Frauen und Faschismus

  • *Diese Unterrichtseinheit geht aus einem Projekt hervor, das am Seminar für Geschichte der PH Dortmund gemeinsam mit dem Ausbildungsseminar Dortmund durchgeführt wurde, (sh. die Dokumentation: Begleittexte zur Ausstellung: Frauen und Faschismus, Dortmund. Auf diese Dokumentation wird hier Bezug genommen: zit. als: Dokumentation.

Voraussetzungen

Im Geschichtsunterricht spielte bisher die Frage nach der Bedeutung von Frauen keine oder nur eine untergeordnete Rolle. Deshalb sind bei Einführungen in diesen Problemkreis die notwendigen Voraussetzungen besonders zu beachten. Möglichst viele der folgenden Problemfelder sollten zuvor bearbeitet sein:

  • Problematik der Frauenbewegung im 19. und 20. Jahrhundert;
  • Vorgeschichte und Geschichte des deutschen Faschismus;
  • Verhalten der deutschen Bevölkerung zum Faschismus;
  • Widerstandsbewegungen gegen den Faschismus;
  • Ausmaß und Auswirkung des passiven Widerstandes.

Lernziele

  • Die Schüler sollen erkennen, daß die Nationalsozialisten versuchten, die Frauen aus allen Bereichen der Öffentlichkeit auszuschalten und auf den Bereich von »Hausfrau und Mutter« einzuschränken;
  • die Schüler sollen erkennen, daß die Nationalsozialisten jede Form der Frauenemanzipation bekämpften, obgleich die Wirtschaft, insbesondere die Rüstungsindustrie und die Kriegswirtschaft, auf die außerhäusliche Arbeit der Frau angewiesen war;
  • die Schüler sollen erkennen, daß die Frauen sehr unterschiedliche Haltungen dem Nationalsozialismus gegenüber einnahmen. Die Schüler sollen Ursachen für diese unterschiedlichen Einstellungen erkennen.

Zur Unterrichtsorganisation

Im folgenden sollen keine detaillierten Angaben über den möglichen Unterrichtsverlauf gemacht werden, da diese Arbeit dem Lehrer nicht abgenommen werden kann. Die Vorschläge sind deshalb nur als Anregung zu verstehen.

1. Stunde: Einführung und Thesenbildung
Die Texte 1-3 sollten in Gruppen von den Schülern diskutiert werden. Im zusammenfassenden Klassengespräch können danach Thesen zum Verhältnis

  • der Frauen zum Faschismus
  • des Faschismus zu den Frauen gebildet werden. Wenn diese auf einer Wandzeitung festgehalten werden, kann man in den folgenden Stunden immer wieder darauf zurückgreifen.

2.    Stunde: Faschismus und Frauen
Die Texte können alle oder in Auswahl in themenverschiedenen Gruppen unter den angegebenen Fragestellungen diskutiert werden. Jeweils ein Text aus den Textgruppen kann auch mit den Schülern in Frontalunterricht besprochen werden. Wenn die Möglichkeit besteht, wäre es auch möglich, eine Tonmontage zu machen, etwa in Art eines Mittagsmagazins des österreichischen oder schweizer Rundfunks. Die Ergebnisse sollten mit den in der ersten Stunde gebildeten Thesen verglichen werden.

3.    Stunde: Frauen und Faschismus
Die Texte können in themengleichen Gruppen bzw. im Frontalunterricht erarbeitet werden. Die Ergebnisse sollten wiederum mit den vorher gebildeten Thesen verglichen werden.

4.    Stunde: Gegenwartsbezug
In einer abschließenden Stunde sollte versucht werden, festzustellen, was sich verändert hat und ob vielleicht noch immer ähnliche Tendenzen festzustellen sind. Dazu können konkrete Aufgaben gestellt werden:

  • Schaut mal in »Bild«, Quick, Neue Revue, Bravo usw. nach, welche Rolle den Frauen/Mädchen dort zugewiesen wird.
  • Erkundigt euch, in welchem Ausmaß Frauen in den örtlichen Partei- und Gewerkschaftsgremien tätig sind, wieviel Frauen im Stadtrat, Landtag, Bundestag sitzen.
  • Erkundigt euch bei evtl. bestehenden Frauengruppen über deren Erfahrungen.

1. Stunde: Einführung

Unterrichtsmaterialien

1.    Winifred Wagner
Winifred Wagner war die Tochter des Komponisten Richard Wagner. Dieser war in Deutschland sehr bekannt; er hatte vor allem Opern geschrieben und komponiert, die sich mit der germanischen Sagenwelt beschäftigten, z.B. die Nibelungensage. Hitler verehrte Wagner sehr. Er hatte deshalb schon lange vor 1933 versucht, mit der Familie Wagner Kontakt aufzunehmen. Frau Wagner erzählte in einem Fernsehinterview:

  • »... ein guter Freund, nicht wahr, den man also freudig begrüßt, wenn er kam und den man gerne hatte als Gast bei sich ... für uns war er überhaupt nicht der Führer, nicht. Er war einfach der - was soll man sagen - ein fesselnder und interessanter Mensch. Das war er unbedingt... Ich habe ja nie etwas Abstoßendes an ihm erlebt. Das ist ja das Merkwürdige. Er hatte diesen österreichischen absoluten Herzenstakt... kannte ihn doch wirklich von 23 bis 45. Das sind 22 Jahre, nicht. Ich habe in den 22 Jahren nie eine menschliche Enttäuschung erlebt. Abgesehen ich meine, von den Sachen, die draußen vor sich gingen. Aber das berührte mich ja nicht. Für mich war er immer nur der Hitler, der nach Bayreuth kam«

2.    Cläre Quast
Cläre Quast war eine Arbeiterin in Wuppertal. Sie berichtet u. a.:

  • »In der Metallindustrie verbesserte sich die Beschäftigungslage. Eines Tages kam meine Nachbarin freudestrahlend mit der Nachricht, daß ihr Mann und ihr Sohn wieder Arbeit als Dreher in einem alten Rüstungsbetrieb erhalten hätten. Ich machte die Frau darauf aufmerksam, daß alles auf einen neuen Krieg hindeute und jeder Arbeiter gegen die Kriegsgefahr ankämpfen müsse. Darauf meinte sie, daß ihr Mann dasselbe sage. >Aber was sollen wir tun? Jetzt haben die Männer vorerst einmal Arbeit, das ist die Hauptsache. Und wenn ein Krieg kommt, dann können wir auch nichts daran ändern; jede Kugel trifft ja nicht.<« (Emmerich, W. (Hrsg.); Proletarische Lebensläufe, Band 2, Reinbek 1975, 351)

3.    Bericht aus Berlin
In den Tagen nach der Machtergreifung ereignete sich im Berliner Polizeipräsidium folgende Szene:

  • »Jedes Mal, wenn eine Hakenkreuzfahne durch die Korridore getragen wurde, johlte eine Gruppe von Arbeiterfrauen, die warteten, um etwas über ihre verhafteten Männer zu erfahren: <Det trennen wir bald raus, dann isse wieder rot:<« (C. Beradt: Das Dritte Reich des Traums, München 1966, 100 f.)

Arbeitsaufgaben:

  1. Welche unterschiedlichen Einstellungen der Frauen zum Nationalsozialismus bzw. zu Hitler sind festzustellen?
  2. Welche Vermutungen können wir darüber anstellen, wodurch diese unterschiedlichen Einstellungen bestimmt sind?

2. Stunde: Nationalsozialismus und Frauen

Unterrichtsmaterialien

1.
Die deutsche Frau ist aber in der Erfüllung ihres natürlichen Berufes nie Sklavin gewesen, sondern als Frau und Mutter hoch verehrt worden nicht nur von deutschen Männern, sondern in der ganzen Welt.
Unser Vaterland hat viele große Männer hervorgebracht, alle zeichnete die Liebe und Verehrung der Mutter aus. Die deutsche Frau soll nicht Sklavin, sondern eine Herrscherin in ihrem Kreise sein, wie es einer unserer größten Dichter, Friedrich Schiller, besingt: Aber drinnen waltet die tüchtige Hausfrau, Die Mutter der Kinder Und herrschet weise Im häuslichen Kreise.
(Curt Rosten: ABC des Nationalsozialismus, 7. Aufl., Berlin 1937, zit. nach Dokumentation, 51)

2.
Der deutschen Frau:
Wir wollen wieder Frauen haben,
Nicht Spielzeug ausgeschmückt mit Tand.
Der deutschen Frau und Mutter Gaben
Besitzt kein Weib im fremden Land.
Verehrungswürdig sollt ihr bleiben,
Nicht fremder Rassen Lust und Spiel.
Das Volk soll rein und sauber bleiben,
Das ist des Führers hohes Ziel.
Die deutsche Frau ist edler Wein.
Liebt sie, so blüht die Erde.
Die deutsche Frau ist Sonnenschein
Am heimatlichen Herde.
(Curt Rosten: ABC des Nationalsozialismus, Berlin 19378, zit. nach Dokumentation, 52)

3.
Was der Mann an Opfern bringt im Ringen seines Volkes, bringt die Frau an Opfern im Ringen um die Erhaltung dieses Volkes in den einzelnen Zellen. Was der Mann einsetzt an Heldenmut auf dem Schlachtfeld, setzt die Frau ein in ewig geduldiger Hingabe, in ewig geduldigem Leiden und Ertragen.
Jedes Kind, das sie zur Welt bringt, ist eine Schlacht, die sie besteht für Sein oder Nichtsein ihres Volkes.
(Adolf Hitler: Reden an die deutsche Frau, zit. nach Dokumentation, 36)

4.
»Die Welt des Mannes ist groß, verglichen mit der der Frau. Der Mann gehört seiner Pflicht, und nur ab und zu schweift ein Gedanke zur Frau hinüber.
Die Welt der Frau ist der Mann. An anderes denkt sie nur ab und zu. Das ist ein großer Unterschied.«
(Picker, H.: Hitlers Tischgespräche, Bonn 1951, 325)

5.
Aristoteles habe schon gesagt: »Das Weibchen ist Weib kraft einer gewissen Fähigkeitslosigkeit.« »... die Fähigkeitslosigkeit ist die Folge des rein auf das Pflanzenhafte und auf das Subjektive gerichteten Wesens. ... so ist klar, daß ein grundsätzlich zugestandener, dauernder staatlicher Einfluß der Frau den Beginn des offenkundigen Verfalls darstellen muß.« (Rosenberg, A.: Der Mythos des 20. Jahrhunderts, München 1933, 494)

6.
»Die Frau hat die Aufgabe, schön zu sein und Kinder zur Welt zu bringen. Das ist gar nicht so roh, wie sich das anhört. Die Vogelfrau putzt sich für den Mann und brütet für ihn die Eier aus. Dafür sorgt der Mann für die Nahrung. Sonst steht er auf der Wacht und wehrt den Feind ab.« (Goebbels, J.: Signale der neuen Zeit, München 1938, 87)

Arbeitsaufgaben:

  • Worin besteht nach Ansicht der Nationalsozialisten der Unterschied zwischen Mann und Frau?
  • Woher kommt nach Meinung der Nationalsozialisten der Unterschied?
  • Welche Rolle sollen nach Meinung der Nationalsozialisten die Frauen spielen?
  • Diskutiert und haltet in Stichworten fest, wie sich diese Rollenzuweisung wohl auf die Frauen ausgewirkt haben wird:

Materialien zur weiteren Vertiefung

Leitfrage:
Vor welche besonderen Probleme sah sich die nationalsozialistische Wirtschaftspolitik gestellt auf Grund ihrer Frauenideologie und ihres Antifeminismus ?

1. Weiblicher Reichsarbeitsdienst
Reichsgesetzblatt Teil I (S. 747)
Erlaß des Führers und Reichskanzlers über die Dauer der Dienstzeit des Reichsarbeitsdienstes und die Stärke des Reichsarbeitsdienstes und des Arbeitsdienstes für die weibliche Jugend. Vom 26. Sept. 1936.
Artikel 3

  • 1) Der vorläufig noch auf freiwilligem Eintritt beruhende Arbeitsdienst für die weibliche Jugend ist planmäßig zur Vorbereitung der Arbeitsdienstpflicht weiter zu entwickeln.
  • 2) Die Stärke des Arbeitsdienstes für die weibliche Jugend ist in der Zeit vom April 1937 bis März 1938 auf 25 000 Arbeitsmaiden (einschl. Stammpersonal) zu erhöhen.

Berlin, 26. Sept. 1936    Der Führer und Reichskanzler
Adolf Hitler
Der Reichsminister des Innern Frick

Reichsgesetzblatt, Jahrgang 1937, Teil I
Artikel 2

  • Die Stärke des Reichsarbeitsdienstes für die weibliche Jugend ist bis zum 1. April 1939 auf 30.000 Arbeitsmaiden (einschließlich Stammpersonal) zu erhöhen. Berlin, den 24. November 1937

Der Führer und Reichskanzler Adolf Hitler
Der Reichsminister des Innern Frick Reichsgesetzblatt, Teil I 1944-Nr. 18

Erlaß des Führers über die Dauer der Dienstzeit im Reichsarbeitsdienst der weiblichen Jugend. Vom 8. April 1944

  • Die Dienstzeit im Reichsarbeitsdienst der weiblichen Jugend einschließlich Kriegshilfsdienst wird für die in der Luftverteidigung eingesetzten und für die für den Einsatz in der Luftverteidigung vorgesehenen Arbeitsdienstpflichtigen um 6 Monate, also auf insgesamt 1 1/2 Jahre verlängert.

Der Führer Adolf Hitler
Der Reichsminister u. Chef der Reichskanzlei Nr. 217 - 24. Dey. 1940 (S. 1635)   
(zit. nach Dokumentation, 127)    Dr. Lamers

2. Statistiken zur Berufstätigkeit der Frauen

Der Anteil der erwerbstätigen Frauen an der Gesamtzahl aller arbeitsfähigen Frauen lag 1925 bei 48,2%
1939 bei 49,2%
Insgesamt waren berufstätig 1939 - 12,7 Mio. Frauen. Davon waren mithelfende Familienangehörige : - 4,62 Mio Frauen
Hausgehilfinnen - 1,33 Mio Frauen
Von allen berufstätigen Frauen waren versicherungspflichtig 1928 - 7,41 Mio 1936-5,71 Mio 1939 - 7,14 Mio
Der Anteil der Lohnarbeiterinnen an der Gesamtzahl der berufstätigen Frauen betrug 1925 - 43,5% 1939-41,5%

Übersicht 1: Zunahme und Abnahme der Frauenarbeit in folgenden Berufen von
1933 bis 1939       

  Abnahme Zunahme
Selbständige (1) 14%  
Beamte (1) (2) 5,5%  
Studentinnen 4,4%  
Hausgehilfinnen   7,4%
Industriearbeiterinnen   20%
mithelfende weibl. Angehörige   10%
Angestellte   18,9%
  • (2) im gleichen Zeitraum betrug die Zunahme männlicher Beamter 23,8% (nach: Winkler, Dörte: Frauenarbeit im »Dritten Reich«, Hamburg 1977, 64 und Mason, Tim: Zur Lage der Frauen in Deutschland 1930 bis 1940: Wohlfahrt, Arbeit und Familie, in: Gesellschaft. Beiträge zur Marxschen Theorie 6, Frankfurt am Main 1976, es 806, 118-193, hier: 154-155)

3. »Die Frauenarbeit entwickelte sich zu einem der schwierigsten und heikelsten Probleme, denen sich die Nazis in der Innenpolitik gegenübersahen. Der unmittelbare Anlaß dieser Schwierigkeiten war denkbar unkompliziert; doch ihre Bewältigung erforderte Schritte, die nicht nur in völligem Widerspruch zur gesamten vorangegangenen Frauenpolitik standen, sondern denen auch die unüberwindlichen Realitäten der Frauenarbeit im damaligen kapitalistischen System entgegenstanden und die zugleich die Massenbasis des Regimes zu untergraben drohten.
Mit dem Rüstungsboom stellte sich seit 1936 Arbeitskräftemangel ein, der  schnell   alle  Wirtschaftssektoren   -   Industrie, Landwirtschaft, Dienstleisung und Verwaltung - erfaßte. Ende 1938 wiesen die Listen der Arbeitsämter eine Million freie Arbeitsstellen aus. Die Regierung wußte sehr wohl, daß die ca. 3,5 Mio. Frauen ohne Kinder unter 14 Jahren und ohne regelmäßige Arbeit die potentielle Hauptquelle für zusätzliche Arbeitskräfte darstellten, aber es wurden nur zögernde, halbherzige und relativ erfolglose Versuche unternommen, sie zu mobilisieren. «(Tim Mason: Zur Lage der Frauen in Deutschland 1930 bis 1940: Wohlfahrt, Arbeit und Familie, in: Gesellschaft, Beiträge zur marxistischen Theorie 6, Frankfurt 1976, 154)

Fachdidaktische Beiträge

  • weitere statistische Angaben, in: Keifer, Ellen: Frauendiskriminierung im Nationalsozialismus. Auswirkungen auf die gesellschaftliche und berufliche Stellung der Frau, 95 ff., in: Vorgänge, Zeitschrift für Gesellschaftspolitik, Nr. 32, 17. Jahrgang Heft 2, Weinheim 1978)

Arbeitsaufgabe:

  • Wie ist die Haltung der Nationalsozialisten den Frauen gegenüber einzuschätzen? In welche Widersprüche ist die nationalsozialistische Ideologie geraten?

3. Stunde: Frauen und Faschismus

Unterrichtsmaterialien

1.    Winifred Wagner

»Man muß sich vorstellen, in welch einem fürchterlichen Elend nach dem Ersten Weltkrieg .. .das ganze Volk stand. Ich meine, man hungerte, man fror, man hatte nichts zu essen, und es war eine derartige Depression über ganz Deutschland gekommen, dazu dann diese ganz linke, diese ganz scharf gerichtete Spartakusgruppe ... das war der reinste Anarchismus und da war es doch selbsverständlich, daß sich die, sagen wir mal deutschempfindenden Menschen versuchten zusammenzuschließen und auch irgendwie nach einer Führung verlangten. Und als in München ... Hitler auftrat und seine wirklich flammenden Reden hielt und uns quasi versprach, durch eine neue Volksgemeinschaft den Versuch zu machen, uns zu retten, daß man da in jeder Hinsicht, sich ihm anzuschließen bereit war ... Ich habe mich für seine Gedanken und Ideen schon begeistert... Dann hat mich bei Hitler natürlich sehr begeistert die Idee der Volksgemeinschaft... Ich meine, diese Idee ist nie so lebendig gewesen wie zu Anfang des Nationalsozialismus. Also diese absolute Gemeinschaft der Arbeiter der Faust und der Arbeiter der Stirn ... Dann fand ich z. B. großartig die Idee, die Jugend von der Straße wegzuholen und sie in irgendeiner Form ... Aber das sind lauter Dinge, die einen doch irgendwie für den Nationalsozialismus einnehmen konnten.
Die Jahre von 33-39 waren schließlich doch sehr fruchtbare Jahre in Deutschland.«

2.    Sophie Scholl
Sophie Scholl hatte zusammen mit anderen Münchner Studenten Flugblätter gegen den Faschismus verteilt. Sie waren verhaftet worden. Deutsche Richter haben sie zum Tode verurteilt. Später schrieb eine Zellengenossin, Else Gebel:

Der Beamte »hat dir an diesem Vormittag einen längeren Vortrag gehalten über den Sinn des Nationalsozialismus, Führerprinzip, deutsche Ehre ... Er will dir vielleicht noch eine Chance bieten, wenn er dich fragt: .Fräulein Scholl, wenn Sie alles das, was ich Ihnen jetzt erzählt habe, vorher gewußt hätten und bedacht, so hätten Sie sich doch nie zu derartigen Handlungen hinreißen lassen.' Und was ist Deine Antwort:,... Sie täuschen sich, ich würde alles genau noch einmal so machen. Denn nicht ich, sondern Sie haben die falsche Weltanschauung.'«(Angelika Reuter/Barbara Poneleit: Seit 1848. Frauen im Widerstand, Frauen im Faschismus, Interview mit Inge Aicher-Scholl, 1977 Frauenverlag)

3.    Ria Deeg
Ria Deeg gehört zunächst der SPD, später der KPD an. Sie erzählt:

»Ich schreib die Flugblätter unter den unmöglichsten Bedingungen. Zu Anfang in der Wohnung eines Genossen, dessen Frau aber nichts davon wissen durfte. Zu stark war der Terror der Nazis. Die Schreibmaschine auf dem Bett, ich knieend davor, denn auch die Hausbewohner durften nichts hören. Einmal kam seine Frau überraschend früher heim. Ich begegnete ihr im Treppenhaus und machte, daß ich verschwand. Eine Zeitlang schrieb ich in einer Gartenhütte in der Nähe vom Schlachthof. Ein arbeitsloser Genosse bearbeitete den Garten im Auftrag. Morgens früh im Herbst, eisig kalt, stehend im Geräteschuppen. Der Genosse vor der Tür gab Zeichen, wenn jemand vorbei kam und ich mit tippen aufhören mußte. Trotz klammer Finger war das Werk vollendet und ich wollte gehen und trotz allen Aufpassens lief ich dem Feldhüter vor der Tür fast in die Arme. Der stutzte, sah erst mich und dann den Genossen im Hintergrund an, dann grinste er verständnisvoll. Ich war über sein .Verständnis' sehr froh.«

Ria Deeg wurde nach einigen Monaten verhaftet und kam in ein Gefängnis:

»Nach drei Monaten U-Haft in Gießen kam ich nach Darmstadt in die Runde-Turnstraße. Die Frauenabteilung war ein dreistöckiges Haus. Ich kam in den dritten Stock in die linke Ecke und hatte dadurch das Glück, daß ich, wenn ich meinen Schemel auf den Tisch stellte, durch die aufgekippte Fensterklappe etwas von der Umgebung sehen konnte.
Vor bzw. unter mir lag ein Teil der Altstadt. Kleine Häuschen. Ca. 200 m vor mir lag so ein kleines Haus mit einem kleinen Fenster in meiner Richtung. Zwischen dem nächsten Haus war ein enger Zwischenraum, etwa 2 m. Dort war ebenfalls ein Fenster und aus diesem Fenster winkte mir eine Frau zu. Ich war froh, war das doch nach so langer Zeit ein Kontakt mit der Außenwelt. Ich winkte zurück. Da machte die Frau die Faust. Ich konnte ihr Gesicht nicht erkennen, sah nur ihre Zähne blitzen, wenn sie lachte. Ich war freudig erregt, gab es denn so etwas wirklich, war da eine Genossin? Und so nah. Ich grüßte ebenfalls mit der Faust. Da brachte sie einen dunkellockigen Mann ans Fenster, der mich ebenso grüßte und ihre Tochter. Ich war glücklich.«(Dokumentation, 155 ff.)

4.    Katja Müller berichtet aus ihrer Kindheit

»Ich wohnte in der Gartenstadt in Dortmund. In unserer Straße waren zehn Einfamilienhäuser, umgeben von großen Gärten. Unsere Nachbarin war begeisterte Nationalsozialistin. Für Hitler, so sagte sie, hat sie noch zwei Kinder bekommen. (Eine Tochter hatte sie vorher schon.) Der Mann war Angestellter und SA-Sturmbannführer.
Meine Mutter war als gläubige Katholikin gegen den Nationalsozialismus. Sie hat auch nie den Mund gehalten. Im Kriege z. B. hat sie sich für Fremdarbeiter eingesetzt. 1945 sollte sie noch verhaftet werden. Wir konnten aber alle ins Münsterland fliehen. Die anderen Frauen in der Straße hielten sich sehr zurück. Ich hatte den Eindruck, daß sie zwar ängstlich waren, aber den Nationalsozialisten gegenüber sehr reserviert blieben.« (Eigener Bericht.)

5. Hans E. M. erzählt

»Mein Vater war Angestellter bei Hoesch. Er war in der SA, ich im Jungvolk. Wir waren beide begeistert für Hitler. Meine Mutter demgegenüber, die auch aus dem Kleinbügertum kam, hatte immer etwas zu meckern. Bei uns im Haus wohnten noch sechs andere Familien. Die meisten Männer waren Arbeiter. Die Frauen waren aber auch nicht für den Nationalsozialismus. Im Jungvolk bekam ich einen kleinen Posten. Wenn ein Junge mehrere Male gefehlt hatte, mußten die Eltern benachrichtigt werden. Das war meine Aufgabe u. a. In unserer Einheit waren viele Kinder aus Arbeiterfamilien. Die wohnten in einer engen Straße in alten, kleinen Wohnungen. Ich habe immer etwas Angst gehabt, dahin zu gehen. Manchmal schlugen die Mütter mir vor der Nase die Tür zu. Ich kann mich nicht daran erinnern, daß einmal eine Mutter etwas nett zu mir gewesen wäre.
Die meisten Frauen, die ich gekannt habe, hatten nach meiner Meinung was gegen Hitler.« (Eigener Bericht)

Arbeitsaufgaben:

  1. Wie verhielten sich, nach den vorliegenden Berichten, ingesamt die Frauen dem Nationalsozialismus gegenüber?
  2. Welche Frauen waren eher im Widerstand, welche eher für den Faschismus?
  3. Woher können eurer Meinung nach diese unterschiedlichen Einstellungen der Frauen kommen?

Materialien zur weiteren Vertiefung

Leitfragen:

  • Hatten vor allem die Frauen Hitler zur Macht verholfen?
  • Gab es unter den Frauen Widerstand gegen Hitler und den Nationalsozialismus?

1. »Den Frauen wurde oft der Vorwurf gemacht, durch ihr konservatives Wahlverhalten in der Zeit vor 1933 die Arbeiterparteien geschwächt zu haben und somit direkt oder indirekt Hitler zur Macht verholfen hätten.

  • Das Datenmaterial für das geschlechtsspezifische Wahlverhalten ist sehr dünn und läßt kaum genaue Bestimmungen zu. Es ist wohl festzustellen, daß Frauen in der Weimarer Republik weit mehr als Männer für konservative, bürgerliche Parteien stimmten, besonders für die katholische Zentrumspartei, die bayerische Volkspartei (BVP) und die deutsch-nationale Volkspartei (DNVP), jedoch haben sie bis 1930 wesentlich weniger als Männer die NSDAP gewählt. Seit 1930 verringert sich diese Differenz, gleicht sich aber nie gänzlich aus. Im Folgenden sollen einige ökonomische und soziale Hintergründe aufgezeigt werden, die einen Erklärungsansatz für das Wahlverhalten der Frauen zwischen den beiden Weltkriegen bilden.« (Dokumentation, 20)

Zu dieser Auffassung sind die Herausgeber der Dokumentation gelangt auf Grund ihrer Beschäftigung mit der Literatur, insbes. mit dem Beitrag von Annemarie Träger, Die Dolchstoßlegende der Linken, »Frauen haben Hitler an die Macht gebracht«, in: Frauen und Wissenschaft, Berlin 1977, S. 324-353. Näheres: G. Bremme, Die politische Rolle der Frau in Deutschland. Eine Untersuchung über den Einfluß der Frauen bei Wahlen und ihre Teilnahme an Partei und Parlament. Schriftenreihe des Unesco Instituts für Sozialwissenschaften, Köln Bd. 4, Göttingen 1956.

2.    Eine Frauenaktion

  • Frauen, deren jüdische Männer im sogenannten Judenhaus von München eingesperrt waren, besuchten diese, ohne Furcht vor dem Wüten der SS-Leute zu zeigen. In der Nachkriegsliteratur gibt es unzählige Beispiele, wie Deutsche ihre jüdischen Ehepartner nicht im Stich ließen. Ein deutscher Arzt, dessen Frau ins Warschauer Getto deportiert worden war, soll dieser sogar gefolgt und im Getto Warschau 1943 beim Aufstand umgekommen sein. Die Machthaber im Dritten Reich sahen sich deshalb gezwungen, hinsichtlich der »Mischehen« dieser offenkundigen Sympathie der Bevölkerung Rechnung zu tragen. Als es am 27.2.1943 zu Massenverhaftungen von Juden, der »Fabrikation« kam, die auch jüdische Männer christlicher Frauen betraf, versammelten sich ihre Frauen, obwohl die Polizei tätlich gegen sie einschritt, Tag für Tag vor dem Verwaltungsgebäude der Jüdischen Gemeinde Berlin, um die Freilassung der dort eingesperrten Männer zu fordern, bis diese wirklich entlassen worden sind. Derartige Demonstrationen gab es allerdings nicht, als die Massendeportationen der Berliner Juden begannen:: (Dokumentation, 151)

3.    »Im Polizei-Bericht aus Camburg an der Saale vom 1.3.1933 steht zu lesen,
daß 150 Personen, vor allem Frauen und Kinder, versuchten, den Abtransport
von fünf verhafteten Antifaschisten zu verhindern.

  • Am 24./25. Juni 1933 fand in Hohenstein-Ernsthal eine SA-Aktion gegen KPD-und SPD-Mitglieder statt. Drei Frauen fordern die anderen auf, zum Rathaus zu gehen und die Befreiung der Inhaftierten zu fordern. Der Zutritt zu den Gefangenen wird ihnen verwehrt. Sie ziehen zum Gerichtsgefängnis. Der Demonstrationszug wird größer und damit der Druck auf die städtischen Behörden, die nach Chemnitz zur SA schicken, die einen Vertreter sendet. Am Abend werden die Männer freigelassen.« (Reuter, Angelika/Poneleit, Barbara: Seit 1848. Frauen im Widerstand, Frauen im Faschismus 1933-1945. Interview mit Inge Scholl, Verlag Frauenpolitik 1977)

4. Gotteszeil war ein Konzentrationslager fiir Frauen in Baden- Württemberg

»Am 1. Mai 19.. waren die Frauen in bester Stimmung. Sie wußten, daß an diesem Tag Arbeiter in aller Welt gegen den Hitlerfaschismus und für die Freilassung der politischen Gefangenen in Deutschland demonstrierten. Vor dem Frühstück schmückten sie schnell den Tisch mit einem allerdings schon etwas verwelkten Blumenstrauß, den eine Kameradin einige Tage zuvor beim Besuch erhalten hatte. Ein roter Stoff ersetzte die rote Fahne. Leise summten die Frauen dazu:
>Und sperrt man mich ein in finsteren Kerker sind alles doch rein vergebliche Werke denn meine Gedanken zerreißen die Schranken und Mauern entzwei - die Gedanken sind frei.<
 Fachdidaktische Beiträge
Trotz aller Vorsicht blieb diese kleine Feier nicht geheim. Die Gefängnisverwaltung erfuhr davon und wollte die rote Fahne haben. Alle Räume wurden durchsucht, die Betten und Schränke durchwühlt, aber nirgends war das staatsgefährliche rote Tuch zu finden. Darauf wurden alle Frauen einzeln verhört, aber keine wußte etwas von einer roten Fahne. Zum Schluß kam die Drohung. Sechs Aufsichtsbeamte kamen in den Aufenthaltsraum, in dem alle Häftlinge antreten mußten, und verlangten die Herausgabe der Fahne, anderenfalls alle mit einer Hausstrafe zu rechnen hätten. Schweigend verharrten die Frauen. Plötzlich sprang die Kameradin Lotte Weidenbach auf den Tisch, hob den Rock hoch und zeigte ihren roten Unterrock mit dem Ruf: >Das ist unsere rote Fahne:< Die verdutzten Beamten verließen daraufhin wortlos den Raum.« (Reuter, Angelika/Poneleit, Barbara: Seit 1848. Frauen im Widerstand. Frauen im Faschismus 1933-1945. Interview mit Inge Aicher-Scholl, Verlag Frauenpolitik 1977)

5. 187 Frauen in Plötzensee hingerichtet

(Dokumentation, 152)
 

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