Die Wahl zwischen Regen und Traufe Nachtschicht-Probleme

1. Das Problem: Nachtarbeit

Die Niederlande sind noch nie sehr schnell gewesen in der Anpassung der Gesetzgebung an den zunehmenden Widerstand gegen die Diskriminierung von Frauen. Mit dem Gesetz über gleiche Löhne wurde so lange getrödelt, daß die Wirtschaft reichlich Zeit hatte, Maßnahmen zu ergreifen, um aus diesem Gesetz papierene Phrasen zu machen. Mit einigen Verschiebungen in der »Funktionsklassifikation« — ein schön klingendes Wort für das, was in der Praxis auf eine weitergehende Trennung zwischen Frauen- und Männerarbeit hinausläuft — wurde die Zahl der Berufe, in denen Frauen und Männer die gleiche und daher vergleichbare Arbeit leisteten, einfach verringert, womit der Bereich, auf den das Gesetz hätte Einfluß nehmen können, zusammenschmolz. Infolgedessen ist die Kluft zwischen Männer- und Frauenlöhnen durch dieses Gesetz nicht kleiner geworden, die Trennung zwischen »Männerarbeit« und »Frauenarbeit« dagegen größer. Nun wird von der Europäischen Gemeinschaft daraufgedrängt, die letzten diskriminierenden Bestimmungen, nämlich die über den speziellen Arbeitsschutz von Frauen, aus dem Gesetz zu streichen. Und siehe da, plötzlich hören wir einige Herren der Wirtschaft plus ihrer Vertreter im SER (Sociaal-economische Raad: Sozial- und Wirtschaftsrat) und Regierungsfunktionäre wie Albeda das Wort »Emanzipation« in den Mund nehmen. Wenn es nach ihnen ginge (und unsere eigene Staatssekretärin für Emanzipationsfragen Kraaijeveld-Wouters ist mit ihnen einer Meinung), könnten die diskriminierenden Bestimmungen schon morgen gestrichen werden. Denn

»dasjenige, was männlichen Arbeitnehmern nicht verboten werden kann, muß auch weiblichen Arbeitnehmern zugestanden werden, ungeachtet der Tatsache, daß das eine oder andere zu einem Druck auf die weiblichen Arbeitnehmer zur Verrichtung von Nachtarbeit führen könnte«. (Beilage zu Advies EK — Emanzipationskommission.)

Nun sind wir als sozialistische Feministinnen selbstverständlich einigermaßen mißtrauisch, wenn diese Herren und die einzelne Dame, die uns nicht gerade wegen ihrer feministischen Sympathien bekannt sind, sich plötzlich für unsere Gleichheit und Selbstentfaltung einsetzen.
Was steckt dahinter?
Die Diskussion über diese von oben herab verordnete Tendenzwende kommt nur langsam in Gang. Die Gewerkschaften und die Frauenbewegung äußern nur zaghaft erste Meinungen, die Emanzipationskommission ist uneins. Der Grund, weshalb ich über die Frage der Nachtarbeit schreiben will, besteht nicht nur darin, Diskussionsmaterial zu liefern bei der Entscheidung für oder gegen das »Recht« auf Nachtarbeit für Frauen. Die Frage der Nachtarbeit kann als Illustrationsmaterial für tieferliegende Probleme dienen.
Genauso wie bei anderen Problemen, etwa dem der Teilzeitarbeit oder dem Begriff der »angemessenen Arbeit« zeigt sich, daß die Stellung der Frauen eine andere ist als die der Männer. Da die Frauenbewegung ihren Arbeitsbereich nun auch auf die Gewerkschaften ausgeweitet hat und die historische Rolle der Gewerkschaftsbewegung bei der Aufrechterhaltung der Stellung von Frauen untersucht, wird immer deutlicher, daß die von Männern beherrschten Gewerkschaften nicht automatisch als Bundesgenossen der Emanzipationsversuche von Frauen betrachtet werden können. Und selbst dort, wo Gewerkschaften schöne Absichtserklärungen von sich gegeben haben, ist es noch fraglich, ob die Gewerkschaftsbewegung mit ihrer heutigen hierarchischen Organisationsstruktur und mit den Grenzen, mit denen sie ihren Arbeitsbereich abgesteckt hat, ohne große strukturelle Veränderungen in der Lage ist, einen Beitrag für die Gleichstellung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt zu liefern, soweit sie dies überhaupt schon wollen.
Bei der Diskussion über Nachtarbeit und Arbeitsschutz geht es auch um die Wechselwirkung zwischen bezahlter Arbeit und Privatleben, zwischen Produktion und Reproduktion. Aus der Sicht von Frauen wird deutlich, daß gleiche Chancen für Frauen auf dem Arbeitsmarkt nicht zu verwirklichen sind, ohne sich auf die Reproduktion, das Privatleben zu beziehen. Und das ist genau der Punkt, an dem die Gewerkschaften historisch gesehen zu kurz schließen.

2. Ein Stückchen Geschichte

Wir wissen inzwischen, daß mit den Anfängen der Industrialisierung die für die Aufrechterhaltung des menschlichen Lebens notwendige Arbeit in zwei Arten geteilt wurde: in Hausarbeit — als vornehmliche Arbeit für Frauen — und Lohnarbeit — die zum großen Teil von Männern ausgeführt und auf jeden Fall als typisch männliche Beschäftigung betrachtet wird. Für die Stellung der Frauen dabei ist vor allem wichtig, daß der Ort, an dem diese beiden Formen der Arbeit ausgeführt werden, geteilt ist.
Während Männer größtenteils von den Aufgaben ihrer eigenen Reproduktion und der anderer Personen freigestellt sind, teilen Frauen ihre Zeit auf zwischen Reproduktion und Produktion, an zwei verschiedenen Orten, mit zwei verschiedenen Formen von Arbeitsverhältnissen, die das Leben von Frauen zu einem Schlachtfeld von Widersprüchen machen. Das Problem, daß der Begriff »Doppelbelastung« ein Eigenleben kennzeichnet, ist absolut nicht neu. Zu Beginn dieses Jahrhunderts diskutieren Frauen darüber, wie »Mutterschaft und wirtschaftlich produktive Arbeit« (Wichman, Polak) zu kombinieren sind. Sie sehen ein, daß es eigentlich nicht gehen kann, aber trotzdem gehen muß; die meisten Frauen haben einfach keine andere Wahl. Der gesetzliche Arbeitsschutz für Frauen — mit seinem Anfang in dem erneuerten Arbeitsgesetz von 1889, ausgeweitet 1979 — ist ein Versuch, den schlimmsten Folgen der Doppelbelastung entgegenzuwirken. Der Gesundheitszustand der neuen Generation von Arbeitern war so schlecht, daß sogar die Industriellen einsahen, daß sie im Begriff waren, sich mit ihren kurzfristigen Interessen (größtmögliche Ausbeutung der vorhandenen Arbeitskraft) ihre eigenen langfristigen Interessen (eine beständige Zufuhr neuer Arbeitskraft) zu verscherzen. Die Unternehmer gestanden zu, daß das liberale Prinzip der Verhandlungsfreiheit durchbrochen wurde, um sich vor ihrer eigenen Unersättlichkeit zu schützen.
Bereits von Anfang an steckte in den Begriffen, mit denen der Arbeitsschutz von Frauen definiert wurde, etwas Heuchlerisches; als ob die Menschen, die zwei Drittel der Arbeit gegen ein Drittel des Lohnes verrichten, wegen ihrer »Schwäche« geschützt werden müßten. »Der Staat hat kein Recht, die Arbeiter zu bevormunden, indem er sie daran hindert, über ihre Arbeitszeit nach eigenem Gutdünken zu verfügen. Eine gesetzliche Regelung der Arbeitszeit ist eine unerlaubte Einschränkung der Freiheit, Verträge abzuschließen. Eine derartige Beschränkung widerspricht dem Charakter unseres Volkes, das durch seine Liebe zur Freiheit gekennzeichnet ist. Sie greift in die Selbständigkeit ein, die sich für freie Männer geziemt (kursiv A.M.), und lehrt die Arbeiter, sich auf den Staat zu verlassen.« (Studies, S. 29).
Die Freiheitsliebe unseres Volkes erstreckt sich bekanntlich nicht bis zur Selbständigkeit von Frauen. Aber Frauen werden schließlich auch nicht als erwachsene Individuen betrachtet, sondern in erster Linie als Funktionsträgerinnen: als Mütter oder potentielle Mütter. Und die »Lebenskraft des zukünftigen Geschlechts« ist sogar für die Liberalen eine öffentliche Sache, wenn auch die Frauen die Verantwortung hierfür fast allein tragen. Das nachfolgende Geschlecht muß geschützt werden, zur Not gegen die Mütter. 1919 ist das erweiterte Arbeitsgesetz Wirklichkeit. Kinderarbeit ist beschränkt. Frauen dürfen nicht so lange an einem Stück arbeiten wie Männer, nicht nachts und nicht sonntags, und sie dürfen auch nicht in Räumen arbeiten, in denen »für die Ehrbarkeit anstößige Dinge verpackt oder hergestellt werden«; es sei denn, sie sind verheiratet (Schilstra).
Diese Regelungen gelten nur für Fabrikarbeit. Und damit wird auch deutlich, daß es vielmehr die Industrie ist, die gegen sich selbst geschützt werden muß, als daß es um die Frauen geht. Denn gerade einige Berufe, die nur von Frauen betrieben werden, fallen nicht unter diese Bestimmungen: Krankenschwestern beispielsweise. Frauen, die in der Landwirtschaft arbeiten oder in einem fremden Haushalt, erhalten auf keinerlei Art und Weise Schutz. (Geschweige denn die Frauen, die im eigenen Haushalt arbeiten, angesichts der Zahl von »Betriebs«-unfällen noch immer einer der gefährlichsten Berufe.) Und von Anfang an gibt es Ausnahmen bei diesem Gesetz: Näherinnen dürfen von acht bis acht beschäftigt werden. Überall dort, wo die Herren nicht ohne die billige Arbeitskraft von Frauen auskommen, gilt der Arbeitsschutz nicht.

»Das christliche Prinzip läßt es bekanntlich nicht zu, daß Damen ihrer Dienstmädchen beraubt werden, ebensowenig ein großer Bauer seiner billigen Sklavin und der Fabrikant der Mütter, die sich in Zeiten des Hochbetriebs für ein paar Gulden pro Woche abrackern« (Elias, S. 25).

Von Anfang an hat das Gesetz auch den Charakter des »Schutzes« der Männer gehabt, allerdings gegen die Konkurrenz durch die Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Wie die Folgen für die Frauen aussahen, die aus Arbeitsplätzen mit angemessener Ausbildung und Bezahlung weggeschützt wurden, war niemals die Sorge der Gesetzgeber und Industriellen. Die Frauen verschwanden in Heimindustrie, ungeschützte Arbeit oder Prostitution, in Berufe, die — gerade weil von Frauen ausgeführt — niemals mit dem Prädikat »schwer« belegt werden.

»Wenn beabsichtigt wird, daß Frauen bessere Mütter für ihre Kinder sein sollen, erreicht man dieses Ziel nun dadurch, daß die Kinder ihre Nähe haben, aber nicht das notwendige Geld für Nahrung, Kleidung und Heizung?« (Polak, S. 219).

Beim Zustandekommen des Arbeitsschutzes waren verschiedene Interessen im Spiel. Der christliche Grundsatz, die Frau gehöre ins Haus, war inzwischen auch das Ideal der Arbeiterelite, den hochqualifizierten Arbeitern, die genug verdienten, um ihre Frauen »zu Hause zu behalten«. Die konfessionellen Gewerkschaften waren selbstverständlich der Meinung, daß Frauen zu Hause an den Herd gehörten. Patrimonium und der ANWV (Algemene Nederlandse Werkgevers Verbond: Niederländischer Arbeitgeberverband) waren sogar Verfechter eines gänzlichen Arbeitsverbots für verheiratete Frauen und sahen im Arbeitsschutz einen Schritt in diese Richtung. Aber sogar eine sich sozialistisch nennende Organisation wie »Broedertrouw« (Brüdertreue) trat dafür ein, Frauen von der Lohnarbeit auszuschließen. Auch wenn ihre Motive an erster Stelle durch die sichtbare Ausbeutung von Frauen in der Landwirtschaft entstanden (Harmsen, S. 62).
Andere Sozialisten in den Gewerkschaften waren für Arbeitsschutzmaßnahmen, weil sie darin eine Stufe der allgemeinen Verbesserung der Arbeitsbedingungen für jedermann sahen. Aber ihre Motive waren nicht immer gerade edel; auch viele sozialistische Männer sahen ihre Frauen lieber zu Hause und fürchteten die Konkurrenz. Die Gewerkschaft Mercurius für Handels- und Büroangestellte wollte Frauen sogar als Mitglieder der Gewerkschaft nicht zulassen. Und dort, wo die Gewerkschaften im Prinzip für Frauenarbeit und gleiche Bezahlung waren, wie etwa beim NW (Nederlandse Bond van Vakvereinigingen: Niederländischer Verband der Gewerkschaften, gegründet 1905), war die Praxis stärker als die Theorie. Wo es galt, sich für Frauenlöhne einzusetzen, wurde für Frauen weniger gefordert als für Männer, wodurch die Unterschiede in der Bezahlung eher größer wurden als kleiner (Outshoorn, S. 734). Bis heute bleibt das Recht der Frauen auf Arbeit ein strittiger Punkt, und wenn es darauf ankommt, muß es in den Gewerkschaften von neuem verteidigt werden. Wenn es um die Wirtschaft und die Löhne gut steht, hat man einen Grund, die Frauen nach Hause zu schicken, denn dann ist ihr zusätzlicher Lohn nicht mehr nötig. Wenn es um die Wirtschaft schlecht steht, und die Arbeitslosigkeit steigt, müssen sie auch ins Haus zurück, denn dann konkurrieren sie mit den rechtmäßigen Ernährern; dies ist die allgemeine Tendenz. Obwohl keine einzige Gewerkschaft diese Auffassung öffentlich verkündigen wird, muß weiterhin darauf geachtet werden, daß sie sich nicht passiv diesem Trend anschließt.

»Die Mädchen in der Industrie wollen nur Taschengeld und Kleider und denken nicht daran, daß durch ihre Flausen Männer arbeitslos werden und ganze Familien ohne Arbeit dastehen «,

verkündete die Allgemeine Gewerkschaft Niederländischer Diamantarbeiter Ende des 19. Jahrhunderts (Outshoorn, S. 734). Es klingt schrecklich modern.
1903 fand die klassische Diskussion zwischen Gegnerinnen und Befürworterinnen des Arbeitsschutzes statt. Dabei ging es nicht nur um verschiedene Meinungen, sondern auch um verschiedene Positionen. Frauen mit besserer Ausbildung, aus denen sich damals die bedeutendste Gruppe der Feministinnen zusammensetzte, erkannten sehr deutlich, daß der Arbeitsschutz auch dazu diente, sie von den besseren Arbeitsplätzen auszuschließen. Das Recht auf selbständiges Einkommen und Zugang zu Ausbildung und »Männer« berufen war gerade einer der wichtigsten Streitpunkte der damaligen Frauenbewegung. Dem standen die weniger qualifizierten Frauen gegenüber, für die die Doppelbelastung am schwersten wog, die wußten, daß sie zu Überstunden und Nachtarbeit gezwungen würden, wenn dies nicht vom Gesetz eingegrenzt würde. Am tiefsten aber auf der Stufenleiter der Lohnabhängigen befand sich eine Gruppe von Frauen, der es so schlecht ging, daß sie es sich nicht erlauben konnte, welche Arbeit auch immer abzulehnen (dies zeigt sich in den Ausnahmebestimmungen zu dem Verbot für Frauen mit Kindern unter sechs Jahren, in Ziegeleien zu arbeiten, sofern sie nicht die Familie ernähren mußten). Diese zwei unterschiedlichen Positionen wurden in der Debatte zwischen Frau Rutgers-Hoitsema, Feministin, und Henriette Roland-Holst, Sozialistin, sehr hart gegeneinander vertreten. Rutgers war gegen das anstehende Arbeitsgesetz. Mit Beispielen aus der Praxis zeigte sie, daß der Schutz von Frauen als einer gesonderten Gruppe in Wirklichkeit auf eine Bevorzugung der Männer, höhere Männerlöhne und damit eine Festschreibung der herkömmlichen Familie mit dem Vater als bestimmender Autorität hinauslaufen würde. Roland-Holst trat sehr heftig für Arbeitsschutzmaßnahmen ein. Solange Frauen eine »doppelte Berufung« haben, würde zuviel von ihnen gefordert, um in Erwartung von kollektiver »Erleichterung der Hausarbeit« (Posthumus-Van der Goot, S. 190) die gleiche Arbeit von ihnen zu verlangen wie von Männern. Für sich genommen sind beide Standpunkte nachweisbar richtig. Tatsächlich finden wir sie auch in der heutigen Diskussion wieder.

3. Die Gegenwart

Nach diesem Stückchen Geschichte kommen wir zur aktuellen Situation. Im Vorangegangenen wurde bereits deutlich, daß Arbeitsschutz und Maßregeln nur die allerschärfsten Spitzen des Widerspruchs zwischen der produktiven und der reproduktiven Aufgabe von Frauen beseitigen konnten. Und dies auch nur in der Industrie und an den Stellen, wo von »gemischter« Arbeit die Rede ist. Gleichzeitig wird deutlich, daß das Gesetz auch dazu gedient hat, Frauen aus »Männerberufen« auszuschließen. Der Zustand ist noch nicht viel besser geworden. Zwei Drittel der erwerbstätigen Frauen arbeitet noch immer aus wirtschaftlicher Notwendigkeit. Die Zahl außerhalb des Hauses arbeitender Mütter nimmt zu, die Zahl alleinstehender lohnarbeitender Mütmer auch. Neben der wachsenden Arbeitslosigkeit von Frauen glückt es nur einzelnen, in »Männerberufe« einzudringen. Dort, wo die Wirtschaft — manchmal unterstützt von den Gewerkschaften — einen Zugang für Frauen eröffnet, stellt sich als Ursache dafür heraus, daß für diese Arbeit keine Männer mehr zu bekommen sind. Sobald wir in der Zeitung eine Schlagzeile sehen, wonach für einen bestimmten »Männerberuf« nun auch Frauen gesucht werden, brauchen wir nur einige Zeilen weiterzulesen, um das Problem zu erkennen: Sie wollen keine Nachtarbeit mehr, sie wollen nicht putzen, sie wollen nicht auf große Fahrt - die Männer wollen nicht mehr. Daher wird jetzt unter anderem der Beruf des Straßenkehrers edelmütig für Frauen erschlossen (Volkskrant, 5. Mai 1980). Dasselbe spielt sich momentan auch in der Metallindustrie ab, wo mit Billigung der Gewerkschaft für einige Frauen eine Ausnahmegenehmigung vom Nachtarbeitsverbot erteilt wurde, nachdem keine Zustimmung dafür zu bekommen war, ausländische Arbeiter anzuwerben. Es besteht die Gefahr, daß Frauen als »Streikbrecherinnen« eingesetzt werden. Denn der Widerstand gegen das System der Schichtarbeit wird immer größer: seitens der Arbeiter, die entdecken, daß sie körperlich daran kaputtgehen und ihr soziales Leben durcheinander gebracht wird, und seitens ihrer Frauen, die ihre Haushaltsführung daran anpassen müssen, daß zwei Lebensrhythmen durcheinanderlaufen und sie sich damit auch psychischem und körperlichem Verschleiß aussetzen. Mit dem Wort Emanzipation als Deckmantel wird die harte ökonomische Wirklichkeit vertuscht: Die Arbeitslosigkeit unter Frauen ist so groß, daß offenbar Frauen zu finden sind, die die Art von Arbeit übernehmen, die Männern mittlerweile zu schwer ist. Es sind sogar einzelne Frauen zu finden, die Nachtarbeit als einen Lösungsweg aus ihrer Doppelbelastung erleben, denn dann können sie tagsüber »normale« Mütter sein, die zu Hause sind, wenn die Kinder aus der Schule kommen, die das Essen auf dem Tisch stehen haben, wenn Vater nach Hause kommt, und Geld verdienen, wenn andere Menschen Freizeit haben oder schlafen (Coyle). Während früher der »Arbeitsschutz« von einigen Frauen als eine Anerkennung der Bedeutung ihrer Aufgabe als Mutter erlebt wurde, setzt nun eine ideologische Wende ein: Nun wird das Wort »Gleichheit« benutzt, um Frauen dorthin zu bekommen, wo die Industrie sie haben will, an Arbeitsplätze, für die sie keine Männer finden kann. Es ist übrigens auffällig, daß bei der Untersuchung der Schädlichkeit von Schichtdienst und Nachtarbeit (Boelsma und Hak) durch die Gewerkschaften nur Untersuchungen über männliche Arbeiter in der Industrie durchgeführt werden und nicht über die schätzungsweise ebensogroße Gruppe von Frauen, die im Gesundheitswesen, in der Altenpflege und in Heimen Nachtarbeit verrichten. Es würde sich herausstellen, daß Frauen andere Probleme mit Nachtarbeit haben — neben den »gewöhnlichen« schädlichen Folgen eines gestörten Schlafrhythmus' und eines über den Haufen geworfenen sozialen Lebens. Frauen, die nachts arbeiten, müssen neben ihrer bezahlten Arbeit für ihre eigene Reproduktion sorgen — und manches Mal noch für die von Mann und Kindern (die meisten Frauen in der Nachtarbeit sind auch alleinstehend, Frauen mit Mann und/oder Kindern haben schließlich schon zu Hause »Nachtdienst"). Und es kommt ein Problem hinzu, das für Männer nicht gilt: das der sexuellen Gewalt. Die Fahrt von und zur Arbeit ist, wenn die öffentlichen Verkehrsmittel außer Betrieb sind, gefährlich in einem patriarchalischen System, in dem es für normal gehalten wird, die Opfer sexueller Gewalt einzusperren und nicht die Täter. Und erst jetzt, nachdem im vergangenen Jahr eine Frau, die allein Nachtdienst verrichtete, in einem Heim ermordet wurde, wird darüber nachgedacht, daß es nicht an den Frauen selbst liegt, wenn sie größeren Risiken ausgesetzt sind.
Auch in Amerika ist die Frage des Arbeitsschutzes im Moment aktuell (Petchesky, Wright). Ebenso wie es jetzt hier und dort Frauen gelingt, in technisch qualifizierte »Männer«-berufe einzudringen, werden die alten Gesetze wieder darauf abgestimmt, sie hinauszudrängen. Es geht dabei vor allem um die Schädlichkeit für die Fortpflanzungsfunktion von Frauen: in chemischen Betrieben und bei Arbeiten, die mit radioaktiver Bestrahlung zu tun haben. Auch hier ist wieder typisch, daß dieses Gesetz sich vor allem an die Arbeit, bei der es um »Männerberufe« geht, anpaßt und nicht an Berufe, in denen Frauen unentbehrlich sind, wie beispielsweise in chemischen Reinigungen oder als Operationskrankenschwestern (bei Anästhesistinnen ist die Wahrscheinlichkeit einer Fehlgeburt viel größer). Die alten Argumente werden wieder hervorgekramt: das gesunde Volk. Der Fötus als Bürger, der zur Not vor der Mutter geschützt werden muß. Es gibt Fälle, in denen Frauen sich notgedrungen haben sterilisieren lassen, um nicht entlassen zu werden.
In anderen Fällen werden alle »fruchtbaren« Frauen ausgeschlossen. Daß es nicht um den Schutz von Frauen und Kindern geht, wird bei näherer Untersuchung wohl deutlich. Dieselben Fabrikanten, die solches Mitleid mit einem Fötus empfinden, kippen ihren Abfall in die Flüsse, wodurch noch viel mehr Kinder in Gefahr gebracht werden. Die Bestimmungen werden obendrein nicht an Männer angepaßt, von denen wir mittlerweile wissen, daß ihre Fortpflanzungsfunktion genauso bedroht ist. Mit dem Ausschluß von Frauen wollen Industrielle das »männlich« Image der Arbeit aufrechterhalten und die Aufmerksamkeit von Maßnahmen zur Verminderung der generellen Schädlichkeit bestimmter Arbeiten ablenken. Es ist auch kein Zufall, daß die Sorge um die reproduktive Funktion wiederauflebt mit einer neuen Mutterschaftsideologie auf der einen Seite (Kinder, deren Mütter nicht zu Hause sind, geraten an Drogen und werden kriminell), während auf der anderen Seite alle kollektiven Einrichtungen, die es Frauen ermöglichen, die Verantwortung für ihre Mutterschaft wirklich tragen zu können, abgebaut werden. Zusammengenommen geht es dann auch nicht um »Schutz«, sondern um den Versuch, die Welle der wachsenden Emanzipation abzuwehren und Frauen wieder in die Abhängigkeit von Vorgesetzten und Ehemännern zu zwingen. In den Niederlanden wurde versteckte Diskriminierung noch wenig untersucht. Wir haben aber klare Vermutungen, denen nachgegangen werden muß: daß es z.B. Ausbildungseinrichtungen gibt, die keine weiblichen Gynäkologiestudenten aufnehmen wollen, weil sie schwanger werden könnten (!) und sich insofern eine teure Ausbildung nicht rentiere: wohl eine sehr bizarre Verdrehung, um den Beruf des Frauenarztes in Männerhänden zu belassen. Wir wissen auch, daß das Argument der Schädlichkeit für den Fötus benutzt wird, um Frauen aus der Röntgenologie auszuschließen, ohne den Schaden, der Männern droht, in Betracht ziehen zu wollen.

4. Der Weg aus dem Dilemma

Frauen haben noch immer eine doppelte Position, auch wenn sie nicht verheiratet sind, müssen sie zumindest für sich selbst sorgen. Viele Aufgaben, zum Beispiel die von Gewerkschaftsfunktionären (sechzig bis siebzig Arbeitsstunden in der Woche, wobei man sich nur Kinder leisten kann, wenn man eine Frau hat, von der man versorgt wird), sind damit von vornherein beinahe ausgeschlossen. Die schönen Pläne der frühen Sozialisten über die Kollektivierung von Hausarbeit sind beinahe schon wieder vergessen. Was wir erreichten, wurde unmittelbar wieder abgebaut. Wenn wir dem »Emanzipations"-Argument von Regierung und Wirtschaft zustimmen und unter dem Motto »Gleiche Rechte, gleiche Pflichten« die diskriminierenden Bestimmungen abschaffen lassen, bedeutet das nicht nur, daß Frauen mehr Zugang zu einigen Berufen bekommen, es bedeutet vor allem, daß Frauen, durch ihre Lebensumstände dazu gezwungen, Arbeit tun werden, die Männer nicht mehr verrichten wollen. Und es bedeutet auch, daß unsere Gleichheit auf dem Arbeitsmarkt mit einer schweren Extralast erkauft wird, solange die Sorge für die Lebensqualität immer noch hauptsächlich auf unseren Schultern lastet. Wenn wir aber die Fortsetzung von Arbeitsschutzmaßnahmen befürworten, weil wir nun einmal eine andere Stellung haben als die Männer, bleiben wir auf den Arbeitsplätzen für Frauen hocken, auf unterbezahlter und perspektiveloser Teilzeitarbeit. Mit anderen Worten: wenn wir wie »normale« Arbeiter behandelt werden wollen, bleibt unsere Hausarbeit und das Hin und Her mit den Kindern ein Privatproblem, bei dem wir selbst sehen müssen, wie wir es lösen. Aber wenn wir uns als »Frauen« behandeln lassen, fügen wir uns darein, eine besondere Sorte Menschen zu sein, die Schutz nötig hat, und unsere Stellung in der Produktion bleibt schwach.
In beiden Fällen sind es die Frauen, die den Preis bezahlen. Eine Wahl zwischen Regen oder Traufe.
Bei der Entstehung des Arbeitsgesetzes Anfang dieses Jahrhunderts konnten die Frauen dieses Problem nicht lösen. Die verschiedenen Positionen wurden verteidigt, Argumente wiederholt, aber es schien keinen Ausweg aus diesem Dilemma zu geben. Das war auch gar nicht möglich, solange die Widersprüche in der Position von Frauen selbst nicht erkannt wurden.
Mit der Entstehung des sozialistischen Feminismus in den letzten zehn Jahren hat sich jedenfalls etwas verändert. Zwei neue Erkenntnisse helfen uns weiter: zum ersten haben wir die »Hausarbeit« von Frauen als einen Teil der historischen Arbeitsteilung entlarvt, zum zweiten haben wir durchschaut, daß die Allgemeinheitsansprüche der von Männern beherrschten Strukturen nichts taugen: nichts ist allgemein, wenn es nicht auch auf Frauen zutrifft.
Eine Erklärung: Noch in der vorigen Frauenbewegung gingen sowohl Sozialistinnen als auch Feministinnen davon aus, daß die Sorge für Männer, Kinder, sich selbst und den eigenen Lebensraum eine typisch weibliche Eigenschaft war, die durch »Kollektivierung« höchstens erleichtert werden konnte. Dieses Verständnis spiegelt sich in unserem Sprachgebrauch wider: das Wort »Mutter« impliziert, daß nur ein Weibchen »bemuttern« kann, die biologische Funktion fällt mit der soziologischen zusammen.
Mittlerweile gibt es eine schlagkräftige neue Definition der Hausarbeit als einer unter patriarchalischen Prinzipien begonnenen und im kapitalistischen System erweiterten Arbeitsteilung, für die keine biologischen Argumente mehr herangezogen werden können. Was zuerst als das »Handicap« von Frauen auf dem Arbeitsmarkt erschien, wird nun als das Handicap eines patriarchalischen Systems entlarvt. Die weitgehende Trennung zwischen den Aufgaben von Männern und Frauen ist nicht natürlich. Hinter dem Mythos von Männern und Frauen, die einander so wunderbar ergänzen, steckt ein ungleiches Machtverhältnis. Die Frauen, die dafür bestimmt sind, die Hauptverantwortung für die Lebensqualität zu tragen, dies aber unter sich stets verschlechternden Bedin143 gungen und mit immer weniger Wertschätzung verwirklichen sollen, geraten in Aufstand. Dabei wird langsam deutlich, daß von Gleichheit auf dem Arbeitsmarkt keine Rede sein kann, solange die Verantwortung für die Qualität (die Versorgung) nicht genauso geteilt wird wie die Sorge für die Quantität (den Lohn). Männer haben die unangenehme Angewohnheit, im Namen der Menschheit zu sprechen. Diese schlechte Gewohnheit setzt sich auch in den Gewerkschaften durch, die sich anmaßen, für die allgemeinen Interessen der Lohnabhängigen einzutreten. Zumindest sieht man nicht auf die Fahnen der Gewerkschaften geschrieben, was eigentlich ehrlicher wäre: Wir vertreten die beschränkten Interessen eines begrenzten Teils der Arbeiter — nämlich die wirtschaftlichen Interessen qualifizierter weißer Männer, die noch nicht arbeitslos sind. Wenn über »allgemeine« Arbeitsbedingungen gesprochen wird, wird meistens stillschweigend davon ausgegangen, daß »der« Arbeiter eine Frau zu Hause hat, die für ihn sorgt, und daß er von der täglichen Sorge um die folgende Generation freigestellt ist: womit implizit angenommen wird, daß der Arbeiter ein Mann ist. Folglich wird es den Frauen überlassen, wenn sie einen Platz innerhalb der Produktion haben wollen oder müssen, auf welche Weise sie sich an ein System, das auf der Stellung von Männern basiert, anpassen. Das System selbst wird dabei als allgemeingültig und indiskutabel betrachtet. Ausgehend von diesen Erkenntnissen erscheint die Diskussion über das Für und Wider des Arbeitsschutzes von Frauen in einem anderen Licht. Es wird nichts dadurch gelöst, wenn die Wahl zwischen Anpassung oder Nichtanpassung den Frauen überlassen wird. Die Arbeitsteilung selbst muß aufs Tapet, sowohl die innerhalb als auch die außerhalb des Produktionsbereichs. Wenn wir wollen, daß Frauen jemals eine gleichberechtigte Position als Lohnabhängige einnehmen können, dann müssen die Arbeitsbedingungen an die Tatsache angepaßt werden, daß Menschen sich um ein Privatleben zu kümmern haben, daß sie Zeit und Arbeit in ihre Erholung stecken müssen, daß sie für Kinder verantwortlich sind. Die Männernormen müssen daher an die Frauennormen angepaßt werden und nicht umgekehrt. (Die einzige Ausnahme ist der Schutz von Frauen, der die Schwangerschaft betrifft, aber auch hierbei gilt, daß die Forderung nach »Schwangerschaftsurlaub« für Männer gerechtfertigt wäre, damit sie ihren Anteil an der Elternschaft tragen können.) Auf das Arbeitsgesetz übertragen, bedeutet dies, daß, wenn Nachtarbeit für Frauen schädlich ist, sie auch für Männer schädlich ist und ihre Möglichkeit, die häusliche Verantwortung zu teilen, einschränkt. Dies muß auf weiteren Gebieten geltend gemacht werden. Nicht die Frauen sollten für Teilzeitarbeit kämpfen, diese Forderung sollten die Männer stellen.

5. Strategie

Es klingt ziemlich einfach, wenn wir sagen, daß die Männernormen an die Frauennormen angepaßt werden müssen und nicht umgekehrt. Die Konsequenzen sind aber weitreichend und die Strategie, dies fertigzubringen, sieht alles andere als einfach aus. Die Widerstände gegen drastische Veränderungen in der Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen sind nicht nur im Wirtschaftsleben spürbar, sondern auch in den Gewerkschaften.
Nach einer Periode, in der Frauen versucht haben, eine Stellung auf dem Arbeitsmarkt zu erobern, indem sie sich auf die gleiche Weise wie Männer in Gewerkschaften organisierten, ist mit dem Wiederaufleben des Feminismus eine neue strategische Periode angebrochen. Daß »Integration« in die Gewerkschaften wenig bringt, hat die Erfahrung bewiesen (Vijn, Meulenbelt). In den letzten Jahren wird in den Gewerkschaften mit Frauengruppen gearbeitet, nicht von den Gewerkschaften, sondern von den Frauen selbst von der Basis her organisiert, womit ein Versuch gemacht wurde, die selbständige Position als Frauengruppe mit einem Fuß zwischen der Tür der formellen Strukturen zu kombinieren (unter anderem im ABOP — Algemene Bond van Onderwijzend Personeel: Allgem. Verband der Erziehungsberufe —, im ABVA — Algemene Bond van Abtenaren: Allg. Beamtenbund-, Mercurius und dem FNV - Federatie van Nederlandse Vakbonden: Bund der niederländischen Gewerkschaften).
Diese Gruppen stoßen auf großen Widerstand. Trotzdem erfüllen sie eine Funktion. Mit Unterstützung durch die Frauenbewegung von außen her gelingt es den Frauengruppen langsam, deutlich zu machen, daß die Stellung von Frauen anders ist als die von Männern, daß daher die normale Gewerkschaftsstrategie nicht ausreicht, um selbst die einfachsten Bedingungen für die gleichberechtigte Stellung in der Produktion zu verwirklichen. Die neuerlich drohende Gefahr, während diese Erkenntnis nun langsam durchzudringen beginnt, besteht darin, daß die Gewerkschaften sich nun damit abfinden, daß Frauen »andere« Probleme haben, und den Frauen mehr oder weniger wohlwollend den Spielraum geben, diese Probleme dann selbst zu lösen. Mit einer Frauenrubrik in der Gewerkschaftszeitung, einer Beilage zum eigentlichen Aktionsprogramm, mit der Zustimmung zu einer Frauensprechstunde und der regelmäßigen Nennung von Frauen in der Aufzählung der »Minderheitsgruppen«, gemeinsam mit Alten, Jugendlichen, Ausländern und Behinderten, glauben die Gewerkschaften ihre Pflicht zu erfüllen. Aber es bricht nun eine neue Phase an, in der die Frauengruppen in dem Spannungsfeld zwischen Integration und Autonomie deutlich machen müssen, daß das Problem der Ungleichheit nicht nur durch die Frauen selbst zu lösen ist, sondern daß es auch und vor allem um das Verhalten von Männern — als Ehemänner, Kollegen und Gewerkschaftsfunktionäre — geht, das sich verändern muß, um die Strukturen der Gewerkschaften selbst und vor allem um die Wechselwirkung zwischen diesen beiden Faktoren. Das wird nicht einfach sein. Der FNV hat schöne Ziele verabschiedet. Es geht um »die Förderung gleichwertiger Behandlung und gleicher Chancen für weibliche und männliche Arbeitnehmer, damit sie in gleicher Weise am gesellschaftlichen Leben, insbesondere am Arbeitsprozeß teilnehmen können.« Aber darüber, wie diese Zielsetzung jemals verwirklicht werden kann und welche Schritte die Gewerkschaften dazu selbst zu unternehmen gedenken, ist nicht wirklich nachgedacht worden. Für sozialistisch orientierte Feministinnen ist mittlerweile deutlich geworden, daß die Stellung der Frauen auf dem Arbeitsmarkt nicht »gleichwertig« werden kann, wenn nicht zugleich außerhalb der Produktion an der Gleichheit gearbeitet wird. Auch am Beispiel der Nachtarbeit zeigt sich, daß im täglichen Leben von Frauen produktive und reproduktive Aufgaben so verflochten sind, daß das eine nicht ohne das andere beeinflußt werden kann. Aber in der praktischen Arbeit in den Gewerkschaften werden wir an diesem Punkt regelmäßig mit heftigen Abwehrmechanismen konfrontiert. »Die Gewerkschaften haben nicht das Recht, sich in das Privatleben ihrer Mitglieder einzumischen «, als ob nicht jede Regelung und jede gesetzte Priorität Konsequenzen zu Hause hätte. Als ob durch die Wahl zwischen Arbeitsverkürzung pro Tag oder pro Woche nicht ebenso das Privatleben der Menschen berührt würde. Als ob bei den Bemühungen, von einem Vier-Schichten- zu einem Fünf-Schichten-System überzugehen, nicht gerade das Privatleben der Menschen als Ausgangspunkt diente. Als ob bei dem Begriff »zumutbare Arbeit« die Fahrtzeit, die man den Menschen abverlangt, keine direkten Konsequenzen für ihr Verhalten zu Hause hätte, auch darauf, wie viele »Gründe« Männer haben, keine Hausarbeit zu übernehmen. Und für Frauen sogar die Konsequenz, ob sie eine Arbeit annehmen können oder nicht.
Wir sollten von den Gewerkschaften einiges erwarten können, an erster Stelle, daß bei dem, was in der gewachsenen Tradition als die Aufgabe der Gewerkschaften gilt, der Tatsache Rechnung getragen wird, daß die Interessen von Frauen nicht automatisch dieselben sind wie die von Männern. Angesichts der Vorgeschichte brauchen wir hierbei allerdings nur wenig optimistisch zu sein.
Die Gewerkschaften werden selten zu aktiven Wegbereitern der Frauen. Dort, wo die Frauen die Zügel selbst in die Hand nehmen, hinken die Gewerkschaften hinterher oder lassen den ganzen Kram im Stich. Selbst bei Dingen, die auf der Hand liegen, wurde wenig unternommen. 1973 bei der Optilon-Frage über gleiche Bezahlung von Männern und Frauen sind die Gewerkschaften nicht aufgetreten. Auch als eine Abteilung von Philips ausgelagert zu werden drohte, wodurch Frauen, die neben ihrem Haushalt keine zusätzliche Fahrtzeit auf sich nehmen konnten, ihre Arbeit verloren hätten, hielten die Gewerkschaften es nicht für nötig, für Frauen »Ausnahmen« zu fordern (Van Gessel). Ungefähr dasselbe spielte sich bei der kürzlich drohenden Schließung des Philips-Zweigwerks in Heer ab. Jetzt, da Minister Albeda mit der Ausweitung des Begriffs der ,,zumutbaren Arbeit« droht (was konkret bedeutet, daß Menschen gezwungen werden könnten, Arbeit anzunehmen, die sehr weit von ihrem Wohnort entfernt ist, wodurch die Arbeitslosigkeit natürlich nicht gelöst, aber die offizielle Arbeitslosenziffer gesenkt werden wird, weil weniger Frauen sich werden erlauben können, als arbeitssuchend registriert zu sein), ist es wieder fraglich, ob die Gewerkschaften begreifen werden, daß zusätzliche Fahrtzeit für Frauen etwas anderes bedeutet als für Männer. Daher: selbst bei Aktionspunkten, die auf der Hand liegen, müssen die Frauen sich wie die Habichte darauf stürzen und wie die Geier darüber wachen, daß ihnen Rechnung getragen wird. Und dabei geht es erst einmal nur um kurzfristige Aktionen, durch die die Stellung der Frauen auf dem Arbeitsmarkt lediglich verteidigt wird. Da ist von der Vision einer langfristig besseren Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen noch gar nicht die Rede.
Schwieriger wird es, wo es um strukturelle Veränderungen und nicht um eine ad hoc Anpassung an Probleme geht. Zunächst ist es notwendig, daß die Gewerkschaftsbewegung begreift, daß sie zumindest eine Perspektive entwickeln muß zu dem, was wir die Wechselwirkung zwischen Produktion und Reproduktion nennen. Dabei wird man(n) sich an die eigene Nase fassen müssen. Es zeigt sich keineswegs die Einsicht, daß das Verhalten von Männern zu Hause, am Arbeitsplatz und in den Gewerkschaften ein wichtiges Hindernis für Gleichheit und für eine bessere Stellung von Frauen und damit ein Objekt der Veränderung ist. Gewerkschaftsfunktionäre können in der Öffentlichkeit reaktionäre Töne anschlagen, z.B. sie seien »nicht gebaut, um abzuwaschen«, ohne daß ihnen der Ausschluß droht.
Unter der objektiven Interessenvertretung männlicher Arbeiter verbirgt sich die Ebene subjektiver Interessen, über die nicht geredet wird. Zum Beispiel: objektiv gesehen hat ein Mann Interesse daran, daß Frauen ebensoviel verdienen wie er. Sein Lebensstandard steigt ebenso, wenn die Frau, mit der er zusammenlebt, mehr verdient. Und die Konkurrenz billiger Arbeitskraft von Frauen muß nicht mehr gefürchtet werden, wenn Frauenarbeit nicht mehr billig ist. Aber mit der gleichen Bezahlung geraten wir auf eine irrationale Ebene. Da erleben es die Männer als eine Verletzung, wenn die Frau, mit der sie zusammenleben, oder die Kollegin am Arbeitsplatz genausoviel verdient und scheinbar die gleiche Arbeit verrichten kann. Für diese Dinge scheint die Wirtschaft aufmerksamer zu sein als die Gewerkschaften, wie sich in einer Äußerung der Firma Bruynzeel in den sechziger Jahren zeigt, die ängstlich darüber wachte, daß der Lohn von Frauen niedriger blieb als der von Männern. Nicht einmal wegen des Gewinns, sondern aus psychologischer Erkenntnis: »Es muß verhindert werden, daß die Ansicht Fuß faßt, Männer hätten bisher eigentlich immer Arbeit geleistet, die genausogut von Frauen hätte verrichtet werden können« (Elias, S. 73). Diese Ebene der subjektiven »Männer"interessen wird in den Gewerkschaften nicht bemerkt und ist innerhalb dieser Struktur auch kaum auf die Tagesordnung zu bekommen, geschweige denn, daß es Mittel gibt, daran etwas zu ändern. Aber daß zumindest ein Anfang gemacht werden muß, ist deutlich geworden. Beispielsweise auf der Ebene der Arbeitsbedingungen in den Gewerkschaften selbst, wobei sich niemand hinter dem Kapital verstecken kann und eigentlich zu erwarten sein dürfte, daß dort einigermaßen verwirklicht wird, worauf wir in unserem Arbeitssystem letztendlich hinarbeiten. Es wäre zum Beispiel zuvorkommend, wenn die Gewerkschaften, die behaupten, für Teilzeitarbeit zu sein, Teilzeitarbeit für ihre eigenen Arbeitnehmer/innen einrichten, so daß es für Frauen weniger unmöglich würde, in der Gewerkschaft zu arbeiten, außer als Putzfrau oder als Stenotypistin. Und es wäre auch ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, wenn von Gewerkschaftsfunktionären keine sechzig- oder siebzigstündige Arbeitswoche verlangt würde, sondern wenn sie normale Arbeitswochen, wie sie sie für ihre Mitglieder erkämpfen, einführten. Ich habe hier nur einige Punkte genannt. Es geht noch nicht um eine zusammenhängende Sicht, eine Zukunftsaussicht, wenn wir auf Zwischenschritte drängen, die für die Umsetzung der schönen Ziele des FNV in die Praxis notwendig werden.
Aber mit dem Problem des Arbeitsschutzes kann ein Anfang gemacht werden. Aus Amerika hört man schöne Klänge: Dort plädiert als erster ein Mann, zudem noch einer aus der »männlichen« Metallarbeitergewerkschaft, für die Anpassung des Arbeitsschutzes von Männern an den von Frauen (Whight). Er plädiert für »Reproduktionsurlaub« und für bezahlten Urlaub oder für eine Versetzung in eine ungefährliche Abteilung sowohl für Männer als auch für Frauen in der Zeit, wenn sie ein Kind planen. Das ist nur ein Bruchteil, verglichen mit dem, was noch alles verändert werden muß, aber es deutet eine Denkrichtung an, von der zu hoffen ist, daß sie'sich durchsetzt. Jedenfalls ist gerade am Punkt der Reproduktionsarbeit ein erster Versuch der Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaftsbewegung, Frauenbewegung und Umweltbewegung in Amerika zu spüren (Petchesky). Bezüglich der Nachtarbeit wird es in den Niederlanden wahrscheinlich auf einen Kompromiß hinauslaufen. Die Gewerkschaften sind momentan noch gespalten. Die Gewerkschaft für Nahrung und Genußmittel und die Gewerkschaft für Graphik (Graphische Bond: der IG Druck und Papier entsprechend) neigen zur Beseitigung des Nachtarbeitsverbots für Frauen, begreiflich, da es dort nicht um die schlechtesten Arbeitsplätze geht. Die Industriegewerkschaft tendiert zu einer Beibehaltung des Arbeitsschutzes, begreiflich, weil es dort gerade um Arbeit geht, bei der Frauen eingesetzt werden können, um so das Schichtarbeitssystem unverändert beizubehalten. Es ist absehbar, daß dabei ein Genehmigungssystem herauskommen wird, bei dem von Fall zu Fall über eine Nachtarbeitserlaubnis für Frauen entschieden wird. Natürlich muß hier auch von Fall zu Fall Druck auf die Gewerkschaften ausgeübt werden, damit die Interessen von Frauen Beachtung finden. Dabei werden allerdings die alten Widersprüche zwischen den Interessen von Männern und Frauen weiterhin eine Rolle spielen. Und womöglich wird gerade am Punkt der Nachtarbeit langsam deutlich, daß es letztlich im Interesse von Männern liegt, wenn sie sich weigern, ungesunde Arbeit zu verrichten, und ihre Forderungen an die der Frauen anpassen, wodurch ein winziger Schritt in Richtung auf Gleichheit getan wird. Nun muß auf die erste gewerkschaftlich unterstützte Aktion von Männern gewartet werden, die das Recht einfordern, während der Arbeitszeit mit ihren Kindern zum Zahnarzt zu gehen.