Bekehrung gewartet haben. Ungeachtet dieser Ermahnungen und Vorhaltungen und nach deiner Abschwörung hast du vermessen mit offenem Mund gefehlt. Damit du nun heilsame Buße tust, verurteilen wir dich durch endgültigen Spruch zu ewigem Kerker beim Brot der Schmerzen und beim Wasser der Traurigkeit, damit du dort deine Sünden beweinst und ftirder keine mehr begehst.« (...)
Nach dem Urteilsspruch suchten der Vikar des Inquisitors und mehrere andere, die bei der Urteilsverkündung dabei waren, nach dem Mittagessen besagte Johanna in ihrem Gefängnis auf. Sie legten ihr dar, wie gnädig die Kirche mit ihr gewesen war. Und daß sie das Urteil demütig aufnehmen und ihre Offenbarungen und Torheiten aufgeben solle; daß, im Falle sie zu ihnen zurückkehren werde, die Kirche sie nicht wieder aufnähme. Sie forderten sie auf, Frauenkleider anzulegen und von den Männerkleidern zu lassen. Besagtejeanne antwortete, sie werde gern die Frauenkleider anlegen und der Kirche gehorchen. Und sogleich legte man ihr Frauenkleider an und schor ihr rundgeschnittenes Haar ganz kurz.

Rückfall

Am folgenden Montag, dem XXVIII. Mai, begaben sich die genannten Richter ins Gefängnis und fanden Jeanne in Männerkleidern vor - das heißt in einem kurzen Rock, einer Kopfbedeckung und anderen Dingen, die Männer zu tragen pflegen -, die sie auf Anordnung der Kirche abgelegt habe.
Gefragt, warum sie erneut Männerkleider angelegt habe, antwortete sie, sie habe sie kurz vorher angelegt.
Gefragt, warum, und wer sie dazu gebracht habe, antwortete sie, sie habe es aus freien Stücken getan. Und daß niemand sie dazu genötigt habe; sie trage lieber Männerkleider. Worauf ihr gesagt wurde, sie habe geschworen und versprochen, nie wieder Männerkleidung anzulegen. Worauf sie antwortete, daß sie den Eid nicht so verstanden habe, nie wieder Männerkleider anzulegen.
Abermals gefragt, warum sie sie wieder angelegt habe, antwortete sie, daß es ihr schicklicher erschien, Männerkleider zu tragen, solange sie unter Männern wäre. Und weiter sagte sie, sie habe sie wieder angelegt, weil man das ihr gegebene Versprechen nicht gehalten habe, nämlich sie in die Messe gehen und den Corpus Domini empfangen zu lassen und ihr die Fußeisen abzunehmen. Und daß sie lieber sterben wolle, als in Fußeisen zu sein. Aber wenn man sie die Messe hören läßt und ihr die Fußeisen abnimmt, (Das Urfé-Manuskript fügt hinzu »und sie in ein mildes Gefängnis setzt und ihr eine Frau gibt, wird sie gut sein und tun, was die Kirche will«. Das lateinische Protokoll: »wenn man ihr ein mildes Gefängnis gibt«.) wird sie alles tun, was die Kirche anordnet und will.
Gefragt, ob sie seit letzten Donnerstag, die Stimmen der heiligen Katharina und der heiligen Margareta gehört habe, antwortet sie: ja. Und daß sie ihr gesagt hätten, Gott teile ihr durch sie mit, daß sie sich in große Gefahr begeben habe, als sie einwilligte, jene Abschwörung zu tun, um ihr Leben zu retten, und daß sie deswegen verdammt sei. Sie sagt, daß die Stimmen ihr vor jenem Donnerstag gesagt hatten, was sie tun sollte, was sie auch getan hat. Weiter sagt sie, daß ihre Stimmen ihr gesagt hatten, sie solle, wenn sie auf dem Gerüst stünde, dem Prediger, der zu ihr spreche, beherzt antworten. Sie sagt weiter, daß jener Prediger ein falscher Prediger war, denn er hat ihr Dinge nachgesagt, die sie nicht begangen hat.
Ferner sagt sie, wenn sie erklären würde, daß Gott sie nicht geschickt habl so würde sie sich verdammen, und Gott habe sie wirklich geschickt. Seit Donnerstag hätten ihre Stimmen ihr gesagt, sie habe Gott schwer beleidigt, als sie gestand, daß sie nicht recht gehandelt hätte. Weiter sagt sie, daß sie alles, was sie gesagt und widerrufen habe, nur aus Furcht vor dem Feuer getan hätte.
Gefragt, ob sie glaube, daß es die Stimmen der heiligen Katharina und der heiligen Margareta seien, antwortet sie: ja, und daß sie von Gott kommen.
Gefragt, ob sie die Wahrheit sagen wolle über die Krone, von der vorher die Rede war, antwortet sie, sie habe in allem die Wahrheit gesagt, so gut sie konnte.
Des weiteren wurde sie daran erinnert, daß sie aufdem Gerüst vor den Richtern und dem Volk stand, als sie abschwor, das heißt beschworen wurde, die Wahrheit zu sagen und erklärt habe, sie hätte sich wahrheitswidrig gebrüstet, es seien die Stimmen der heiligen Katharina und der heiligen Margareta. Worauf sie antwortete, sie habe die Erscheinungen ihrer Stimmen niemals widerrufen wollen, das heißt, daß es die heilige Katharina und die heilige Margareta seien. Was sie darüber gesagt hat, habe sie aus Angst vor dem Feuer getan. Und wenn sie widerrufen hat, war es gegen die Wahrheit. Ferner sagt sie, daß sie ihre Buße lieber auf einmal tun, das heißt sterben will, als noch länger die Qual des Gefängnisses auszuhalten. Weiter sagt sie, daß sie nie etwas gegen Gott und gegen den Glauben getan hat, was immer man sie habe widerrufen heißen, und was in dem Schriftstück mit der Abschwörung enthalten war, habe sie gar nicht verstanden. Und sie habe nicht im Sinn gehabt, etwas zu widerrufen, es sei denn, es hätte Gott gefallen, daß sie widerrufe. Ferner sagt sie: wenn die Richter es wollen, wird sie wieder Frauenkleider anlegen. Im übrigen wird sie nichts anderes tun.

Am Dienstag, dem XXIX. Mai, ließen wir, (Hier nimmt das Manuskript von Orléans die direkte Rede auf wie das Protokoll von Courcelles. Das Urfé-Manuskript gibt einen weit detaillierteren Bericht.) Bischof von Beauvais, die Doktoren und anderen Kleriker in großer Zahl in der erzbischöflichen Hauskapelle zusammentreten. Und wir legten ihnen dar, wie besagte Jeanne abermals ermahnt wurde, auf den Weg der Wahrheit zurückzukehren, wie sie nach der Ermahnung vor dem Volk abgeschworen hatte, nie wieder rückfällig zu werden, und eigenhändig ein Schriftstück unterzeichnet hatte, und wie sie am folgenden Donnerstag nach dem Mittagessen, am Tag der Urteilsverkündung, vom Vikar und anderen liebevoll ermahnt worden war, auf ihrem guten Vorsatz zu beharren und sich vor einem Rückfall zu hüten. Doch auf Eingebung des Teufels habe sie abermals erzählt, die Stimmen, die ihr zu erscheinen pflegen, seien zu ihr gekommen, und sie habe die Frauenkleider abgelegt und wieder Männerkleider angezogen. Daraufhin wurden allen Anwesenden in jener Kapelle die Geständnisse und Behauptungen vorgelesen, die de am Ug vorher gemacht hatte; danach wurden die Beisitzer über das weitere Vorgehen gefragt; alle waren der Auffassung, (Der Abt von Fécamp, Berater des Königs von England, der als zweiter sprach, bestimmte das Votum der vierzig anderen Doktoren: er hält Johanna für rückfällig, das Wort Gottes solle ihr vorgelegt und das Schrifstück nochmals vorgelesen und erklärt werden; danach sollten die Herren Richter sie als Ketzerin erklären und der weltlichen Gerichtsbarkeit überlassen) daß sie als Ketzerin angesehen und der weltlichen Gerichtsbarkeit übergeben werden müsse, mit der Bitte, milder mit ihr zu verfahren, als sie es verdiene.

Verurteilung

Am Mittwoch, dem letzten Tag im Mai, dem letzten Prozeßtag, (Dies ist eine Zusammenfassung des lateinischen Protokolls. Das Urfé-Manuskript schließt mit dem Satz daß der Bischof das endgültige Urteil verkündete) wurde Jeanne von uns vorgeladen, um das Urteil zu hören und um acht Uhr morgens auf dem Altmarkt zu Rouen persönlich vor uns zu erscheinen, damit sie dort für rückfällig, ketzerisch und exkommuniziert erklärt werde ...
An diesem Tag, gegen neun Uhr morgens, ermahnten wir, der Bischof und die genannten Richter, die sich auf dem Altmarkt zu Rouen in der Nähe der Kirche Saint-Sauveur befanden, in Anwesenheit der Bischöfe von Thérouanne und Noyon sowie mehreren anderer Doktoren, Kleriker und Maght«, nach der Predigt (Des Magisters Nicolas Midi über das Thema: »Wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit ihm«, 1. Kor. 12,26) die anwesende Jeanne, sie möge um ihres Seelenheils willen ihre Missetaten bereuen und Buße tun auf den Rat zweier Predigerbrüder, (Isembard de la Pierre und Martin Ladvenu.) die bei ihr waren, um sie fortwährend zu belehren.
Anschließend kamen wir, der Bischof und der Vikar, aufgrund des Vorausgehenden, aus dem hervorgeht, daß besagte Jeanne verstockt in ihren Irrtümern verharrt und durch Bosheit und teuflische Verstocktheit fälschlich Zeichen von Buße und Reue gezeigt hat, daß sie den heiligen Namen Gottes eidbrüchig und frevelhaft gelästert hat, und daß sie, indem sie sich als unverbesserlich häretisch, in Ketzerei rückfällig und als im Glauben irrend erweist, jeder Barmherzigkeit unwürdig ist, zu dem endgültigen Urteil wie folgt: (Der Schreiber von Orléans hat es unvollständig aus dem lateinischen Protokoll übersetzt.) In nomine domini. Amen. Wir, Pierre, durch Gottes Barmherzigkeit demütiger Bischof von Beauvais, und unser Bruder Jean le Maistre, Vikar des Glaubensinquisitors, in dieser Sache zuständige Richter, haben dich, Jeanne, die Pucelle genannt, als in verschiedene Irrtümer und Verbrechen wie Schisma, Abgötterei, Teufelsbeschwörung und andere Untaten in gerechtem Urteil verfallen erklärt. Dajedoch die Kirche denen, die zu ihr zurückkehren wollen, nie ihre Arme verschließt, glaubten wir, du habest dich aufrichtigen Herzens und ungeheuchelten Glaubens von allen Irrtümern abgewendet. Du hattest öffentlich gelobt, geschworen und versprochen, nie mehr in diese Irrtümer noch sonst welche Ketzereien zurückzufallen, sondern in der katholischen Einheit und Gemeinschaft unserer Kirche und unseres heiligen Vaters, des Papstes, zu bleiben, so wie es in einem Schriftstück von deiner eigenen Hand enthalten ist. Dennoch bist du abermals rückfällig geworden, gleich dem Hund, der zu seinem Auswurf zurückkehrt, was wir mit großem Schmerz berichten. Aus diesem Grunde erklären wir, daß du dem Urteil der Exkommunikation verfallen bist, das du vorher auf dich gezogen hast, und daß du in deine früheren Irrtümer zurückgefallen bist. Daher erklären wir dich für ketzerisch. Mit diesem Urteil, das wir in gerichtlicher Sitzung in diesem Schriftstück vorlegen, verkünden wir, daß wir dich als faules Glied aus der Einheit der Kirche herausgerissen und ausgestoßen haben und dich der weltlichen Gerichtsbarkeit überlassen; die wir bitten, milde und menschlich mit dir zu verfahren, ohne Tötung und Verstümmelung der Glieder.« (Lateinisches Protokoll: »Und wenn Zeichen echter Reue sich bei dir zeigen, soll dir das Sakrament der Buße gespendet werden.«)

Nach dem Urteilsspruch zogen sich der Bischof, der Inquisitor und einige Richter zurück und ließen Jeanne auf dem Gerüst.

Hinrichtung

Daraufhin befahl der Amtmann von Rouen, ein Engländer, der sich hier aufhielt, ohne weiteren Prozeß und ohne Urteil gegen sie, sie zu dem Ort zu bringen, wo sie verbrannt werden sollte.

Das Fehlen eines weltlichen Urteils schockierte. Zwei Jahre später wurde ein anderer Ketzer von der Gerichtsbarkeit der Kirche dem weltlichen Arm übergeben. Ausdrücklich wurde dem Amtmann mitgeteilt, man solle nicht so verfahren wie mit der Pucelle, sondern ihn vor Gericht stellen und tun, wie die Gerechtigkeit rät, und nicht so schnell verfahren wie gegen die Pucelle, sondern mit Bedacht.

Als Jeanne diesen Befehl vernahm, begann sie so heftig zu schreien und zu klagen, daß sie das Volk und alle Anwesenden zu Tränen rührte. Und sogleich befahl besagter Amtmann, das Feuer anzuzünden. Was auch geschah. Und dort wurde sie verbrannt, jammervoll und unter großen Qualen, was eine furchtbare Grausamkeit war, darob mehrere, sowohl Vornehme wie Leute aus dem Volk, laut gegen die Engländer murrten.[17]