Die politische Ökonomie der Reproduktionsarbeit

Es ist, als inszeniere das Kapital ein Theaterstück mit dem Titel: >Der Arbeitstag<.

Der Vorhang geht auf, vor dem Fabriktor erscheint eine Gruppe Arbeiter, die bereit ist, sich für einen Tag gegen Lohn mieten zu lassen. Die Zuschauer/innen werden von der Handlung des Stücks so in Beschlag genommen, daß sie das, was sie vor sich sehen, als Wirklichkeit erleben. Dabei vergessen sie, daß die Darsteller nicht die einzigen Werkzeuge in dem Spielablauf sind. Hinter der Bühne gibt es eine Gruppe Theatersklaven (Hausfrauen), die diese Arbeiter — lange bevor der Vorhang aufging für ihre Arbeit gerüstet hat. Obwohl diese Sklaven nicht zu sehen sind und deswegen vergessen werden, sind sie doch unentbehrlich für die gesamte Produktion.« (Wally Secombe)

»Wer versichert schon seine Frau? Eigentlich verrückt, daß Frauen in Geld ausgedrückt >nichts wert< zu sein scheinen. Männer schon. Die haben nämlich im Gegensatz zu ihrer Frau und ihren Kindern eine Lebensversicherung, weil sie das Geld verdienen Aber (Haus)Frauen verdienen schließlich auch Geld Auch wenn sie nicht bezahlt werden. Eine Familienhilfe kostet im Monat immerhin fast 800 Gulden, wenn ... Ein Mann, der monatlich 1800 Gulden netto verdient, kann das nur schwerlich aufbringen, wenn er mit den Kindern allein zurückbleibt. Deshalb haben wir uns die besondere Herzdame-Police ausgedacht...« (Anzeige im Volkskrant 1974)

Aber die auffälligste Tatsache in dieser Diskussion ist, egal, wie hoch der wirtschaftliche Wert der Hausarbeitsindustrie auch sein mag, daß die Frauen diesen nicht erhalten. Die Frauen, die die meiste Arbeit machen, bekommen das wenigste Geld. Ihre Arbeit wird nicht als Faktor im wirtschaftlichen Tausch gesehen. Es wird davon ausgegangen, daß es sich um ihre Pflicht handelt, wenn Frauen diese Arbeit leisten: Ihr ökonomischer Status steht in keinem Verhältnis zu ihrer Arbeit im Haushalt, oder anders gesagt: in einem negativen.« (Charlotte Perkins Gilman, Women and Economics, 1898.)

Einleitung

»Ihr seid keine historische Kategorie« sagte einmal ein (männlicher) Marxist in höchster Wut zu mir. Er meinte damit, er sei dagegen, daß Frauen sich außerhalb der Arbeiterbewegung als Gruppe organisieren; denn er begriff nicht, was Frauen gemeinsam hatten — was außerdem genauso wichtig sein sollte wie die Verbindung der Lohnabhängigen miteinander. Das geschah vor ein paar Jahren, als die Frauenbewegung vom traditionellen marxistischen Lager als eine »Abweichung von der wahren Lehre«, ein Rückfall in bürgerliche Interessensvertretung oder sogar als Spaltpilz der linken Bewegung betrachtet wurde (und tatsächlich noch immer wird). Der Hauptwiderspruch innerhalb dieser Gesellschaft — so wurde wiederholt betont — ist der zwischen Lohnarbeit und Kapital. Und da Frauen als Gruppe weder unter die Kategorie Lohnarbeit noch unter die Kategorie Kapital fallen, muß angenommen werden, daß Frauen nichts miteinander verbindet und sie zur Klasse ihrer Männer und Väter gehören.
Nur proletarische Frauen werden unterdrückt, wurde gesagt, weil sie es als Bestandteil des Proletariats mit einer doppelten Ausbeutung zu tun haben: als Arbeiterinnen und als Frauen. Weil mit »Proletarier« meistens stillschweigend »lohnabhängig« gemeint war, schieden Hausfrauen in ihrer Analyse aus. In diese Vorannahme eingeschlossen war die Auffassung, die Familie sei eine Erscheinung des Überbaus und die von Hausfrauen geleistete Arbeit ohne Bedeutung für die direkte Produktion.[1]- Somit haben Hausfrauen keine ökonomische Funktion und besitzen als Gruppe keine politische Bedeutung für »den« Klassenkampf. Sexismus [2] sei eine ideologische Frage, und darüber regten sich nur bürgerliche Frauen auf.
Diese geradlinige Vorstellung hatte sogar innerhalb der niederländischen Frauengruppe »Dolle Mina« zur Folge, daß eine Untersuchung der Funktion von Hausfrauen auch in der Frauenbewegung jahrelang in den Hintergrund gerückt wurde[3]. Schon seit Jahren und auch jetzt noch wird uns ständig vorgehalten, nur einem Herrn dienen zu können: Entweder bist du Sozialistin, oder du bist Feministin. Wer nicht ausschließlich von den Klassenunterschieden, die die Frauen voneinander trennen, ausging, sondern auch nach den verbindenden Gemeinsamkeiten suchte, lenkte schnell den Verdacht auf sich, keine ernsthafte Marxistin zu sein. Und wer wagte so etwas schon Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre?
In diesem Artikel werde ich versuchen, einen Ansatzpunkt für die Neubestimmung der Stellung der Frau zu bieten. Dabei gehe ich von der Überzeugung aus, daß wir, um angemessene Perspektiven für die Befreiung der Frauen zu finden, von der Gesamtheit der Erfahrungen, die Frauen im kapitalistischen System machen, ausgehen müssen; wir können uns nicht a priori auf das beschränken, was offiziell als »bedeutend für den Klassenkampf etikettiert ist. Um die materielle Grundlage des Sexismus aufzudecken, müssen wir mehr tun, als die Lohnabhängigkeit der Frauen zu betrachten. Wir müssen auch die Arbeit einbeziehen, die Frauen in der Familie leisten, und betrachten, welchen Einfluß sie auf ihr Bewußtsein hat. In diesem Teil der Analyse soll die Betonung am stärksten auf die ökonomische Funktion der Reproduktionsarbeit gelegt werden, weil dort bislang die größte Lücke in der Theoriebildung klafft. Gleichzeitig wird hiermit eine »missing link« aufgezeigt zwischen den Strömungen, die von den ökonomischen Verhältnissen ausgehen: die sozialistischen, und den Strömungen, die von der Ungleichheit von Männern und Frauen ausgehen: die feministischen. Eine Analyse der Reproduktionsarbeit deutet darauf hin, daß ökonomische und ideologische Unterdrückung Hand in Hand gehen, daß in den Machtverhältnissen innerhalb der Familie sowohl die Unterordnung der Frauen unter die Männer als auch die Unterordnung beider unter das Kapital festgeschrieben ist. Sexismus hat eine ökonomische Grundlage. Im folgenden stelle ich zunächst kurz dar, wie innerhalb der klassischen marxistischen Analyse über Hausfrauen gedacht wird[4]. Ferner beschreibe ich anhand der wichtigsten Beiträge, wie die Diskussion über Hausarbeit begonnen hat. Danach folgt eine kurze Darstellung der konkreten Situation von Hausfrauen — und zwar deshalb, weil es scheint, daß nur wenige Menschen, sogar unter den Hausfrauen, eine gute Antwort auf die bekannten Sprüche wissen, etwa: »Hausfrauen arbeiten nicht, sie langweilen sich nur; Hausfrauen haben es heute ja soviel leichter als früher.« Anschließend gehe ich ausführlicher auf die theoretischen Probleme bei der Bestimmung von Reproduktionsarbeit ein: die Wiederherstellung von Arbeitskraft, die Verbindung von Lohn und Lebensstandard, die Funktion, die Reproduktionsarbeit für das Kapital besitzt, Hausarbeit als wirtschaftlicher Puffer, die Lohnform und die Machtverhältnisse innerhalb der Familie, die Reproduktion der Arbeitskraft als sowohl ideologische als auch materielle Angelegenheit, das politische Bewußtsein von Hausfrauen. Ferner betrachte ich die Wechselwirkung zwischen der Stellung von Frauen im Arbeitsleben und ihrer Funktion im Haushalt. Ich fasse die verschiedenen Interessen des Kapitals an der Beibehaltung der Position der Frauen und der Kernfamilie zusammen und untersuche, inwieweit diese Interessen widersprüchlich sind. In den Schlußfolgerungen zeige ich auf, in welches Dilemma die Frauenbewegung beim Kampf um die Befreiung der Frau gerät und was es mit dem Verhältnis Feminismus/Klassenkampf auf sich hat. In England ist die Diskussion über Hausarbeit bereits in vollem Gang. Dort haben die marxistischen Zeitschriften als erste feministische Artikel veröffentlicht, u.a. »Monthly Review«, »Lew Left Review« und »Our Generation«. In den Vereinigten Staaten sind es »Socialist Revolution« und »Radical America«. Das Schwierige daran, über Hausarbeit zu schreiben, während gleichzeitig noch heftig darüber diskutiert wird, ist, daß es schnell veraltet sein wird. Doch statt auf eine »definitive« Analyse zu warten, versuche ich, Material zur Verfügung zu stellen, um die in den Niederlanden schon lange anstehende Diskussion in Gang zu bringen. Vieles von diesem Diskussionsmaterial habe ich meinen Schwestern von der Londoner Gruppe »Political Economy of Women« zu verdanken. Der Text ist obendrein das Arbeitsergebnis der Landesarbeitsgruppe Feminismus Sozialismus[5].

1. Marxisten über Hausfrauen

Die Vorstellungen über die Position von Frauen, so wie sie zur Zeit innerhalb der linken Bewegung kursieren, sind leicht als das Erbe von Marx und vor allem Engels und den marxistischen Vorkämpfer/inne/n der daran anschließenden Frauenbewegung: Bebel, Zetkin und später Alexandra Kollontai, wiederzuerkennen (wobei gerade letzterer in den vergangenen Jahren wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt wurde, nachdem ihre radikalen Ideen über Sex und Liebe in der Sowjetunion so gut wie möglich unterschlagen worden waren). Es war hauptsächlich Engels, der die Theorie ausarbeitete, daß die Unterdrückung der Frauen eine inhärente Eigenschaft des kapitalistischen Systems ist, wenn auch die Herrschaft der Männer über die Frauen, das Patriarchat, schon lange vorher bestand. Engels sagt in »Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates": »Die Befreiung der Frau wird erst möglich, sobald diese auf großem, gesellschaftlichem Maßstab an der Produktion sich beteiligen kann und die häusliche Arbeit sie nur noch in unbedeutendem Maß in Anspruch nimmt. Und dies ist erst möglich geworden durch die moderne große Industrie, die nicht nur Frauenarbeit auf großer Stufenleiter zuläßt, sondern förmlich nach ihr verlangt, und die auch die private Hausarbeit mehr und mehr in eine öffentliche Industrie aufzulösen strebt.«[6] Die erste historisch-materialistische Betrachtung der Stellung der Frau wurde in einer Zeit entwickelt, als die Familie, so wie sie damals bestand, ins Wanken geriet. Die direkte Produktion von Lebensmitteln verschwand mit der Zeit immer mehr aus der Familie und wurde von der Industrie übernommen. Die Männer waren gezwungen, als Lohnabhängige zu arbeiten, Frauen und Kinder häufig auch, weil der Lohn des Mannes nicht ausreichte, um die Familie am Leben zu erhalten. Engels glaubte, daß in dem Maße, in dem die Produktion weiter aus der Familie verschwände und auch die Frauen notgedrungen häufiger als Lohnabhängige arbeiten müßten, die noch verbleibende Hausarbeit: Kinderversorgung, Erziehung, die Schaffung einer lebenswerten Umgebung, immer mehr in öffentliche Hände übergeben werde, bis einer sozialistischen Umwälzung zufolge die Vergesellschaftung sowohl von Produktion als auch von Reproduktionsarbeit ihren Höhepunkt in einem Netzwerk öffentlich-kollektiver Einrichtungen, Kinderkrippen, Eßsäle, Wäschereien etc. fände. Bei einer solchen Betrachtungsweise ist es natürlich nicht notwendig, sich lange mit der Funktion von Hausarbeit im kapitalistischen System aufzuhalten; es ging darum, den unaufhaltsamen Prozeß dadurch zu beschleunigen, daß so viele Frauen wie möglich in den Produktionsprozeß eintraten. In der proletarischen Frauenbewegung blieb der Wahlspruch »Frauen in den Lohndienst, um daraus ein revolutionäres Potential zu entwickeln« unverändert bestehen. August Bebel beschreibt, wie der Aufgabenbereich von Hausfrauen immer kleiner wird und sie mit der Zeit immer mehr gezwungen sind, außerhalb des Hauses zu arbeiten. Er betrachtet dies auch als eine Bedingung für die Teilnahme der Frauen am öffentlichen Leben und als erste Phase eines Beitrags der Frauen zu einer sozialistischen Gesellschaft.[7] Kollontai prophezeit, daß Gleichheit zwischen Männern und Frauen von selbst wachsen wird — und zwar in dem Maße, in dem die familiären Aufgaben der Frauen immer weniger notwendig für den Fortbestand der Art sind und die Industrie stets mehr Aufgaben übernimmt, um schließlich einem sozialistischen Staat überantwortet zu werden.[8] Auch Clara Zetkin sieht in dem Eintritt der Frauen in den Produktionsprozeß mit der notwendigerweise daraus hervorgehenden weiteren Vergesellschaftung der restlichen Aufgaben im Haushalt die erste Bedingung für die Befreiung der Frauen.[9]
Seit Engels ist tatsächlich keine essentiell neue Sichtweise der Stellung der Frau von marxistischer Seite entwickelt worden. Die Frage, wie Hausarbeit in öffentlich.e Arbeit übergehen soll, wurde nie beantwortet. Die Frage, welche Rolle die Männer bei dieser Umwandlung zu spielen hätten, wurde sogar nicht einmal gestellt. Emanzipation der Frauen wurde am Anteil der Frauen an der Produktion gemessen, nicht am Anteil der Männer an der Reproduktion in Erwartung ihrer Vergesellschaftung. Soweit in linken Gruppen überhaupt über Frauen nachgedacht wird, gilt immer noch: Nur Frauen in Lohnabhängigkeit besitzen ein revolutionäres Potential, und die Ungleichheit von Männern und Frauen wird erst in der sozialistischen Gesellschaft vollständig aufgehoben werden können. Die Strategie für die Frauenemanzipation, sofern davon überhaupt die Rede ist, lautet dann auch meistens: Aufnahme von Frauen in die Produktion; Organisierung von Frauen in Zusammenhang mit ihrer Lohnabhängigkeit; nicht lohnabhängig arbeitende Frauen müssen weiterhin dem Klassenkampf auf andere Weise dienen, indem sie Streiks unterstützen usw. Die Familie wird dabei vornehmlich als Überbauerscheinung gesehen, als Ort, an dem die Überbleibsel der alten Aufgaben der Familie ausgeführt werden: Kinderaufzucht, Konsumtion.[10] Inzwischen ist jedoch wohl deutlich geworden, daß zwischen der Aufnahme von Frauen in den Produktionsprozeß und dem Verschwinden von Hausarbeit keine so geradlinige Verbindung besteht. Am deutlichsten sichtbar ist dies in der Sowjetunion, wo ja 90% der Frauen Lohnarbeit verrichten, ihre Aufgabe daneben als Hausfrau aber merkwürdig viel Ähnlichkeit mit der von Hausfrauen im kapitalistischen System hat. Und auch in allen westlichen kapitalistischen Ländern sieht es so aus, daß Berufstätigkeit von Frauen in erster Linie eine doppelte Aufgabe im Alltag bedeutet. Die Schablone von der Frau als Hausfrau bleibt sogar dort weiter bestehen, wo sowohl Mann als auch Frau einen Beruf ausüben.[11] Obwohl sich Hausarbeit in vielen Punkten verändert hat, bedeutet dies noch nicht, daß Hausfrauen weniger hart arbeiten müssen als früher. Die Organisation des Haushalts ist wenig verändert und damit auch die Möglichkeit für Frauen, ihre Hausarbeit so einzuteilen, daß sie für andere Arbeit wirklich freigestellt sind. Die Reproduktion der Arbeitskraft ist obwohl ein Großteil davon in Form von Unterricht vom Staat übernommen wird nicht einfacher geworden (u.a. dadurch, daß an Arbeiter höhere Anforderungen hinsichtlich des Arbeitstempos und der Ausbildung gestellt werden, was sich auf die Hausarbeit auswirkt). Kurz, es gibt noch kein einziges Anzeichen dafür, daß Frauen nur noch in unbedeutendem Maße von Hausarbeit in Beschlag genommen werden, weil ihre Arbeit nahezu vollständig vom öffentlichen Sektor übernommen wurde, so wie Engels dies erwartete. Und solange  das Kapital wenig Interesse an der Vergesellschaftung von Hausarbeit hat, haben wir wenig Grund anzunehmen, daß so etwas überhaupt geschieht. Die Frage lautet nun: Ist die Familie wirklich nur eine Erscheinung des Überbaus; warum besteht sie immer noch; welche Funktion hat Hausarbeit, was bedeutet dies für die Strategie der Frauenbewegung und schließlich für die Strategie zur Veränderung der kapitalistischen Gesellschaft?

2. Das Interesse an Hausfrauen seitens des Feminismus

Die Entstehung der neuen Frauenbewegung ist unter anderem dem gescheiterten Bemühen der Linken um eine für Frauen relevante Analyse zu verdanken.

»Bis jetzt hat noch keine politische Bewegung eine politische Analyse entwickelt, die speziell für uns Frauen von Bedeutung ist. Ich kann nur vermuten, daß dies so ist, weil die Methode zur Erstellung einer Analyse, bei der in abstrakten Begriffen über andere Menschen geredet wird, immer die analysierten Menschen, welche von den Analysierenden unterdrückt werden, ausschließen wird.«[12]

Bei beinahe jedem innerhalb der linken Bewegung existierte ein merkwürdiger Widerstand dagegen, die eigene Einstellung gegenüber Frauen zu untersuchen; die konkreten Lebensumstände standen nicht zur Diskussion. Es bestand eine scharfe Trennung zwischen dem Politischen (Arbeiter, Produktion, Klassenkampf) und dem Persönlichen (Familie, Beziehungen, Frauenarbeit außerhalb von Lohnzusammenhängen). Innerhalb dieser Sphäre konnte die Stellung der Frauen, die zum größten Teil von vornherein außerhalb der gängigen Klassenanalyse stand, nicht zur Sprache kommen. Es waren nicht in erster Linie politische Meinungsverschiedenheiten, die so viele Frauen dazu brachten, die linke Bewegung zu verlassen oder sich ihr nicht anzuschließen oder neben ihrer Beteiligung an linken Gruppen ihr Heil in Frauengruppen zu suchen. Es war an erster Stelle die Erfahrung, daß Frauen innerhalb der Bewegung die gleichen Rollen zugeteilt bekamen wie außerhalb, sie sollten tippen und Kaffee kochen, Spannungen auffangen, die Führung unterstützen. Aber im Nachhinein schienen es doch politische Meinungsverschiedenheiten zu sein, denn die Trennung von »Politischem« und »Persönlichem« ging einher mit dem Gegensatz zwischen der Funktion von Männern (Lohnarbeit) und der von Frauen (Reproduktionsarbeit). Weil auf der einen Seite nur die Arbeit, die in direktem Zusammenhang mit der Produktion stand, als politisch relevant betrachtet, auf der anderen Seite die Arbeit, die Frauen leisteten: auffangen, versorgen, Spannungen absorbieren, nicht als Arbeit definiert wurde, war es innerhalb der linken Bewegung auch unmöglich, Konflikte zwischen Männern und Frauen nicht als Privatangelegenheiten, individuelle Schwierigkeiten, sondern anders zu interpretieren. Erst in der Frauenbewegung entdeckten wir, daß die Trennung zwischen dem Persönlichen und dem Politischen, wie sie auch in den linken Gruppen sichtbar war, mit der unter dem Einfluß des Kapitalismus entstandenen Spaltung von Produktion (politisch) und Reproduktion (persönlich) zusammenhängt. 1963 schrieb Betty Friedan ihr Buch »Der Weiblichkeitswahn«,[13] eine Beschreibung des »Problems ohne Namen« der Hausfrauen, das vage Unzufriedenheitsgefühl von Frauen, das farblose Dasein ohne Perspektive, die psychosomatischen Beschwerden, die Flucht in Tagträume, Alkohol und Tabletten. Das Buch fand gewaltigen Anklang, und obwohl Friedan's Beschreibung sich auf Mittelschichtsfrauen amerikanischer Vorstädte und luxuriöser Außenbezirke beschränkt, reichte ihr Einfluß weit darüber hinaus. Die darauf folgenden Jahre wurden vor allem auf die Beschreibung der Unterdrückung von Frauen, der ungleichen familiären Rollenverteilung, der Art, wie Frauen im Beruf behandelt wurden, der Doppelmoral und auf alle Formen von Sexismus verwandt. Die Frauen, die gemeinsam die ersten Grundsteine der neuen Frauenbewegung legten, suchten nach sämtlichen Hinweisen in ihrem Gefühl von Unterdrückung und später, vor allem in der in den Niederlanden sich langsam herausbildenden feministisch-sozialistischen Bewegung, nach deren entsprechenden ökonomischen Grundlagen. Bevor die materielle Analyse der Hausfrauenfunktion geleistet werden konnte, mußte zunächst die Überzeugung heranwachsen, daß tatsächlich von einer Unterdrückung der Frauen aufgrund ihres Frau-Seins gesprochen werden konnte, und dafür war es notwendig, die Isolation der Frauen untereinander zu durchbrechen.

3. Die Fäden laufen zusammen
Die erste feministisch marxistische Analyse

Der wichtigste Versuch, die materielle Basis der Unterdrückung von Frauen zu untersuchen, wurde zu Beginn der siebziger Jahre von Margaret Benston in ihrem Artikel »Thepolitical economy of women's liberation« unternommen.[14]
Sie machte als erste deutlich, daß die Familie nicht nur eine Konsumeinheit ist, sondern gleichzeitig immer noch eine Produktionseinheit. Die Frauen werden also nicht etwa unterdrückt, weil sie überflüssig sind, weil ihre Arbeit nebensächlich ist, sondern weil ihre Arbeit auf ganz spezifische Art innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise nicht 43 nur dem Kapital, sondern auch der Lohnarbeit untergeordnet ist. Es wurde schon eher ein Versuch unternommen, die Stellung der Frau sowohl von einem radikal-feministischen als auch von einem sozialistischen Standpunkt aus zu betrachten und eine Synthese zu finden. Juliet Mitchell schrieb den Artikel »The longest revolution«[15], welcher die Grundlage für ihr späteres Buch »Woman's Estate«[16] war, in welchem sie die Stellung der Frau ausgehend von den einander beeinflussenden Strukturen: Produktion, Reproduktion, Sexualität und Sozialisation, analysiert. Aber viel mehr als diese Strukturen nebeneinander zu stellen und sie losgelöst voneinander zu beschreiben, leistet sie nicht. Sie erkennt sehr wohl die unterdrückerische Seite der Aufgabe von Frauen in der Familie, die ungleiche Rollenverteilung, die ständige Versorgung der Kinder, aber als den Kern der Unterdrückung von Frauen betrachtet sie ihr Ausgeschlossen-Sein von der Produktion. Zu Hause sind Frauen eigentlich überflüssig, sagt sie, und eben diese Randbedeutung behindere ihre Emanzipation. Auf die Frage, woher es denn kommt, daß die Position von Frauen zu einem sehr großen Teil durch eine Aufgabe beschränkt wird, die eigentlich schon überflüssig sein müßte, geht Mitchell noch nicht ein. Benston geht in ihrem Artikel viel weiter. Sie definiert Frauen aufgrund der Arbeit, die sie verrichten, statt ihre Diskriminierung nur der Tatsache zuzuschreiben, daß bestimmte Arbeit nicht von ihnen verrichtet wird. Sie kritisiert Mitchell: Hausarbeit ist nicht nebensächlich für die Gesamtwirtschaft, die Arbeit von Frauen ist verschieden von der der Männer, ist jedoch keine Lohnarbeit und zählt daher nicht.

»Rein quantitativ betrachtet, stellt Hausarbeit, die Versorgung der Kinder eingeschlossen, eine kolossale Menge gesellschaftlich notwendiger Produktion dar. Nichtsdestoweniger wird sie in einer Gesellschaft, die auf Warenproduktion basiert, gewöhnlich nicht als echte Arbeit betrachtet, weil sie außerhalb von Handel und Markt rangiert. Sie ist im wahren Sinne des Wortes präkapitalistisch. Diese Festsetzung von Hausarbeit als Aufgabe der besonderen Klasse Frauen weist darauf hin, daß diese Gruppe tatsächlich in einem anderen Verhältnis zur Produktion steht als die Gruppe Männer. Wir wollen Frauen nun vorläufig als jene Gruppe von Menschen definieren, die für die Produktion von einfachen Gebrauchswerten verantwortlich ist, die Verrichtungen im Zusammenhang mit Haus und Familie ausführt.«[17]

Benston vergleicht Hausarbeit mit bäuerlicher Arbeit, einer Produktionsform, die bereits vor Entstehung des Kapitalismus vorzufinden war und innerhalb dieses Systems bestehen blieb. Die Hausfrau ist für die Herstellung von Dingen des täglichen Gebrauchs ihrer Familie verantwortlich — eine Aufgabe, die noch keineswegs von der Industrie übernommen worden ist. Hodee Edwards geht in ihrem Artikel »Housework and exploitation«[18] noch weiter. Wenn ein Mann für eine Arbeit eingestellt wird, lautet ihre Ausführung, dann ist seine Arbeitskraft, die er verkauft, eine Ware, die er wohl besitzt, aber nicht produziert hat. Es ist die Hausfrau, auf deren Rechnung die Herstellung der Ware Arbeitskraft geht, ohne daß sie dafür einen Lohn empfängt. Unter anderen Umständen, sagt Edwards, würden wir dies Sklaverei nennen. Es ist ein Anachronismus, eine Form der Produktion, die aus der Zeit vor der Entstehung des Kapitalismus übrig geblieben ist. Es besteht daher nicht nur ein Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit, es besteht auch ein Widerspruch zwischen Lohnarbeit und der präkapitalistischen Sklavenarbeit von Hausfrauen. In »The main Enemy«[19] folgt Christine Delphy demselben Gedankengang. Der Lebensstandard einer Frau hängt nicht von ihrer Beziehung zur Produktion ab, sondern von der Beziehung, die sie als Sklavin zu ihrem Mann hat.

»Es ist offensichtlich genauso richtig anzunehmen, daß die Frau eines Bourgeois selbst bürgerlich ist, wie anzunehmen, daß der Sklave eines Plantagenbesitzers selbst ein Plantagenbesitzer ist.«[20]

Benston, Delphy und Edwards erscheint die Stellung der Frau noch am ehesten der von Leibeigenen ähnlich, eine Klasse, die aus einer anderen historischen Periode stammt. Eine Anzahl von Kennzeichen stimmt ihrer Bedeutung gemäß sehr stark überein; innerhalb dieses kapitalistischen Systems erkennen wir Reste patriarchalischer Besitzverhältnisse, nach denen Frauen das Eigentum ihres Mannes sind (z.B. in der Gesetzgebung: juristisch gesehen, kann ein Mann seine eigene Frau nicht vergewaltigen, weil er nicht stehlen kann, was schon sein Eigentum ist; Frauen sind verpflichtet, ihrem Ehemann zu folgen, wenn er seinen Wohnsitz anderswohin verlegt). Die Vorstellung, daß die Frau Eigentum des Mannes ist, scheint auch in unverdächtigen Kreisen unausgesprochen zu bestehen. So schreibt Marx:

»Aber jetzt kauft das Kapital Unmündige oder Halbmündige. Der Arbeiter verkaufte früher seine eigne Arbeitskraft, worüber er als formell freie Person verfügte. Er verkauft jetzt Weib und Kind. Er wird Sklavenhändler.«[21]

Und Sozialisten nach ihm übernehmen dies kritiklos, wie beispielsweise Abendroth, der in seinem Buch »Sozialgeschichte der europäischen Arbeiterbewegung« sagt: »Der geringe Bildungsstand der Arbeiter in dieser ersten Industrialisierungsphase, ihre moralische Erniedrigung durch den Zwang, zur Erhaltung des eigenen Lebens nicht nur die eigene Arbeitskraft, sondern auch die ihrer Frauen 45 und Kinder zu ständig sinkenden Preisen zu verkaufen ...«[22] Mickey und John Rowntree kritisieren die Position von Benston in ihrem Artikel »More on the political economy of women's liberation«.[23] Die Stellung der Frauen hat sich seit dem zweiten Weltkrieg so verändert, daß es falsch ist, ihre Unterdrückung nur ihrer Existenz als Hausfrau zuzuschreiben, denn es sind schon zu viele Frauen neben ihrer Aufgabe in der Familie erwerbstätig, und die Zahl verheirateter erwerbstätiger Frauen wird wahrscheinlich noch ansteigen. Scheinbar ist das Kapital nicht nur an der Aufrechterhaltung der Familie und der kostenlosen Hausarbeit von Frauen interessiert, sonst würde der Bestand der Familie nicht aufs Spiel gesetzt werden, indem Frauen in großem Maßstab in den Produktionsprozeß eingegliedert werden. Diese noch sehr grobe Analyse der ersten Frauen, die versuchten, die materielle Basis der Unterdrückung von Frauen zu erkennen, kann noch stärker kritisiert werden. Augenscheinlich ähnelt Hausarbeit tatsächlich sehr stark der bäuerlichen Arbeit; es ist Produktion für den eigenen Lebensbedarf. Aber gerade weil die bäuerliche Produktionsweise eine präkapitalistische Erscheinung ist, wird sie immer mehr verschwinden. Statt für den eigenen Bedarf zu produzieren, werden Bauern als Lohnabhängige in landwirtschaftlichen Betrieben arbeiten. Zur Zeit besteht kein Grund anzunehmen, daß Hausarbeit verschwinden wird. Der größte Teil der Frauen ist immer noch Hausfrau und wendet im Durchschnitt sechzig bis siebzig Arbeitsstunden pro Woche für ihre Arbeit auf. Der größte Teil der sichtbaren Produktion ist bereits seit langem von der Industrie, eine Anzahl von Aufgaben (wie das Gesundheitsund Unterrichtswesen) sind vom Staat übernommen worden. Hausarbeit besitzt nun andere Inhalte als vor der Entstehung des Kapitalismus: Erst wenn die Trennung zwischen Produktion und Reproduktion weit fortgeschritten ist, kann der Begriff Hausfrau als solcher gebraucht werden. Wird Hausarbeit als eine präkapitalistische Erscheinung bezeichnet, impliziert dieses, daß sie sich genauso wie die bäuerliche Arbeit verändert. Hausfrauen stellen vorerst noch keine aussterbende Gattung dar, und sei es nur deshalb, weil viele Aufgaben, die im Moment von Frauen verrichtet werden, so arbeitsintensiv und deshalb so kostspielig würden, wenn gegen Bezahlung verrichtet, daß wenig Hoffnung besteht, dies werde so einfach geschehen.[24] Eine zweite Sichtweise, die im Anfangsstadium der Suche nach dem Zusammenhang zwischen Hausarbeit und dem kapitalistischen System entwickelt wurde, ist die von Mariarosa Dalla Costa und Selma James.[25]
Sie gehen davon aus, daß Hausfrauen im marxistischen Sinn des Wortes produktiv sind. Hausfrauen stellen die wichtigste Ware her, die für die Fortsetzung der Produktion notwendig ist: Sie produzieren den Arbeiter selbst. Hausfrauen sind unbezahlte Arbeiterinnen innerhalb des Proletariats, die sowohl von ihren Ehemännern als auch vom Kapital ausgebeutet werden. Die Strategie der Frauenbewegung muß daher auch lauten: streiken, keine Hausarbeit mehr leisten, bis Frauen für die Arbeit, die sie verrichten, genauso bezahlt werden wie Männer. In nachfolgenden Analysen, etwa Secombe, Gardiner, Himmelweit und Vogel,[26] um hier einige zu nennen, werden James und Dalla Costa widerlegt. Dabei wird deutlich, daß sie zwei Dinge durcheinanderbringen: die Definition von produktiv als »nützlich« und die streng marxistische Definition von produktiv als »Schaffung von Mehrwert«. Hausarbeit fällt nicht unter diese letzte Definition, weil die Hausfrau sich mit ihrer Arbeitskraft nicht in Lohnabhängigkeit begibt. Dies ist nicht nur wichtig für marxistische Scharfmacher. Gerade die Tatsache, daß das Kapital der Hausarbeit keinen Mehrwert entziehen kann, bestimmt die Art und Weise, in der diese organisiert ist. Hausarbeit ist notwendig, um den Produktionsprozeß fortzusetzen, aber solange Hausfrauen in der Lage sind, die Wiederherstellung der Arbeitskraft täglich und generationenweise fortzusetzen, ist dem Kapitalisten gleichgültig, wie viele Arbeitsstunden sie darauf verwendet, ob sie effizient arbeitet, ob sie gute Hilfsmittel dafür zur Verfügung hat. Dies ist ein wichtiger Grund, weshalb die Vergesellschaftung von Hausarbeit so sehr hinter die der produktiven Arbeit zurückgeblieben ist. Die ersten Versuche einer politökonomischen Definition von Hausarbeit scheiterten an der Tatsache, daß Vergleiche gezogen werden mußten, um deutlich zu machen, daß Hausarbeit Arbeit ist, die sehr wohl eine starke ökonomische Funktion hat; aber die gebräuchlichen Begriffe reichten für eine deutliche Definition nicht aus. In späteren differenzierteren Analysen beginnt sich dann auch langsam die Annahme durchzusetzen, daß Hausarbeit eine spezielle ökonomische Kategorie darstellt, die weder in Begriffen von produktiv und unproduktiv zu fassen noch als eine präkapitalistische Erscheinung zu erklären ist.

4. Das Hausfrauendasein

85% bis 90% der Frauen sind Hausfrauen,[27] das heißt, sie sind für die Versorgung von Mann und/oder Kindern und/oder anderer Familienmitglieder verantwortlich, ohne dafür einen Lohn zu bekommen. Die restlichen Frauen, die keine Hausfrauen sind, können es immerhin werden, weil sie vielleicht später noch heiraten oder ihnen später in ihrem Leben die Verantwortung für die Versorgung der Eltern oder anderer Familienmitglieder übertragen werden kann, selbst wenn sie berufstätig sind. Nur ein Drittel der Frauen in den Niederlanden ist neben ihrer Arbeit im Haushalt lohnabhängig. Es ist daher nicht übertrieben zu behaupten, daß Frauen an erster Stelle durch ihr Hausfrauendasein bestimmt werden.[28] Wir sagen häufig, daß es die Hausfrau von heute sehr viel einfacher hat als die Frauen früherer Generationen. Es gibt so viele Arbeiten, die sie nicht mehr zu tun braucht: Seife kochen, Kerzen machen, spinnen, weben, Brot backen, Gemüse einkochen usw. Die Familien verfügen über moderne elektrische Geräte: die kleinen Produktionsmittel für den eigenen Lebensunterhalt, Waschmaschinen, elektrische Kaffeemühlen, Gefrierschränke. Recht allgemein wird unterstellt, daß Hausfrauen wenig zu tun haben, sie werden vor allem als »Konsumenten« betrachtet, sie »arbeiten« nicht, sie werden von ihrem Mann »unterhalten«. »Nicht zu arbeiten«, nimmt allerdings eine schrecklich lange Arbeitswoche in Beschlag. In beinahe allen Untersuchungen beträgt die Arbeitswoche von Hausfrauen zwischen 50 und 100 Stunden.[29] Die durchschnittliche Arbeitswoche britischer Hausfrauen mit einem oder mehreren kleinen Kindern wird in einer Untersuchung von Ann Oakley mit 77 Stunden pro Woche beziffert, das sind 7 Stunden mehr als vor 15 Jahren.[30]
Es ist natürlich schwierig, strenge Kriterien dafür anzulegen, was wir genau unter Arbeit zu verstehen haben, weil eine Hausfrau keine festgelegte Aufgabe von ihrem Vorgesetzten zugeteilt bekommt. Man kann darüber streiten, ob unter dem Flicken von Kleidern während des Fernsehens oder dem Mitnehmen von Kindern während eines Besuchs auch Arbeit zu verstehen ist. Die Tatsache, daß die Arbeitswoche von Frauen trotzdem lang ist, hängt mehr von der Art und Weise ab, in der Hausarbeit organisiert ist, als von der Arbeit selbst. Essen zu kochen, ist einfacher als früher, aber es muß immer noch zwei- oder dreimal pro Tag geschehen. Eine Kaffeemaschine vereinfacht das Kaffeekochen, aber das ändert nichts daran, daß es trotzdem mehrere Male pro Tag getan werden muß. Waschmaschinen erledigen die Arbeit, die früher mit der Hand gemacht werden mußte. Aber die Wäsche muß eigenhändig in die Maschine gesteckt und herausgeholt werden, wann immer saubere Kleidung nötig ist. Solange Hausarbeit auf individueller Basis geschieht, wird jede Hausfrau stets von neuem, isoliert von den anderen Hausfrauen, dieselben Aufgaben ausführen. Die Arbeit ist weniger schwer, aber Hausfrauen können nie mehr als einen Tag im voraus arbeiten, sie 48 müssen dort sein, beim Frühstück, wenn der Milchmann vorbeifährt, wenn die Kinder aus der Schule kommen, wenn gegessen werden muß. Die modernen Geräte, die die Arbeit im Haushalt einfacher machen, werden noch immer für den individuellen Gebrauch hergestellt (und nicht zuletzt, um einen großen Absatzmarkt zu sichern; statt Wäschereien einzurichten, bekommt jede Familie ihre eigene Waschmaschine). Aus der Untersuchung von Ann Oakley geht auch hervor, daß Hausfrauen durch den gespaltenen Charakter ihres Daseins wenig motiviert sind, effizienter zu arbeiten, sogar dort, wo sie es könnten. (Wenn eine Frau im Lohndienst arbeitet, muß sie ihren Haushalt schon so planen, daß er in den Stunden vor und nach ihrer Arbeitszeit und am Wochenende erledigt werden kann.) Viele Hausfrauen gehen beispielsweise jeden Tag einkaufen, obwohl dies eigentlich nur alle paar Tage notwendig wäre. Der Grund ist, daß Einkaufen eine der wenigen Aufgaben ist, bei der eine Hausfrau andere Menschen zu Gesicht bekommt, und es ist eine der weniger langweiligen Aufgaben. (Die dann auch am ehesten von Männern übernommen wird.) Hausarbeit verursacht ganz spezielle Krankheitserscheinungen. Sehr viele Hausfrauen leiden unter chronischer Erschöpfung, nicht weil sie bestimmte Muskeln überanstrengen, so wie dies in einigen Berufen vorkommt, sondern weil sie ständig mit allem Möglichen beschäftigt sind, aber niemals wirklich in Anspruch genommen werden von dem, was sie tun.[31] Eine andere Ursache der Erschöpfung ist, daß die Umgebung niemals wechselt. Hausfrauen haben das Gefühl, niemals fertig zu sein. Es gibt immer noch etwas, das getan werden muß. Und kein Arbeitgeber sagt, daß es genug ist. Das bißchen Zeit, das durch schnelleres Arbeiten ab und zu eingespart werden kann, läßt sich kaum zu etwas Produktivem oder Kreativem nutzen sei es auch nur deshalb, weil Hausfrauen durch ihre Isolation niemals dazu angeregt werden, etwas zu tun. Diese Erscheinung des Zeitfüllens (»housewifery expand toflll the time available«) beschrieb Betty Friedan so, daß alle Zeit, die Hausfrauen haben, von kleinen Aufgaben aufgesaugt wird. Eine häufige Schwierigkeit von Hausfrauen besteht darin, am Ende des Tages von dem ständigen Beschäftigtsein todmüde zu sein, aber nicht mehr zu wissen, was sie getan haben. Hausarbeit liefert selten sichtbare Produkte. Saubere Fußböden sind nach einer Stunde wieder schmutzig, Mahlzeiten in einer halben Stunde verschwunden, saubere Kleidung spätestens nach einem Tag wieder schmuddelig. Vieles von dem, was Hausfrauen leisten, wird erst sichtbar, wenn es nicht getan wird. Die Behauptung: Hausfrauen langweilen sich, was wahrscheinlich nur für Frauen ohne Beruf und ohne Kinder, in modernen Wohnungen, vielleicht mit eigener Putzfrau gilt, ist ein Euphemismus für eine ganz andere Erscheinung: die spezielle Form der Entfremdung, die zum Hausfrauendasein gehört; die unsichtbare Arbeit, die trotzdem getan werden muß, und für die sie nichts zurückbekommt, keine Produkte, keinen Lohn, keine Beförderung und selten die ewige Dankbarkeit von Mann und Kindern.[32] Worin der Unterschied zwischen der Arbeit einer Hausfrau und der eines Lohnarbeiters besteht, wird deutlich, wenn wir sie nebeneinanderstellen. Der Lohnarbeiter verkauft seine Ware Arbeitskraft für einen bestimmten Zeitraum im Tausch gegen Lohn, der in Geld ausbezahlt wird. Der Rest der Zeit gehört ihm selbst, und es besteht eine scharfe Trennung zwischen Arbeit und Freizeit.[33]
Sein Lohn wird für die Beschaffung von Waren benötigt, die außerhalb seiner Arbeit konsumiert werden. Unter emotionalen und physischen Aspekten sind Produktion und Konsum für ihn zwei ganz verschiedene Aktivitäten. Für einen Lohnarbeiter ist sein Zuhause der Ort, an dem er nicht zu arbeiten braucht, wo er sein eigener Herr ist. Für die Hausfrau ist das Haus der Arbeitsplatz, sie geht in ihrer Freizeit nirgendwo anders hin, für sie besteht keine scharfe Trennung zwischen eigener Zeit und Arbeit, weder in Ort noch in Zeit. Sie bekommt keinen Lohn für ihre Arbeit und niemand außer ihr selbst hat ein Interesse daran, wieviel Zeit sie in die Erfüllung ihrer Aufgaben investiert, sie müssen nur erledigt werden. Sie steht nicht unter direkter kapitalistischer Kontrolle, um ihre Produktivität pro Stunde zu erhöhen. Alle Hausfrauen erledigen losgelöst voneinander ungefähr dieselbe Arbeit, sie arbeiten nicht zusammen. Lohnarbeiter sind spezialisiert, und sie sind es gewohnt, kollektiv zu arbeiten. Hausfrauen erleben ihre Arbeit als monoton, einseitig, langweilig, einsam. Obwohl wenige Hausfrauen zugeben werden, unglücklich zu sein, zeigt sich, daß der größte Teil von ihnen mit dieser Arbeit unzufrieden ist.[34] Das Gefühl, daß ihre Arbeit monoton, zerstückelt und das Arbeitstempo höher ist, als sie es selbst wünschen, empfinden sie stärker als Fabrikarbeiter, sogar noch etwas stärker als Fließbandarbeiter.[35] Arbeiter verrichten ihre Arbeit für einen Lohn, sie haben keine gefühlsmäßige Verbindung zu ihrem Arbeitgeber. Frauen arbeiten ohne Lohn, sie tun dies für Mann und Kinder, zu denen sie sehr wohl eine gefühlsmäßige Verbindung haben. Beinahe alle Frauen fühlen sich minderwertig und unzufrieden, was sie jedoch schwer äußern können. Ein Mann kann seine Arbeit tun und sie hassen, aber mit seinem Lohn zufrieden sein. Die Hausfrau, die allzu öffentlich zugibt, ihre Arbeit wie die Pest zu hassen, wird als schlechte Hausfrau betrachtet. Für einen Arbeiter wird im allgemeinen sein Lohn eine ausreichende Motivation darstellen, um bei der Arbeit zu bleiben, bei den Frauen spielt die Ideologie eine starke Rolle, die Verinnerlichung von »weiblichen« Werten wie etwa eine fürsorgliche Haltung und Aufopferung. Während ihres ganzen Lebens werden Frauen von dieser Ideologie begleitet: z.B. durch Reklame, durch Frauenzeitschriften, Zeitungen und andere Medien.

5. Das Verhältnis Hausfrauen - Kapital

Augenscheinlich arbeiten Hausfrauen nur für ihre Familie. Augenscheinlich findet innerhalb der Familie eine Arbeitsteilung statt, die mit den Produktionsverhältnissen nichts zu tun hat: Der Mann liefert seinen Lohn ab, die Frau bietet dafür körperliche und psychische Versorgung. Dabei wird übersehen, daß das Kapital ein deutliches Interesse an der Aufrechterhaltung dieser Rollenverteilung hat. Hausarbeit besteht in Wirklichkeit aus der Reproduktion der Ware Arbeitskraft.[36] Nicht nur Hausfrauen tun dies, einen kleinen Teil übernehmen die Arbeiter selbst, ein Teil davon wird in Form von Sozialarbeit, Erziehungs - und Gesundheitswesen vom Staat übernommen, hier allerdings in verberuflichter Form. Ein Teil wird von der Industrie übernommen: Bäckereien, Textilindustrie usw. Die arbeitsintensivste Form der Reproduktion von Arbeitskraft ist jedoch die Hausarbeit, die Versorgung kleiner Kinder, die Instandhaltung der direkten Umgebung, das Auffangen von Spannungen. Welches Interesse das Kapital an der Beibehaltung der Aufgabe von Hausfrauen hat, wird sichtbar, wenn wir uns vorstellen, was geschehen würde, wenn ein Arbeiter sich neben seiner Arbeit selbst versorgen müßte. Wenn er nach seiner Arbeit seine Suppe selbst kochen, seine Kleider selbst waschen, seine Umgebung selbst sauberhalten müßte, hätte er beträchtlich weniger Kraft für seine Aufgabe im Produktionsprozeß; der Arbeitsumfang, der ihm pro Stunde abverlangt werden könnte, würde kleiner werden. Würde er, statt sich selbst zu versorgen, die Angebote des öffentlichen Dienstleistungsbereichs in Anspruch nehmen: Restaurants, Wäschereien, Putzfrauen und dergleichen, wird deutlich, daß sein Lohn beträchtlich höher sein müßte.[37] Tatsächlich wird bei der Berechnung des Lohns schon davon ausgegangen, daß dem nicht nur die Arbeitskraft des Mannes, sondern gleichzeitig auch die Arbeitskraft der Hausfrau gegenüber steht. Dabei ist bislang noch nicht von der Kinderversorgung die Rede gewesen. Die Reproduktion der Arbeitskraft besteht nicht nur aus der täglichen Wiederherstellung, welche dafür notwendig ist, damit der Arbeiter sauber, ausgeruht, gut genährt und motiviert an seinem Arbeitsplatz erscheint; es geht auch darum, eine Generation verbrauchter Arbeitskraft durch eine neue zu ersetzen.
Und gerade die Versorgung von Kindern im Vorschulalter ist so arbeitsintensiv, daß sie in verberuflichter Form beinahe nicht zu bezahlen ist. Die Reproduktion der Arbeitskraft, die Wiederherstellung des Arbeitsvermögens geschieht auf zwei Ebenen: die tägliche Wiederherstellung der Arbeitskraft des Ernährers und generationenweise die Bereitstellung von Arbeitern als Gruppe durch die Produktion und Versorgung von Kindern. Secombe bringt dies in ein Schema, wobei die tägliche Reproduktion durch den Buchstaben T und die generationenweise Reproduktion durch den Buchstaben G gekennzeichnet sind.

 

Reproduzierte Arbeitskraft: Notwendige Hausarbeit:
Körperliche Versorgungsleistungen Schwangerschaft und Geburt (G),
Kinderversorgung (G), Putzen (T,G), Kochen (T,G), Haushaltsorganisation (T,G), Einkäufe (T,G)
Psychische Versorgungsleistungen

Auffangen und Lösen von Spannungen (T,G), Förderung eines guten Familienverhältnisses (T,G), Sexualität (T)

Fertigkeiten Sozialisation von Kindern (G), (zusammen mit der Schule

Huisken [38] unterschied bei der Reproduktion der Arbeitskraft eine ideologische und eine ökonomische Seite. Er arbeitete dies für die Reproduktion, die im Unterricht stattfindet, genauer aus. Der Unterricht trägt auf der einen Seite zu den ganz konkreten Fertigkeiten bei, die jemand für die Verrichtung einer bestimmten Arbeit besitzen muß. Auf der anderen Seite wird dabei aber auch die nötige Ideologie vermittelt, damit Menschen an Arbeitsethos, Disziplin, Zufriedenheit usw. glauben. Für die Reproduktion der Arbeitskraft, so wie sie in der Familie vor und gleichzeitig mit der Erziehung im Unterricht stattfindet, durfte die gleiche Unterscheidung zu treffen sein. Zu Hause lernen die Kinder erste Fertigkeiten, wie etwa den funktionalen Gebrauch ihres Körpers. Gleichzeitig — und praktisch kaum davon zu unterscheiden — werden ihnen die Werte vermittelt, die erreichen sollen, daß sie gute Lohnarbeiter/innen und/oder Hausarbeiterinnen werden: Verantwortlichkeit für die nächsten Familienmitglieder, Disziplin, Gehorsam. Diese Sozialisation zielt auf die künftig zu erwartende gesellschaftliche Stellung ab. Es ist daher auch kein Zufall, daß die Sozialisation von Jungen anders aussieht als die von Mädchen.
Jungen lernen, die Werte zu übernehmen, die sie in die Lage versetzen, zu konkurrieren, hart zu sein, Gefühle, die am Arbeitsplatz hinderlich sein können (»Jungen weinen nicht«), zu verdrängen. Mädchen lernen, aufopfernd, einfühlsam, gefügig zu sein. Die konkreten Fertigkeiten, die sie lernen, sind verschieden: Mädchen lernen zu Hause den Beruf ihrer Mutter, weil sie im Haushalt helfen müssen, kochen, abwaschen, saubermachen. Jungen werden häufig von diesen Aufgaben freigestellt. Dies hat nicht nur für ihr Bewußtsein, das sie entwickeln, Konsequenzen; die konkreten Fertigkeiten, die sie entwickeln, haben Konsequenzen für ihre zukünftige Arbeitsqualifikation. Frauen gelangen zum größten Teil in Berufe, die die verlängerte Form von häuslicher Arbeit darstellen: versorgende Berufe, Putzen, Flickarbeiten. Diese Art von Arbeit wird als ungelernte bezeichnet (und gering entlohnt), weil für ihre Verrichtung keine besondere Ausbildung notwendig ist. Wohlgemerkt: für Mädchen. Denn die Eigenschaften, die notwendig sind, um Frauenberufe auszuüben: Bescheidenheit, Fingerfertigkeit, Sauberkeit, sind keine angeborenen Eigenschaften, sondern haben etwas mit der Sozialisation von Mädchen zu tun, zu der die Hausfrau einen großen Beitrag geleistet hat. Die von Mädchen schon zu Hause erlernte Fingerfertigkeit heißt ungelernte Arbeit, weil sie als eine natürliche Eigenschaft von Frauen erscheint (außer wenn es um Chirurgen geht, denn das sind plötzlich wieder Männer); das Handwerk, das Jungen nicht zu Hause lernen, weil es nicht zu den Aufgaben ihrer Mutter gehört, sondern in einer Ausbildung erlernt wird, heißt qualifizierte Arbeit und wird deshalb verhältnismäßig besser bezahlt. Die Diskriminierung von Frauen in der Lohnarbeit, die ungleiche Bezahlung und die ungleiche Qualifikation ihrer Arbeit hat ihre Grundlage schon in der Kluft zwischen dem Lohnarbeiter und der Hausfrau in der Familie.

6. Das Verhältnis zwischen Konsumtion und
Reproduktion, Der Lebensstandard

In der marxistischen Theorie bestand bislang ein mysteriöses Loch zwischen dem Moment, in dem der Arbeiter seinen Lohn mit nach Hause brachte, und dem Moment, in dem er seine Arbeitskraft von neuem zum Verkauf anbot. Dieses dazwischenliegende Loch wurde »Konsum« genannt, womit verschleiert wird, daß das vom Lohn gekaufte Suppenpaket erst konsumierbar wird, wenn die Arbeit der Hausfrau hinzugefügt wird. Marx hat niemals bestritten, daß die Konsumtion und die Reproduktion der Arbeitskraft zwei Seiten derselben Erscheinung waren.

»Innerhalb der Grenzen des absolut Notwendigen ist daher die individuelle Konsumtion der Arbeiterklasse Rückverwandlung der vom Kapital gegen Arbeitskraft veräußerten Lebensmittel in vom Kapital neu exploitierbare Arbeitskraft. Sie ist Produktion und Reproduktion des dem Kapitalisten unentbehrlichsten Produktionsmittels, des Arbeiters selbst. Die individuelle Konsumtion des Arbeiters bleibt also ein Moment der Produktion und Reproduktion des Kapitals, ob sie innerhalb oder außerhalb der Werkstatt (. . .) vorgeht. (. . .) Es tut nichts zur Sache, daß der Arbeiter seine individuelle Konsumtion sich selbst und nicht dem Kapitalisten zulieb vollzieht. So bleibt der Konsum des Lastviehs nicht minder ein notwendiges Moment des Produktionsprozesses, weil das Vieh selbst genießt, was es frißt. Die beständige Erhaltung und Reproduktion der Arbeiterklasse bleibt beständige Bedingung für die Reproduktion des Kapitals. Der Kapitalist kann ihre Erfüllung getrost dem Selbsterhaltungsund Fortpflanzungstrieb der Arbeiter überlassen. Er sorgt nur dafür, ihre individuelle Konsumtion möglichst auf das Notwendige einzuschränken... «[39]

Marx läßt hier außer Betracht, daß die Reproduktion der Arbeitskraft nicht nur eine individuelle Angelegenheit ist, die man beruhigt den Überlebensinstinkten der Arbeiter überlassen kann, sondern daß hier von Arbeit die Rede ist, der Arbeit von Hausfrauen, die auf eine besondere Art und Weise organisiert ist: in der Kleinfamilie. Die Bezahlung von Lohn ist an sich keine Garantie für den Fortbestand der Arbeiter. Ohne dies weiter auszuarbeiten, nimmt Marx an, daß von einer Familieneinheit gesprochen werden kann, die die Reproduktion der Arbeitskraft bewirkt. Er hat den Prozeß aus der Sicht des Kapitals beschrieben, das sich in der Tat erst dann Sorgen über die Reproduktion der Arbeitskraft zu machen braucht, wenn Frauen so massenhaft in den Produktionsprozeß aufgenommen werden, daß die häusliche Arbeit in Gefahr gerät. Wie wenig er hiermit gerechnet hat, geht aus dem Teil seiner Theorie hervor, in welchem er von dem Vergleich ausgeht, daß der Lohn mit dem Lebensstandard, der in einer bestimmten historischen Phase gegeben ist, korreliert.[40]
Er hat nicht erkannt, daß die Lebensmittel, die ein Arbeiter mit seinem Lohn kauft, nicht direkt konsumiert werden, sondern daß ihnen Arbeit zugefügt werden muß, und es ist die Menge dieser Arbeit, die mit bestimmt, welchen Lebensstandard der durchschnittliche Arbeiter haben wird. Worin das Verhältnis zwischen Lohn und Lebensstandard besteht, können wir beispielsweise in Krisenzeiten deutlich sehen. Die Löhne steigen nicht so schnell wie die Preise. Infolgedessen sorgen die Hausfrauen durch  vermehrte Arbeit dafür, daß die Familienmitglieder denselben Lebensstandard genießen können wie vorher. Sie kaufen weniger vorgefertigte Nahrungsmittel (der Umsatz von Fertigprodukten ist beispielsweise in England beträchtlich gesunken), sie flicken und ändern Kleidung häufiger oder stellen sie selbst her, sie machen weitere Wege, um in billigeren Geschäften zu kaufen, sie kaufen nicht mehr soviel neue Haushaltsgeräte, sondern erledigen mehr mit der Hand. Gerade weil Hausarbeit dehnbar ist und nicht auf der Basis eines Stundenlohns bezahlt wird, dienen Hausfrauen als Reservoir für zusätzliche Arbeit, sie machen Überstunden, ohne sich dessen bewußt zu sein. Sie dienen als Puffer, um die ersten Schläge einer ökonomischen Krise aufzufangen, sie sorgen dafür, daß die Arbeitskraft der Arbeiter dieselbe bleibt, auch bei einer Senkung des Realeinkommens. Auch bei Arbeitslosigkeit sind es die Hausfrauen, die dafür sorgen, daß die Familienmitglieder die Lohneinbußen, die dadurch auftreten, daß das Arbeitslosengeld unter der Höhe der Löhne liegt, so wenig wie möglich zu spüren bekommen.

7. Kapital und Hausarbeit

Aus dem Vorangegangenen dürfte deutlich geworden sein, daß Hausarbeit nicht nur für die Familienmitglieder eine Funktion hat, sondern auch für das Kapital. Ohne die unsichtbare, nichtentlohnte Arbeit von Hausfrauen könnte das Kapital beträchtlich weniger Mehrwert von den Arbeitern abschöpfen. Dalla Costa und James ziehen hieraus die Schlußfolgerung, daß Hausfrauen genauso produktive Arbeiter sind wie diejenigen, die in einer Fabrik arbeiten. Dabei bringen sie eine moralische Kategorie (Nützlichkeit) und eine ökonomische (Produktion von Mehrwert) durcheinander. Dies ist nicht verwunderlich, da es noch nicht so lange Zeit zurückliegt, daß auch Marxisten die Begriffe »produktiv« und »unproduktiv« als Kriterium benutzten, um zu bestimmen, mit welchen Gruppen sich zu beschäftigen lohnte. »Unterdrückung« war noch nicht genug, es mußte »Ausbeutung« d.h. rücksichtslose Produktion von Mehrwert — sein, bevor jemand interessant wurde. Und so entstand eine spezielle Sicht vom Arbeiter: Nur die direkt produktiven Arbeiter besäßen ein revolutionäres Potential, die immer größer werdende Gruppe unproduktiver Arbeiter wie Büro-, Transport- und Dienstleistungspersonal waren per definitionem reaktionär. Über Hausfrauen wurde überhaupt nicht gesprochen, denn sie wurden noch nicht einmal als in indirekter Verbindung zu den Produktionsverhältnissen stehend gesehen. Arbeitskraft ist eine Ware, deren Produktion für das Kapital wesentlich ist — die einzige Ware, die Wert schafft, der daher Mehrwert zu entziehen ist. Arbeitskraft hat, genauso wie jede Ware, zwei Seiten, die des Tauschwertes und die des Gebrauchswertes. Der Gebrauchswert der Arbeitskraft ist die Arbeit, die der Arbeiter verrichtet. Der Tauschwert der Arbeitskraft ist die gesellschaftlich notwendige Arbeit, die zu ihrer Produktion erforderlich ist. Die Produktion von Arbeitskraft, so wie sie in der Familie stattfindet — abgesehen von dem Beitrag der durch materielle Vorkehrungen wie Unterricht und Gesundheitswesen beigesteuert wird —, findet nicht in Lohnabhängigkeit statt und liefert keinen direkten Mehrwert für das Kapital. Die Kategorien produktiv und unproduktiv sind einfach nicht zutreffend für Hausarbeit. Die Schlußfolgerung ist, daß Hausarbeit eine spezielle ökonomische Kategorie darstellt, für die wir bislang keine Begriffe besitzen.
In seinem Artikel »The political economy of housework«[41] entwickelt John Harrison eine interessante Variation zu der Frage, welchen genauen Beitrag Hausarbeit zum Kapital leistet. Die Hausfrau, sagt er, produziert Gebrauchswerte für sich selbst, für ihren Mann und für die Kinder. Verwendet sie mehr Zeit für die Produktion dieser Gebrauchswerte, als für ihren eigenen Lebensunterhalt nötig ist, dann leistet sie Mehrarbeit. Ein Rechenexempel: eine Hausfrau arbeitet 10 Stunden pro Tag, 5 Stunden zu ihrer eigenen Versorgung, 5 Stunden für die ihres Mannes. Ihr Mann arbeitet 10 Stunden als ungelernter Arbeiter, er bekommt für seine Arbeit eine Gegenleistung von 5 Stunden. Die Hälfte dieses Lohns ist für die Versorgung seiner Frau bestimmt. Zusammengerechnet wurden also 20 Stunden Arbeit geleistet. Davon dienen 15 Stunden der Reproduktion der Familie. Beide Familienmitglieder konsumieren den Lohn für 7,5 Stunden Arbeit. Beide haben sie also 2,5 Stunden Arbeit mehr geleistet, als sie konsumieren. Was hier als Mehrwert erscheint, den der Arbeiter an den Kapitalisten abgetreten hat, ist demnach in Wirklichkeit zur Hälfte die von der Hausfrau geleistete Mehrarbeit. Die Schlußfolgerung von Harrison lautet, daß die unbezahlte Mehrarbeit, die die Hausfrau leistet, dadurch an den Kapitalisten übertragen wird, daß der Arbeiter einen Lohn bezahlt bekommt, der in Wirklichkeit unter dem Wert seiner Arbeitskraft liegt. Der Arbeiter konsumiert eine Gegenleistung von 7,5 Stunden, während er nur 5 Stunden bezahlt bekommt. Bei der Bezahlung des Lohns verläßt der Kapitalist sich also auf diese 2,5 Stunden zusätzlicher Arbeit der Hausfrau.[42]
So verführerisch eine derartige Theorie auch ist, weil sich die Unterdrückung der Frauen nun in harten Zahlen ausrechnen ließe, genauso wie die Ausbeutung der Arbeiter in Mehrwert ausgedrückt wird, hat Harrison doch eine Sache vergessen, nämlich daß eine Stunde Hausarbeit nicht ohne weiteres mit einer Stunde Lohnarbeit gleichzusetzen ist. Hausarbeit ist anders organisiert. Gerade weil Hausarbeit nicht in Lohnabhängigkeit verrichtet wird, unterliegt sie auf eine ganz andere Art und Weise der kapitalistischen Kontrolle. Ein Lohnarbeiter wird pro Stunde bezahlt. Der Betrieb, der ihn beschäftigt, ist daran interessiert, daß jede Stunde so effizient wie nur möglich genutzt wird, um den Mehrwert maximal zu steigern. Fließbandsysteme werden eingeführt. Das Arbeitstempo wird so hoch wie möglich getrieben; es findet eine größtmögliche Aufgabenteilung statt. Betriebswirtschaftlich betrachtet, ist Hausarbeit eine äußerst ineffizient geregelte Angelegenheit. Dies liegt nicht so sehr an den Hausfrauen als vielmehr an der Art und Weise, in der die Hausarbeit organisiert ist. Jede individuelle Hausfrau stellt um halb sechs ihre individuelle Pfanne mit Bratkartoffeln auf ihren eigenen Herd, eine Verschwendung von Arbeitskraft, die nur aufzuheben wäre, indem die Isolation der individuellen Haushalte aufgehoben würde. Würden Hausfrauen direkt im Lohndienst arbeiten, würde niemals die Energieverschwendung geduldet werden, die jetzt beispielsweise dadurch entsteht, daß Frauen in den Niederlanden aufgrund lächerlicher Schulzeiten am Vormittag und am Nachmittag ihre Kinder zur Schule bringen und wieder abholen müssen oder, falls die Kinder zu verschiedenen Schulen gehen, sogar noch häufiger. Das Besondere an Hausarbeit ist ja gerade, daß sie nicht so sehr aus einer stündlich zu leistenden Produktivität besteht, sondern aus einer permanenten Verfügbarkeit, bei der die stundenweise Produktion nicht so wichtig ist.

Secombe analysiert Hausarbeit anders. Es gibt einen allgemeinen Arbeitsprozeß, der durch die Entstehung des industriellen Kapitalismus in zwei Teile geteilt wurde. In eine häusliche und eine industrielle Einheit. Der Ort und die Organisation dieser beiden Arbeitsformen sind verschieden, und deshalb scheinen es auch zwei voneinander losgelöste Kategorien zu sein. In Wirklichkeit handelt es sich jedoch um einen Prozeß: Häusliche Arbeit geht der Lohnarbeit notwendigerweise voraus. Ohne Ernährer gäbe es keine Hausfrauen und umgekehrt. Ab einem bestimmten Punkt ist das eine nur eine Folge des anderen.[43] Wir können nun den Schluß ziehen, daß der spezielle Beitrag der Hausarbeit zum Kapital nicht als Mehrwert oder auch Mehrarbeit definiert werden kann, sondern ein Mittel ist, die Löhne niedrig zu halten.

»Hausarbeit leistet einen Beitrag zum Prozeß der Mehrwertbildung, indem die gesellschaftlich notwendige Arbeit auf einem niedrigeren Stand als der eigentliche Lebensstandard der arbeitenden Klasse gehalten wird.«[44]

8. Die neue Aufgabe von Hausfrauen

Es besteht die Frage, welche Faktoren einen Einfluß darauf ausüben, daß die Arbeitswoche von Hausfrauen länger geworden ist; woher kommt es, daß Hausfrauen trotz zeitsparender Geräte noch genauso hart oder gar härter arbeiten müssen als früher? Ein Einfluß, den wir schon genannt haben, besteht in der ökonomischen Krise. Wenn die Preise schneller steigen als die Löhne, müssen Hausfrauen härter arbeiten. Aber es ist die Frage, ob dies der einzige Faktor ist, der die Arbeit von Hausfrauen erschwert. Renate Bookhagen erwähnt in ihrem Buch »Frauenlohnarbeit« die gestiegene Qualifikation der Arbeitskraft,[45] arbeitet dies im weiteren aber nicht ausführlich aus.
Bei der Theorie der gestiegenen Qualifikation tauchen im allgemeinen noch eine Menge Fragezeichen auf. Es ist noch die Frage, ob jeder individuelle Arbeiter besser qualifiziert ist als früher oder ob es mehr um die gestiegene Qualifikation der Arbeiterklasse insgesamt durch fortschreitende Spezialisierung geht.[46]
Wahrscheinlich können wir eher von einer Arbeitsintensivierung als wichtigem Faktor für die gestiegenen Anforderungen an Hausfrauen sprechen. In den Broschüren »Gesundheitswesen in den Niederlanden« und »Moderne Ausbeutung, psychische Überbelastung und steigende Krankheitszahlen« zeigt sich, daß die Zeit, die ein Arbeiter zur Erholung nötig hat, um so größer wird, je mehr Arbeitstempo, Monotonie, Überstunden und Schichtarbeit zunehmen. [47]Hausfrauen werden daher um so mehr leisten müssen zur Spannungsabsorbierung, materiellen Versorgung, Ruhigstellung der Kinder, je erschöpfter der Mann von seiner Arbeit zurückkommt.
Wie gestiegenes Arbeitstempo plus ökonomische Krise die Aufgabe von Hausfrauen erschweren können, zeigt sich, sobald der Staat Haushaltskürzungen vornimmt. Dies geschieht zuallererst im »schwachen Bereich": Sozialfürsorge, Gesundheitswesen. Krankenhäuser sind gezwungen, billiger zu arbeiten; das bedeutet, daß Patienten weniger schnell aufgenommen und eher wieder entlassen werden. Dies bedeutet auch, daß Hausfrauen durchschnittlich mehr Arbeit leisten müssen, was niemandem auffällt, solange es um individuelle Frauen geht, die losgelöst voneinander Patienten versorgen müssen.[47]
Offe nennt als Ursache für höhere Kosten, die für die Produktion derselben Arbeitskraft zugunsten der Unternehmer nötig sind, unter anderem die Zeitdauer der Erziehung und Ausbildung und die Entspannung, die als Kompensation der gesteigerten Produktion notwendig ist.[48] Holzinger weist daraufhin, daß die »Freizeit« in einem immer größer werdenden Maße durch physische Notwendigkeiten beansprucht wird: Schlaf, Hygiene, Essen, Entspannung wie Spazierengehen und Fernsehen.[49] Seiner Berechnung zufolge sind nur noch 20% der Freizeit wirkliche Freizeit. Galbraith [50] verweist auf eine Paradoxie, die vor allem in »besseren« Kreisen entsteht, daß nämlich mit Ansteigen des Lebensstandards auch immer mehr Hausarbeit nötig wird, um alle Geräte, die Garderobe, die Autos, das größere Haus zu versorgen.
Wir können daher annehmen, daß die genannten Faktoren für die verschiedenen gesellschaftlichen Schichten der Bevölkerung in verschiedenem Maße zutreffend sind. In der Familie eines ungelernten Arbeiters besteht die zusätzliche Arbeit wahrscheinlich eher aus Spannungsabsorbierung aufgrund der Überbelastung, in den Gruppen mit steigendem Bildungsgrad wird sich der Akzent auf zusätzliche Arbeit verschieben, die in Verbindung zum Mithalten mit der allgemeinen Entwicklung steht, mit gestiegenen Konsumgewohnheiten usw.
Auf die erschwerten Aufgaben von Hausfrauen treffen wir auch in den Frauenzeitschriften. Nach der ersten Welle von erziehungswissenschaftlichen Artikeln folgt nun eine wahre Flut von Anweisungen zur Verbesserung der Beziehungen zwischen Mann und Frau.[51] Eine gute Hausfrau kocht nicht nur gesundes, sondern auch abwechslungsreiches und bisweilen exotisches Essen; das Haus muß nicht nur sauber, sondern auch modern ausgestattet sein (die Freizeitbeschäftigungen finden auch mehr vor dem Femseher und weniger in der Kneipe statt); und vom normalen Geschlechtsverkehr gehen wir über zum Qualitätssex mit Stellungen und Variationen. Es ist schwierig, diese verschiedenen Einflüsse gegeneinander abzuwägen. Aber deutlich ist wohl, daß die erschwerte Aufgabe von Hausfrauen nicht nur auf subjektiven Faktoren, der Ideologie von der guten Hausfrau, den Frauenzeitschriften, die Frauen zu immer höherem Konsum durch stets neue Modevorschriften verführen wollen, sowie neuem Wohn - und Eßstil beruht, sondern daß gleichzeitig materielle Faktoren wirksam sind.

9. Die Verschleierung der Entlohnungsform und die
Machtverhältnisse in der Familie

Die Form der Entlohnung ist nicht nur für den Arbeiter verschleiert, für den es so aussieht, als werde er für seine Arbeit belohnt statt für den Verkauf seiner Arbeitskraft. In Wirklichkeit dient sein Lohn der Reproduktion seiner Arbeitskraft, der seiner Frau und der folgenden Generation. Tatsächlich verkaufen sowohl die Hausfrau als auch der Ernährer jeweils die Arbeitskraft, um im Tausch dafür die Kosten der eigenen Reproduktion vergütet zu bekommen. Aber weil der Mann seine Arbeitskraft auf dem Markt verkauft und die Frau zu Hause arbeitet, außerhalb der direkten Produktion, scheint es, als sei der erhaltene Lohn nur das Resultat seiner Arbeit und nicht der ihren. Diese Verschleierung spiegelt sich in vielerlei Formen in unserem Bewußtsein wider: Es geht um den Mann, der seine Frau unterhält, die für seine Familie arbeitet. [52]
Von der Hausfrau wird gesagt, sie lasse sich unterhalten; eine Hausfrau arbeite nicht; sie ist zu Hause. Der Weg, auf dem der Lohn schließlich in die Familie gelangt, hat nicht geringen Anteil an den Machtverhältnissen zwischen den Familienmitgliedern. Weil der Mann den Lohn als von ihm verdientes Geld bekommt, hat er auch die Möglichkeit, das Geld so auszugeben, wie er es will. Er kann seiner Frau mehr oder weniger Haushaltsgeld geben, er kann Geld zurückbehalten, wenn er der Meinung ist, daß sie zuviel ausgibt. Wenn Frauen Geld für sich selbst ausgeben wollen, etwa für Kleider, müssen sie oft genug darum bitten. Wie stark auch hier die Ideologie am Werke ist, zeigt sich in der Praxis: Wieviel Mühe haben Frauen, für sich selbst etwas von dem Geld auszugeben, das nach ihrem Gefühl nicht ihr selbstverdientes Geld ist. Innerhalb der Familie entsteht ein Scheinverhältnis, das dem zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ähnelt. Innerhalb der Familie ist der Mann der Bourgeois, die Frau das Proletariat, hat Engels gesagt.[53] Und obwohl es keinen einzigen objektiven Grund dafür gibt, weshalb Hausfrauenarbeit weniger wichtig sein oder geringer bezahlt werden sollte als die Arbeit von Männern, sind diese zwei Formen von Arbeit im kapitalistischen System so organisiert, daß eine materielle Basis für die festgefahrenen Machtverhältnisse innerhalb der Familie entsteht. Machtverhältnisse, in die der Mann sich jedoch allzu leicht schickt.
Weil die Frauen von dem Lohn, den der Mann nach Hause bringt, abhängig gemacht worden sind, ist sein Wohlbefinden viel wichtiger als das ihre. Vater arbeitet (Mutter arbeitet nicht) und deshalb ist der bequemste Stuhl für ihn, bekommt er das größte Stück Fleisch. Wenn er nach Hause kommt, ist es die Aufgabe der Hausfrau, dafür zu sorgen, daß er sich ausruhen kann, daß die Kinder mit ihrem Geschrei aufhören. Sie muß Aufmerksamkeit für seine Sorgen zeigen, wenn er das will. Für den umgekehrten Fall wird in den Frauenzeitschriften empfohlen, nicht zuviel über die häuslichen Mühen zu jammern.
Allen Idealisierungen der »proletarischen Liebe« — die nicht unterdrückerisch sein sollte, weil von ökonomischer Ausbeutung nicht die Rede sein kann — zum Trotz, sind die Machtverhältnisse in den Familien sehr real.[54] Wir sehen dies beispielsweise sehr deutlich am Problem von mißhandelten Frauen, die sich jahrelang schlagen lassen, weil sie nicht die ökonomischen Mittel besitzen, um ihren Mann zu verlassen.[55] Je mehr die Männer im Arbeitsprozeß zu leiden haben, je geringer ihr Lohn und daher ihr Status, desto größer ist ihr Bedürfnis nach Kompensation, dem Beweis, daß sie dennoch »echte« Männer sind — so sieht es jedenfalls aus. Der Widerstand gegen die Verrichtung von Arbeiten im Haushalt (außer dem Festnageln von Brettern in der Küche) ist um so größer, je niedriger man(n) auf der gesellschaftlichen Leiter steht, die doppelte sexuelle Moral ist stärker.[56] Brutales sexuelles Verhalten verschafft einen alternativen Status gegenüber dem im Arbeitsprozeß beschädigten Ich. Wie jede Frau, die regelmäßig an einer Gruppe von Bauarbeitern vorbeikommt, berichten kann, haben die Bemerkungen, die sie an den Kopf geworfen bekommt, mehr mit Aggression als mit Sexualität zu tun.

10. Politisches Bewußtsein von Hausfrauen

In den vorangegangenen Abschnitten haben wir den Lohnarbeiter und die Hausfrau einander gegenübergestellt. Zur Vereinfachung der Diskussion sind wir davon ausgegangen, daß Hausfrauen in erster Linie zu Hause arbeiten. In den Niederlanden arbeitet jedoch ein Drittel der Frauen in Lohnabhängigkeit, und die Zahl der verheirateten lohnabhängig arbeitenden Frauen steigt. Renate Bookhagen wies als erste darauf hin, daß die Unterdrückung der Frauen nicht nur ausgehend von ihrer Benachteiligung bei der Arbeit neben ihren Aufgaben im Haushalt analysiert werden kann, sondern daß es gerade um die Wechselwirkung zwischen diesen beiden Bereichen geht. Die Tatsache, daß lohnabhängig arbeitende Frauen auch gleichzeitig Hausfrauen sind, spiegelt sich in ihrem Bewußtsein wider. In der marxistischen Analyse haben wir politisches Bewußtsein als das Bewußtsein von Lohnabhängigkeit zu definieren gelernt. Hausfrauen sind jedoch nicht lohnabhängig, und allzu häufig wird dann davon zurückgeschlossen und gesagt, Frauen könnten daher, außer wenn sie Lohnarbeiterinnen sind, aus eigener Stellung heraus kein politisches Bewußtsein entwickeln. Definieren wir politisches Bewußtsein als die Fähigkeit, die eigene materielle Lage zu durchschauen und zu verstehen, wie diese mit den kapitalistischen Produktionsverhältnissen zusammenhängt, dann wird aus dem Vorangegangenen deutlich geworden sein, daß auch Hausfrauen aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen und ihrer Stellung zu dieser Erkenntnis kommen können. Wir erkennen zugleich auch, daß die Hindernisse zur Entwicklung eines politischen Bewußtseins für Hausfrauen noch viel größer sind als für Lohnarbeiter. Lohnarbeiter kommen an dem Ort, an dem sie ausgebeutet werden, zusammen (sie sehen, daß ihre Arbeitgeber an ihnen verdienen). Frauen sind voneinander isoliert. Die Ideologie von der guten Hausfrau spielt eine bedeutende Rolle.[57] Frauen, die unzufrieden sind, werden dies an erster Stelle sich selbst zuschreiben oder dem zufällig schlecht ausgewählten Ehepartner. Ein Mann, der seine Arbeit haßt, der sich dagegen auflehnt, heißt klassenbewußt. Eine Frau, die ihre Arbeit haßt und sich dagegen auflehnt, wird frustriert, neurotisch, unweiblich genannt. »Beim Fehlen eines Lohnstreifens, der ihre Schufterei rechtfertigen würde, muß die Hausfrau auf ihre Arbeit nicht-ökonomische Begriffe anwenden. Sie verrichtet >Liebesdienste< aus Hingabe an ihre Familie. Eine Hausfrau, die zugibt, ihre Arbeit zu verabscheuen, ist keine gute Mutter. Deshalb muß sie die Entfremdung von ihrer Arbeit häufig aus ihrem Bewußtsein verdrängen, weil sie sonst Opfer von Schuldgeßhlen und Gefühlen persönlicher Unzulänglichkeit werden würde. Das Ergebnis hiervon ist, daß häusliche Arbeit als eine Kombination von Vorbestimmung, natürlicher weiblicher Berufung und Pflichterfällung erscheint.«[58] Die konkreten Möglichkeiten, einen Widerstand zu formen, sind sehr beschränkt. Kollektiven Widerstand gibt es kaum, Verbesserung des individuellen Schicksals wird nur einer kleinen Gruppe von Frauen zuteil. Streik ist nahezu unmöglich, schließlich kann sie ihre Kinder nicht verhungern lassen, um dem Kapital bessere Arbeitsbedingungen abzuringen.
Weil Hausarbeit auf eine indirekte und komplizierte Weise mit dem Kapital verbunden ist, können Hausfrauen nur schwer durchschauen, gegen wen oder was sie Widerstand leisten müssen. In der Familie fallen die alten patriarchalischen und die neuen kapitalistischen Formen der Unterdrückung zusammen. Hausfrauen arbeiten indirekt für das Kapital, aber ihre Männer profitieren sicherUch auch davon. Wenn man behaupten kann, daß Frauen den Klassenkampf blockieren, so wie es sich beispielsweise bei einem Streik in England zeigte, als die Frauen den Streik zu brechen versuchten, weil sie sich mehr mit ihren Familieninteressen (Brot auf dem Tisch) identifizierten als mit den Klasseninteressen, dann stimmt die Umkehrung auch: Männer sind ein Hindernis im Kampf der Frauen für eine unabhängige Existenz. Linke wie proletarische Männer haben Mühe einzusehen, daß Frauen nicht von Natur aus in die Küche gehören, jedenfalls nicht, wenn dies bedeutet, daß Männer einen großen Teil ihrer Versorgung selbst erledigen sollen. Während eines Streiks, der vor kurzem in Islington stattfand und bei dem Frauen eine Fabrik besetzten, kam der meiste Widerstand nicht etwa vom Fabrikbesitzer, sondern von den Ehemännern, die sich gegen die Besetzung wandten, weil das für sie bedeutete, selbst kochen und allein schlafen zu müssen. Wie selbstverständlich politisches Bewußtsein immer noch als das Bewußtsein von Lohnabhängigkeit definiert wird, können wir anhand der Literatur über arbeitende Jugendliche illustrieren. Der größte Teil der arbeitenden Jugendlichen besteht aus Mädchen, aber die Konsequenzen daraus werden — wenn überhaupt — nur indirekt gezogen. Über den Unterschied zwischen Jungen und Mädchen in einer Gruppe arbeitender Jugendlicher schreibt Helga Deppe zum Beispiel:

»Aufgrund ihrer Erziehung sind sie (dieMädchen) häufig besonders gehemmt und zurückhaltend. Sie sind am ehesten mit Fragen zu aktivieren, die Bezug auf ihre Rolle als Frau nehmen. In einer Diskussion über Erziehungsprobleme sind sie oft sehr aktiv, während sie sich an einer Diskussion über die Arbeit und den Betrieb kaum beteiligen.«

Helga Deppe übersieht hier also, daß die betreffenden Mädchen nicht so sehr gehemmt sind, sondern daß ihr Bewußtsein — genauso wie das der Jungen — mit ihrer (zukünftigen) materiellen Position übereinstimmt. Auch in der zweiten Nummer der Zeitschrift »Te Elfder Ure« zum Thema Bildungsarbeit wird versäumt, das Bewußtsein von Mädchen auf ihre eigene materielle Position zu beziehen. Ein Hemmnis für das politische Bewußtsein von arbeitenden Jugendlichen, wird behauptet, ist die Hoffnung auf individuellen Aufstieg, sie hoffen, Schichtführer zu werden oder Vorarbeiter oder Abteilungsleiter. Offenbar wird implizit davon ausgegangen, daß arbeitende Jugendliche arbeitende Jungen sind. Ein Hindernis für das politische Bewußtsein von Mädchen ist nicht die Hoffnung auf einen Aufstieg innerhalb der Lohnarbeit, sondern eine Hoffnung auf »Aufstieg« durch Heirat. Die Gespräche über Kleider und Freunde können daher nicht als apolitisches Geschwätz abgetan werden. Sie stellen den Versuch dar, eine individuelle Überlebensstrategie zu entwickeln. Wenn die künftige gesellschaftliche Position von Jungen genauso von ihrem Äußeren abhinge wie die von Mädchen, dann würden diese auch über neue Schuhe und Verlobung reden.

11. Der Einfluß ihrer Häuslichen Funktion auf die
Stellung von Frauen in der Lohnarbeit

Die Stellung von Frauen als Hausfrauen hat einen Einfluß auf ihre Stellung in der Lohnarbeit und umgekehrt. Am sichtbarsten wird dies an dem Teufelskreis, in dem Frauen sich befinden: Die Arbeitsbedingungen für Frauen sind schlecht, sie verdienen durchschnittlich ein Drittel weniger als Männer, sie gelangen vor allem in typische Frauenberufe, die sich durch Monotonie, mangelnde Aufstiegschancen und schlechte Sozialleistungen auszeichnen. Frauen haben In ihrem Beruf sehr schnell die Spitze ihrer Aufstiegsmöglichkeiten erreicht, und sie werden nur selten in leitenden Funktionen beschäftigt. Weil Frauen derart schlechte Arbeitsbedingungen haben, werden sie eher geneigt sein, in die Ehe zu flüchten. Weil sie ja doch heiraten werden, organisieren sie sich nicht, und der Kapitalist hat eine Entschuldigung dafür, alles so zu lassen, wie es ist. Frauenberufe sind den Aufgaben, die Frauen im Haushalt erfüllen, verwandt: Putzen, Servieren, monotone Fummelarbeit (weil es heißt, daß Frauen so feine Finger haben. Wobei allerdings, wie schon erwähnt, bei Chirurgen plötzlich eine Ausnahme gemacht wird; diese verdienen dann auch etwa zehnmal soviel wie Frauen, die elektronische Geräte zusammenbauen müssen). Sprenger zieht in seinem Artikel über Arbeitsüberlastung (Volkskrant, 26. April 1975) eine Untersuchung heran, aus der hervorgeht, daß gerade die Frauen, deren Arbeit eine Verlängerung ihrer täglichen Aufgaben im Haushalt darstellt, überarbeitet sind. Welchen Einfluß die häusliche Verpflichtung auf die Arbeitsmöglichkeiten von Frauen hat, ist am Beispiel des Arbeiterviertels Spittalfields in London, einem traditionellen Textilarbeiterviertel, deutlich zu sehen. Alle großen und daher gut bezahlenden Betriebe waren aufgrund von Vergrößerungen gezwungen, sich außerhalb der Stadt anzusiedeln, übrig blieben allein die kleinen Arbeitsplätze, die sweatshops,[59] die nur dank schlechtester Bezahlung und primitiver Arbeitsumstände bestehen bleiben konnten. Weil die Frauen in der Nähe ihrer Wohnung Arbeit suchen müssen, um den Haushalt erledigen zu können, sind gerade sie es, die auf solchen Arbeitsplatzen landen. Häufig nehmen sie Arbeit mit nach Hause, um so die Beaufsichtigung ihrer Kinder verbinden zu können. Diese Frauen sind dann auch am schlechtesten organisiert, sie wechseln häufig den Arbeitsplatz, die Arbeitskontrolle hat kein Interesse für die kleinen Betriebe. Wie viele Heimarbeiterinnen es gibt, ist nicht einmal bekannt, weil sehr viel Schwarzarbeit geleistet wird. Es zeigt sich, daß der Kapitalismus in jedem Fall von der unterbezahlten Arbeit von Frauen profitiert. Und solange Frauen sich selbst an erster Stelle als Hausfrauen betrachten, die von ihrem Mann unterhalten werden, die die Arbeit als »Zuverdienst«, als Ergänzung des Lohnes vom Mann betrachten, wird sich dies nicht so schnell verändern. Im Abschnitt über die Reproduktion der Arbeitskraft habe ich einen anderen Grund genannt, weshalb die Lohnarbeit von Frauen billiger ist als die von Männern. »Qualifizierte« Arbeit wird besser bezahlt als »unqualifizierte« Arbeit, und es zeigt sich, daß die Fertigkeiten, die gerade bei der »unqualifizierten« Arbeit von Frauen nötig sind, im Gegensatz zu den meisten Fertigkeiten von Männern bereits in der Familie erlernt wurden. Putzen oder geschicktes Verpacken wird nicht als Fertigkeit betrachtet, weil dies im Prinzip alle Frauen können. Die Sozialisation zur Hausfrau, die praktisch alle Frauen durchlaufen, schwächt daher ihre Verhandlungsposition auf dem Arbeitsmarkt. Weil alle Frauen putzen können, sind Putzfrauen beliebig ersetzbar. Obendrein sind die Sozialabgaben für Frauen auch geringer. Wenn eine verheiratete Frau entlassen wird, hat sie maximal ein Jahr lang Anspruch auf Arbeitslosengeld, danach wird davon ausgegangen, daß der Mann wieder ihren Unterhalt bezahlt. Viele Arbeitsämter registrieren verheiratete Frauen nicht als arbeitssuchend, wenn sie nicht schon einmal eine Zeitlang gearbeitet haben, oder übernehmen keine Vermittlung, wenn eine Frau, deren Halbtagsstelle gekündigt wurde, nicht bereit ist, eine Vollzeitstelle anzunehmen. Ein großer Teil der Arbeitslosigkeit bleibt verborgen, eine große Anzahl verheirateter, arbeitsloser Frauen wird durch die offizielle Arbeitslosenziffer nicht erfaßt. So dienen Frauen als elastische, billige Arbeitsreserve, einsetzbar, wenn der Bedarf der Industrie an ungelernten Arbeitskräften zunimmt, kündbar, wenn dies nicht mehr nötig ist, mit einem Minimum an Extrakosten. Die rechtliche Stellung von Frauen wird hier und da unter dem Druck der Frauenbewegung zwar verbessert, aber das bedeutet noch lange nicht, daß nun den typischen (lies: unterbezahlten) Frauenberufen oder der schwachen Stellung von Teilzeitarbeiterinnen ein Ende bereitet wurde. Natürlich sind es gerade Hausfrauen, die die Arbeit für ihre Familie mit der außerhäuslichen Arbeit kombinieren müssen, die in erster Linie die Teilzeitarbeitsplätze einnehmen. Wie blind die Gewerkschaften für die Doppelbelastung sind, zeigte sich bei dem Streik der Frauen, die sich gegen die Umsiedlung von Philips-Helmond wehrten. Durch die Umsiedlung der Fabrik wären sie nicht mehr in der Lage gewesen, nach ihrer Arbeit rechtzeitig zum Kochen zu Hause zu sein. Der Niederländische Gewerkschaftsverband (NW) erklärte sich insgesamt nicht solidarisch mit dem Streik;[60] der Niederländische Katholische Gewerkschaftsverband (NKV) tat dies anfänglich wohl, formulierte aber die Forderungen der Besetzerinnen sehr schnell in die nach allgemeinen Arbeitsmöglichkeiten in Heimond um. Weder der NKV noch der NW waren sich bewußt, daß die Arbeitsbedingungen von Frauen nicht allein durch das, was sich an ihrem Arbeitsplatz abspielt, bestimmt werden, sondern auch durch ihre Verantwortung für die Familie. Einerseits wollen die Gewerkschaften keine Sonderregelungen für Frauen aufstellen, andererseits sehen sie es aber beispielsweise auch nicht als ihre Aufgabe an, Kinderkrippen und Betriebsmahlzeiten zu fordern, wodurch die Frauen keine Sonderstellung mehr nötig hätten.

12. Wer hat ein Interesse an der
Aufrechterhaltung der Familie?

Wenn wir nun kurz zusammenfassen, welches Interesse das Kapital an der Aufrechterhaltung der Famüie hat, dann kommen wir zu folgenden Punkten:

  • a. Die Familie garantiert auf billige Art und Weise die Reproduktion der Arbeitskraft. Die Verantwortung für die körperüche und psychische Gesundheit der Menschen wird auf sie abgewälzt, namentlich auf die Hausfrauen.
  • b.  Hausarbeit erfiült in wirtschaftlichen Krisenzeiten eine Pufferfunktion, sie fängt die ersten Rückschläge auf und blockiert somit den Lohnkampf.
  • c.  Der Konsum kann durch die Isolation der Familien gesteigert werden, jeder Famliie ihren eigenen Rührmix.
  • d.  Die Familie ist der Ort, an dem Kinder sich spielenderweise eher mit Familieninteressen als mit Klasseninteressen zu identifizieren lernen. Diese Faktoren sind Hindernisse für die VergeseUschaftung von Hausarbeit. Solange das Kapital ein solches Interessen an der Aufrechterhaltung der Famüie hat, sind Investitionen in kollektive Einrichtungen, die Hausarbeit ersetzen, nicht zu erwarten. Es gibt zugleich einen Faktor, der die teilweise VergeseUschaftung unterstützt.
  • e.  Frauen sind, wenn sie im Lohndienst arbeiten, bilüge Arbeitskräfte, gerade weil sie in erster Linie Hausfrauen sind. Das Kapital hat also auch ein widersprüchliches Interesse an der Aufrechterhaltung der Familie.[61]

Frauen sind nicht unbegrenzt ausbeutbar, und es stellt sich auch heraus, daß Frauen, die gleichzeitig erwerbstätig sind und ihre Familie versorgen, schnellerem Verschleiß unterliegen als Männer. Zwischen 1958 und 1971 stiegen die Krankenfehlzeiten von Männern um 40%, die von Frauen um 63%. Dies kommt sicher nicht daher, daß Frauen schneller zu klagen beginnen, denn aus einer in Deutschland an Personen, die ohne Unterbrechung gearbeitet hatten, durchgeführten Untersuchung ging hervor, daß 80% der Männer und 85% der Frauen die eine oder andere Krankheit hatten, ohne dies zu melden. Genauso wie in den schwersten Männerberufen, etwa im Bauhandwerk, halten die Frauen mit Doppelbelastung nach Überschreitung der Grenze zur Rentenberechtigung nicht mehr lange an ihrem Arbeitsplatz durch, was beispielsweise die Niederländische Kommunistische Partei (CPN), den Niederländischen Kommunistischen Frauenbund (NVB) und den Allgemeinen Beamtenbund (ABVA) dazu bringt, sich für die Senkung der Rentenberechtigungsgrenze für Frauen auf sechzig Jahre einzusetzen, [62] wobei die Doppelbelastung selbst natürlich aus der Schußlinie bleibt. Es muß für Maßnahmen gekämpft werden, die den schnelleren Verschleiß von Frauen verhindern: beispielsweise für flexiblere Arbeitszeiten und kollektive Einrichtungen. Denn diese Doppelbelastung hat zur Folge, daß Frauen nicht mehr in der Lage sind, gut zu kochen und für Mann und Kinder zu sorgen. Und umgekehrt, je mehr sie durch die Hausarbeit beansprucht werden, zum Beispiel durch die Verlängerung der Schulpflicht und die unangepaßten Schulzeiten, sind sie als Arbeitskräfte für den Lohndienst weniger brauchbar. Für das kapitalistische System insgesamt ist vor allem der Ersatz verschlissener Arbeitskräfte interessant, aber jeder individuelle Kapitalist ist am meisten an der direkten Ausbeutung lohnabhängiger Frauen interessiert. Es ist auch kein Zufall, daß in expansiven Phasen, wenn die weiblichen Arbeitskräfte stärker benötigt werden, mehr für flexible Arbeitszeiten und kollektive Einrichtungen getan wird, die jedoch wieder gestrichen werden, sobald Frauen weniger notwendig sind. In England wird dies am Beispiel der Kinderkrippen deutlich.[63] Trotz eines niederländischen Regierungsbeschlusses, wonach auf einen Ausbau der Betreuungsstätten für Kinder im Vorschulalter hingearbeitet werden muß, wird überall bei dieser Art von »randständigen Einrichtungen« gespart; und es sind zahlreiche Aktionen bekannt, unter anderem von Pflegepersonal mit dem Ziel, ihre Krippen behalten zu können. In Dänemark sind die Preise für Kinderkrippen so sehr angestiegen, daß sie für Frauen mit niedrigerem Einkommen gar nicht mehr in Betracht kommen.[64] Kollektive Einrichtungen, sagt Renate Bookhagen, sind im kapitalistischen System erst dann zu erwarten, wenn Frauen 67 durch die Lohnarbeit so beansprucht werden, daß die Reproduktion der Arbeitskraft in Gefahr gerät. Die Versorgungseinrichtungen bewegen sich stets in einem minimalen Rahmen.[65] Ihr Fortbestand ist immer wieder bedroht, so wie dies mit dem ganzen »schwachen Bereich«: Unterricht, Gesundheitswesen, Sozialfürsorge, geschieht. Kurz: all die Arbeit, die an erster Stelle durch Hausfrauenarbeit ersetzt werden kann wie etwa Kosteneinsparungen durch frühere Entlassung von Krankenhauspatienten.

Abschließende Bemerkungen

Sozialistische Feministinnen gehen davon aus, daß die Stellung von Frauen nicht nur durch ihre eventuelle Lohnabhängigkeit bestimmt wird, sondern vor allem durch ihre Stellung als Hausfrau. Es besteht eine Wechselwirkung zwischen der Lohnarbeit und der Hausarbeit von Frauen. Es besteht eine Verbindung zwischen der häuslichen Arbeit von Frauen und dem Kapital, und sei es auch eine indirekte und komplizierte. Auf dieser Grundlage wird das Konzept von »dem« Klassenkampf in einem neuen Licht betrachtet werden müssen. Viele Marxisten behaupten noch immer, daß die Arbeiterbewegung einen allgemeinen Kampf führt im Gegensatz zu beispielsweise der Frauenbewegung, die nur auf der Grundlage einer begrenzten Interessenswahrnehmung arbeitet. Aus dem Vorangegangenen dürfte deutlich geworden sein, daß wir nicht dieser Meinung sind. Es geht nicht nur darum, zu schauen, inwiefern Frauen einen Beitrag zu »dem« Klassenkampf leisten können, so wie dies sogar Secombe am Schluß seines Artikels behauptet, es geht auch darum, zu schauen, inwiefern die Arbeiterbewegung einen Beitrag zur Frauenbefreiung leistet, wenn wir diese als die Befreiung von den Zwängen kapitalistischer Produktionsverhältnisse definieren, worunter wir sowohl die Produktion als auch die Reproduktion verstehen. Hausarbeit findet im Herzen der kapitalistischen Produktionsverhältnisse statt, sie ist eine der Bedingungen für ihr Funktionieren. Es besteht daher nicht nur ein Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit, sondern auch zwischen Kapital und Hausarbeit. Zugleich besteht ein (hoffentlich nicht antagonistischer) Widerspruch zwischen Hausarbeiterinnen und Lohnarbeitern, der sich in den Machtverhältnissen zwischen Männern und Frauen äußert, in der Familie, aber auch außerhalb. Wir können den einen Widerspruch nicht durch den anderen ersetzen. Sozialistische Feministinnen werden also vorläufig lernen müssen, mit einer doppelten Loyalität zu leben: Solidarität mit der Arbeiterbewegung und gleichzeitige Kritik an ihrem inhärenten Sexismus, den »blinden Flecken« und den Vorurteilen, Solidarität mit der Frauenbewegung mit gleichzeitiger Kritik an den Strömungen, die unter Sozialismus nichts anderes als die Befreiung von Männern verstehen. Aus der sozialistisch-feministischen Perspektive wird die Strategie der Frauenbewegung weiterentwickelt werden müssen. Wir besitzen erst wenige praktische Beispiele, um dies gründlich tun zu können; die Neue Frauenbewegung ist ja noch relativ jung und die sozialistisch-feministische Perspektive noch jünger. Gleichzeitig werden wir eine Kritik an den dargestellten Strategien entwickeln müssen, zum Beispiel an der Behauptung, daß die einzige Bedingung für die Frauenbefreiung die Aufnahme in den Produktionsprozeß ist. Oder eine andere Strategie, die sowohl die bürgerliche als auch die marxistische Seite vorschlägt: die Forderung nach Hausfrauenlohn. In Zukunft werden diese Punkte sicherlich noch weiter ausgearbeitet.

»Frauen als Gruppe sind im Kapitalismus sehr verletzbar, aber durch unsere gesellschaftliche Position sind wir dazu gezwungen, Wege zu finden, aus dieser spezifischen Unterdrückung auszubrechen. Die Barrieren, denen wir gegenüberstehen, sind sicher nicht imaginär: Die Herrschaft der Männer durchdringt alle kapitalistischen Organisationen, einschließlich der Gewerkschaften und revolutionären Gruppen, und das Problem, wie wir unsere Autonomie bewahren und gleichzeitig eine Organisationsstrategie gemeinsam mit Männern entwickeln können, stellt ein hartnäckiges Dilemma der Frauenbewegung dar.«  (Sheila Rowbotham: Woman' sconsciousness. Man's World.)