Das Frauenbild der mittelalterlichen deutschen Literatur

Frauen im Mittelalter

Das Frauenbild der religiösen Dichtung

Einführung

Religiöse Inhalte dominierten in der Dichtung des Frühmittelalters. Im Gegensatz zur späteren weltlichen Dichtung waren die Frauen nicht nur Rezipientinnen sowie Gegenstand dieser Literatur, sondern sie hatten selbst maßgeblichen Anteil an der literarischen Produktion, der in der Mystik seinen Höhepunkt, aber auch sein Ende fand.
Im Mittelpunkt der frühmittelalterlichen Dichtungen standen ein starker Drang zur Askese und die Idealisierung der Jungfräulichkeit. Die vorbildliche Frau führte ein einfaches, zurückgezogenes, gottgeweihtes Leben. Sie achtete nicht auf äußeren Glanz, sondern zeichnete sich durch Fürsorge für die Kranken und Armen aus. Aufgrund ihrer Bildung vertiefte sie sich in das Studium der Bibel und der Kirchenväter. Sie betete eifrig und sang die Psalmen. Die idealen Tugenden der christlichen Frau waren Keuschheit, Geduld, Demut, Genügsamkeit, Mäßigkeit, Liebenswürdigkeit und Frohmut. Die Ehe erschien gegenüber der Jungfräulichkeit als der beschwerlichere und schlechtere Weg (81). Diese Glorifizierung der Jungfräulichkeit findet sich auch in den Dramen der Hrotsvitha von Gandersheim, der ersten nachweisbaren Dichterin auf deutschem Boden (um 935- nach 1000). In ihren Dramen zeigt sie die vorbildhafte Standhaftigkeit und Tugend der christlichen Jungfrauen auf, die gegenüber Verfolgungen und Versuchungen ihre Keuschheit zu bewahren wissen (82).
Obwohl dieses Frauenbild der religiösen Dichtung des Frühmittelalters deutlich von den Idealen der Kirchenväter geprägt wurde, hob es sich dennoch von den frauenfeindlichen Tendenzen der spätantiken und mittelalterlichen Theologie ab. Das Evangelienbuch Otfried von Weißenburgs (geschrieben um 863/71) hebt sogar die führende Rolle der Maria Magdalena als Zeugin des Osterereignisses hervor. Die Schilderung des Verhältnisses zwischen Maria und Jesus ist gefühlvoll und ohne jede asketischen Tendenzen. Mit der Verkündung der Osterbotschaft durch Maria Magdalena, einer Frau, waren die Frauen nach. Otfrieds Auffassung von der Sünde der Eva befreit worden (83).
Im allgemeinen wurde unter diesem Blickwinkel der Heilsgeschichte jedoch Maria, die Mutter Jesu, gesehen. Habe Eva den Tod und die Sünde über die Menschheit gebracht, so habe Maria der Welt das Leben zurückgegeben. Mit der sich im 12. Jahrhundert durchsetzenden Marienverehrung trat diese theologische Begründung stärker in den Hintergrund. Maria erscheint nicht mehr nur als Urbild der Virginität, als Himmelsgöttin, die mit ihren Haupttugenden der Keuschheit und Reinheit ein Vorbild für alle Frauen abgibt. Sie wird zu einer nahezu göttlichen Verehrung empor gehoben. Erscheint Jesus als der strenge Richter, der die Schuld des einzelnen Sünders misst und ihn entsprechend verurteilt, so repräsentiert Maria die göttliche Gnade und Milde. Sie nimmt zunehmend das Bild der mächtigen und milden Helferin an, die dem bittenden Menschen in seiner Not durch Fürbitte bei ihrem Sohn oder seltener auch aus eigener Machtvollkommenheit zu helfen vermag. Sie bildet den Trost der armen Leute und die Zuversicht des Sünders (84- 86). Parallel zu dieser Vorstellung von der Mittlerfunktion der Maria zwischen Gott und Menschheit wurde auch das Bild der Jungfräulichkeit der Maria zunehmend vermenschlicht. Zwar wurde die jungfräuliche Geburt nicht in Frage gestellt, Maria wird jedoch immer mehr als liebevolle und sorgende Mutter dargestellt (80, 87).
In der Person der Maria fanden die christliche Vorstellung von der Vorrangigkeit der Jungfräulichkeit und die Mutterrolle der weltlichen Frau eine eigenartige Synthese. Das von der Dichtung gezeichnete Bild der Maria weist dabei einen deutlich ambivalenten Charakter auf. Indem Maria sowohl asketische Tugenden wie Keuschheit und Reinheit als auch reale wie Mütterlichkeit, selbstlose Hilfsbereitschaft in sich vereinte, gewann sie Vorbildcharakter für Frauen aller Gesellschaftsschichten. Die niemals zu erreichende Vollkommenheit diente so einerseits der Erhöhung der Maria gegenüber der Frau in der gesellschaftlichen Wirklichkeit, andererseits blieb sie ständiger Ansporn für alle Frauen, diesem Ideal zu entsprechen. Die Sonderstellung der Maria als Frau in der Heilsgeschichte, die sowohl für Frauen als auch Männer von eminenter Bedeutung war, beinhaltete eine Hebung des gesellschaftlichen Ansehens aller Frauen gegenüber den frauenverachtenden Tendenzen der offiziellen Theologie (88). Schließlich wich im ausgehenden Mittelalter das Bild der Jungfrau dem der Hausfrau und Mutter (89).

Quellen und Materialien

(81) Hrotsvitha von Gandersheim: Die Geschichte der Geburt und des lobesamen Lebenswandels der unbefleckten Mutter Gottes, wie ich sie unter dem Namen des hl. Jakobus, Bruder des Herrn, aufgezeichnet fand, vor 962
Einzige Hoffnung der Welt, gefeierte Herrin des Himmels, / Heilige Mutter des Königs, hell strahlender Stern des Meeres, / die du als Mutter der Welt das Leben erneuert, / das einst die uralte Jungfrau zerstört hat! / Steh deiner Dienerin Hrotsvitha gnädig zur Seite, / die sich in Demut bemüht, mit weiblichem Eifer, / dir zu Ehren ein Lied in daktylischen Maßen zu singen. (...)
Menschliche Stimmen genügen wohl kaum, es gebührend zu künden, / noch vermöchte der Erdkreis, soweit ihm Sprache verliehen, / würdig zu schildern des Mädchens herrliche Schönheit, / ihren Wandel und ihre Gesittung. / Wem gelänge es je, in gerechten Strophen zu loben / sie, die noch kurz zuvor in der Wiege gelegen, / nunmehr dem Erdkreis sich bot als Wunder reifer Gesittung; / niemals benahm sie, ein Kind noch, sich kindisch, / strengstens befolgte sie, was die Gesetze befahlen, / übte sich unermüdlich im Beten der Psalmen. / Demütig, klug und bescheiden, erglühcnd in holdestem Eifer, / war sie bei allen beliebt, in Vollkommenheit strahlend. / Niemand hörte sie je von anderen Hässliches sagen, / niemand erlitt von ihr eine Kränkung, / stets war sie gütig, begegnete allen mit Milde, / redete sie, so entströmten dem lieblichen Munde / Worte, betaut vom Nektar der himmlichen Gnade. (...)
Wie aber rühm' ich die kundigen Finger der Jungfrau? / Ihrer geschickten Hand gelang, obgleich sie die Jüngste ... / (was die älteren Frauen kaum jemals vollbrachten.) / Auch unterwarf sie sich härtester Regel, / lebte weit strenger als alle anderen Jungfrau'n, / die gleich ihr in dem Heiligtum dienten. / Ununterbrochen verharrt' sie in frommen Gebeten, / immerdar preisend in heiligen Hymnen den Schöpfer; / von der Stund' an, in der sich das Dunkel zerteilte, / und Aurora mit Glanz überflutet' den Osten, / und am heiteren Himmel die Sonne emporstieg, / bis zu der dritten Stunde des Mittags / rührte sie eifrig die zart weißen Finger / und zerteilte geschickt die Fäden des Purpurs / bis zu der neunten Stunde, wenn Phoebus sich senkte, / und die Herrliche sich aufs Neue ins Beten vertiefte. / Also verharrte mit standhaftem Sinn sie, / bis ihr, der heiligen Jungfrau, ein Bote vom Himmel / reichte die Speise, die täglich der Himmel ihr sandte, / während sie das, was die Priester ihr gaben, / unter den Armen alsbald mit Eifer verteilte. / Häufig besuchten sie Himmelsbewohner, / Engel, die freundlich ermunternd sie mahnten, ganz der irdischen Liebe - sie sollte sie bald erfahren - / keusch zu entsagen und rein sich für Gott zu bewahren. / Jeder, der kränklich und bresthaft Maria berührte, / ward auf der Stelle geheilt von dem Übel. Hrosvitha von Gandersheim: Werke (212), S. 76f.

(82) Hrotsvitha von Gandersheim: Die Leiden der hl. Jungfrauen Agape, Chionia und Irene, 2. Hälfte 10. Jh.
die der Statthalter Dulcitius in der Stille der Nacht heimlich aufsuchte, um seine Gelüste in ihren Armen zu befriedigen. Doch kaum war er bei ihnen eingetreten, da verwirrte sich sein Sinn, und er umarmte und küsste statt der Jungfrauen Töpfe und Tiegel, bis sein Gesicht und Gewand mit abscheulichem Ruß geschwärzt waren. Darauf übergab er die Jungfrauen dem Grafen Sisinnius zur Bestrafung, der, gleichfalls auf seltsame Weise genarrt, endlich Agape und Chionia zu verbrennen und Irene zu durchbohren befahl.
Kaiser Diokletian. Dulcitius, Statthalter, Sisinnius. Agape, Chlonia, Irene, drei Schwestern. Gemahlin des Dulcitius, Soldaten. Türhüter des kaiserlichen Palastes.

I. Im kaiserlichen Palast.- Diokletian. Agape. Chionia. Irene.
Diokletian: Der herrliche Ruf eurer vornehmen Ahnen und der Glanz eurer Schönheit erfordern es, dass ich euch mit den Ersten meines Hofes gesetzlich vermähle; das wird auf unser Geheiß in die Wege geleitet, sobald ihr Christum zu verleugnen und unseren Göttern zu opfern euch bereit findet.
Agape: Diese Sorgen kannst du dir sparen, den Gedanken, unsere Vermählung vorzubereiten, lass fahren, da wir durch nichts dazu gezwungen werden können, Christi Namen nicht zu bekennen und unsere Keuschheit zu verletzen.
Diokletian: Welche Torheit! Wohin soll sie euch führen?
Agape: Was für eine Torheit hast du in uns entdeckt?
Diokletian: Offensichtlich eine große.
Agape: Worin besteht sie denn?
Diokletian: Vor allem habt ihr den von altersher gepflegten Götterglauben aufgegeben und folgt nun dem neuen nutzlosen Aberglauben der Christen.
Agape: Verwegen schmähst du die Macht des allmächtigen Gottes! Das ist gefährlich.
Diokletian: Für wen?
Agape: Für dich und den Staat, den du regierst.
Diokletian: Sie ist wahnsinnig - hinaus mit ihr!
Chionia: Meine Schwester ist nicht wahnsinnig; mit Recht wirft sie dir deine Torheit vor.
Diokletian: Diese rast noch toller. Schafft sie mir aus den Augen! Die dritte her zum Verhör. Irene: Auch die dritte wirst du störrisch finden und dir gegenüber unnachgiebig.

II. Vor dem Kerker. Dulcitius. Soldaten.
Dulcitius: Führt sie vor, Soldaten, führt sie vor, die ihr im Kerker bewacht!
Soldaten: Hier sind sie, wie befohlen.
Dulcitius: Potz! Wie schön, wie lieblich und fein, die Mägdelein!
Soldaten: Ganz ungemein!
Dulcitius: Ihre Schönheit nimmt mich ein!
Soldaten: Das kann nicht anders sein. Dulgitius: Ich brenne darauf, sie zu meiner Liebeslust zu zwingen. Soldaten: Das wird dir kaum gelingen. Dulcitius: Warum nicht? Soldaten: Sie sind im Glauben fest.

(...) IV. Im Kerker: Agape. Chionia. Irene.
Agape: Wer lärmt da vor der Tür?
Irene: Der unselige Dulcitius. Er kommt herein
Chionia: Gott schütze uns! Agape: Amen. Chionia: Was bedeutet dieser Lärm von Töpfen, Tiegeln und Pfannen?
Irene: Ich will nachsehen. Kommt her, ich bitte euch! Späht durch die Ritzen!
Agape: Was geht denn vor?
Irene: Seht nur den Tropf, ganz verwirrt im Kopfl Er bildet sich ein, uns in den Armen zu halten!
Agape: Was tut er denn?
Irene: Bald kost er die Töpfe im weichen Schoß, bald umschlingt er die Pfannen und Tiegel und drückt ihnen süße Küsse auf.
Chionia: Wie spaßig!
Irene: Gesicht, Hände und Gewand sind so befleckt und mit Ruß bedeckt, dass der schwarze Tor aussieht wie ein Mohr.
Agape: Nur recht, dass er auch leiblich ein Abbild des Teufels ist, der seine Seele besitzt.
Irene: Jetzt wendet er sich zum Gehen - lasst uns spähen, wie ihn die Soldaten empfangen werden, die vor der Türe stehen.

V. Vor dem Kerker: Dulcitius. Soldaten.
Soldaten: Wer kommt da heraus? Ein Besessener! Oder gar der Teufel in eigener Person? Auf und davon!

(...) IX.
Im Palast: Diokletian. Hofleute.
Diokletian: Es bekümmert mich tief, dass, wie ich höre, der Statthalter Dulcitius so verspottet, so erniedrigt, so geschmäht worden ist. Damit aber diese abscheulichen jungen Dirnen sich nicht brüsten, ungestraft unsere Götter und ihre Verehrer zu verspotten, werde ich den Grafen Sisinnius beauftragen, gebührend Rache an ihnen zu üben.

X. Auf einem öffentlichen Platz: Sisinnius. Soldaten.
Sisinnius: Soldaten, wo sind sie, die frechen Mädchen, die gefoltert werden sollen?
Soldaten: Sie schmachten im Kerker.
Sisinnius: Haltet Irene noch zurück; führt nur die beiden andern vor!
Soldaten: Warum nimmst du die eine aus?
Sisinnius: Um ihr jugendliches Alter zu schonen. Sie mag leichter zu bekehren sein, wenn sie durch die Gegenwart ihrer Schwestern nicht eingeschüchtert wird.
Soldaten: Wohl möglich.

XI. Dieselben.- Agape und Chionia.
Soldaten: Hier sind sie, deren Erscheinen du befohlen hast.
Sisinnius: Agape und Chionia, schenkt meinem Rat Gehör!
Agape: Wir weigern uns.
Sisinnius: Bringt den Göttern ein Opfer dar.
Agape: Dem wahren und ewigen Vater und seinem, gleich ihm, ewigen Sohn und ihrer beider Heiligem Geist bringen wir ohne Unterlaß Gebetsopfer dar.
Sisinnius: Das möchte ich euch nicht raten; ich werde euch mit Strafen daran hindern.
Agape: Du wirst es nicht verhindern können. Niemals werden wir den Götzen opfern.
Sisinnius: Legt eure Hartherzigkeit ab und opfert. Wenn nicht, lasse ich euch auf Befehl des Kaisers Diokletian töten.
Chionia: Es ist deine Pflicht, dem Befehl des Kaisers, uns zu töten, zu gehorchen; wir verachten, wie du weißt, seine Anordnungen; wenn du, um uns zu schonen, es aufschiebst, seine Befehle auszuführen, verdienst du mit Recht den Tod.
Sisinnius: Zögert nicht, Soldaten, zögert nicht! Ergreift die Infamen und werft sie lebend in die Flammen!
Soldaten: Rasch, lasst uns einen Scheiterhaufen errichten und die Wahnwitzigen den Flammen übergeben, um ihren Schmähungen ein Ende zu machen.
Agape: Deiner Allmacht, o Herr, ist es nicht unmöglich, zu bewirken, dass das Feuer seine vernichtende Kraft vergisst und Dir gehorcht. Doch wir sind des Aufschubs überdrüssig, daher flehen wir darum, dass unsere Seelen aus den Fesseln befreit werden und dass unser Geist nach Vernichtung unseres Leibes, mit Dir vereint, im Himmelsraum jubeln möge.
Soldaten: 0 unerhört neues, staunenswertes Wunder! Ihre Seelen haben den Körper verlassen, doch nirgends finden sich Spuren einer Verletzung - weder ihre Haare noch ihre Gewänder sind vom Feuer versehrt, geschweige ihre Leiber.
Hrotsvitha von Gandersheim: Werke (212), S. 202-204, 206f.

(83) Otfried von Weißenburg: Evangelienbuch, um 868
Maria aber unverdrossen beim Grabe blieb Und weinte. Sie hatte Ihn so sehr lieb! / Und waren seine Jünger auch gegangen, Sie wellte. Zu mächtig war ihr Lieben und ihr Bangen.(...)
Da sah sie mit einmal sitzen zwei Engel schön, / Die waren herrlich, Christi recht würdig, anzusehn. / Der eine saß zu Füßen, da gelegen der Tote, / Zu Häupten saß der andere Bote. / Sie fragten nach ihres Kummers und ihrer Trübsal Grunde, / Doch rührten sie damit schmerzhaft an ihre Wunde. / ¬ªWeib, was bekümmert dich? Wen suchst du hier? / Welch Ungemach ist widerfahren dir?» - / ¬ªWas soll mir», sprach sie, ¬ªanders denn Weinen frommen? / Unausdenkbares Leid ist über mich gekommen. / Wo sollt' ich anfangen mit Klagen, / Wollt' ich von all dem Leide sagen? / Dem Schmerz, der mich verzehrt, nichts gleicht, / Kein Unglück, noch so schlimm, meins übersteigt. / Leid über Leid hat mich getroffen. Nie überwinde / Ich's mehr, keinen Trost ich mehr auf Erden finde. / Sie haben mir meinen Herrn, mein Herz genommen, / Das Liebste. Konnt' Schmerzlicheres über mich kommen?» (...)
Nach diesen Worten blickte sie um sich und sah / Den Herren stehn und hatte ihn gefunden da. / Doch noch erkannte sie ihn nicht und meinte, / Es wäre der Gärtner. Er frug, warum sie weinte, / Was sie denn suche unter solchen Klagen. / »0 Lieber», sprach sie, »hast du ihn fortgetragen / In deiner Güte, meinen lieben Herrn? Ich will ihn selbst auch wieder holen gern.»
In ihrem Schmerz vergaß sie ganz, Ihn zu nennen, / Nicht denkend, dass einer es hätt' nicht wissen können. / Da nannte er sie bei Namen. Sie erkannte ihn nun, / Stürzte ihm zu Füßen, doch er bat sie, das nicht zu tun. / ¬ªStehe auf», sprach er, ¬ªund rühre mich nicht an, / Ich fuhr noch nicht zu meinem Vater hinan. / Erzähle meinen Brüdern - du bist der Bote - / Wie du erfahren, dass ich erstanden vom Tode, dass ich auffahre vor das Angesicht / Meines Herren, hin zu dem göttlichen Licht. Gott ist auch ihr Vater, sollst du künden, / Nun sollen sie heim zu Wahrheit und Glauben finden.» - / Gleich eilte sie zu den Jüngern fort / Und sagte ihnen des Herren Wort. (...)
Da die Frau ihn gefunden, tat sie's den Jüngern kund / So ward das Leben zuerst durch eines Weibes Mund / Verkündet: bedenke, wie wunderbar, / Wie seltsam herrlich gefügt das war! / Hat doch einst ein Weib dem Manne eben, / Von der Natter verlockt, des Todes Bitternis gegeben. / Nun ist es wieder ein Weib, das dem Mann Als erste sagt die Seligkeit des Lebens an. / So hat's der Herr gerichtet allein, dass noch schöner sollte das Wunder sein. / Die Hand, die einst den Tod hat eingeschenkt, / Todesweh dem Manne zu trinken gegeben, / Dieselbe Hand hat uns nun getränkt / Mit nie endender Freude, mit dem ewigen Leben. / Sie war ein Weib, drum sei dem Weib vergeben.
zitiert nach: Joachim Gernentz (Hrsg.): Religiöse deutsche Dichtung (195), S.77-85.

(84) Unbekannte Dichterin: Arnsteiner Mariengebet, 1150/60
Deshalb rufe ich dich an, Herrin, höre mich an! Allerheiligster Leib, vernimm mich sündige Frau: Mein ganzes Herz, das fleht dich an mit Fleiß, dass du mir selbst bei deinem Sohn dazu verhelfen wollest, dass er durch seine Güte alle meine Missetaten vergesse und mir gnädig sein wolle. Wegen meines Wankelmuts bist du meiner überdrüssig, so dass ich wegen meiner Sünden seine Huld verwirke. Herrin, darüber ist mir Angst, deshalb so fürchte ich, dass er seine Gnade von mir kehre. Deshalb flehe ich dich an, nun liegt es an dir, Mutter, ob du mir, gütige Magd, zu seiner Gnade verhilfst. Verhelfe mir zur wahren Reue, dass ich meine Sünden mit inniglichen Tränen beweinen muss. Helfe mir mit Eifer, dass ich der Höllenstrafe niemals erliege, dass ich hinfort auch alle Dinge vermeide, die gegen Gottes Huld sind. (...)
Maria, Heilige Gottes, Maria, Trost der Armen, Maria, Stern des Meeres, Zuflucht der Sünder, Pforte des Himmels, Quelle des Paradieses, die du die Gnade über uns ausgeschüttet hast, die du uns Elenden das Vaterland erschlossen hast, reiche uns, Herrin, Deine Hand! Sei uns behilflich, rette uns aus der großen Not, aus des Teufels Gewalt, der uns in unserer Mutter Eva gefällt hat. Nun fliehen wir alle zu dir.
Wir weinen und seufzen zu deinen lieben Füßen, laß du dich erbarmen der Not, die wir Armen verborgen im dürren Tal mannigfaltig erdulden. Stern des Meeres bist du genannt, nach dem Stern, der das müde Schiff an das Land geleitet, da es zum Rasten bleibt. Führe uns zu Jesus, deinem gnadenreichen Sohn, der soll uns alle Gnade erweisen, in ihm sollen wir ruhen, der soll uns erlösen aus allen schweren Sünden, das sind des Meeres Untiefen, in denen wir uns leider befinden. Nun helfe uns heiliges Mägdelein! Helfe deinen armen Leuten, die dich aus allen Landen weit und breit anrufen und dies von dir erbitten. Wende deine Augen deinen Dienerinnen zu Herrin, den Verheirateten, den Jungfrauen und allen rechtschaffenen Witwen, die sich an dich wenden, die deinen Namen ehren, die dir mit Worten dienen, die dich von Herzen lieben.
übertragen nach.- Arnsteiner Mariengebet ( 167), S. 22 ff.

(85) Mariensequenz aus Muri, nach 1180
Ave, du lichte Maris Stella, du Licht der Christenheit, Maria, aller Jungfrauen Lucerna.
Freue dich, Gottes Cella, verschlossene Porta, da du gebarst, der dich und die ganze Welt erschuf, nun sieh, welch rein Gefäß du Jungfrau da warst.
Sende in meine Sinne, du, des Himmels Königin, wahre, süße Rede, dass ich den Vater und den Sohn und den hochheiligen Geist preisen möge.
Immer Jungfrau, endlos, Mutter ohne Makel, Herrin, du hast gesühnt was Eva verbrochen, die Gott nicht gehorchte.
Hilf mir, heilige Herrin, tröste uns Arme um der Ehre Willen, dass dich Gott vor allen Frauen zur Mutter wählte, wie dir Gabriel verkündete.
Da du ihn vernahmst, wie du zuerst dich entsetztest! Deine reine Schamhaftigkeit erschrak vor der Kunde, wie eine Jungfrau ohne Mann je ein Kind gebären könnte. Herrin an dir ist Wunder, Mutter und Jungfrau zugleich: der die Hölle brach, der lag in deinem Leib, und du wurdest dennoch dabei nicht zum Weibe.
Du bist allein eine Pforte des Heils. Du wurdest schwanger vom Worte: dir kam, durch dein Ohr, Herrin, ein Kind, dem Christen, Juden und Heiden gehören und dessen Gnade immer ohn Ende war. Aller Jungfrauen Edelstein: das Kind erkor dich zu seiner Mutter.
Deine Würde, die ist nicht gering. Trugst du ja, reinste Jungfrau, das lebendige Brot: das war Gott selber, der seinen Mund an deine Brust hob und deine Brust in seine Hände nahm. Oh, Königin, welche Gnaden hat Gott dir erwiesen!
Lass mir zugute kommen - wenn immer ich dich anrufe -, dass ich Maria, Herrin, glaube und an dir erkenne, dass niemand in Gutem leugnen kann, du seist nicht der Erbarmung Mutter.
Lass mir zugute kommen, was du je getan in dieser Welt an deinem Sohn, wenn du ihn mit den Händen zu dir nahmst. Wohl dir des Kindes! Hilf mir um seinetwillen: ich weiß wohl, Herrin, du wirst ihn milde finden.
Deiner Bitte mag sich dein lieber Sohn nie verschließen: Bitt ihn, dass er mir wahren Frieden verleihen möge, und dass er durch den grimmen Tod, den er um die Menschheit litt, menschliche Not ansehe, und dass er durch die drei Namen seinem christlichen Geschöpf gnädig in seinen Sünden sei.
Hilf mir, Herrin, wenn die Seele von mir scheidet, so komm ihr zu Hilfe: denn ich glaube, dass du bist Mutter und Jungfrau zugleich.
zitiert nach: Wehrli: Deutsche Lyrik des Mittelalters (253), S. 17-23

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(88) Heinrich Seuse über den Einfluß der Marienverehrung auf die Wertung der Frau, nach 1350
Er gie do einest über veld, und uf einem schmalen stige do bekom im gende ein armü erberü frowe. Do dü frowe nahe zü im kom, do weich er ir ab dem truchen wege und trat neben sich in die nessin und liess sü für gan. Dü frowe kerte sich umb und sprach also: »lieber herr, waz meinent ir hie mite, daz ir, erbere herr und priester, mir armen frowen als demüteklich wichend, und ich üch vil billicher solti han gewichen?« Do sprach er: »ey, liebü frowe, min gewonheit ist, daz ich allen frowen gern zuht und ere büt dur der zarten gotes müter willen von himelrich.« Si hüb uf irü ogen und ir hende gen dem himel und sprach also: »un bit ich die selben erenwirdigen frowen, daz ir von diser welt niemer gescheident, üch bescheh etwas sunder gnaden von ir, die ir an üns allen frowen erent.« Er sprach: »dez helf mir dü rein frow von himelrich!«
Heinrich Seuse: Vita c. 18 (146), S. 49.

(89) Johannes von Tepl: Der Ackermann und der Tod, um 1400
Um meine tugendhafte Frau klage ich mit Recht; denn sie war edel von Geburt, reich an Ehren, schön, klug vor allen ihren Gespielinnen, von hoher Gestalt, wahrhaftig und züchtig in ihren Worten, keuschen Leibes, gut und fröhlich im Umgang. Ich schweige; denn ich bin zu schwach, alle ihre Ehre und Tugend, die Gott selbst ihr verliehen hat, aufzuzählen. Herr Tod, Ihr wisst es selber. Wegen so großen Herzeleides muss ich Euch rechtens verklagen.
Unwiederbringlich habe ich meinen höchsten Hort verloren; soll ich da nicht traurig sein? Ja, leidvoll muss ich bis an mein Ende ausharren, beraubt aller Freuden! Der milde Gott, der mächtige Herr, räche mich an Euch, arger Trauerbringer! Enteignet habt Ihr mich aller Wonnen, beraubt lieber Lebenstage, entzogen großer Ehren. Große Ehre hatte ich, wenn die Vornehmen die reine Frau wohlgefällig anschauten und ihre Kinder, in reinem Neste geboren. Tot ist die Henne, die aufzog solche Küchlein. 0 Gott, du gewaltiger Herr, wie erfreut war ich, wenn sie so züchtigen Ganges pflog und auf alle Ehren bedacht war und die Menschen sie liebevoll segneten und sagten: Dank, Lob und Ehre habe die treffliche Frau; ihr und ihren Nestlingen gönne Gott alles Gute! Könnte ich Gott dafür in vollem Maße danken, wahrlich, ich täte es gerne. Welchen armen Mann hätte er wohl ebenso reichlich begabt? Man rede, was man wolle: wen Gott mit einem reinen, züchtigen und schönen Weibe begabt, der ist vollkommen begabt, und die Gabe heißt eine Gabe und ist eine Gabe vor jeder irdischen äußeren Gabe. 0 allergewaltigster Himmelsgraf, wie wohl ist dem geschehen, den du mit einem reinen, unbefleckten Gatten vermählt hast! Freue dich, ehrsamer Mann, über ein reines Weib, freue dich, reines Weib, über einen ehrsamen Mann; Gott gebe euch beiden Freude! Was weiß davon ein dummer Mann, der aus diesem Jungbrunnen nie getrunken hat? Obgleich mir bitteres Herzeleid geschehen ist, danke ich doch Gott innig, dass die makellose Frau mir gehört hat. Euch, böser Tod, aller Leute Feind, hasse Gott ewiglich! (...)
Wider alles Weh und Ungemach meine heilsame Arznei, meines Gutes Dienerin, meines Willens Pflegerin, meines Leibes Wärterin, meiner und ihrer Ehre Wächterin bei Tag und in der Nacht war sie unverdrossen. Was ihr anbefohlen ward, das wurde von ihr ganz rein und unversehrt, oft vermehrt zurückgegeben. Ehre, Zucht, Keuschheit, Milde, Treue, Mäßigung, Sorge und Bescheidenheit weilten stets an ihrem Hofe, Scham trug stets der Ehre Spiegel vor ihren Augen. Gott war ihr gütiger Beschützer. Er war auch mir günstig und gnädig um ihretwillen; Heil, Glück und Erfolg standen mir bei um ihretwillen. Das hatte sie bei Gott erworben und verdient, die reine Hausehre. Lohn und gnädigen Sold gib ihr, freigebiger Entlohner aller treuen Söldner, allerreichster Herr! Tu an ihr gnädiger, als ich es ihr wünschen kann! Ach, ach, ach, schamloser Mörder, Herr Tod, böser Lasterbalg! Der Henker sei Euer Richter und binde Euch, sprechend: Vergib mir! auf seine Folterwiege!
Worüber soll ich mich nun freuen? Wo soll ich nun Trost suchen? Wo soll ich nun Zuflucht haben? Wo soll ich nun eine Heilstätte finden? Wo soll ich nun treuen Rat holen? Hin ist hin! Alle meine Freude ist mir vor der Zeit entschwunden; zu früh ist sie mir entwischt. (...)
Du lobst über die Maßen eheliches Leben; jedoch wollen Wir dir etwas vom ehelichen Leben erzählen, ungeachtet aller reinen Frauen. Sobald ein Mann ein Weib nimmt, alsbald sind sie beide in Unserm Gefängnis. Sogleich hat er eine Verpflichtung, eine Sorge, einen Handschlitten, ein Joch, ein Kummet, eine Bürde, eine schwere Last, einen Fegeteufel, eine tägliche Rossfeile, die er nicht loswerden kann, solange Wir nicht an ihm Unsere Gnade ausüben. Ein beweibter Mann hat Donner, Hagel, Füchse, Schlangen jeden Tag in seinem Hause. Ein Weib trachtet jeden Tag darnach, dass sie Herr werde. Zieht er hinauf, so zieht sie hinab; will er dies, so will sie das; will er hierhin, so will sie dorthin. Solches Spiels wird er satt und sieglos jeden Tag. Betrügen, überlisten, schmeicheln, um den Bart gehen, liebkosen, widerstreben, lachen, weinen kann sie alles in einem Augenblick; angeboren ist es ihr. Krank zur Arbeit, gesund zur Wollust, dazu zahm oder wild ist sie, wenn sie dessen bedarf. Um ein Widerwort zu finden, bedarf sie keines Beraters. Gebotene Dinge nicht zu tun, verbotene Dinge zu tun, befleißigt sie sich jederzeit. Das ist ihr zu süß, das ist ihr zu sauer, das ist ihr zuviel, das ist ihr zu wenig, nun ist es zu früh, nun ist es zu spät, so wird alles getadelt. Wird jemals etwas von ihr gelobt, so muss es mit Schanden in einem Drechselstuhl gedreht werden, und auch dann wird das Loben oft mit Spott vermischt. Ein Mann, der in der Ehe lebt, kann kein Mittelmaß halten. Ist er zu gütig, ist er zu scharf, um beides wird er mit Schaden gescholten. Sei er auch halb gütig und scharf, dennoch gibt es da kein Mittel, Schaden und Schelten bringt es stets ein. Jeden Tag neue Zumutung oder Keifen, jede Woche befremdliche Forderungen oder Murren, jeden Monat neuen hässlichen Unflat oder Zürnen, jedes Jahr neue Kleider oder Tag für Tag Zank muss ein beweibter Mann haben, er heirate, wen er wolle. Der Nächte Ärgernis sei ganz verschwiegen; Unseres Alters wegen schämen Wir uns. (...)
Frauenschänder müssen geschändet werden, sagen der Wahrheit Meister. Was soll dann mit Euch geschehen, Herr Tod? Euer unvernünftiges Frauenschänden, wiewohl es mit Verlaub der Frauen erfolgt, ist doch wahrlich für Euch eine Schande und für die Frauen eine Schmach. In manchen weisen Meisters Schrift findet man, dass ohne Weibes Anleitung niemand glücklich geleitet werden kann; denn der Besitz von Frau und Kindern ist nicht der geringste Teil des irdischen Glücks. Mit solcher Wahrheit hat der bekannte Römer Boethius sein Trostbuch vorgelegt. Philosophie, die weise Meisterin, und jeder außergewöhnliche und geistreiche Mann ist mir dessen Zeuge: keine Manneszucht kann sein, sie werde denn durch Frauenzucht gemeistert. Es sage, wer es wolle: Ein züchtiges, schönes, keusches und in ihrer Ehre unversehrtes Weib geht aller irdischen Augenweide vor. Einen so mannhaften Mann sah ich nie, der rechten Sinn erlangt hätte, er wäre denn durch Frauenhilfe geleitet worden. Wo sich die Vornehmen versammeln, da sieht man es jeden Tag: auf allen Plätzen, an allen Höfen, bei allen Turnieren, bei allen Heerfahrten tun immer die Frauen das Beste. Wer im Frauendienst ist, der muss sich jeder Missetat enthalten. Rechte Zucht und Ehre lehren die edlen Frauen in ihrer Schule. Über die irdischen Freuden haben die Frauen Gewalt; sie bewirken, dass ihnen zu Ehren jede Festlichkeit und jede Kurzweil geschieht. Einer reinen Frau Fingerdrohen straft und züchtigt einen braven Mann mehr als alle Waffen. Ohne Schmeichelei in kurzen Worten: aller Welt Erhaltung, Festigung und Mehrung sind die edlen Frauen. Jedoch muss es neben Gold Blei, neben Weizen Kornraden, neben den verschiedenen Münzen Falschgeld und neben Frauen Unweiber geben. Dennoch sollen die guten nicht für die bösen entgelten. Das glaubt, Hauptmann des Streitens!
Johannes von Tepl: Der Ackermann und der Tod (213), S. 10-18, S. 38-43.

Das Frauenbild der höfischen Literatur

Einführung

Frauen im Mittelalter

Im zweiten Drittel des 12. Jahrhunderts trat die geistige Dichtung mehr in den Hintergrund. Sie wurde zunehmend durch eine an Gewicht gewinnende Laienkultur ersetzt. Dieser Kulturwandel mit der Entstehung neuer ethischer und sozialer Normen stand in engem Zusammenhang mit dem Aufstieg des Rittertums, das zum Träger der neuen, höfischen Kultur wurde. Diese trug durch die Schaffung einer kulturellen Distanz zur Masse der überwiegend bäuerlichen Bevölkerung erheblich zur Entstehung und Festigung des Ritterstandes bei und schließlich auch zur Integration der politischen Führungsgruppen, da die höfische Kultur mit ihrem Tugendsystem und der Verfeinerung der Umgangsformen sowohl den Hochadel als auch die aufgestiegenen, ursprünglich unfreien Ministerialen mit einschloss. Eine zentrale Stellung innerhalb der höfischen Kultur nahmen der Minnekult und der Frauendienst ein.
Die höfische Lyrik und Epik lassen in bewusster Abwendung von den asketischen und frauenfeindlichen Tendenzen der Kirche (91,92) eine neue Auffassung des Verhältnisses zwischen den Geschlechtern und ein neues Frauenbild erkennen. Die Frau erfuhr in dieser Dichtung eine erhebliche Aufwertung. Sie wird idealisiert und genießt größeres gesellschaftliches Ansehen als der Mann. Sie verkörpert die als positiv angesehenen Tugenden Beständigkeit, Treue, Keuschheit, Ehre, Zucht, Milde, Güte und Freude, die der Mann erst noch erwerben muss (93-99). Sie steht ihm als Herrin gegenüber, der der Mann sich zu unterwerfen hat. Sie wird zur Erzieherin des Mannes, so dass er schließlich sittlich geläutert und vollkommen erscheint (97-991. Sie ist es, die ihn zum kämpferischen Leben inspiriert. Ihretwegen besteht er seine Abenteuer und Kriegszüge oder schlägt sich auf dem Turnier (100, 101, 104). Die Beziehung zur Frau, die Liebe, wird zur Antriebskraft, durch die der Mann sich entwickelt, vervollkommnet, bewährt und schließlich zur vorbildlichen Ritterpersönlichkeit wird. Nur durch die Frau und durch die Minne kann der Mann Tugend, Ehre und Ruhm gewinnen.
Die Minneidee findet ihre Verwirklichung im Frauendienst. Hierbei lassen sich drei Auffassungen unterscheiden. In der hohen Minne bot der Ritter einer verheirateten Frau seinen Dienst in Nachbildung des Lehensverhältnisses an (100, 10 1). Bis sie sich entschloss, den Dienst anzunehmen bzw. auch abzulehnen, was ihr frei stand, musste sich der Mann im Turnier und im Kampf bewähren (100). Kam die Frau der Werbung des Mannes nach, so nahm sie ihn zum förmlichen Lehensdienst an (101). Ihr zu Ehren oder auf ihren Wunsch hin stellt er in weiteren ritterlichen Taten seinen Mut und seine Männlichkeit unter Beweis in der Hoffnung auf Belohnung seines Dienstes (104). Fraglich bleibt, ob sich der Minnelohn in der frühen Minnezeit in einer Vermehrung des Ansehens und Ruhmes des Ritters infolge seiner Taten erschöpfte (99). Zahlreiche Dichtungen machen jedenfalls deutlich, dass der angestrebte Minnelohn letztlich in der Aufnahme sexueller Beziehungen bestand (100). Die hohe Minne geriet damit in Konflikt mit den Normen ihrer Zeit, die den Ehebruch der Frau schwer ahndete und auch den eindringenden Mann mit dem Tode bedrohte. Der Wunsch des Ritters wurde deshalb meist nicht belohnt. Es blieb die Verehrung der Frau im Lied, im Gedicht. Zahllose Minnedichtungen kreisen um die Klage über die Abweisung durch die Frau und den sich vor Sehnsucht verzehrenden Mann, der darauf hofft, schließlich doch noch erhört zu werden (103).
Gegen diese Form der hohen Minne erhob sich zunehmend Kritik und sie wurde durch andere Konzepte abgelöst, die versuchten, den Widerspruch zwischen Minnedienst und Ehe aufzuheben, indem sie als Ziel der Minne die unverheiratete Frau oder die eigene Ehefrau ansahen. Im ersteren Fall entwickelte sich der Minnedienst zu einer Werbung, um mit der Umworbenen eine Ehe einzugehen. Diese Entwicklung wird in den Epen noch dadurch vertieft, dass die Minne in die Ehe integriert wird. Das Verhältnis der Ehepartner wird zum Minneverhältnis. Der Mann bleibt auch nach eingegangener Ehe verpflichtet, seiner Ehefrau zu dienen. Seine gesamten weiteren Unternehmungen erfolgen als Huldigung und zur Ehre der eigenen Frau (104). Sie bleibt auch in der Ehe dem Mann Vorbild, übernimmt erzieherische Funktionen und verhilft ihrem Mann zur Einsicht, Läuterung und Vervollkommnung (l 14). Sie fördert sein Verantwortungs- und Pflichtbewusstsein. Mehrfach unterwerfen sich die Ritter dem Ratschlag ihrer Gattin. In kritischen Situationen verhilft ihnen der Gedanke an die Ehefrau, ihre Liebe zu ihr, zu einer Steigerung ihrer physischen und psychischen Kräfte (106).
Die Verbindung von Ehe und Minne ließ jedoch auch ein anderes Frauenbild stärker zum Tragen kommen. Die Frau erscheint nicht mehr als die weit über den Mann erhobene, unerreichbare Minneherrin, sondern als liebevolle, demütige, ihrem Mann treu ergebene, fürsorgliche, tröstende und pflegende Ehefrau. Sie ist opferbereit bis zur Selbstaufgabe. Das Leben des Mannes gilt ihr mehr als das eigene (105). Im Idealfall bewahrt sie die Treue ihrem Mann gegenüber auch nach seinem Tode (107, 108). Ihre Liebe und Hingabefähigkeit überträgt sie in diesem Fall auf ihre Kinder, die ihr als im Weiterleben des verstorbenen Gatten in anderer Form erscheinen (108). Ihrem Mann gegenüber zeigt sie in jeder Situation bedingungslosen Gehorsam. Widerspruchslos fügt sie sich auch ihr völlig unverständlichen Entscheidungen des Mannes (105). Ungebrochen geht die höfische Dichtung von der Unterwerfung der Frau unter die Herrschaft des Mannes aus. Der Mann sollte jederzeit die Oberhand über seine Frau behalten. Notfalls war er berechtigt, sich mit Gewalt durchzusetzen (107, 109-111). Der Mann, dem dies nicht gelingt, wird als weibisch verspottet (110). Eine willkürliche Züchtigung der Frau durch den Mann wird allerdings verurteilt (107). Die sittliche Vorrangstellung der Frau in der höfischen Literatur beinhaltete folglich keine soziale und rechtliche Emanzipation der Frau. Sie blieb der eheherrlichen Munt unterworfen.
In den höfischen Epen wird der Wandlungsprozess von männlichen Helden beschrieben. Sie bilden den Mittelpunkt des Handlungsablaufes, nicht die Frau. Ihre Funktion erschöpft sich meist in der Veredelung des Mannes. Sie ist Werkzeug, Mittel und Inspiration für den Reifungsprozess, die Selbstverwirklichung des Mannes (105). Sie wird nicht um ihrer selbst willen dargestellt, sondern in ihrer Funktion für den Mann. Sie wird glorifiziert, um das im Kampf erworbene Heldentum des Mannes und um den Kampf als solchen zu moralisieren und zu rechtfertigen, indem er nicht aus egoistischen Motiven (Ruhmsucht, Bereicherung, Machtzuwachs), sondern zur Ehre der Frau geführt wird. Die Übertragung des Lehnswesens auf den Frauendienst ließ die Struktur des Lehnswesens auch nach außen hin als gerechtfertigt erscheinen. Die weitgehend passive Objektrolle der Frau im Handlungsablauf der Epen findet sich gleichfalls in der Minnelyrik, die sie teilweise zum reinen Sexualobjekt des Mannes in der niederen Minne degradiert (212). Die Frau in der Minnelyrik trägt keine persönlichen, individuellen Züge. Sie ist ein Konstrukt des Mannes, lebende Abstraktion und im konkreten Fall austauschbar. Die Frau als Individuum geht im Wesen des Weiblichen auf. Der Mann bleibt der allein aktive, er ergreift die Initiative, der Frau bleibt nur das Reagieren.
Dennoch beinhaltete der Frauenkult der höfischen Literatur auch positive Perspektiven. Die sittlich-ethische Überhöhung der Frau bildete ein deutliches Gegengewicht gegen die Verteufelung der Frau in der mittelalterlichen Theologie. Bisweilen finden sich allerdings auch in der höfischen Literatur ähnliche Tendenzen (113). Sie fallen insgesamt jedoch nicht ins Gewicht und bleiben Ausnahme. Die höfische Dichtung erkannte damit die Frau in ihrer Menschlichkeit und als Trägerin positiver weiblicher Werte an und befreite sie von dem Makel der Minderwertigkeit. Sie erhielt personale Qualität und wurde als freundschaftsfähig angesehen. Mit der Ablehnung des sexualfeindlichen und asketischen Lebensideals der frühmittelalterlichen Kirche erfolgte die Anerkennung der Geschlechtsliebe, die auf gegenseitiger Zuneigung beruht. Der Mann kann nicht mehr einseitig über die Liebeswilligkeit der Frau verfügen, er bleibt an ihre Zustimmung gebunden.
Diese Auffassung der Liebe als einer wechselseitigen Beziehung zwischen Mann und Frau, die die Gesamtheit der Person umfasste, schien zunächst mit der Ehe nicht vereinbar zu sein. Galt die Liebe als etwas Sinnliches und Zweckfreies, so sah man in der Ehe etwas Zweckhaftes, Zielgerichtetes. Dies wird in den Epen besonders deutlich, wenn man Gestalten- und Erzählerperspektive auseinanderhält. In der Sicht der handelnden Helden dient die Ehe meist der Wiederherstellung oder auch der Erhöhung der eigenen Ehre (107, 114), der Besitzvermehrung und der Vergrößerung der eigenen Macht (114) sowie der Beendigung von Feindschaften bzw. der Festigung von Bündnissen, Verträgen und Freundschaften (115). Mehrfach ist für die Männer der Wunsch nach sexueller Befriedigung mit der Heirat verbunden, der durch die Ehe seine Legitimation erhalten soll. Die Frau wird in diesem Fall zum sexuellen Objekt. Als einzige Voraussetzung für den Wunsch des Mannes genügt neben der Ebenbürtigkeit die außergewöhnliche Schönheit der Frau. Ihr eigener Wille, ihre eigenen Empfindungen bleiben bedeutungslos, sofern sie überhaupt gefragt wird. Etwaiger Widerstand wird notfalls mit Gewalt gebrochen (107). Bloßes Heiratsobjekt ist die Frau auch dann, wenn die Heiratsabsicht scheinbar von ihr ausgeht, indem sie als unverheiratete bzw. verwitwete Herrscherin ein Turnier ausschreibt und dem Sieger Thron und Ehe verspricht oder gar unmittelbar um ihn wirbt, denn entscheidend ist nicht die individuelle Zuneigung, sondern allein der Funktionswert des Mannes als hervorragender Kämpfer. Während die Königin gesellschaftlich verpflichtet ist zu heiraten, damit ein Mann an der Spitze des Reiches steht, vermag der Mann seinen Ruhm und seinen Besitz beträchtlich zu steigern (114, 116). An dieser Eheauffassung, die weitgehend der gesellschaftlichen Realität entsprochen haben dürfte, wobei häufig auch die Männer durch ihre Familien in derartige Rollen gedrängt wurden, übten die Autoren entweder direkt oder durch den Handlungsablauf deutliche Kritik. Die Eheschließung und das eheliche Verhältnis sollten primär auf der gegenseitigen Zuneigung beruhen. Um dies deutlich zu machen, lassen sie entweder ihre Personen scheitern, solange sie diese Auffassung noch nicht angenommen bzw. verstanden haben (107) oder sie sind bemüht in Anerkennung der obigen sozialen Ehezwecke deutlich zu machen, dass die jeweiligen Eheschließung zusätzlich auf gegenseitiger Zuneigung beruhe (107, 114, 117). Mit dieser Eheauffassung, die von der Wechselseitigkeit der gegenseitigen Empfindungen ausgeht, wäre notgedrungen eine Veränderung im Verhältnis von Mann und Frau verbunden gewesen. Die propagierte Praxis verwirklichte dies jedoch nur bruchstückhaft, indem sie, wie oben dargestellt, einerseits die Persönlichkeit der Frau anerkannte und von einer Gleichwertigkeit beider Geschlechter ausging, andererseits jedoch die strikte Unterordnung der Frau unter den Mann forderte. Die höfische Literatur wertete die Frau somit zwar in ihrem gesellschaftlichen Ansehen auf, führte jedoch nicht zu ihrer gesellschaftlichen und rechtlichen Emanzipation.

Quellen und Materialien

(91) Reinmar von Zweter über die Ehe und Jungfräulichkeit, um 1227/48
Keinen Stand preise ich so sehr wie allein die Ehe, was man mir deshalb auch antun wird. Barfüßermönche, Predigermönche, Kreuzordensbrüder sind damit verglichen wertlos, es gibt viele graue, weiße, schwarze Mönche, (sie und die) Lazariten (?) und Märtyrer, ich will es euch genau darlegen, die Schottenbrüder und solche, die Schwerter tragen, sind alle nichts dagegen (gegen die Ehe). Domherren, Nonnen und Weltgeistliche und alle die Orden, die Gott eingesetzt hat, existieren durch das, was die Ehe hervorgebracht hat. Wer die Ehe rechtmäßig ausübt, hat hier und dort den Sieg errungen: hört nicht auf den, der etwas dagegen sagt! Er lügt.
zitiert nach: Epochen der deutschen Lyrik (185), Bd. 1, S. 245.

(92) Unbekannter Verfasser über die Minne, um 1460/80
Frau Minne, gepriesen sei dein Name! Man sagt von dir, dass du süß bist. Verflucht sei, der von dir nichts wissen will, das möge ihm Gott bescheren! Womit kann der Leid vertreiben, der die Liebe nicht kennt? Die Liebe macht ihn beschwingt, so dass er fröhlichen Herzens ist. Ich wünsche dem ewiges Unheil, der die Liebe schmäht. 14 Gebt nichts auf das Geschrei der Pfaffen, sie sagen, Liebe sei Sünde. Als Gott Adam und Eva schuf, da schuf er (zugleich) die Liebe. Schau, Minne, wen du das erleben lässt, der (erlebt) die älteste Sache (der Welt). Ich preise die Liebe zu jeder Zeit. Adam hat sie uns beigebracht. Verflucht sei die Lästerzunge, die abfällig von der Liebe spricht! 24 Herr Salomon hat viel geliebt, (und) der war (doch) ein weiser Mann. Wären Zucht und Ehre mit der Liebe unvereinbar, dann wäre die Liebe nie erfunden worden. Ich will mich zur Liebe halten, durch Liebe wird die Menschheit vermehrt.
Ihr sollt sie in Ehren halten, Frauen und Männer, solange euch Gott das Leben schenkt! Wer Liebe boshaft herabsetzt, der bringt selbst Schande über sich. 34 Die Liebe schenkt uns Freude, Streit muss vor ihr fliehen. Gott hat mit eigner Hand Nagel und Kerbe füreinander geschaffen. Ach Liebe, du bist eine beseligende Saat, dich will ich bedichten. Ich preise die Liebe zu jeder Stunde, Liebe ist eine Schöpfung Gottes. Auf Anraten aller Heiligen sollen wir nach Liebe streben. 44 Es hat keine noch so heiligen Heiligen, keinen noch so erleuchteten Propheten gegeben, der nicht durch die Liebe auf die Welt gekommen wäre; deshalb preise ich die Liebe. Ach Liebe, du bist etwas Herrliches, (du) beglückst alle Welt. Wer die Liebe hasst, dem ist Gott feind. Der Liebe verdanken wir manchen Patriarchen. 0 Liebe, du bist ein blütenreicher Baum, du lässt Gottes Reich wachsen.
zitiert nach: Epochen der deutschen Lyrik (185), Bd. 2, S. 223.

(93) Reinmar von Hagenau über die Vollkommenheit der Frau, 1160/70 - vor 1210
Heil dir, Frau, was für ein herrlicher Name! Wie wohltuend ist er doch zu lernen und zu nennen! Nie gab es etwas Preiswürdigeres als dich, wenn du wahre Güte walten lässt. Niemand vermag dein Lob vollkommen in Worte zu fassen. Schenkst du einem deine Treue, heil ihm, er ist ein glücklicher Mann und kann sich seines Lebens freuen. Aller Welt schenkst du gesteigerte Lebensfreude. Kannst du auch mir ein wenig Freude geben?
zitiert nach: Epochen der deutschen Lyrik (185), Bd. 1, S. 138.

(94) Der Winsbecke: Ritterlehre, 1210/20
11. Sohn, willst du deinen Leib schmücken, so dass ihn keine Zuchtlosigkeit entstelle, so minne und ehre gute Frauen, deren Tugend uns zu aller Zeit die Sorgen nahm. Sie sind ein Stamm, der die Frucht der Wonne trägt, von dem wir geboren sind. Der hat keine Zucht noch rechte Scham, der das an ihnen nicht erkennt. Der muss der Toren einer sein, und hätte er Salomons Weisheit.
12. Sohn, sie sind der Freude ein brennendes Licht der Ehren und der Würdigkeit, der Welt eine Zuversicht der Freude; kein weiser Mann bestritt das je. Ihr Name trägt die Krone der Ehren, wie gebildet und gefertigt sowie völlig ausgefüllt mit Tugenden ist. Gnade ließ Gott uns zuteil werden, als er die Engel dort schuf, dass er sie uns gab statt der Engel.
13. Sohn, du kannst wohl nicht wissen, welche Ehre in den Frauen liegt. Wenn das Glück es dir gestatten sollte, dass du die Zeit der Liebe erlebst, dass dir ihre Güte Freude gibt, so kann dir niemals besseres geschehen in dieser Welt abgesehen vom Kampf. Du sollst ihnen mit Aufrichtigkeit dienstbar sein und gut von ihnen sprechen. Tust du das nicht, so habe ich dich verloren.
14. Sohn, willst Du eine Arznei nehmen, ich will dir ein Getränk nennen, wenn das Glück es dir wohl bekommen lässt, du würdest selten krank an Tugend, dein Leben sei kurz oder lang. Schenke dein Herz einer makellosen Frau mit steter Liebe und ohne Zweifel, wenn es dann an Würde mutlos wird, ihre weiblichen Güte dirs verjagt, wie es der Theriakl mit dem Gift macht.
übertragen nach: Boor (Hrsg.): Mittelalter. Texte und Zeugnisse (174), Bd. 1, S. 812f.

(95) Reinmar von Zweter über die Tugenden der Frau, um 1227/1248
Ich will euch erklären, welche Kleider den Frauen gut stehen: Ein Unterkleid weiß wie der Schnee, das bedeutet, dass sie Gott lieben und ihm zugetan sein soll, das ist ein prächtiges Kleid. Darüber soll als ein Rock geschneidert sein, dass sie Gutes und Böses in keuscher Sittsamkeit ertragen soll; ihr Gürtel sei die Liebe, ihre Schnalle Bereitschaft zur Tugend; ihr Mantel die Ehre, damit er an ihr bedecke, wenn etwas Unzuverlässiges an ihr zum Vorschein käme; ihr Schleier soll die Treue sein; darüber ein Häubchen von solcher Art, dass sie vor allem Makel beschützt ist. Preiswürdig ist diese Frau, ihr Ruhm kann nicht verblassen!
zitiert nach: Epochen der deutschen Lyrik (185), Bd. 1, S. 227.

(96) Konrad von Würzburg über die Vollkommenheit der Frau, um 1250/1287
Wer in dieser langen Winterszeit ungestört bei der Liebsten liegt, der verliert die Sommertage leicht aus den Gedanken, denn ihn macht die Liebe unangefochten grenzenlos glücklich und lässt seines Herzens Klage verstummen. Die Liebe einer Frau macht das Glück des sehnsuchtvollen Mannes vollkommener als der betaute Klee. Lernt, ohne euch dagegen zu sperren, dass die Liebe einer Frau Kummer und Leid vertreibt.
Frauen sind gut gegen Widerwärtigkeiten; der Trost, den eine Frau gibt, war stets ein Sorgenbrecher, eine Frau macht die Traurigkeit gering und unbedeutend. Frauen sind der Gipfel (aller) lieben Dinge, so dass man nie Lieberes gesehen hat. Ach Gott, wie beseligend sind die liebenswerten Frauen! Frauengüte tut wohl, man soll edle Frauen lieber anschauen als die Maienblüte. Frauen sind vom Guten das Beste, reine Frauen heißen zu Recht Leidvertreib.
zitiert nach: Epochen der deutschen Lyrik (185), Bd. 1, S. 362.

(97) Dietmar von Aist über die Veredelung des Mannes durch den Frauendienst, um 1150/1180
2. Ich bin dir lange hold gewesen, edle und gute Dame. / Sehr gut habe ich das getroffen: Du hast meinen Sinn veredelt. / Um was immer ich durch dich besser geworden bin, das möge mir zum Heil ausschlagen. / Machst du das Ende gut, so hast du alles wohl getan.
3. Man soll die Tüchtigen und die Guten zu allen Zeiten lieben. / Wer sich zu viel rühmt, der versteht sich nicht auf das rechte Maß. / Auch soll es ein höfischer Mann niemals allen Frauen recht machen wollen. / Der ist seiner selbst nicht Meister, der darin zu viel tut. (...)
zitiert nach: Schweikle (Hrsg.): Die mittelhochdeutsche Minnelyrik (242), Bd. 1, S. 141-143.

(98) Dietmar von Aist über die Veredelung des Mannes durch den Frauendienst, von 1150/80
1. Nun ist es dahin gekommen, wonach mein Herz immer strebte, / dass mich eine edle Dame in ihren Bann geschlagen hat. / Der bin ich untertan geworden / wie das Schiff dem Steuermann, / wenn das Meer seine Wogen so ganz geglättet hat. / so ho owi! Sie halten mich von mancher unbesonnenen Tat ab. (. ..)
zitiert nach.- Schweikle (Hrsg.): Die mittelhochdeutsche Minnelyrik (242), Bd. 1, S. 153.

(99) Albrecht von Johannsdorf über hohe und niedere Minne, 2. Hälfte 12. Jh.
1. Ich fand sie ohne Aufsicht / allein dastehen, die so Liebenswerte. / Wahrhaftig, da sprach die Schöne: /Was wollt ihr so alleine hier? / Herrin, es ist eben so geschehen. / Sagt, warum seid ihr hier? das sollt ihr mir gestehen.
2. Meinen sehnsuchtsvollen Kummer / klage ich, meine liebe Herrin. / Weh, was sagt ihr, Unbedachter, ihr könnt eure Klage wohl sein lassen! / Herrin, ich kann sie nicht unterdrücken. So werde ich in tausend Jahren euch niemals erhören!'
3. Nein doch, Königin, dass mein Dienst soll so vergebens sein! / Ihr seid von Sinnen, / dass ihr mich in solchen Zorn versetzt!/ Herrin, euer Hass gibt mir den Tod. / Wer hat euch, viellieber Mann, in diese Not gezwungen?
4. Das tat eure Schönheit, / die ihr besitzt, teuerste Frau. / Eure süßen Töne wollten meine Standhaftigkeit erschüttern./ Herrin, das kann Gott nicht wollen! Erhörte ich euch, - das brächte euch Ehre, mein aber wäre der Spott.
5. So lasst mir dennoch zugute kommen, / dass ich euch immer von Herzen hold war. / Euch kann wohl noch lästig werden, / dass ihr eure Wörtlein gegen mich schleudert./ Dünkt euch mein Reden nicht gut? / Wahrlich, es hat oft meinen treuen Sinn beschwert.
6. Ich bin ebenfalls sehr treu, / wenn ihr mir gestattet, die Wahrheit zu sagen. Folget meinem Rat, unterlasst die Bitte, die nimmer erfüllt werden kann./ Soll ich so belohnt sein? Gott, der gewähre euch anderswo, was ihr von mir da begehrt.
7. Soll mir also mein Singen / und mein Dienst für euch nichts einbringen? /,Euch soll wohl Erfolg werden, / ohne Lohn sollt ihr nicht bleiben. / Wie meint ihr das, edle Herrin? / , dass ihr desto edler seid und dabei hochgemut.
zitiert nach: Schweikle (Hrsg.): Die mittelhochdeutsche Minnelyrik (242), Bd. 1, S.343-345.

(100) Ulrich von Liechtenstein über den Frauendienst, 1255
Als ich (noch) sehr klein und jung war, (da) hörte ich oft, wie man vorlas und wie auch erfahrene Menschen sagten, dass wohl keiner in seinem Leben Wert und Ansehen gewinnen könne, ausgenommen derjenige, der vorbildlichen Frauen unbeirrt zu dienen bereit wäre: sie verfügten über großen Lohn.
Die Erfahrenen hörte ich sagen, dass niemand wahrhaft zufrieden oder in der Gesellschaft froh gestimmt sei, außer demjenigen, der eine schöne und vorbildliche Dame, die wegen ihrer Vortrefflichkeit wohl als Frau bezeichnet werden könnte, liebt wie sein Leben. So hätten sich alle verhalten, die es darauf anlegten, angesehen zu sein.
Als ich das hörte, war ich ein Kind und unerfahren, wie man es diesem Alter noch ist, so unerfahren, dass ich auf Stecken ritt, und überlegte doch in dieser Unerfahrenheit:
Da die schönen, anmutigen Frauen das Leben des Mannes so an Wert erhöhen, will ich den Damen stets von neuem dienen, wie es mir auch ergehen mag.
Leib, Besitz, Seele und obendrein das Leben will ich den Damen ganz widmen und ihnen nach Kräften aufs beste dienen, und wenn ich zum Manne heranwachsen sollte, muss ihnen mein Dienst gelten, an ihnen scheitern oder triumphieren: ich will ihnen immerzu dienen. Diesen Rat gab mir mein Herz.
Mit diesen Vorstellungen wuchs ich wahrhaftig auf, bis ich in mein zwölftes Lebensjahr kam. (...)
Zurecht pries man sie ungemein. Ich war der Page dieser Dame nun schon mehr als vier Jahre gewesen. Ich sage euch die (reine) Wahrheit. Meine Augen konnten nie einen Makel an ihrer Weiblichkeit bemerken oder finden: sie war auch jederzeit gut und in weiblicher Wohlerzogenheit anmutig.
Da sprach mein Herz zu mir: «Lieber Freund und Gefährte, wenn du dich einer Dame völlig ergeben und dein ganzes Leben ihrer Verehrung widmen willst, dann muss das diese Dame sein. Das rate ich dir bei meiner Treue. Sie ist ganz ohne Fehl: ihr sollen wir unbeirrbar nahe sein.«
»Ich folge dir, Herz, in allem, was du willst. Aber wir beide übernehmen uns sehr, wenn wir ihr um den Lohn dienen, den man bei vorbildlichen Frauen erwirbt. Steht doch meine vornehme Herrin viel höher als wir beide. Sie ist für uns aus viel zu guter Familie. Deshalb könnte das Dienen vergebens sein.«
»Schweig, Leib, und höre zu: ich will dir (eines) sagen: nie gab es zu irgendeiner Zeit eine Frau, die so vornehm, reich oder angesehen war, dass ein Ritter von Adel, wenn er danach verlangt, ihr sein Leben lang zu dienen (und zwar so, dass er Herz, Leib und Besitz einsetzt, ihr zu dienen, wie das seine Pflicht ist), bei ihr keinen schönen Erfolg haben konnte.«
»Herz, ich schwöre dir bei meinem Seelenheil, dass ich sie mehr als alle anderen Frauen und als mein eigenes Leben liebe. In der Liebeshoffnung, die ich gegenüber der Trefflichen hege, will ich ihr heute und immerdar dienen, was mir auch widerfahren wird.« (...)
Als Knabe erwies ich ihr viele Dienste, von denen ich hier nicht weiter berichten will. Was immer man in so jungen Jahren für Dienste erweisen kann, das tat ich für sie bis zu dem Tage, an dem mich mein Vater von ihr wegholte. Das bändigte (zwar) meine sehnsüchtige Trauer: (aber) ich erfuhr in meinem Herzen sogleich die Gewalt der Minne. (...)
(Anschließend kam er für vier Jahre als Knappe zu Markgraf Heinrich von Istrien.) Ich wurde von meinem Herrn so entlassen, dass seine ganze Vortrefflichkeit vollkommen an mir offenbar wurde. Dann ritt ich sogleich heim nach Lichtenstein in der Steiermark, wo Knappen eine rege Turniertätigkeit entfalteten. Das war da Brauch; sie übten sich dadurch im ritterlichen Kampf.
Wo ich auf ein Turnier stieß, nahm ich sogleich um meiner liebsten Herrin willen teil. Ich dachte: «Wenn ich ihr dienen will, muss das in ritterlichem Kampfe geschehen. Man muss mich in der Rüstung ihr dienen und meine Tage verbringen sehen. Möge Gott mich ihr Wohlwollen erringen lassen.
Und wenn ich je gerühmt werden sollte, dann muss ich das ihr zum Ruhme anrechnen, denn ich habe es ihretwegen erreicht. Ich bin auch ganz zuversichtlich, dass ich das, was man als Zuneigung der Herrin bezeichnen könnte, durch mein (manifestes) Dienen in jungen Jahren von ihr aufs beglückendste erlangen werde.«
Dann zog ich wie ein Knappe genau drei Jahre lang nach allen Richtungen zum Turnieren aus, um Erfahrungen zu sammeln und um als Knappe Ruhm zu erwerben. Darauf wurde ich in der Tat zum Ritter (geschlagen), und zwar während eines Wiener Festes, das alle anderen Feste, die ich kenne, an Pracht übertraf. (...)
Was sie auch zu mir sagt, für alles muss ich ihr danken. Da ich mich ihr ergeben habe, muss ich so leben, wie sie will. Ob sie mich nun schlecht oder gut behandelt, ich muss ihr immer getreulich und bis zu meinem Tode dienen. Keine Mühe wird mich davon abbringen.
Ich will auch, solange ich lebe, sowohl froh wie traurig ihr allein und niemand sonst alle meine Jahre als Tribut darbringen, wenn ich immer zufrieden bleibe. Wohin ich mich wende und wohin ich auch ziehe, ich will nur für sie allein leben, in dieser Weise habe ich mich ihr ergeben.
Wie jung ich auch an Jahren bin, so viel Verstand besitze ich doch, dass ich sehr wohl einsehe, dass es keine andere Frau auf der Welt gibt oder geben kann, die mir Leib und Seele so zu erheben vermag und so erfreuen kann.
Daher will ich ihr aufrichtig dienen, das glaubt mir. Wenn der lange Winter zuende geht, sinne und trachte ich danach, ihr wiederum ein wenig zu dienen, damit sie mehr Gefallen an mir findet. Ich will mein Leben und meinen Besitz ihretwegen aufs Spiel setzen; das ist mein Entschluß.«
zitiert nach.- Curschmann/Glier (Hrsg.): Deutsche Dichtung des Mittelalters (182), Bd. 2, S. 711-737.

(101) Frauendienst in Wolfram von Eschenbachs Parzival, 1200/10
Draußen im Hofe traf er seine Tochter mit des Burggrafen Töchterlein. Die beiden schnellten Ringelein.
Da sagte er zu Obilot: »Tochter, wie kommst denn Du hierher?«
»Vater, ich komme von der Burg herunter. Ich glaube wohl, dass er es mir nicht abschlagen wird: Ich will den fremden Ritter bitten, ob er wohl um Lohn dienen wird.« (...)
Als sie in das Zimmer trat, sprang Gawan auf. Er begrüßte sie und setzte sich nieder zu dem süßen Kinde. Er dankte ihr, dass sie sich seiner angenommen hatte, als man ihm Unglimpf tat, und sagte: »Wenn je ein Ritter Not litt für ein so kleines Fräulein, so sollte ich sie für Euch leiden.«
Das schöne, süße, unschuldige Kind begann ohne alle Umstände, »Gott weiß es, Herr, dass Ihr der erste Mann seid, der mein Redegesell ist. Wenn ich dabei die Sitte wahre und keine Unziemlichkeit begehe, so soll es mich freuen, denn, wie meine Lehrerin sagt, die Rede ist das Dach des Geistes. Herr, ich spreche um Euret- und meinetwillen. Das lehrt mich wirkliche Not. Ich will Euch davon erzählen, wenn Ihr erlaubt. Haltet Ihr mich darum für geringer, so bin ich doch sicher, auf dem Pfade der Maße zu bleiben, denn ich spreche, wenn ich zu Euch spreche, nur zu mir selber. Ihr seid ja in Wahrheit ich selbst. Wenn wir auch verschieden genannt werden, ich ein Mädchen, Ihr ein Mann, meinen Namen sollt Ihr nun führen: Ihr sollt Mädchen und Mann zugleich sein. So richte ich denn meinen Wunsch an Euch und an mich selbst. Wenn Ihr, Herr, mich ohne Hilfe und beschämt von Euch gehen lasset, so muss Euer Wert sich von Eurem eigenen Ehrgefühl richten lassen, da ich als Magd bei Eurer Gnade Zuflucht suche. Wenn Ihr, Herr, es wünschet, so will ich Euch herzlich gern Minne geben. Wenn ihr wahrhaft ein Ritter seid, so glaube ich, Ihr werdet es nicht lassen, mir zu dienen. (. . .)
Nun gedachte er, wie Parzival einmal sagte, man solle den Frauen mehr vertrauen als Gott, dieses Wort wurde alsbald ein Bote des Mädchens zu Gawans Herz. Er gelobte also dem Jungfräulein, dass er seine Waffen zu ihrer Ehre tragen wollte. Und weiter richtete er an sie diese Worte: «In Euren Händen sei mein Schwert! Fordert mich ein Ritter zur Tjoste heraus, so müsset Ihr das Rennen reiten und für mich kämpfen. Mich mag man da im Kampfe zu sehn glauben, aber von Euch muß er, so nehme ich's, ausgefochten werden.» Sie sprach: «Das ist mir nicht zuviel. Ich bin Euer Schirm und Euer Schild und Euer Herz und Euer Trost. Da Ihr mich von Ungewissheit befreit habt, bin ich auch im Unglück Euer Geleit und Euer Geselle. Vor den Schauern des Unglücks bin ich Euch ein schützendes Dach und eine stille Kammer. Meine Minne soll Euch Frieden bringen, soll Euer Glück vor aller Bedrängnis retten, dass Euer Mut nicht erschlafft, Euch bis zur schützenden Burg hinauf zu wehren. Ich bin Herr und Herrin der Burg und will im Kampfe um Euch sein. Wenn Ihr darauf vertraut, wird Heil und Kraft Euch nicht verlassen.»
Da sprach der edle Gawan: «Beides, Herrin, will ich von Euch haben, da ich in Eurem Gebote lebe, Eure Minne und Eures Trostes Gnade.» Derweilen waren ihre Händlein zwischen seine Händen. Da sprach sie: «Herr, nun lasset mich gehn. Ich habe noch eine Sorge: wie dürftet Ihr doch ohne mein Zeichen hinausziehn! Dazu wäre ich Euch zu hold! Ich muss mir Mühe geben, Euch ein Kleinod zu arbeiten. Tragt ihr das, so wird der Ruhm der andern nie und nimmer über Euren hinausragen.» (...)
Pfellelseide, mit Gold durchwirkt, schnitt man dem Jungfräulein zu. Ein Arm aber musste bloß bleiben, denn man nahm den einen Ärmel für Gawan. Dieser echt naurientische Pfellel, der fernher aus der Heidenschaft gebracht worden war, war das Präsent für ihn. Man legte den Ärmel an ihren rechten Arm, damit er durch die Berührung Zauberkraft gewönne, aber man nähte ihn nicht an den Rock, der Faden blieb ungenützt.
Klauditte brachte den Ärmel zu dem schönen Herrn Gawan. Da ward er frohen Sinnes. Drei Schilde hatte er, auf den einen nagelte er den Ärmel. Alle seine Sorge wich von ihm. Er dankte viel und neigte sich segnend zu dem Wege hin, den das Jungfräulein zu ihm her gegangen war, als sie ihn freundlich begrüßte und ihm so minniglich Freude brachte.
Wolfram von Eschenbach: Parzival (259), S. 190-194.

(102) Wolfram von Eschenbach: Wächterlied, 1. Drittel 13. Jh.
»Seine Klauen sind durch die Wolken geschlagen, er steigt herauf mit großer Macht, ich sehe ihn als den Tag, als der er erscheinen will, grauen, den Tag, der ihn, den edlen Mann, den ich voll Furcht zur Nacht eingelassen habe, aus seiner Zweisamkeit reißen will. Ich bringe ihn wieder fort, wenn ich kann. Dazu verpflichtete mich der vortreffliche Mann.« 10 «Wächter, du singst, was mir viele Freuden nimmt und mein Klagen vergrößert. Jeden Morgen, wenn der Tag heraufkommt, gibst du Nachricht, die mir sehr zuwider ist. Die sollst du mir gänzlich verschweigen. Das verlange ich von deiner Ergebenheit, ich belohne dich dafür, so sehr ich kann, dann bleibt mein Liebster bei mir.» 18 «Er muss aber sogleich und ohne zu zögern fort. Nun lass ihn gehen, schönste Frau! Ein andermal lass ihn dich wieder so heimlich lieben, dass ihm Ehe und Leben unbeschadet bleiben. Er hat sich meiner Ergebenheit anvertraut, dass ich ihn auch wieder fortbrächte. Jetzt ist es Tag; Nacht war es, als dein Kuss und deine Umarmung ihn mir entzogen.» 26 «Sing, was du magst, Wächter, und lass den hier, der Liebe schenkte und Liebe erhielt. Jedes mal sind er und ich durch deinen Lärm erschreckt worden. Wenn der Morgenstern noch gar nicht aufgegangen war über ihm, der Liebe zu genießen hergekommen war, und wenn das Tageslicht noch gar nicht leuchtete, hast du ihn mir oft aus den weißen Armen gerissen - freilich nicht aus dem Herzen.» 34 Sie musste jedoch wegen des Scheins, den der Tag durch die Scheiben warf, und wegen der Warnrufe des Wächters besorgt werden um den, der bei ihr lag. Ihre Brüstchen drückte sie an seine Brust. Der Ritter ließ sich von der Liebeskraft überwältigen (das hatte der Wächter verhindern wollen). Die Trennung brachte ihnen, innig und immer inniger vereint, im Kuß und in noch mehr die Erfüllung der Liebe.
zitiert nach: Epochen der deutschen Lyrik (185), Bd. 1, S. 139f.

(103) Johannes von Hadloub: Minneklage, 3. Drittel 13. Jh.
Ach, ich habe mich so lange nach ihr gesehnt, deshalb plante ich sorgfältig, dass sie das erführe. Als Pilger verkleidet beobachtete ich sie, so heimlich wie ich konnte. Als sie von der Frühmesse nach Hause ging, hatte ich einen Brief mit meinen sehnsuchtsvollen Klagen bei mir, an dem war ein Haken; den hing ich ihr an - es war noch vor Morgengrauen - (und zwar so), dass sie ihn selbst nicht gewahr wurde. 14 Mir schien, sie dachte: «Ist das ein Verrückter'? Was wollte er so nah bei mir, dass er mich berührt?" Sie fürchtete sich sehr, meine schöne Dame, aber sie schwieg aus Anstand; sie entfernte sich sehr schnell von mir. Ich gebärdete mich deshalb so stürmisch gegen sie, damit sie sich bald ins Haus begäbe, damit niemand den Brief an ihr sähe. Sie brachte ihn unentdeckt hinweg.
Was sie mit ihm gemacht hat, ob sie ihn weggeworfen oder behalten hat, hat mir niemand gesagt, das ist für mich sehr schmerzlich. Hat sie ihn mit Verstand gelesen, dann fand sie darin das höchste Glück, tiefsinnige Worte über die Liebe (und) welche so mein Herz erduldet. Sie hat sich seither nicht so verhalten, als ob sie meinen Kummer so richtig verstanden hätte. 0 weh, du schöne Liebenswerte, du verletzt mich wirklich tief. 38 Ich habe es nie gewagt, ihr einen Boten zu senden, denn sie hat sich nie dazu entschlossen, mir zu zeigen, dass sie mich trösten könnte (einen Boten), der ihr hätte sagen sollen, dass ich ohne sie nicht leben kann, und der sie um Gnade bäte, so wie es mein Herz verlangt. Ich fürchte ihren Unwillen, denn sie ist böse auf mich, weil ich so sehr nach ihrer Liebe verlange. Warum ist sie so? 50 Mein Herz hat sie gänzlich zerbrochen, weil sie, die Edle, so ganz nach ihrem Belieben (dort) aus- und eingeht, wenn es sie auch gern empfängt. Sie lässt sich auch mit all den Wonnen, die sie zu geben hat, darinnen nieder. Sie kann so anschmiegsam sein: Obgleich sie größer ist als mein Herz, obgleich sie drinnen umher geht, bleibe ich am Leben. Sie hat ja nichts Böses im Sinn. 62 Ich glaube, wenn man mir die Brust aufbräche, sähe man meine schöne Dame so lieblich zart in ihrer holden Weiblichkeit in meinem Herzen stehen. Ich schätze es wahrlich nicht gering, dass ich sie (zumindest) auf diese Weise besitze. Nun muss sie mir das doch (wenigstens) gönnen, wie sehr sie sich mir auch (sonst) entzieht. Doch das wahre Glück gönnt sie mir nicht, das ich stets von ihr ersehne. 74 0 weh, in welchen Zustand will die Liebe mich versetzen, wo ich doch mein ganzes Denken auf sie gerichtet habe! Weil mein Herz nie ihren Trost erfahren hat, wird mich die Sehnsuchtsqual vor Schmerz zugrunde richten, es sei denn, sie wendet es noch zum Guten für mich, indem sie mir die Schöne vorher so gesonnen macht, dass sie zu meinem Glück aus Liebe der verfluchten Aufsicht entflieht.
zitiert nach: Epochen der deutschen Lyrik (185), Bd. 1, S. 477f.

(104) Frauendienst in Wolfram von Eschenbachs «Parzival«, 1200/10
»Gewiß, ich heiße Artus. Und ich würde gern erfahren, wie Du in dieses Land gekommen bist. Hat eine Geliebte Dich ausgesandt, so muss es eine ganz vortreffliche Dame sein, da Du für sie so weit auf Abenteuer herumstreichst. Ist sie Dir mit ihrem Lohn nicht ausgewichen, so ist dadurch der ganze Frauendienst allgemein erhöht worden. Jede Frau müsste von dem, der ihr diente, Vorwürfe bekommen, wenn Deine Freundin einem solchen Manne, wie Du bist, nicht lohnte!«
»Es läßt sich schon anders hören«, sagte der Heide. «Aber nun lass Dir erzählen, wie ich hierher gekommen bin. (...)
Durch manchen schweren Ritterkampf habe ich mir erworben, dass mir die Königin Sekundille gnädig ist. Was sie wünscht, das ist auch mein Wille - sie hat mir mein Leben bestimmt. Sie wollte, dass ich mild im Geben bin und gute Ritter für mich gewinne. Ihretwegen war es mir recht. So gehörte denn mancher edle, schildtragende Ritter zu meinem Gesinde. Dafür lohnte sie mich mit ihrer Minne. Auf dem Schild trage ich einen Ecidemon, wie sie mir befahl. Wo immer ich seither in Not geriet, da brachte mir ihre Minne Hilfe, sobald ich an sie dachte. Sie war mir ein besserer Trost als mein Gott Jupiter.«
Artus sagte: «Von Deinem Vater Gachmuret her, meinem Gesippen, ist es völlig Deine Art, im Frauendienst durch ferne Länder zu fahren. Aber auch ich will Dir von Deinem Dienst erzählen, der größer ist als fast alle andern, die sonst auf Erden einem wonniglichen Weibe geleistet wurden. Ich meine die Herzogin, die hier sitzt. Für ihre Minne ist schon viel Wald verschwendet worden. Für ihre Minne haben viele gute Ritter ihre Freude zu Pfand hingegeben, sie hat ihnen den frohen Mut gehemmt.»
Wolfram von Eschenbach: Parzival (259), S. 387f.

(105) Die Beziehung Erec - Enite in Hartmann von Aues «Erec«, 1180/85
Erec gewöhnte sich / um seiner Frau willen an große Bequemlichkeit. / Er liebte sie so sehr,/ dass ihm alles Ansehen / allein ihretwegen gleichgültig wurde, / bis er sich so sehr verlegen hatte, / dass niemand mehr Achtung vor ihm empfand. /Das verdross mit Recht / Ritter und Knappen am Hof. (...)
Sein früherer Ruhm / verkehrte sich in Schande / bei denen, die ihn kannten. Diese Rede ging so allgemein, / dass sie der Herrin zu Ohren kam. / Als sie den Tadel gehört hatte, / wurde sie sehr betrübt, / denn sie war gut und rechtschaffen, / und sie grübelte darüber nach, / wie sie dieser allgemeinen / Feindschaft ein Ende machen könne. / Sie sah ein, / dass es ihre Schuld sei. / Diese Sorge trug sie / in weiblicher Weise: / sie wagte es nicht, sie Erec zu klagen, / denn sie fürchtete, ihn dadurch zu verlieren. / Einst geschah es, wie sie zu tun pflegten, / dass er mitten am Tage / in ihren Armen lag. (...)
Im Glauben, er schliefe, / seufzte sie tief / und betrachtete ihn innig. / Sie sprach: «Weh, dir Ärmsten / und weh mir Verlassenen, / dass ich / so viele Flüche hören muß.» / Erec hörte das deutlich. / Als sie stilleschwieg, / sprach Erec: «Enite, sagt, was sind Eure Sorgen, / die Ihr heimlich klagt?" / Da wollte sie es ableugnen; / Erec sprach: «Bleibt bei Euren Worten! Ihr müsst Euch darüber klar sein, / dass ich es wissen will, worum es sich handelt. Ihr müsst mir unbedingt sagen, / worüber ich Euch habe klagen hören, / was Ihr mir so verschwiegen habt.» / Sie fürchtete, anderer / Vergehen beschuldigt zu werden, / und sagte es ihm unter der Bedingung und / auf das Versprechen hin, / nicht zornig darüber zu werden. / Als er erzählt bekommen hatte, / worum es sich handelte, / sprach er: «Es ist genug." / Sogleich befahl er ihr aufzustehen, / sich sorgfältig anzukleiden / und das beste Gewand / anzuziehen, / das sie überhaupt besitze. / Seinen Knappen befahl er, / man solle ihm sein Pferd bereitstellen / und Enite das ihre. / Er gab vor, / spazieren reiten zu wollen: / Alle beeilten sich. / Er aber legte heimlich die Rüstung an / und trug verborgen / unter dem Gewand seinen Harnisch. / Er setzte seinen Helm / ohne Kopfschutz auf. / Er gab sich große Mühe, seine Absicht zu verbergen; / er verhielt sich, wie ein Kluger tut. (...)
Ritter und Knappen / wollten zusammen / mit ihrem Herrn reiten. / Er aber hieß sie zurückbleiben. / In die Küche schickte er alsbald / Botschaft an die Köche, / da.ß sie sich darauf einrichteten, / sobald sie zurückkehrten, / das Essen für sie bereitzuhalten. / Mit solchen Anordnungen ritt er fort, / und befahl seiner Frau / bei Todesstrafe, / der schönen Enite, / vorauszureiten / und verbot ihr zugleich, / sie dürfe auf der Fahrt ihren Mund / zum Sprechen nicht auftun, / was immer sie hörte / oder sähe. / Die bekümmernde, seltsame Sache / musste sie geloben, / denn sie fürchtete seine Drohung. (...)
Der Weg führte sie / in einen dichten Wald. i Den beherrschten mit Gewalt / drei Räuber. (...)
Die Frau erblickte sie zuerst, / denn sie ritt weit voraus. Sie wollte es Erec gern mit Zeichen / zu verstehen geben. Er aber konnte es nicht verstehen, / zudem hatte er sie selbst noch nicht erblickt, dadurch wäre er fast zu Schaden gekommen. / Enite wurde / bekümmert und betrübt, denn sie sah die Gefahr, / so dass sie fürchtete, / den liebsten Mann zu verlieren, den je eine Frau gehabt hat, / denn es stand gefährlich für ihn. / Was könnte sich so / erschütterndem Schmerz vergleichen, / den sie ihrer treuen Liebe wegen / um ihres Mannes willen litt? / Als sie in solchen Zweifeln dahin ritt, / ob sie wagen sollte, es ihm zu sagen, / oder lieber stillschweigen sollte, / sprach sie bei sich: / «Mächtiger, gnädiger Gott, / von deiner Gnade erhoffe ich Hilfe, / du allein weißt, in welcher Lage ich bin. / Meine Sorgen sind groß, / weil mir eine grausame Partie / plötzlich zu spielen / auferlegt worden ist. / Ich kann nicht erkennen, welche Entscheidung besser ist. / Was soll aus mir Armen werden? / Denn welchen Entschluss ich auch fasse: / ich verliere in jedem Falle: / Warne ich meinen geliebten Mann, / so nehme ich dadurch Schaden, / denn es bedeutet meinen Tod. / Unterbleibt aber die Warnung, so bedeutet das den Tod meines Geliebten. / Wahrlich, einem solchen Konflikt ist das Herz einer Frau nicht gewachsen.» / Da fasste sie einen Entschluss: / «Besser bin ich verloren, / - eine Frau, die niemand zu beklagen hat - / als ein so hervorragender Mann, / denn das wäre für viele ein Verlust. / Er ist adlig und reich: / unser Wert ist ungleich. / Ich will für ihn sterben, / bevor ich ihn untergehen sehe; / mag es mir ergehen wie Gott will. Mein Geliebter darf / das Leben so nicht enden, / solange ich es hindern kann." Sie blickte sich nach ihm um J und sprach voller Furcht: / «Blick auf, lieber Herr, / es sei mir gestattet, / dir aus Treue zu sagen / - denn ich kann nicht verschweigen, was dein Unglück ist - / es nahen sich dir Ritter, / die dir Schaden zufügen werden, wenn sie können, falls unser Herr dich nicht rettet.» / Da setzte sich Erec zum Kampf zurecht. (...)
Als er durch seine Tapferkeit / so großen Erfolg gehabt hatte, / sagte er zu Enite: / «Wie denn, seltsame Frau, / habe ich Euch nicht bei Todesstrafe / verboten zu sprechen? / Wer hieß Euch das übertreten? / Was ich bisher von Frauen nur gehört habe, / das finde ich jetzt / bestätigt: / Was immer man ihnen bisher / streng verboten hatte, / sie gaben sich die größte Mühe, / es dennoch zu probieren. / Es ist ja ganz umsonst, / wenn man euch etwas untersagt, / denn das reizt euch dann so, / dass ihr es nicht unterlassen könnt: / dafür sollt Ihr Eure Strafe empfangen. / Was eine Frau niemals täte, / solange niemand es ihr verboten hat, / das tut sie sofort, / sobald es ihr verboten worden ist; dann nämlich kann sie es nicht mehr lassen.» / Sie sagte: «Herr, hätte ich es nicht um Eurer Sicherheit willen getan, / hätte ich es Euch niemals gesagt. / Ich tat es um meiner treuen Liebe willen. / Seid Ihr nun der Meinung, dass ich Unrecht tat, / so vergebt mir um Eurer Ehre willen. / Es wird nicht wieder vorkommen.» / Er sprach: «Herrin, so sei es. / Diesmal will ich es unbestraft lassen. / Wenn es aber noch einmal vorkommt, / dann habe ich keine Nachsicht mehr mit Euch. / Doch sollt Ihr immerhin keinen Vorteil davon haben. / Etwas wenigstens strafe ich Euch: / ich bestehe darauf, dass Ihr gut und ordentlich die / Pferde versorgt. / Ich will Euch als Knecht auf dieser Fahrt nicht entbehren.» / «Herr, das soll geschehen«, sagte die Gute, / denn es verdross sie nicht. / Wie es einer Frau geziemt, litt sie diese ungewöhnte Arbeit / und außerdem alles Unglück, / das ihrem Herzen widerfuhr. / Sie kümmerte sich um die Pferde, / sie nahm die Zügel in die Hand / und ritt den Weg voraus. / Erec hatte das befohlen. (...)
Was immer mir mein Gefährte antut, / ich dulde es von Rechts wegen. / Ob er mich zur Frau, zum Knecht / oder wozu immer haben will, / ich bin ihm in allem untertan.
Hartmann von Aue: Erec (205), S. 133-147, S. 169.

(106) Wolfram von Eschenbach über die die Kampfkraft steigernde Wirkung der Minne, 1200/10
Guten Frauen sollte sich hier ihre Freude zur Erde beugen. Jeder von beiden bot um seiner Geliebten willen sein Leben der feindlichen Härte dar. Möchte das Glück den Kampf ohne Tod scheiden! (...)
Der Heide hatte stets Lust zur Minne, davon wurde sein Herz im Kampfe groß. Er wollte den Preis erringen für die Königin Sekundille. Sie, die sein Schild war in der Not, hatte ihm das Land Tribalibot geschenkt.
Die Kraft des Heiden nahm zu. Was tuich nun mit dem Getauften? Wenn er nicht an Minne denken will, so wird er dem Tode durch des Heiden Hand nicht ausweichen können. Wende es, machtvoller Gral! Wende es, schöne Kondwiramurs! Hier steht, der Euch beiden dient, in der größten Not, die er je gewann! (...)
Aber der Getaufte nahm ebenfalls an Kräften zu. Er dachte, und das wurde Zeit, an sein Weib, die Königin, und an ihre edle Minne, die er einst im Schwertspiel errungen hatte, damals, als vor Pelrapeire unter seinen Schlägen Feuer aus Klamidss Helm sprang. Die Rufe «Tabronit!» und «Thasme!» wurden aufgewogen durch einen Gegenruf, denn Parzival schrie nun seinerseits «Pelrapeire!». Noch eben zur rechten Zeit kam ihm Kondwiramurs durch vier Königreiche hindurch mit Minnekraft zu Hilfe. Dadurch sprangen Späne von des Helden Schild - ich wähne, sie waren etliche hundert Mark wert.
Wolfram von Eschenbach: Parzival (259), S. 374-377.

(107) Eheauffassungen in Hartmann von Aues «Erec«, 1180/85
Er rief seine Tochter herbei / und sagte: «Geh und sorge / für das Pferd dieses Herren, meine Tochter, / der uns die Ehre gibt, unser Gast zu sein, / und versorge es umsichtig. / damit ich dich nicht tadeln muss.» / Sie sagte: «Herr, das will ich tun.» / Das Mädchen war schön von Gestalt / ihr Kleid war grün, / ganz und gar zerrissen / und überall abgeschabt. / Ihr Hemd darunter war schmutzig / und an vielen Stellen zerrissen, / dort schimmerte ihr Körper / schwanenweiß hindurch. / Man sagt, dass niemals ein junges Mädchen / eine so vollkommene Gestalt gehabt habe. / Und wäre sie reich gewesen, / so hätte ihr nichts dazu gefehlt, / sie als wünschenswerte Partie erscheinen zu lassen. / Ihr Körper schimmerte durch die schäbige Kleidung / wie eine Lilie, wenn sie weiß unter schwarzen Dornen blüht. / Mir scheint, Gott hatte alle seine Sorgfalt an sie gewandt / in bezug auf Schönheit und Anmut. (...)
Als er ihm alles gesagt hatte, / stand Erec auf und sprach: / «Ich bitte Euch, Gastfreund und Herr, / lasst meine Bitte nicht vergebens sein: / Da Eure Verhältnisse so sind, / bitte ich um Rat und Hilfe. / Im Vertrauen auf Euer Wohlwollen gestehe ich, / dass mir ein Leid von ihm zugefügt worden ist, / das ich stets werde beklagen müssen, / wenn ich es nicht wiedergutmache. / Sein Zwerg hat mich hart geschlagen, / und ich musste es ihm notgedrungen hingehen lassen, / denn er war bewaffnet und ich ohne Rüstung, / woraus er seinen Nutzen zog. Große Schande musste ich da einstecken. / Darüber werde ich stets klagen müssen, wenn Gott mir nicht noch den Tag sendet, / wo ich es rächen kann. / Auf ein solches Abenteuer hoffend / bin ich, wie ich erzählt habe, / ihm nachgeritten. / Ich muss um Euren Beistand bitten: / Hilfe und Gelingen / stehen ganz und gar, / Herr, in Eurer Hand. / Könntet Ihr mir mit einer Rüstung / irgendwie aushelfen, / - ich sage Euch, welche Absicht ich habe - /
so würde ihm der Kampf nicht erspart bleiben. / Beritten bin ich gut, / so könnte ich dann mit Eurer Hilfe / mit Eurer Tochter Enite / auf dieses Fest reiten. / Ich würde durch Kampf beweisen, / dass sie schöner ist / als die Dame des Ritters, /'und damit den Sperber gewinnen. / Überlegt, ob das nicht möglich ist, / und tut es auf dieses Versprechen hin: / wenn ich Erfolg habe, / so dass ich den Sieg behalte, / so will ich sie zur Frau nehmen. (...)
Als Erec an den Hof gekommen war / und der König sein Recht wahrgenommen hatte, brachte es Enite, / die dort saß wie ein Engel, durch Schönheit und Güte dahin, dass Erecs Herz / sich innig nach ihr sehnte. (...)
Die Minne beherrschte sie beide / und bedrängte sie heftig. / Sah einer den andern, so ging es ihm nicht anders / als einem Habicht, der seine Beute / vor die Augen bekommt, / wenn er hungrig ist; / bekommt er sie nun gezeigt, / und kann sie noch nicht erlangen, / so geht es ihm schlechter / als hätte er sie gar nicht erst gesehen. /l Ebenso quälte sie das Wartenmüssen / in nicht geringem Maße. / Beide dachten sie: / «Ich kann nicht glücklich sein, / wenn ich nicht / mehrere Nächte bei dir liege.» / Sie begehrten / eine andere Art von Liebe / - das ist ganz natürlich - / als wenn ein verlassenes Kind / sich nach seiner Mutter sehnt, / von der es Gutes erwartet, / wenn sie es freundlich anspricht / und die Hände schützend / vor es hält. / Sie begehrten beide dringlich, / was sie dann auch bekamen. / Nun kam der Tag der Hochzeit heran, / was beide froh machte. (...)
»Sagt, seltsame Frau, / warum wolltet Ihr Euch / selbst umbringen /und mit Euch die / schönste Erscheinung töten, / die, zahm oder wild, /je das Auge eines Mannes sah?" / Enite konnte kaum sprechen: / «Seht doch, lieber Herr, / selbst, was mich bekümmert.» / «Wolltet Ihr Euch selbst töten?» / «Herr, es blieb mir doch nichts anderes übrig.» / «War er Euer Geliebter oder Euer Mann?» / «Beides, Herr.» «Sagt, / wer hat ihn getötet?» / Da erzählte Enite / genau die Geschichte, / wie es ihm passiert war. (...)
Er sagte: «Schöne Frau, / warum quält Ihr Euch / so bitterlich? / Herrin, um der Ehre Gottes willen / und auch um meinetwillen, / fasst Euch ein wenig besser / als Eure Lage ist. / Ich muss zugeben, dass Ihr Euch nach der Frauen Weise verhaltet, / und es dünkt mich von Herzen gut, dass Ihr um Euren Mann klagt, / denn daran zeigt sich Eure Treue. / Doch es ist jetzt genug, / denn es hilft Euch nichts. / Das ist das beste / Mittel, das es, wie ich meine, gegen Unglück gibt: / dass man sich beizeiten darüber tröstet, / denn langer Schmerz / macht den Menschen kummervoll. (...)
Ich glaube, mich hat Gott / zu glücklicher Stunde zu Euch gesandt. / Euch wird schon geholfen werden. / Was ein Mensch / oft für großes Unglück hält, / das verkehrt sich leicht / in Erfreuliches, / so wie es, Herrin, mit Euren Vorstellungen / heute und hier ergangen ist, / die werden sich / zu großer Herrlichkeit verkehren. / Eure Armut wird sich / hier in großen Reichtum verwandeln. /Ich bin ein Graf / und Herr über ein mächtiges Land, / darüber sollt Ihr Herrin sein. / Seht, jetzt zeigt es sich, / dass Euch Eures Mannes Tod nützt / und zu Eurem Glück ist, / denn jetzt erst wird es Euch gut gehen. / Ich habe keine Frau / und will Euch heiraten. (. . .) Dem Burgherren geschah es da durch sie, / als er ihre Schönheit recht betrachtete, / dass er es nicht so lange / aushalten konnte, / bis ihr Mann begraben wurde, / sondern sie sollte noch die gleiche Nacht / zur Herrin des Landes erhoben werden. (...)
Sie sprach: «Das wolle Gott nicht, / dass ich meinen Gefährten / so verlassen soll.» Sie schwor hoch und teuer: / «Eher wollte ich, dass ich mit ihm in die Erde gelegt werde. / Ich will in Zukunft keinen Mann mehr haben, da Gott mir diesen genommen hat.» / Er sagte: «Schweigt still, / mir zu Liebe, / und geht mit mir essen, / denn ich will wahrlich nicht darauf verzichten.» / Wie sehr er sie jedoch bat, / sie wollte nicht von der Stelle, / bis er sie zwang: er zog sie gegen ihren Willen fort, / denn sie konnte sich nicht gegen ihn wehren. (...)
Da sprach die edle Königin: / «Herr, Ihr habt mir genug gesagt, / es hätte ebensowohl ungesagt bleiben können. / Ich will Euch eine kurze Antwort geben. / All Eure Worte sind umsonst. / Bei meinem Eid sollt Ihr wissen: / in meinen Mund kommt keine Speise mehr, / ehe nicht mein toter Mann isst.» / Da konnte sich der Graf / nicht mehr beherrschen / und zeigte seinen unedlen Sinn, / sein Zorn verleitete ihn / zu großer Torheit / (und zu schlechtem Benehmen). / Er schlug sie mit der Faust, / so dass die Edle / heftig blutete. / Er sagte: «Esst jetzt, dumme Ziege!» / In Gedanken oder Äußerungen / fanden das alle / in gleicher Weise / eine große Ungezogenheit. Viele tadelten ihn dafür. (...)
Ihr Tadel ärgerte ihn. / Er sagte heftig: / «Ihr Herren, Ihr seid wunderlich, / dass Ihr mich für das tadelt, / was ich mit meiner Frau tue. / Es steht niemandem zu, / Gutes oder Schlechtes darüber zu reden, / was ein Mann seiner Frau tut. / Sie gehört mir und ich ihr, / wie wollt Ihr mich daran hindern / mit ihr zu tun, was mir gefällt?»
Damit brachte er sie alle zum Schweigen. (...)
Sie sagte: «Ach, ich arme Frau, / wäre mein Gefährte am Leben, / so blieben diese Schläge nicht ungestraft.» Als sie so laut klagte, / lag Erec, der Sohn des Königs Lac, / noch in Ohnmacht, scheintot, / doch nicht wirklich tot. / (. . .) Er wunderte sich, was ihm geschehen sei, / und wusste nicht, wie er dahin gekommen war. / Er hörte sie zum zweiten mal, denn sie schrie laut: / «Ach, lieber Herr, ach, / deine Hilfe begehre ich umsonst, denn zum Unglück bist du tot.» / Als sie ihn nannte, / erkannte er sie gleich / und hörte genau, / dass sie in irgendeiner Not war, /er wusste nicht, wie oder wo. / Er blieb nicht länger liegen; / als er ihre Stimme erkannt hatte, / sprang er grimmig auf / und stürmte schnell unter sie. Es hingen in der Nähe / viele Schwerter an der Wand. / Eins davon packte er. Er war zornerfüllt; / im ersten Ansturm erschlug er / den Hausherrn und zwei weitere, / zwischen denen er saß; / die anderen flohen.
Hartmann von Aue: Erec (205), S. 21, S. 27--29, S. 85-87, S. 271-91.

(108) Wolfram von Eschenbach über die Treue der Herzeloyde, 1200/10
Überlaut klagte die Frau: «Meines Herzens große Freude war Gachmurets Ehre. Sein wilder Mut raubte ihn mir. Ich war viel jünger als er und bin doch seine Mutter und sein Weib zugleich, denn ich trage ihn selbst in mir und seines Lebens Samen. Den gab und nahm unser beider Minne. Ist Gott treu gesinnt, so lasse er ihn zur Frucht reifen. Hab ich doch schon allzu viel Unglück durch meinen stolzen, edlen Mann! Wie Schlimmes hat der Tod mir zugefügt! Nie ward ihm Weibes Minne zuteil, ohne dass er all ihrer Freuden froh gewesen wäre, des Weibes Kummer betrübte ihn! So war er ein getreuer Mann, denn es war kein Falsch an ihm.»
Nun hört weiter, was die Frau da begann. Ihren Schoß und ihr Kind darin schloss sie in ihre Arme und Hände und sprach: «Wolle Gott mir Gachmurets edle Frucht senden! Das erbitte ich von ganzem Herzen. Gott wende diese sinnlose Not von mir! Denn es wäre Gachmurets zweiter Tod, wenn ich mich selbst umbrächte, solange ich das unterm Herzen trage, was ich von der Minne des getreuen Mannes empfing.»
Wolfram von Eschenbach: Parzival (2591, S. 58f.

(109) Reinmar von Zweter über die Behandlung der Ehefrauen, um 1227/1248
Wenn ein guter Mann eine böse Frau hat, die zudem noch strohdumm ist, die soll zum Teufel fahren! Da gibt es keine Ehre, wo sie die Oberhand hat. Viel besser wäre es für den guten Mann, einen angenehmen Tod zu erleiden als die Schrecken ohne Ende. Ich will dich, guter Mann, belehren, wie du über sie die Oberhand gewinnst. Du sollst deine Nachgiebigkeit vergessen und nach einem großen Knüppel greifen, mit dem sollst du an ihrem Rücken Maß nehmen, und zwar so kräftig, wie du kannst, so dass sie dir die Oberhand zuspricht. Lass sie dir schwören, dass sie ihre Bosheit ablegen will.
zitiert nach: Epochen der deutschen Lyrik (185), Bd. 1, S. 234.

(110) Meissner über Frauen- und Männerrolle, 3. Drittel 13. Jh.
Führt ein wahrer Mann ein ehrenhaftes Leben, so ist es recht und billig, dass eine wahre Frau ihm ihre Ehrfurcht bezeugt, ein wahrer Mann, eine wahre Frau sollen sich das einprägen: Er soll der Herr über ihr Leben und ihren Besitz sein, sie soll Obacht geben auf seine Gesinnung. Er sei der Mann, sie die Frau, so ist es in Ordnung. Er soll sie auch in Ehren halten. Sie soll nicht ohne seinen Rat handeln, das ist gut für sie. Auf diese Weise bleiben sie glücklich bis ins hohe Alter. Eine wahre Frau findet es recht und billig, den Willen ihres Mannes zu erfüllen. Wohin führte es, wenn aus dem Mann eine Frau würde und aus der Frau ein Mann? Dann müsste man sagen: «Herr Weichling, Sie sind ein Mann mit dem Charakter einer Frau.»
zitiert nach: Epochen der deutschen Lyrik (185), Bd. 1, S. 401.

(111) Die eheherrliche Gewalt im «Nibelungenlied«, um 1200
Da sagte der König Gunther: «Man hat mich schwer beleidigt. Meine Frau, Brünhild, hat mir gesagt, Du habest damit herum geprahlt, dass Du der erste warst, der ihren schönen Leib berührt hat; jedenfalls behauptet das Kriemhild, Deine Frau.»
Da sagte der Herr Siegfried: «Wenn sie das behauptet hat, dann wird sie, ehe ich die Sache auf sich beruhen lasse, von mir dafür noch zur Rechenschaft gezogen werden. Vor allen Deinen Gefolgsleuten will ich durch einen heiligen Eid den Vorwurf zurückweisen, dass ich ihr so etwas gesagt habe.» (...)
Der tapfere Siegfried erhob die Schwurhand. Da sagte der mächtige König: «Mir ist Eure Unschuld genau bekannt. Ich spreche Euch von der Verfehlung, die meine Schwester Euch zur Last legt, frei und erkläre, dass ihr nichts von dem getan habt." Da sagte wiederum Siegfried: «Wenn Kriemhild dafür nicht bestraft wird, dass sie Brünhild so gekränkt hat, dann wäre ich, wie Ihr mir glauben könnt, darüber am wenigsten froh.» Da sahen die Ritter einander bedeutungsvoll an.
«Man soll Frauen«, sagte Siegfried, der Held, «so halten, dass sie unverantwortliches Gerede unterlassen. Untersage Du es Deiner Frau, ich will es auch Kriemhild verbieten. In der Tat, ich schäme mich, dass sie sich so schlecht aufgeführt hat.» (...)
»Es hat mich seither sehr gereut«, sagte die edle Frau. «Siegfried, der treffliche, tapfere Held hat mich deshalb auch tüchtig durchgeprügelt und hat mich dafür gestraft, dass ich überhaupt jemals Worte gesagt habe, die sie kränkten.»
Nibelungenlied (231), Bd. 1, S. 191, S. 199.

(112) Sexistisches Gedicht eines unbekannten Dichters, um 1420/40
Ein Köpfchen aus Böhmerland und zwei weiße Ärmchen aus Brabant und zwei Brüstchen aus Schwaben, die wie Speerspitzen hervorragen, und ein Bauch aus Österreich, der ganz glatt und eben ist, und ein Hintern aus Polen und ein bayerisches Pfläumchen daran und zwei Füße vom Rhein - das könnte ein prächtiges Mädchen ergeben.
zitiert nach: Epochen der deutschen Lyrik (185), Bd. 2, S. 223.

(113) Oswald von Wolkenstein über die Bosheit der Frau, nach 1420/21
Wenn ich, betrachte, mit Scharfsinn den Tag hindurch intensiv den Unterschied zwischen den Geschöpfen, den guten und den bösen, bedenke, dann stoße ich auf eines von solcher Art, dass niemand seine Bosheit (oder) seine Güte verbessern (oder) verschlechtern kann. Ich habe geglaubt, dass sich auf der Welt kein schlimmeres Geschöpf herum triebe als die Schlange, von der Johannes schreibt (Apoc. 12,3-9): Viel übler ist ein aus der Art geschlagenes Frauenzimmer, die Plage, die eine böse schöne Frau verursacht. Man zähmt wilde Leoparden (und) Löwen, den Büffel, so dass ein Zugtier aus ihm wird - zöge man einer Frau auch die Haut vom Leibe, man könnte sie, wenn sie nicht liebenswürdig sein will, dennoch nicht zähmen! Ihr übles Gift wütet gegen die ganze Welt. 21 Ehrt man sie, kann niemand ihre zügellose Hoffart übertreffen; wird sie gekränkt, tobt sie wie die Meeresfluten; verliert sie Ansehen oder Besitz, an Bosheit hat sie doch allezeit Überfluss. Eine Frau entweihte das Paradies, so dass Adam mit Schande bedeckt wurde; Methusalem, der starke Samson (Jud. 16,4-21) (wurden) durch Frauen erniedrigt und geblendet, David (2 Sam. 11 u. 12), Salomon wurden von Frauen übel betrogen. Aristoteles, den großen Philosophen, benutzte eine Frau als Reitpferd, seine Gelehrsamkeit nützte ihm nichts, artig ritt sie auf seinem Rücken; der mächtige, stolze König Alexander kam durch Frauen zu Fall und auch der schöne Absalon (2 Sam. 17 -18, 15). 39 Eine schöne böse Frau ist eine geschmückte Fessel, ein Spieß für das Herz, ein falscher Freund, eine (undurchdringliche) Wand für das Auge (?), eine Lust, aus Schmerzen erlogen. Deshalb wurde Elias in die Fremde geschickt (3 Reg. 19) und Josef tief im Kerker angeschmiedet (Gen. 39,1-20). Ein heiliger Mann, Sankt Johannes der Täufer, wurde um der Rache einer Frau willen enthauptet (Mt. 14,3-11) - davor bewahre uns Christus! Betört, gefangen gesetzt durch die Falschheit einer Frau wurde auch der Wolkenstein, er hat deshalb lange hinken müssen. Darum rate ich jung und alt: Flieht vor dem äußeren Glanz böser Frauen! Bedenkt, wie sie inwendig aussehen - ihre Pfauenpracht ist giftig -, und dient den guten schönen Frauen, deren Wert ich mehr rühme als alle Karfunkelsteine!
zitiert nach: Epochen der deutschen Lyrik (185), Bd. 2, S. 215-217.

(114) Ehemotive in Wolfram von Eschenbachs «Parzival«, 1200/10
Die Königin von Waleis hatte ein Turnei zu Kanvoleis ausrufen lassen, so bestellt, dass mancher Zärtling verzagt, wo er je einen solchen Kampf sieht; denn er kann ihn nicht durchkämpfen. Sie war nicht eine Frau, sondern noch Jungfrau und bot zwei Länder und sich selbst dem, der den Preis erränge. Durch diese Botschaft wurde bald mancher Ritter hinters Roß auf den. Acker gefällt. Denen, die einen solchen Fall taten, ward er für Verlust gerechnet. Eine Menge Helden nahmen unverzagt an dem Turniere teil und erwiesen ihre Ritterkraft. In hurtigem Ansturm ward manches Roß dahergesprengt, und hell erklangen die Schwerter. (...)
Die Königin erhob ihren Anspruch auf Gachmuret und forderte, was die andern ihr zuerkannt hatten, als ihr Recht.
Da sprach er: «Herrin, ich habe bereits ein Weib, die ist mir lieber als mein Leben. Aber auch wenn ich sie nicht hätte, so wüsste ich doch etwas, um des willen ich von Euch frei sein müsste, wenn jemand mein Recht wahrnehmen wollte.» (...)
»Ja, sie ist meine wahre Herrin! Von ihrem Hofe kehrte ich einst in die Heimat nach Anschaue zurück mit der Erziehung, die ich unter ihrer Leitung genießen durfte. Durch diese Erziehung ist sie mir noch heute meine Helferin, sie, die allzeit alles Unziemliche mied. Wir waren damals beide noch sehr jung und hatten doch schon Freude aneinander. Die Königin Anpflise hält fest an weiblicher Tugend. Mir gab die Holdselige den besten Zins ihres Landes - damals, als ich noch nicht so viel besaß wie heute -, und ich habe es gerne genommen.
Wolfram von Eschenbach: Parzival (259), S. 35, S. 51.

(115) Ehemotive im «Nibelungenlied«, um 1200
Ganz neue Kunde drang zu ihnen über den Rhein. Man erzählte davon, es gäbe dort irgendwo viele schöne Jungfrauen. Gunther, der treffliche König, fasste den Plan, eine von ihnen zur Gemahlin zu gewinnen. Bei diesem Gedanken schlug dem Recken das Herz vor Freude höher. (...)
Da sagte der König Gunther: «Liebe Schwester, sei so gütig, meinen Eid einzulösen: ich habe Dich durch einen Schwur einem Helden versprochen. Wenn der Dein Mann wird, dann hast Du meinen Wunsch getreulich erfüllt.»
Da sagte das edle Mädchen: «Lieber Bruder, Ihr braucht mich doch nicht flehentlich zu bitten. Ich werde Euch vielmehr jederzeit zu Gebote stehen. Den Mann, den Ihr, Herr, mir erwählt, werde ich mit Freuden annehmen.»
Ihr liebevoller Blick ließ Siegfried erröten, und er dankte Frau Krimhild in dienstbereiter Ergebenheit. Man forderte beide auf, in den Ring zu treten, und fragte Kriemhild, ob sie den stattlichen Helden zum Mann nehmen wolle.
In ihrer mädchenhaften Scheu schämte sie sich sehr. Doch Siegfrieds Glück und seine überirdisch schöne Erscheinung bewirkten, dass sie ihn gar nicht zurückweisen konnte, und auch der edle König von Niederland gelobte, sie zur Frau zu nehmen. Als sie sich nun beide verlobt hatten, da ließ sich das liebliche Mädchen Siegfrieds liebevolle Umarmung gerne gefallen und sogleich gab er der schönen Königstochter vor allen Helden einen Kuss.
Nibelungenlied (231), Bd. 1, S. 75, S. 137.

(116) Ehemotive in Hartmann von Aues «lwein«, um 1200
Ihr habt mir solches Leid zugefügt, / dass, stünde es mit meinen Verhältnissen und meinem Besitz / so wie bei anderen Damen, / ich Euch nicht  / so schnell verzeihen / wollte noch dürfte. Nun muss ich mich bedauerlicherweise beeilen, / denn meine Lage ist so, / dass ich leicht heute oder morgen / mein Land verlieren kann. / Ich muss vorher Sorge tragen, / es mit einem Manne zu versehen, der es verteidige. / In meinem Heer gibt es keinen. / Da der König mir erschlagen ist, / muss ich möglichst schnell / mir einen Gemahl erwählen / oder das Land verlieren. / Ihr braucht mir nichts weiter zu erzählen. / Da Ihr meinen Herrn erschlagen habt, / seid Ihr gewiss ein so tapferer Mann, / dass, wenn Gott Euch mir gönnt, / ich bei Euch gut aufgehoben bin / vor allem fremden Übermut. / Glaubt mir eins: / Ehe ich auf Euch verzichte, / wollte ich lieber außer acht lassen, was Konvention Frauen verbietet: / wenn nie eine Frau um einen Mann geworben hat, / ich will dennoch um Euch werben. / Ich bin nicht länger Eure Feindin. / Ich will Euch von Herzen, wollt Ihr mich? / Wenn ich jetzt, Herrin, nein sagte, / dann wäre ich heillos. / Heute ist der glücklichste Tag, / den ich je erlebt habe. / Gott möge mir das Glück erhalten, / dass wir uns lieben./ Da erwiderte die Königin: / Ach, Herr lwein, / wer hat diese Liebe / zwischen uns beiden entstehen lassen? / Ich wundere mich, / wer Euch die Hoffnung eingab, / bei dem Schmerz, den Ihr mir zugefügt habt, / dass ich je Eure Frau werden könnte. / Ich hegte diese Hoffnung ganz von mir aus./ Und wer, bei Gott, hat sie Euch eingegeben?4 / Das Gebot des Herzens./ Wer hat es aber dem Herzen eingegeben? / Das veranlassten die Augen dazu./ Wer veranlasste aber die Augen?/ Ein Anlass, dessen Ihr Euch glücklich schätzen könnt: / nichts sonst als Eure Schönheit./ Da nun jeder von uns sagt, / er sei glücklich über den andern, / sagte da die Königin: / Wer sollte uns daran hindern / die Angelegenheit zu Ende zu bringen.
Hartmann von Aue: Iwein (206), S. 45-47.

(117) Wolfram von Eschenbach über die Bedeutung der gegenseitigen Zuneigung in der Ehe, 1200/10
Da sagte Parzival: «Meine höchste Not ist um den Gral, danach um meine Frau. Nie lag auf Erden ein schöneres Kind an einer Mutter Brust. Nach beiden sehnt sich mein Verlangen.»
Der Einsiedler sagte: «Wohl gesprochen, Herr! Ihr leidet den rechten Kummer, wenn Ihr Euch nach Eurem eigenen Weibe sehnt. Werdet Ihr beim jüngsten Gericht in rechter Ehe erfunden, so wird, wenn Ihr in der Hölle Pein leidet, Eure Not rasch ein Ende nehmen, die Bande werden mit Gottes Hilfe alsbald von Euch fallen.»
Wolfram von Eschenbach: Parzival (259), S. 241.

Das Frauenbild der Märendichtung

Einführung

Frauen im Mittelalter

Die Märendichtung umfasst etwa 220 mittelhochdeutsche in Versform abgefasste Schwankerzählungen aus der Zeit von 1250-1500. Sie wandten sich zunächst an ein überwiegend adliges Publikum, um dann vor allem in den gehobeneren und mittleren bürgerlichen Kreisen ihr Publikum zu finden. Ein größerer Teil der Mären gehörte sicherlich auch zum Repertoire der umherziehenden Spielleute und Vagabunden, so dass die Stoffe im Spätmittelalter allgemein bekannt waren. Auch wenn die Mären im allgemeinen der Unterhaltung dienen sollten, so waren sie doch nur selten Selbstzweck. Sie enthielten meist moralisierende Lehrsätze, die erzieherisch wirken sollten. Im Mittelpunkt der Märendichtung stehen die Beziehungen zwischen Frau und Mann in der Ehe. Im Gegensatz zur höfischen Epik spielt die Frau in den Mären eine zentrale Rolle.
Das Frauenbild der Mären ist sehr ambivalent. Nur selten finden sich uneingeschränkt positive Frauendarstellungen. Diese Frauen sind moralisch integer und beständig, voll liebevoller Treue gegenüber ihrem Mann, sie fügen sich seinen Befehlen und Anordnungen, halten Streit und Kummer von ihm fern und sorgen für eine angenehme häusliche Atmosphäre (l 19, 120). Die meisten der dargestellten Frauen vermögen diesen Ansprüchen nicht zu genügen. Es überwiegen antifeministische und abwertende Haltungen. Die Frauen gelten als betrügerisch, verschlagen und untreu. Es gelinge ihnen immer wieder, die Männer um ihren Verstand zu bringen und zum Narren zu halten. Ständig seien sie auf sexuelle Abenteuer aus und stellten die männliche Autorität in Frage (118, 121, 124-129, 135).
Diese frauenfeindlichen Tiraden werden vor allem in den zahllosen Ehebruchsgeschichten und in denjenigen Mären erhoben, in denen die Frau die Vorherrschaft im Haushalt zu erringen versucht.
Gut ein Drittel aller Mären besteht aus Ehebruchsschwänken. Bezeichnenderweise stellen 70 einen Ehebruch der Frau dar und nur neun einen des Mannes. Die Verurteilung des männlichen Ehebruchs hatte sich zur Zeit der Abfassung der Mären noch nicht allgemein durchgesetzt. Das Verhalten des Mannes wird in sieben der neun Fälle zudem noch dadurch relativiert, dass ihre Frauen gleichzeitig einen Ehebruch begangen hatten. Dennoch wird in diesen Mären ein Normenwandel deutlich, denn implizit wird der Frau ein Anspruch auf die eheliche Treue des Mannes zugestanden, indem beide, männlicher wie weiblicher Ehebruch miteinander verglichen und aufgerechnet werden. Die Frau ist sich ihres Anspruchs auf eheliche Treue des Mannes durchaus bewusst. Unüberhörbar bleibt allerdings ein Unbehagen der Autoren an diesem Normenwandel, da sie befürchten, die Frau könne ihre verbesserte Stellung willkürlich ausnutzen, um den Mann zu beherrschen (122). Für sie steht fest, dass die eigentlichen Ehebrecher, schon aufgrund ihrer größeren sexuellen Begierde die Frauen sind (122, 124, 125, 129). Sie stellen die Hauptakteure in den Ehebruchsschwänken. Die Liebhaber spielen meist nur eine Nebenrolle.
Die Frauen überlisten nicht nur geschickt ihren Ehemann, sondern fädeln ohne moralische Bedenken die Beziehungen zu dem Liebhaber ein. Beide, Ehemann wie Liebhaber, sind den Frauen völlig ausgeliefert. Der überlistete Ehemann wird in seiner Einfalt geradezu als Hahnrei dargestellt, so dass die männlichen Leser bzw. Zuhörer nur zufrieden feststellen können, dass ihnen derartiges nicht passieren könne. Entsprechend der meist geglückten Überlistung des Ehemannes bleibt der Ehebruch der Frau straffrei. In den anderen Fällen erfolgt meist die körperliche Züchtigung durch den Mann. Von einer Tötung der ehebrecherischen Gattin wird nur noch in einem einzigen Fall berichtet. Bleibt die Frau straffrei, so erfolgt dies häufig unter Hinzuziehung besonderer Motive der Frau für den Ehebruch. Als quasi mildernde Umstände werden u. a. Trunksucht des Mannes (125), höheres Alter des Mannes (124) sowie dessen längere Abwesenheit angeführt. Ihre Nennung wird jedoch meist nicht weiter reflektiert. Auffälligerweise ist die Beurteilung der moralischen Implikationen gar nicht zentrales Anliegen der Mären. Ihnen geht es weniger darum, die moralische Verworfenheit der Frau aufzuzeigen, vielmehr prangern sie die List der Frauen an, der sich die Männer nur unzureichend entgegenstellen könnten.. Was die Märendichter beunruhigt, ist der den Frauen unterstellte Angriff auf die männliche Autorität. Wer sich dem nicht entgegenstelle, falle der Willkür der Frauen anheim.
Diesem Versuch der Frau, eine ihr nicht zustehende Vorherrschaft gegenüber dem Mann durchzusetzen, widmen sich die zahlreichen >übel-wip< Geschichten. Die Frauen erkennen in diesen Mären die überkommene Vorherrschaft des Mannes nicht mehr an. Sie vernachlässigen ihre häuslichen Pflichten, widersetzen sich den Wünschen und Anordnungen ihres Mannes, widersprechen ihm in jeder Kleinigkeit und lassen wahre Schimpfkanonaden gegen ihre Gatten los, ja, sie sind so aufsässig, dass sie selbst vor Prügeleien nicht zurückschrecken (118, 126, 128, 135). Der Ehemann ist nach Meinung der Märenschreiber geradezu verpflichtet, diesem Treiben der Frau ein Ende zu bereiten und die männliche Herrschaft im Haushalt wiederherzustellen. Als geeignetes Mittel wird hierzu die körperliche Züchtigung der Frau empfohlen (126). Wenn der Mann dies versäumt, so verfällt er gänzlich der grenzenlosen Willkür der Frau. Er ist dann im eigentlichen Sinne kein Mann mehr, allenfalls ein Trottel, ein Pantoffelheld. Er verliert schließlich nicht nur seine Stellung im eigenen Hause, sondern auch jegliche gesellschaftliche Achtung (126, 127).
Gingen die Dichter von der angeblich gottgewollten Unterwerfung der Frau unter den Mann aus, so ist sie diesem dennoch nicht willkürlich ausgeliefert. Im allgemeinen werden den Frauen bestimmte häusliche Verfügungsrechte zugestanden. Sie verfügen über das Schlüsselrecht (123) und geben zumindest dem weiblichen Gesinde die Befehle (129). In der Abwesenheit des Mannes nimmt die Frau nahezu selbstverständlich seine Vertretung wahr (130). Versuche der Mann der Frau ihre legitimen Mitbestimmungsrechte vorzuenthalten, so wird dies in den Mären gerügt. Im Almosen wird sogar der Ehebruch der Frau entschuldigt und gerechtfertigt mit der Vorenthaltung der Schlüsselrechte durch den Mann (123).
Die eheliche Willkürherrschaft des Mannes wird disqualifiziert. Er wird als Tor beschimpft und der Lächerlichkeit preisgegeben. Die Berechtigung gemeinsamen Widerstandes von Frauen gegen die männliche Willkür wird ausdrücklich anerkannt (131). Bisweilen verfechten die Mären geradezu ein partnerschaftliches Verhältnis der Ehepartner, indem Entscheidungen erst nach gemeinsamer Aussprache erfolgen. Man sollte jedoch nicht übersehen, dass in diesen Fällen sämtliche Initiativen vom Mann ausgehen. Er bleibt dominierender Partner, während die Frau seiner Leitung und seines Schutzes bedarf (132). Dies gilt insbesondere für die außer häuslichen Angelegenheiten. So findet sich in den Mären kein einziger Fall, in dem die Frauen auch in diesen Bereichen die Vorherrschaft über den Mann bzw. eine Mitbestimmung anstreben. So nimmt etwa die als äußerst übel geschilderte Frau in Sibotes Frauenerziehung keinerlei Einfluss auf die Verlobung ihrer Tochter. Auch diese fügt sich widerstandslos ihrem Vater (126). Trotz weitgehend rechtlicher Fixierung hatte sich der Konsensgedanke, d. h. die Eheschließung aufgrund freien Konsenses beider Brautleute, anscheinend noch nicht als selbstverständlich durchgesetzt. Die Frau bleibt in den Mären Rechtsobjekt, der Gegenstand des zwischen Bräutigam und dem Vater ausgehandelten Brautvertrages. Sie verhält sich dementsprechend passiv und nimmt keinen Einfluss auf das Handlungsgeschehen. In anderen Mären wird die Durchführung einer Heirat infolge äußeren Zwanges in Frage gestellt. In diesen Fällen wird ein deutlicher Konflikt zwischen den tradierten Normen und der Konsensforderung spürbar. Konventionellen Ehemotiven, insbesondere adliger Kreise, wie Garantie der Erbfolge oder Machtzuwachs wird die Forderung nach dem emotionalen Konsens beider Ehepartner gegenübergestellt. Im allgemeinen wird dieser Konflikt in den Mären nicht bewältigt. Er erscheint geradezu unlösbar und endet für die Beteiligten meist tragisch. Von der Tendenz her werden durch diesen Handlungsablauf die tradierten und nicht die neuen Normen in Frage gestellt (133). Nur in drei Mären, die zudem alle dem 15. Jahrhundert entstammen, vermögen die Brautleute das Konsensprinzip gegen massiven Widerstand durchzusetzen. Ein Vergleich macht relativ schnell deutlich, dass damit eine entscheidende Verbesserung der weiblichen Position verbunden ist. Sie wird aufgrund ihres Selbstverlobungsrechtes zum aktiv beteiligten Subjekt. Vielfach wartet sie nicht mehr nur passiv die Aktivitäten eines Mannes ab, sondern sie wird selbst aktiv und initiativ (133).
Die ambivalente Haltung gegenüber dem weiblichen Geschlecht in den Mären ist Ausdruck eines gesellschaftlichen Normenwandels, der auf dem Hintergrund sozio-ökonomischer Wandlungsprozesse den Frauen ein größeres Selbstbestimmungsrecht zugesteht. Die Darstellung in den Mären macht deutlich, dass dieser Prozess nur äußerst zögernd verlief. Ein Wandel erschien den Verfassern nur so lange vertretbar wie die männliche Vorherrschaft nicht in Frage gestellt wurde. Sie hatten eine schier unüberwindliche Angst, dass die Frauen ihre erweiterten Rechte gegenüber den
Männern willkürlich ausnutzen könnten. Ihr Verständnis der Frau war von Misstrauen, Angst, ja sogar Hass bestimmt. In vielem übernahmen sie dabei die von der Moraltheologie bereitgestellten Argumentationsmuster.

Quellen und Materialien

(119) Die Wertung der Frau in der Märe »Das Auge« 1. Hälfte 13. Jh.
Seine Frau war die allerschönste Frau, die man zu seinen Zeiten fand. Sie war, wie uns diese Märe erzählt, an Tugenden und an Reinheit lauter wie ein Spiegelglas. Es war nichts an ihr, das man ihr nicht wünschen sollte, wenn man es ihr wünschen wollte. Deshalb erfuhr sie von vielen Seiten in vielerlei Weise hohes Lob. Dies läßt sich leicht mit Folgendem nachweisen: Ihr Mann war ihr so lieb, dass keine Frau ihrem Mann gehorsamer war als sie. Sie unterließ dies in keiner Not und befleißigte sich immer solcher Sittsamkeit und trug dafür Sorge, dass er entsprechend seines Herzens Begehren Wohlgefallen an ihr fand. Dazu war ihre gutwillige Gesinnung bereit mit unerschütterlicher Beständigkeit. Auch konnte er niemals etwas an ihr finden, das in irgendeiner Weise besser vermieden als getan worden wäre. (...) Deshalb war ihm die gute, die makellose Frau lieber als Besitz, Seele oder Leib und alles, was er jemals sah. Ihr wiederum fehlte es niemals an steter Liebe. Des ganzen Herzens Freundschaft wandte sie ihm in voller Aufrichtigkeit zu. (...)
übertragen nach: Niewöhner: Neues Gesamtabenteuer (232), Bd. 1, S. 244f.

(120) Das Frauenbild in der Märe »Die zwei Kaufleute«, um 1300
Ich habe daheim eine vollkommene Frau, deren lieblicher Leib mich oft glücklich gemacht hat. Mein Herz lacht ihr zu, wenn sie in meine Augen blickt. Keiner Frau war jemals ein Mann mehr zugetan als ich es bin. Sie hat eine weibliche Gesinnung, einen keuschen und makellosen Charakter. Bescheidenheit und Güte sowie Sittsamkeit und Verstand und wahrhafter Anstand zieren meine Frau. Dabei führt sie sich bescheiden auf. Allen Lobes ist sie eine Krone, die sie zu Recht tragen soll. Mehr kann ich meine Frau nicht preisen: Sie ist die Blume aller Frauen und meines Herzens wonniger Freudentag. Keine andere kommt ihr gleich. Sie ist aller Frauen Lob, ihre Würde übertrifft alle. Die Tugend aller Frauen ist mit der ihrigen nicht zu vergleichen.
übertragen nach: Fischer: Die deutsche Märendichtung (188), S. 258f.

(121) Das Frauenbild in der Märe, »Der Mönch als Liebesbote« von Hans Schneeberger, 1475/1500
0 Frauenlist, wie vielfältig und wunderbar ist deine Gewalt über den Mann, der deiner Tücke erliegt! Du machst sehende Augen blind, du verdunkelst Vernunft, Verstand und Hirn. Wer kann deine Listen je ausstudieren? Du kannst Leid in herzliche Freude verwandeln, aber auch anfängliche Freude in Leid. Deiner List erfolgreichen Widerstand zu leisten, hilft weder Verstand noch Kunst. Du hast Starke besiegt, Weise in Fesseln geschlagen, du gibst die Armen nicht frei, klammerst dich an die Reichen, zähmst die wilde Jugend und leerst alten Narren den Beutel. Selbst Taube, Krüppel, Blinde und Stumme entgehen dir nicht. Die schon von Hause aus Narren sind, machst du so lüstern, dass du sie an dein Affenseil spannen kannst. Wie klug, wie erfahren einer ist, wie reich, wie mächtig, wie arm, wie bedürftig, wie gelehrt, wie einfach, aus allen machst du Taube und Stumme ohne Verstand, Toren, Narren, Affen, Esel und Schweine. Nur ein Mittel hilft dagegen: aller Ursache dazu aus dem Wege gehen.
Hiermit will ich meine Rede beenden. Dies ist es, was uns am Beispiel des Mönches bewiesen wird: Von wie hoher Gelehrsarnkeit ein Mann auch sei, wie geistlich, wie fromm, wie ehrbar, wenn er dazu nicht auch so freien Sinnes ist, dass ihm neben dem Ernst auch der Scherz zu Gebote steht, so ist er oft - und dies nicht von ungefähr - auf einem Auge blind. Dies hat Hans Schneeberger gedichtet.
zitiert nach.- Fischer: Die schönsten Schwankerzählungen (189), S. 147-149, S. 151154.

(122) Die Beurteilung des Ehebruchs von Frau und Mann in der Märe »Die zwei Beichten«, 14. Jh.
Ein rechtschaffener Mann hatte eine hübsche Frau, die er wie sein Leben liebte, denn sie war sehr schön. Eines Tages saß er in fröhlicher und friedlicher Stimmung bei ihr, und als sie eine Weile so vergnügt beieinander gesessen waren, sprach die Frau: »Wenn es dir recht ist, so will ich dir meine Beichte ablegen, und du sollst mir dann auch beichten.« Da sagte er: »Frau, das soll geschehen, so wahr ich es ehrlich meine. Du sollst mir beichten, und dann will ich dir ein Gleiches tun.« Und die Frau bestätigte: »So soll es geschehen, das schwöre ich dir zu.«
Da sagte der Mann: »So bekenne, hast du außer mit mir noch mit einem anderen Manne vertrauten Umgang gehabt?« - »Ja, freilich. Dem Dorfhirten war ich zu Willen.« Und der arme Mann fragte: »Warum hast du das getan?« Die Frau entgegnete: »Ich tat es, damit er uns freundlich gesonnen wäre und uns den Zins abließe. Darum lag ich bei ihm. »Hast du es deshalb getan, so bin ich dir nicht böse«, sprach der Mann, »nun sage aber, hast du sonst keinen Liebhaber gehabt?« -»Doch natürlich, lieber Mann. Einmal kam der Bote unseres Herrn. Ich ging ihm schnell entgegen. Da bat er mich um meine Minne, und ich erfüllte seinen Wunsch, damit er vor unserem Herrn Gutes von uns spräche und uns seinen Schutz verliehe. Siehst du, mein lieber Mann, deshalb hab ich's getan« Darauf der Mann: »Hast du es deshalb getan, so will ich es dir nicht als Schuld anrechnen.« »Sage mir, liebe Frau, soll ich dir gleich eine Buße festsetzen?« - »Was bist du für ein Kalb, ich habe noch kaum die Hälfte gebeichtet! (...)
»Lieber Mann, weiter weiß ich nichts. Setze mir dafür eine Buße fest, aber bitte eine milde. Erlege mir keine Fasten auf, keine Gebete, keine Nachtwachen oder sonst eine harte Strafe, denn ich bin ein schwaches Weib und zudem schwanger.« Er antwortete: »Mein liebster Schatz, so soll es sein, du dachtest ja immer nur an meinen Nutzen. Nachsichtig, wie ich bin und du sollst das als Beweis meiner Milde nehmen -, setze ich dir zur Buße, dass du künftig nicht mehr sündigst. Im Namen Gottes spreche ich dich los, aber sei bemüht, die Buße zu halten.«
Jetzt begann die Frau: »Nun zu dir, lieber Mann, welche Sünden hast du begangen?« Er antwortete: »Mein lieber Beichtiger, du musst auch nachsichtig mit mir sein. Ich ging einmal mit unserer Magd aufs Feld, das beichte ich dir. Dabei ergriff ich ihre Hand und empfand ein Lustgefühl. « Die Frau herrschte ihn ungeduldig an: »Schlag dir die Hand ab für diese Schuld!« Er wollte einwenden: »Du hast viel mehr als ich begangen, und ich habe dir alles freundlich nachgesehen«, doch die Frau ließ das nicht gelten: »Wie könnte ich euch gut sein, wenn ihr mich so schnell vergesst? Eine so schwere Verfehlung kann ich euch nicht vergeben. Zieht mit eurer Sünde nach Rom! Ihr habt eure Ehe gebrochen, ich werde euch künftig keinen Glauben mehr schenken.
Da bettelte der Mann: »Frau, verlangt das nicht. Es wäre für mich doch eine sehr schwere Auflage. Ich will feierlich schwören, dich auf diese Weise niemals mehr zu beleidigen. Sei nachsichtig mit mir, ich bitte dich, ich bin es auch dir gegenüber gewesen.« »Nein, das ist nicht möglich. Du musst eine körperliche Strafe leiden.« - »Hab Dank, liebe Frau, was du verlangst, soll geschehen.« Da forderte sie: »Streck dich in Demut nackt vor dem Kruzifix aus, dann will ich dich mit Ruten schlagen.« Er aber antwortete: »Ich liefere mich kniend deiner Gnade aus. Schlage, raufe und morde mich, wenn es schon nicht anders sein kann. Es hat ja auch Jesus für meine Sünde gelitten.«
Jetzt lenkte die Frau ein: »Lass es gut sein, mein lieber Junge, ich will Gnade vor Recht ergehen lassen. Es sei dir vor Gott vergeben. Achte künftig besser auf deine Ehepflichten, als du es bisher getan hast, dann will ich dir die Strafe erlassen im Namen Gottes, o filius et spiritus sanctus.«
zitiert nach: Fischer: Die schönsten Schwankerzählungen (189), S. 55-59.

(123) Die Beurteilung des Ehebruchs der Frau in der Märe »Das Almosen«, 14. Jh.
Vor Zeiten lebte ein geiziger Mann. Der hatte eine Gewohnheit angenommen, die ihm großen Schaden eintrug: früh und spät verschloss er vor seiner Frau alles, was er besaß. Er hielt es so, wie es alle Geizigen tun: wo er ging oder ritt, immer trug er den Schlüssel bei sich. Wieviel Eier ihm gelegt wurden, wusste er täglich ganz genau; die Frau konnte kein einziges beiseite bringen. Auch seine Käse waren gezählt. Er ließ ihr keine Verfügungsgewalt, weder über dies noch über das, und sie hatte kaum genug für sich zu essen.
Eines Tages musste er zur Mühle fahren, während sie daheim das Haus hütete. Da trat ein Bettler bei ihr ein, der bat sie inständig, sie möge ihm Gott im Himmel zuliebe etwas schenken. Die Frau klagte, sie täte es gerne, aber sie habe selber nichts: »Mein geiziger Mann hat alles, was ich besitze, eingeschlossen, Fleisch und auch Brot. Und wenn ich vor Hunger stürbe, ich könnte nicht daran kommen. Wollt ihr aber meine Minne, so gebe ich sie euch um des Allmächtigen willen.« Der Arme antwortete: »Frau, lasst euren Spott! Ich bin so elend, dass eure Scherze an mir verloren sind. Sollte es euch freilich ernst sein mit eurem Angebot, so stillet ihr große Not: man gibt mir wohl so viel Fleisch und Brot, dass ich davon leben und den Hunger bannen kann, wieviel ich aber auch schon Almosen erbettelt habe, noch nie bin ich irgendwohin gekommen, wo mir zarte Minne zuteil wurde.«
Da nahm ihn die Frau bei der Hand und führte ihn an ein Bett. Dorthinein legten sie sich beide, die Frau und der arme Mann. Seht, da spielte er mit ihr voller Freude nach der Sitte der Welt und empfing sein Almosen und sagte, dass man ihm nirgendwo sonst größere Ehre erweisen könnte. Sie aber sprach: »Was ich eben gegeben habe, das gab ich an Stelle des Brotes. Nehmt nun auch noch etwas dazu an Stelle des Fleisches, wenn euch danach verlangt.« Da nahm der gute Mann sich die Frau zum zweiten mal und empfing das Almosen noch besser. Sie schenkte es ihm mit Hingebung, und er sagte: »Heiliger Michael, vergilt es ihrer Seele! Und was sie mir als Zugabe schenkte, das möge ihr das Heilige Grab vergelten. Niemals in meinem ganzen Leben wurde mir solches Almosen gereicht.«
So bedankte er sich und trat vor die Tür. Da begegnete ihm draußen der Hausherr und hörte seine Fürbitte und Danksagung. Er lief sogleich hinein zu seiner Frau und rief. »Frau, sagt mir, was habt ihr dem guten Mann gegeben, der eben an mir vorbei hinausging und euch so sehr dankte?« Sie erwiderte: »Ich gab ihm nichts. Ließt ihr mir denn irgend etwas, dass ich jemanden beschenken könnte? Ich weiß selber nicht, wovon ich leben soll.« Da ergriff der Ehemann ein Holzscheit und schlug die Frau solange, bis sie ihm die Wahrheit eingestand. Sie fing zu weinen an und bekannte: »Nun weiß ich doch eins gewiss: wer in den Himmel kommen will, der muss dafür Almosen spenden. Ich habe eine Seele und will nicht wie eine Heidin leben. Darum spendete ich meine Minne als Seelgerät, da ich nichts anderes hatte, für eure und für meine Sünde. Der Lohn soll uns beiden zugute kommen.«
In diesem Augenblick kam dem Geizigen sein Laster zum Bewusstsein, und es war ihm sehr leid. Laut rief er: »Wehe mir, dass ich geboren wurde, dass du deine Ehre verloren hast und ich daran schuld bin! Vor der Verfehlung, die du begangen hast, hättest du bewahrt bleiben können. Ich hatte vor dir versperrt, wovon du selbst hättest leben sollen und den Armen geben. Deshalb ist meine Schuld ebenso groß wie deine, beide haben wir uns vergangen. Nimm alles, was ich habe, in deine Verfügung und gib den Armen für ihren Hunger Fleisch und Brot. Verschenkst du aber noch andere Dinge, dann steht deine Ehre auf dem Spiel.« So gewann die Frau ihrem Mann die Hausgewalt und die Schlüssel ab. Von nun an hatte sie ein behagliches Leben und konnte Almosen spenden, wie sie wollte.
Ich möchte gerne wissen und es nimmt mich sehr wunder, wenn heute noch eine Frau so handelte, ob sie damit eine Sünde beginge. Meine Überzeugung geht dahin, dass eine solche Tat dann einer bedeutenden Almosenspende gleichkommt, wenn sie aus Nächstenliebe um Gottes im Himmel willen vollbracht wird.
Hier ist die Geschichte zu Ende. Stets frei von Unglück sollen alle Frauen sein, die freiwillig solche Almosen spenden.
zitiert nach.- Fischer: Die schönsten Schwankerzählungen (189), S. 68-70.

(124) Ehebruchsmotiv in der Märe »Der betrogene Gatte« von Herrand von Wildonie, 2. Hälfte 13. Jh.
Dieser Ritter hatte eine Frau, die so schön war, dass man sie mit Wohlgefallen ansah. Er selbst dagegen war schon sehr alt. Sein Wohnsitz lag im ebenen Land, und gleich dahinter erstreckte sich ein schönes Wäldchen, auf das ein Erker hinausging, in dem er nachts schlief. Nun saß ganz in der Nähe ein Ritter, der hatte seine Neigung der schönen Frau zugewandt. Sein stattliches Aussehen ließ ihn wie geschaffen erscheinen für Eroberungen, doch hatte er bisher bei ihr daraus noch keinen Nutzen gezogen.
Als der Ritter nun so lange im Minnedienst geworben hatte, dass die Dame ihm endlich den Lohn nicht länger versagen mochte, empfing er freudig die ersehnte Nachricht.
zitiert nach: Fischer: Die schönsten Schwankerzählungen (189), S. 199 f.

(125) Ehebruchsmotiv in der Märe »Der vertauschte Müller«, 15. Jh.
»Nun sag mir nur Heinrich«, so sprach die Hübsche, »wo hast du deinen Herren gelassen?« Der Knecht entgegnete: »Verflucht soll er sein! Was soll ich euch sonst sagen? Er liegt betrunken auf dem Wagen und hat mir große Unannehmlichkeiten bereitet.« Und die Frau: »Das ist mir ein schöner Zeitvertreib, dass der verdammte Mehlsack mich nicht die Nacht hindurch bis zum Morgen ehelich umarmt, sondern immer nur beim Wein liegt und sich besäuft. Wenn ich mich dafür an ihm rächen dürfte, so ließe ich ihm das Genick brechen, doch ich muss gute Miene zum bösen Spiel machen.«
zitiert nach.- Fischer: Die schönsten Schwankerzählungen (189), S. 214.

(126) Sibote: Frauenzucht, um 1250
Wollt ihr eine lustige Geschichte anhören, die mir zu Ohren gekommen ist? Könnte ich nur auch damit zu Rande kommen! Die Erzählung erschien mir jedenfalls gut und sehr geeignet. Sie heißt: »Frauenzucht«. Alle Männer, denen ihre Frau übel gesonnen ist, sollten meinen Rat beherzigen.
Hört alle her! Es war einmal ein mächtiger Ritter, der besaß alles im Überfluss, was uns diese Welt nur bieten kann - so sagt man noch heute von dem Mann, der mit allen Gütern wohl versehen ist.
Er besaß also alles in Hülle und Fülle. Frau Saelde hatte ihn mit ihren glückbringenden Gaben so reichlich bedacht, dass er um Ansehen und Besitz nicht zu bangen brauchte - aber er war viel zu weichherzig. Das zeigte sich deutlich an seiner Frau und davon werde ich euch jetzt berichten. Er hatte die böseste Frau auf Erden. Wenn er auch nur ein Wort gegen sie richtete, so ließ sie ihm das nicht hingehen sie gab ihm mindestens zehn zurück. Das bereitete ihm oft schweren Verdruss. Was er auch zu ihr sagte - sie ärgerte sich so darüber, dass sie schrie und keifte. Freilich musste ihre Kehrseite oft dafür büßen, aber das kümmerte sie keinen Deut. Die Menschen, die in ihrer nächsten Umgebung wohnten, hatten es längst gemerkt: Sie war die böseste Frau, die je gelebt hat.
Wie viele Haselruten ihr den Rücken durchkneteten - selbst Eichen- und Buchenstöcke konnten sie nicht so mürbe machen, dass sie etwa sich zur Besserung bequemt hätte. Das zeigte sich in vielem: Wenn Arme - wie es auch heutzutage vorkommt - um Herberge baten, bereitete sie ihnen einen bösen Empfang. Wen er auch aufnehmen wollte - sie verbot es ihm. Wen immer er davon jagen wollte - sie befahl demjenigen, dazubleiben. Wem er auch befahl, sich wegzuscheren - sie forderte ihn zum Bleiben auf. Was immer er nicht wollte - sie tat es, die Böse; und was er auch wünschte - es wurde nichts daraus.
Dieser Kampf zwischen ihnen dauerte nun schon seine dreißig Jahre, glaubt es mir! Es gelang ihm nicht, sie zu bezähmen, und sie plapperte weiß Gott viel dummes Zeug daher! Inzwischen war ihnen eine Tochter geschenkt worden. Aber der Vater konnte sie mit allen seinen Erziehungskünsten nicht davon abbringen: sie schlug der Mutter nach. Was die Mutter an Boshaftigkeit und Missgunst, an Frechheit und Geiz in sich hatte, das besaß die Tochter mindestens in dreifachem Maß! Sie war wahrhaft böse, andererseits aber schön und kräftig gebaut. Ja, äußerlich merkte man ihr nichts an. Gott hatte sie zu einer sehr schönen Frau erschaffen. Jedem, der sie anschauen durfte, erschien sie liebenswert - aber wenn sie den Mund auftat, sehr boshaft. Sie war nun schon im heiratsfähigen Alter; doch keiner, der merkte, wie bösartig sie veranlagt war, konnte sich dazu durchringen, eine Werbung um sie auch nur zu wagen. Wegen ihres sonderbaren, abstoßenden Wesens blieb sie volle zwanzig Jahre im Elternhaus. Keiner wollte sie haben, denn sie war und blieb streitsüchtig.
»Mein liebes Kind, gewöhne dir schleunigst die Unart deiner Mutter ab«, sagte der Vater eines Tages. »Wenn du einen Mann heiratest, der deine Bosheiten nicht dulden kann und will, wirst du dauernd verprügelt werden. Und wenn du dich dann bei mir beschwerst, kommt deine Reue zu spät! Sieh also zu, dass du dem schlechten Vorbild deiner Mutter nicht- noch weiter folgst! Sonst wirst du später Unannehmlichkeiten haben.« -
Die Tochter sagte: »Vater, spart Euch Eure Moralpredigt! Ihr Männer seid doch alle Schwätzer; was Ihr daherredet, kümmert mich keinen Deut! Mein liebster, bester Vater, Ihr macht meiner Mutter doch seit eh und je Vorhaltungen, aber sie lässt es Euch nicht hingehen. Sie macht doch stets, was sie will. Ihr seid ein Grobian! Euer Plan ist sinnlos. Ich habe es mir genau überlegt: Wenn es schon morgen dazu käme, dass ich heiraten sollte - mein Mann könnte mir nicht verbieten, dass ich im Haus die Hosen anhabe! Also lasst Euer Geschwätz! Ich werde es so halten wie meine Mutter.« - (...)
»Ach, du böse Kriemhild, dass du mir nicht gehorchen willst! Wenn du dich so beträgst wie deine Mutter, wird dein Rücken die Rute zu spüren bekommen. Aber das ist nicht mehr als recht und billig. Ob Ritter oder Knecht - ich gebe dich dem ersten besten, der bei mir um deine Hand bittet. Dann wird es sicherlich nicht lange dauern, bis du seine Faust zu spüren bekommst, wenn er dir nämlich mit Eichenstöcken die Haut in Fetzen schlägt!« - »Haha, wegen ihrer hübschen Federn gedeihen die Gänse so gut! Wo sind sie denn, meine vielen Freier? Nach denen kann ich Ausschau halten, so lange ich will. Es gibt ja doch keinen, der es mit mir wagt. Wenn es aber doch einer mit mir riskiert, dann war er schlecht beraten!« (...)
Ganz in der Nähe nun, kaum drei Meilen entfernt, lebte ein Ritter, der war reich an Schätzen wie auch an Tatkraft, aber er war an Tatkraft noch reicher als an Schätzen. Der hörte aus Erzählungen und eigenen Nachforschungen die Kunde von ihrer Schönheit. Er dachte bei sich: »Ob ich sie vielleicht zum Besseren bekehre? Anderseits, wenn das nicht gelingt, will ich sie trotzdem - so frech und zänkisch wie sie ist - um ihrer Schönheit willen. Da hilft dann nichts.« Und er kam mit seinen Freunden und Verwandten zu dem Vater des Mädchens und warb um sie; er wolle sich mit ihm verschwägern. »Kann ich mich denn an Euch versündigen?« sagte der Vater sofort. Und er gab ihm zu verstehen - so deutlich, dass es keinen Zweifel geben konnte -, welche Bewandtnis es mit ihr hätte. Der Ritter sagte: »Das weiß ich. Ich komme nun mit der Bitte zu Euch, sie mir zur Frau zu geben. Wenn Ihr nun ein Jahr älter werdet, könnt Ihr mit ansehen, wie sie sich entwickelt. Denn ich bringe sie dazu, dass sie sich alles verkneift, was mein Missfallen erregen könnte. Das werdet Ihr schon sehr bald erleben!«
Da sagte der frisch gebackene Schwiegervater zu dem Schwiegersohn: »Ich kann Euch nicht umstimmen. Aber bitte, Herr, beugt der Gefahr rechtzeitig vor! Tritt sie erst einmal in die Fußstapfen ihrer Mutter, dann - das sage ich Euch - habt Ihr keine frohe Stunde mehr und werdet vorzeitig altern!" - »Nun, seht Ihr? Darum lasst mich alles erledigen, solange ich noch so jung bin!«
Damit gingen sie auseinander, und ihrer beider Verwandte einigten sich darauf, dass der Ritter ihm seine Tochter nunmehr feierlich versprochen habe, er könne sie an jedem beliebigen Tag abholen und heimführen. Keiner hatte etwas dagegen. Er versprach es und hielt sich später auch daran.
Die Mutter wusste noch nichts davon, was sich zugetragen hatte: dass ihre Tochter einem Mann versprochen worden war. Eines Tages, als die beiden beisammen saßen, beschwor sie sie inständig: »Wahrlich, wenn du deinen Mann besser behandeln solltest als ich deinen Vater je behandelt habe, dann werde ich dich eigenhändig totschlagen, falls du nicht sofort mir gehorchst! Zieh es vor - wie ich es dir schon oft gesagt habe -, vier Wochen lang einen kaputten Rücken zu haben, als dass man dir nachsagen muss, dein Mann sei dein Herr und Meister! Du kannst mich getrost beim Wort nehmen. Präge dir meine Ansichten genau ein! Ich war ein zierliches Mädchen, als ich zum erstenmal ins Haus deines Vaters kam und ihm übergeben wurde. Ich war viel schwächer als du es bist, und doch ging ich als Siegerin aus jedem Kampf hervor! Ohne zu flunkern, liebes Kind: Ich habe ihm mehr Haare ausgerissen als ein Schafsfell Wolle hat. Und du bist rundherum so kräftig gebaut - geh unbarmherzig gegen ihn an! Meine liebe Tochter, tu, was ich dir befehle: Immer wenn er wütend auf dich ist und dich übers Knie legt: kratz' ihn, beiß' ihn, reiß' ihm die Haare aus! (...)
Und merke dir besonders dies: Vier Wochen lang hat mich dein Vater dreimal täglich verprügelt, so dass ich gar nicht mehr zu mir kam und man mich unter seinen Händen mit Wasser besprengen musste; trotzdem habe ich damals den Kampf nicht aufgegeben und mich auch später stets behauptet.« - »Mutter, das könnt Ihr mir glauben: Selbst wenn ich tausend Jahre alt werden sollte - ich lasse mich nicht zum Narren halten! Das traue ich mir schon zu.«
Eine Woche war vergangen. Der Ritter erinnerte sich sehr wohl dessen, was ihm zugedacht war. Er beschaffte sich ein Pferd, das keinen Heller wert war - solche schlechten Gäule gibt es ja jetzt auch noch. Außerdem führte er einen Hund an der Leine mit sich. Nun ging er noch zu seinem Vogelzwinger, wo sein Habicht, an der Wand angebunden, saß; den setzte er sich auf die Hand. Mehr brauchte er nicht. Er ritt zu seinem Schwiegervater und verlangte seine Braut. Sie wurde ihm unter allgemeiner Zustimmung übergeben und man wünschte ihm Gottes Segen mit auf den Weg. Der alte Ritter sagte: »Gott schütze Euch! Hoffentlich habt Ihr mehr Glück mit ihr, als ich mit ihrer Mutter hatte!«
Als beide schon auf dem Pferd saßen, konnte die Mutter es sich nicht verkneifen sie rief noch hinter dem Mädchen her: »Liebe Tochter, denk an das, was ich dir sagte! Sei deinem Mann so ergeben, wie ich es dir beigebracht habe!« -»Schon gut, Mutter, seid ganz beruhigt! Ich weiß genau, was ich Euch versprochen habe. Davon werde ich nicht abweichen!« Damit ritten sie ihrer Wege.
Weil das Mädchen so boshaft und streitlustig war, ritt er einen schmalen Pfad entlang. Auf die breite Straße verzichtete er, damit niemand sähe, was er jetzt mit ihr anstellte. Der enge, holperige Pfad führte sie durch wildes Dickicht. Da strebte der Habicht, wie es nun einmal in seiner Art lag, von der Hand des Ritters. Der sagte: »Hör auf, mit den Flügeln zu schlagen, das rate ich dir im guten! Sonst breche ich dir das Genick; dann rührst du dich nicht mehr! Ich mag es nicht, dass du so zappelst!« Aber da erspähte der Habicht eine Krähe, die eben aufflatterte, die wollte er unbedingt erhaschen. »Da du dich selbst ins Unglück stürzen und offenbar nicht friedlich leben willst, so werde ich tun, was dir gebührt.« Er erwürgte ihn wie ein Huhn und warf ihn hinunter ins Gras. »So, nun hast du deinen Willen! Ich sage es in vollem Ernst: Allen, die heute um mich sind, spiele ich ebenso übel mit, wenn sie sich nicht einwandfrei benehmen.
Nun verengte sich der Weg und wurde so schmal, dass er kaum noch Platz für den Reiter bot, geschweige denn dass der Hund noch an seiner Seite hätte bleiben können. Da geriet der Ritter in Zorn. »Du Viech, musst du denn so zerren und mir meinen Arm ausrenken mit der kräftigen Leine? Das soll dir übel bekommen. Wenn du nicht aufhörst zu ziehen, du Hofköter, bringe ich dich um!« Was fruchteten schon diese Worte? Der Hund konnte ihm ja nicht gehorchen! Da hieb er ihn in Stücke. Wenn das Mädchen auch nicht schrie, war sie doch im Innern entsetzt. Sie dachte bei sich: »Gütiger Gott, was hat dieser Mann noch vor? Hat mich denn der Teufel hierher gebracht?« Sie wurde ganz bleich.
Immer noch hatte er das bloße Schwert in der Hand. Das Pferd bearbeitete er wie wild mit den Sporen, so als ob es nicht recht vorwärts wollte. Er brauchte ja irgendeinen Vorwand und musste sich etwas einfallen lassen. Wenn man seinen Hund ertränken will, wirft man ihm vor, er habe Leder gefressen, auch wenn er das sein Lebtag nicht getan hat. Und so sagte er: »Du Schindmähre, du hinkst ja! Du läufst weder im Zelt noch im Trab. Wenn du nicht gleichmäßig gehst, schlage ich dir den Kopf ab!« Das Pferd konnte nicht im Zelt gehen, weil es das nie gelernt hatte. Da sagte der Ritter: »Herrin steigt ab!« - »Ich tue alles, was Ihr befehlt!« Sie hätte es am liebsten gleich zweimal getan. Da stieg auch er sofort ab, packte das Schwert, schwang er kräftig gegen das Pferd und schlug ihm den Kopf ab. »Nun geh, Schindmähre, und hinke, soviel du willst! Wärest du ordentlich gelaufen, hättest du nicht mit dem Tode büßen müssen. Du hast dir dein Unglück selbst eingebrockt. Nur darum musstest du sterben. - Herrin, Ihr habt ja selbst gemerkt, wie die Dinge jetzt stehen. Das Pferd, der Hund und der Vogel - sie hatten mir viel zuviel Ärger gemacht, darum waren sie mir lästig geworden. Aber nun kann ich ja unmöglich zu Fuß gehen; das habe ich noch nie getan. Bei allem, was ich bisher unternommen habe, bin ich niemals auch nur eine Meile weit gegangen. Darum tu ich's auch diesmal nicht. Herrin, das Schicksal will es: ich muss Euch reiten.« Als sie merkte, wie ernst es ihm war, und dass ihr etwas Schimpfliches bevorstand - er machte sich schon daran, ihr den Sattel aufzulegen -, da sagte sie hastig: »Herr, mit Eurer gütigsten Erlaubnis - den Sattel lassen wir vielleicht lieber beiseite. Dann kann ich Euch um so besser tragen.« -»Aber nicht doch, Herrin, wie sähe denn das aus, wenn ich ohne Sattel reiten würde? Das wäre doch unschicklich! Aber ich höre es genau heraus: Ihr wollt mir widersprechen und wollt tatsächlich den Sattel ablegen.« - »Ach, nehmt es mir nicht übel! Ich kann ja ebenso gut Euch beide tragen.«
Da sattelte er sie sogleich, legte ihr den Zaum in den Mund und befahl ihr, die Steigbügel rechts und links fest in der Hand zu halten. Auf saß er, der Recke! Er ritt sie eine Zeit lang allerdings weniger als eine Meile. Ich will es Euch genau sagen, wie weit er das Mädchen als Reitpferd benutzte: für eine längere Reise dieser Art war sie zu schwach, er ritt sie nur drei Speerlängen weit. Da gingen ihr die Kräfte aus; sie hatte es ja nie zuvor getan!
Er sagte: »Herrin, hinkt Ihr etwa?« -»Nein, wirklich nicht! Glaubt es mir! Dies ist eine so schöne'und glatte Wiese; ich bemühe mich eifrig, im Zelt zu gehen.« -»Na, dann seht zu, dass Ihr so im Zelt geht, dass Ihr nicht dafür büßen müsst!« - »Aber nein, Herr, gewiss nicht! Ich bemühe mich sehr darum. Ich werde Euch einen mustergültigen Zelt bieten. Am Hof meines Vaters war ein Pferd, von dem habe ich das Zelten gelernt. Ich kann ruhig und gleichmäßig gehen.« - »Könnt Ihr das tatsächlich, Herrin?« -»Ja, Herr.« -»Das freut mich sehr. Werdet Ihr allen meinen Befehlen gehorchen?« -
»Das ist nicht zuviel verlangt. Ich verspreche es Euch: Selbst wenn wir tausend Jahre leben, werde ich stets tun, was Euch gefällt. Dessen könnt Ihr ganz sicher sein.« Sofort stieg er ab und hüllte sie in seinen Mantel.
Seine Freunde waren unmittelbar in der Nähe; er hatte sie heimlich dorthin bestellt: sie möchten kommen und ihre Herrin aufnehmen und sie heim führen, wo sie jede Bequemlichkeit haben sollte. Was danach geschah, ist mir nicht bekannt, ich war beim Hochzeitsfest nicht zugegen. Ich weiß nur, dass sie sich gut entwickelte und sogar die beste Ehefrau wurde, die man sich denken kann. Eifrig war sie darauf bedacht, alles so gut wie möglich zu machen. Ihre Gäste empfing sie herzlich, und stets war sie bereit, ihres Mannes Wünsche und Befehle zu erfüllen.
zitiert nach: Sonntag: Sibotes »Frauenzucht« (244), S. 209-218.

(127) Hans Folz: Drei listige Frauen, um 1480/81
Auf einem Weg fanden drei Frauen einen Gürtel. Weil nun jede ihn haben wollte, sagte die erste: »Welche von uns ihren Mann am besten nasführen kann, der soll der Gürtel gehören.«
So wurde der Handel verabredet. Die erste Frau lief heim und fand dort ihren Mann schlafend. Da bestrich sie ihn mit Ruß und Safran und machte ihn so zu gleicher Zeit schwarz und bleich. Darauf weckte sie ihn, und, indem sie ihm einen Spiegel vorhielt, sagte sie: »Schau her, Mann, du bist mir leider gestorben. 0 wie schmerzlich vermisse ich dich!« Dazu rang sie ihre Hände und raufte ihr Haar. Der Mann blickte in den Spiegel und rief.«Wie ist das denn zugegangen? Bin ich denn im Schlaf gestorben?'.' Weil aber sein Gesicht eine solche Leichenfarbe hatte, glaubte er seiner Frau. Die hatte nun erst recht mit ihm ihren Spaß und sagte zu ihrer Magd: »Auf, tummle dich und sorge geschwind dafür, dass man ihn abholt.« Unterdessen schob sie den Mann unter eine Bank. Der Hausknecht, der das beobachtet hatte, hockte sich ungesäumt neben die Bäuerin und trieb seine Spiele mit ihr auf eben jener Bank, unter die sie den Mann geschoben hatte. Da entrüstete sich der Bauer: »Heinz, bei meiner Ehre, wenn ich, nicht gestorben wäre, hättest du solches nicht gewagt. Aber so bin ich eben tot.« Die Bäuerin jedoch herrschte ihn an: »Schweig, Narr, sei still! Ein Toter hat nicht zu schwatzen.« Und dann trug man ihn fort.
Die zweite Frau hatte auch einen Einfall. Sobald ihr Mann eingeschlafen war, schnitt sie ihm eine Platte und rief. »Eilt euch, Herr Pfarrer, so sehr ihr könnt, denn euer Nachbar Tol ist gestorben. Eben hat man ihn in die Kirche gebracht.« Der Mann entgegnete: »Frau, was narrt dich? Du bist wohl augenkrank, dass du mich für einen Pfaffen hältst!« Aber sie: »Wie, Herr Pfarrer, ihr wollt euch verleugnen? So etwas habe ich doch noch nie gehört. Eilt euch, sonst fängt man noch an, zur Messe zu läuten.« Da langte er sich auf seinen Kopf und fand sich beschoren, der Narr. Deshalb zögerte er nicht länger und begab sich in die Sakristei. Wegen seiner Tonsur wurde er von niemandem erkannt. Und während er murmelte, als ob er bete, tat man ihm das Messgewand um. So trat er vor den Altar.
Auch die dritte Frau war nicht um einen Einfall verlegen. Sie schrie ihren Mann an: »Steh auf, du Weinschlauch! Wie hast du dich gestern abend wieder mit vollem Wanst in Kleidern hier herein gewälzt! Mach schon, dein Nachbar Tol ist gestorben! Du musst mit den andern zum Opfer gehen.« Darauf der Bauer: »Hältst du mich für einen Esel? Soll ich etwa nackt in die Kirche gehen?« - »Du hast ja doch all deine Kleider an«, antwortete sie, spuckte in beide Hände und strich ihm hinten über die Hüften, so als wollte sie ihm die Bettfedern abstreifen, »spute dich, ehe du zu spät kommst.« Da lief der Narr nackt aus dem Haus und hielt nach dem Toten Ausschau.
Indessen gingen die Bauern alle zum Opfer, und dieser drängte sich unter sie. Überall erregte er größtes Aufsehen. Wie er nun seine Spende entrichten will, findet er seinen Beutel nicht. Um und um betrachtet er sich, aber wieviel er auch sucht, er kann ihn nicht finden. Schließlich greift er sich an sein Geschirr. Das beobachtete der »Pfarrer« und dachte bei sich: »Wahrhaftig, du bist ein ebensolcher Narr wie ich. Wäre nur das mit dem Opfer in Ordnung, weiß Gott, wer dann das Amt zu Ende führte.« Und zum Bauern sagte er: »Sag, du Narr, läufst du nackt in die Kirche?« Da antwortete ihm der Bauer: »Und was suchst du hier? Du hast noch nie einen einzigen Buchstaben gelernt. Was unterstehst du dich, mir Vorwürfe zu machen? Du taugtest besser dazu, mir den Kuhstall auszumisten. Hat dich der Teufel hergeführt?« Jetzt fing der auf der Bahre an zu lachen und sagte zu ihnen: »Bei meiner Ehre, wenn ich nicht gestorben wäre, so würde ich über dieses Possenspiel lachen, wie ich noch nie gelacht habe. Aber leider liege ich im Todesschweiß und bin gestorben nach Gottes Ratschluss.« Als die beiden das hörten, ging ihnen auf, dass sie von ihren Frauen gefoppt worden waren, und sie nahmen es sich sehr zu Herzen. Der »Pfarrer« stieg aus seinem Meßgewand und nahm den Nackten bei der Hand. Dann traten sie zu jenem auf der Bahre und sprachen: »Du bist der größte Schwachkopf. Wenn man dich jetzt begraben hätte, wäre dir das übel bekommen. Steh auf und geh mit uns zum Wein!«
Welcher Frau nun aber der Gürtel gebührt, das gebe ich euch zu raten, und damit beende ich meine Geschichte.
zitiert nach: Fischer: Die schönsten Schwankerzählungen (189) S. 86-88.

(128)
Frauen im Mittelalter

(129) Die Frau als Herrin in der Märe »Das schlaue Gretlein«, 15. Jh.
Nun hört einen feinen Streit, der sich an vielen Orten einmal im Jahr zwischen Mägden und Frauen erhebt. Wenn Lichtmeß (2. Februar) herannaht, und Gretlein ihren Lohn empfangen soll und meint, sie wolle nicht länger bleiben, obgleich sie doch niemand entlassen will, denn man behält sie nur allzu gern. Was dann die Frau ihr zukommen lässt und Gretlein der Frau, so dass sie einander nicht mehr trauen, das sollt ihr hier erfahren.
Sobald Gretlein weggehen will, so hebt die Frau an und spricht: »Gretlein, wohlauf denn, ich sehe wohl, du bedarfst einer Haube, mit der ich dich versehen will. Du bleibst doch noch ein Jahr bei mir? Ich entlohne dich dann auch besser, denn deinen Nachteil möchte ich nicht. Willst du bleiben, so sage es mir.« (...)
»Was soll man euch rechtmachen? Ihr lasst einem zu keiner Zeit Freundlichkeit widerfahren. Ich wünsche, ich könnte mich davor bewahren. Ihr habt oft Streit mit mir gehabt, den ich allzu oft gerne entbehrt hätte. Ich fühle mich nicht wohl bei solchem Fluchen. Ihr müßt euch eine andere suchen.« Da spricht die Frau: »Liebes Gretlein, mein, ich will dir Wein geben und oft mit dir zum Tanz gehen, wenn du nur noch ein Jahr bei mir bleibst, denn ich habe erst jetzt deinen Wert richtig erkannt. (...)
Darum, so lass mich nicht dafür büßen. Ich will dich niemals mehr schelten noch ausschimpfen. Darum sei auch nicht verdrießlich, denn du sollst noch Freude an mir haben.« Darauf spricht dann das Gretlein: »Ihr wisst sehr wohl, Herrin, als ihr mich bei unseres Nachbarn Knecht stehen saht, da habt ihr einen solchen Aufzug gemacht und alles an mir geschmäht. Meint ihr, dass mir das gefallen kann, wenn ihr mich so sehr verleumdet und vor den Leuten beschimpft? Das will ich niemals mehr erdulden. Versucht es mit einer anderen für ein Jahr.« Die Frau verdross die Rede gar sehr und sie spricht: »Wenn du nicht bleiben willst, so will ich dir den ganzen Schaden berechnen, den ich durch dich erlitten habe und wisse, dass ich zornig auf dich bin. (...)
Das will ich dir alles vom Lohn abziehen. Niemand kann mich davon abbringen.« Darauf antwortet dann das Gretlein schnell und spricht: »Herrin, ihr tut mir Gewalt an, wenn ihr so unziemlich von mir sprecht und meinen Lohn kürzen wollt. Das will ich nicht erdulden. Ich will meinem Herren auch von euch klagen, was ihr jedes mal beginnt, wenn er eine Weile nicht zu Hause ist. Wie toll es dann durcheinander geht, sobald ihr das von ihm vernommen habt. Ihr schickt dann gar bald einen Boten aus. Ihr habt Gänse und Hühner gesotten. Er soll kommen, ihr wisst durchaus wer. Was soll ich mehr davon erzählen? Dazu habe ich lange genug geschwiegen, dass hinten und vorne Priester einstiegen.« Da spricht sie: »Gretlein, habe Einsicht. Es war zwar alles meine Schande, wenn du es nicht weiter trägst, so brauchst du auch nichts zu bezahlen. Arbeite, wie du es bisher getan hast und laß dir deinen Lohn verbessern und lass uns einen Vertrag machen. Ich gebe dir dreißig Pfennige und außerdem ein Paar Schuhe und zwölf Ellen Leinwand von gutem Tuch, einen Schleier im Wert von zwölf Groschen und narren wir unseren Herren weiterhin wie zuvor.«
übertragen nach: Fischer: Die deutsche Märendichtung (188), S. 246-248.

(130) Die Frau als Stellvertreterin des Mannes während dessen Abwesenheit in der Märe »Die zwei Kaufleute« um 1300
Der Wirt befahl dem Gast (...) einen Boten heimzusenden, der mitteilen sollte, dass er übereingekommen sei und nach Venedig fahren wolle, was er nicht verschieben könne. Außerdem solle er der Hausherrin mitteilen, dass sie sein Gesinde so beaufsichtige, dass er sie nicht aus seines Herzens Ärger schelte.
übertragen nach.- Fischer: Die deutsche Märendichtung (188), S. 261.

(131) Der Stricker: Das erzwungene Gelübde, 1. Hälfte 13. Jh.
Ein Mann sagte zu seiner Frau: »Bleibe nach meinem Tod mir zuliebe ohne Mann. Daraus wirst du großen Nutzen ziehen: vor der Welt wirst du Anerkennung finden und in Gottes Reich wirst du auch gelangen. Außerdem will ich es so gut vergelten deiner Liebenswürdigkeit entsprechend -- wie man nie einen Dienst (besser) entschädigt hat. Ich will es dir tausendfach bezahlen.« »Ihr werdet wohl alt«, sagte die Frau, »euer Rücken krümmt sich wohl schon, d,aß ihr euch um anderer Leute Sorgen kümmert, dass ihr euch darum Gedanken macht, wie es nach eurem Tod sein wird. Wenn es euch zu euren Lebzeiten gut geht, dann dankt Gott dafür inständig und fordert von mir nicht mehr, als dass ich, solange ihr lebt, keinen anderen Mann nehme, und gebt euch damit zufrieden. Was ihr nach meinem Tod tut, darum kümmere ich mich überhaupt nicht. Wenn ihr kein Dummkopf wärt, würdet ihr euch mir gegenüber ebenso verhalten. dass ich mich wegen dieses Geschwätzes für euch schäme und ihr selbst euch nicht schämt, das zeigt, dass ihr ein völliger Dummkopf seid. Er sagte: »Sei still. Was ich da von dir gefordert habe, davon will ich unter keinen Umständen abgehen. Wenn du es mir nicht freiwillig zugestehen willst, dessen sei sicher, dann bringe ich dich um. Du bist eine unchristliche Frau, wenn du dich mir widersetzt, deshalb werde auch ich mich jetzt hier sofort dir widersetzen. Nun gib mir ein sicheres Pfand dafür, dass du, wenn du mich überlebst, der Welt entsagst. Das will ich dir nicht erlassen. Falls du dagegen irgendetwas sagst - was auch immer mit mir danach geschieht - dann wirst du niemals mehr ein Wort sagen.« Sie sagte: »Ich glaube tatsächlich, du würdest Spaß machen. Wenn du es aber ernst meinst, dann gib mir drei Tage Bedenkzeit, solange will ich darüber nachdenken. Ebenso sollst auch du dir überlegen, welches Pfand meinerseits angemessen sei, um dich zufriedenzustellen.« »Das werde ich tun«, sagte er, »ich werde an diesem Tag sowohl meine als auch deine Freunde hierherbringen, damit sie Zeugen der Abmachung sein können.«
Als sie die Frist mit ihm ausgehandelt hatte, ging sie weg zu einer ihrer Patinnen. Dieser erzählte sie sogleich, dass ihr Mann verlangte, falls sie ihn überlebte, auf alle Männer zu verzichten und wie eine Nonne zu leben. »Dafür will er eine Zusicherung haben, ob es mir nun angenehm ist oder nicht, genau heute in 3 Tagen. Um Gottes willen, nun gebt mir in dieser Sache einen Rat! Wenn ihr es irgend abwenden könnt, gebe ich euch alles, was ich habe.« Ihre Patin lachte und sagte: »Wäre euer Glück so klein, dass er darüber mit euch übereinkommen könnte, und die Welt davon erfahren würde, so würde jeder Mann diese Forderung dann stellen. Das will ich verhindern, wenn ich es vermag. Seid guter Dinge und behaltet euer Geld (euren Besitz). Auch ohne dass ihr mir etwas dafür gebt, helfe ich euch dabei, dass er euch zu seinen Lebzeiten erlaubt, einen anderen Mann zu haben. Darum wette ich meinen Kopf.« Sie forderte sie auf, sich neben sie zu setzen und erklärte ihr sehr klug, wie sie ihren Mann zu dem, was sie selbst wollte, überreden sollte. Sie erklärte es ihr ganz schnell, so dass sie sehr froh wurde und allen Kummer vergaß. Vor lauter Freude fing sie an zu singen.
Am vierten Tag kamen alle ihre Freunde und die ihres Mannes dorthin. Da fing sie selbst an zu sprechen. Sie sagte: »Mein Mann bittet mich, nach seinem Tod ohne Mann zu bleiben. Ihr sollt jetzt alle hören, ob er das aus Hass gegen mich oder aus Liebe zu mir tut. Mir ist es um so lieber, wenn er es aus wahrer Liebe tut.« Er sagte: »Mein Leben und meinen Besitz will ich wie ein Dieb verlieren, wenn du mir nicht so sehr lieb wärst, dass ich es aus voller Liebe heraus wünsche. Und wüßte ich heute, sagte er, »dass du jemals einen anderen Mann nähmst, so würde ich zehn Jahre früher sterben.« Sie antwortete: »Tu bitte folgendes, worum ich dich bitte, damit beweist du wahrhaftig deine Liebe: Verzichte du auf alle Frauen nach meinem Tode, so werde ich auf jeglichen Mann verzichten, und gestehe mir zu, was ich dir zugestehe.« »Das mache ich gern , sagte er, »dessen sei versichert. Ich werde niemals mehr irgendwelches Interesse an irgendeiner Frau haben. Sie sagte: »Das ist ein Wort. Darauf gib mir eine verlässliche Versicherung, wie ich sie dir sogleich auch geben werde.« Er antwortete: »Zu einem Pfand, das du forderst, und das auch du mir zugestehst, bin ich freilich bereit.« Sie sagte: »Darauf schwöre mir einen Eid.« Den Eid schwor er auf der Stelle. Sie sagte: »Jetzt setze dreißig Pfund als Gegeneinsatz für den Eid, die du, falls du von der Wahrheit abgehst, meinen Freunden aushändigen sollst, (und) damit du nicht zuwiderhandelst.« Darauf setzte er die dreißig Pfund und entsprach so völlig ihrem Willen. Da freute sie sich sehr und sagte ganz fröhlich: »Ich kenne kein sichereres Pfand, als dass wir uns sofort trennen, die Ehe auflösen und den Besitz aufteilen und guten Mutes Gott zu Gefallen in ein Kloster gehen. Wir können uns nirgend besser in acht nehmen. Auf diese Weise werde ich bis zu deinem Tod lernen, dass ich dann danach ohne Schwierigkeiten ohne einen anderen Mann leben kann. Auch du wirst dich so der Frauen entwöhnen bis zu dem Zeitpunkt, wenn ich sterben werde, dass du leicht ohne Frau sein kannst. Auf dieses Pfand will ich nicht verzichten; das sollen wir uns gegenseitig zusichern.«
»Um Gottes willen!« rief er, »meine liebe Frau, »wenn ich ohne dich sein müsste, würde ich hier auf der Stelle sterben. Hätte ich dir auf dieses Pfand tausend Eide geschworen, ich hätte sie alle gebrochen.« Da sagten ihre Verwandten sofort: »Ihr müsst uns dreißig Pfund geben, falls ihr den Eid nicht einhalten Wollt.« Er sagte: »Nun, nehmt, was ich habe. Der Eid soll nicht aufrechterhalten werden.« Sie sagte: »Der Besitz gehört zur Häfte mir. Davon will ich meinen Unterhalt bestreiten und wie eine Nonne leben, ihr sollt auch wie ein Mönch leben. Ihr müsstet sonst dreißig
Pfund bezahlen und brächet darüber hinaus euren Eid: das wäre eine große Schmach. Auf diese Weise würdet ihr Besitz und Ansehen verlieren und wärt dann für immer der ganzen Welt zuwider und auch mir so widerwärtig, dass ich es mit euch nicht versuchen würde.« Da kniete er vor ihren Verwandten nieder und bat sie, so inständig er konnte, dass sie ihm die dreißig Pfund um des allmächtigen Gottes willen erließen und seine Frau aufforderten, von ihrem Zorn um der Dreieinigkeit willen abzulassen, und ihn von dem Eid entbänden. Da sagten sie alle zusammen: »Sie allein kann von dem Eid ablassen und auch von ihrem Unwillen, die dreißig Pfund sind verloren.« Das schworen sie bei ihrem Leben. Da ging er zu der Frau hin, fiel vor ihre Füße nieder und bat sie um ihrer Güte willen, die zu ihren Tugenden gehörte, und um ihres Schöpfers willen, dass sie von ihrem Zorn abließe; er wolle alles tun, was sie von ihm verlange. Auf die Bitte reagierte sie überhaupt nicht. Da rief er seine Verwandten hinzu, dass sie ihre Verwandten bitten sollten, und zwar alle bei Gott und beim Tode Gottes, dass sie ihm aus der schweren Lage heraus helfen sollten. Das zu tun, schämten sich seine Verwandten. Mancher fing langsam an, aber einige gab es auch, die es schneller begannen. Schließlich bequemten sich aber alle zu der Bitte und ersuchten ihre Gunst für ihn. Sie sagte: »Ich will dir deine Schuld nicht erlassen, wenn du sie mir nicht büßt.« Er antwortete: »Liebe Frau, ich büße dir. Daran brauchst du überhaupt nicht zu zweifeln.« Sie sagte: »Du musst mir zugestehen, dass ich einen anderen Mann habe, dazu entschließe dich, und du musst mir die Entscheidung überlassen, ihn zu haben, wann immer ich will. Vielleicht wirst du mir soviel Dienst erweisen, dass ich es nicht tue. Dir schien es unmäßig, dass ich nach deinem Tod einen nähme. Jetzt will ich auf keinen einzigen bei deinen Lebzeiten verzichten.« Er sagte: »Jetzt sind wir quitt. Lass doch deinen Zorn. Du kannst dein Ansehen gut verteidigen. Tu alles, was dir gut erscheint.« Da ließ sie ihrer Laune freien Lauf, hob ihn auf und küsste ihn. Da war das Unglück vorbei, dafür dankte er ihnen allen. Er sagte: »Ich habe mit eurer Hilfe eine Sechs gewürfelt, indem ich wieder Wohlwollen errungen habe. Jetzt will ich Hochzeit feiern.« Darüber fingen sie alle an zu lachen, dass ihm solche Schande widerfuhr und er noch Glück darin sah.
Er feierte Hochzeit und behandelte die Frau des Hauses seitdem in jeder Hinsicht so gut, dass sie ihren Unmut vergaß und auf andere Männer verzichtete, solange er lebte. Früher war ihm das viel zu wenig gewesen, jetzt wollte er nichts weiter von ihr. Seit dieser Zeit lebten sie glücklich und hatten keinerlei Streitgkeiten. Er tat alles, was sie wollte. Daraufhin tat sie, was ihre Pflicht war; sie betrübten einander nie. Da er ihr kein Leid zufügte, bereitete auch sie ihm keinen Kummer. So endet die Geschichte.
zitiert nach: Christ: Frauenemanzipation durch solidarisches Handeln (181), S.39-51.

(132) Partnerschaftliches Eheverständnis in der Märe »Der Bildschnitzer von Würzburg« von Hans Rosenplüt (?), 1427/60
Wenn ihr schön still seid und den Mund haltet, will ich euch eine lustige Geschichte erzählen; die handelt von einem klugen Mann, der mancherlei Abenteuerliches erlebte. Er wohnte in Würzburg. Was irgend flog und schwebte, das konnte er malen und schnitzen; er war von scharfem Verstand und ein großer Künstler. Seine Frau war so schön, wie ein Mann es sich nur wünschen kann. Der Dompropst war in sie verliebt und bedrängte sie oft heimlich, sie solle ihn zwischen ihre Knie lassen. Eines Tages wollte sie zur Messe gehen. Da trat ihr der Propst entgegen, grüßte sie liebreich und sagte: »Frau, ich wollte euch reich machen, wenn ich eine Nacht bei euch liegen dürfte. Und könnte ich sicher sein, dass es unter uns bliebe, so wollte ich euch sechzig Schock schenken und Mantel und Rock dazu kaufen.« Die Frau antwortete: »Geduldet euch bis morgen früh. Dann kommt wieder hierher, und ich will euch wissen lassen, ob ich es tun kann, ohne dass mein Mann es merkt.«
Darauf lief die Frau schnell nach Hause. Sie rief ihren Mann zu sich und sprach zu ihm: »Kennst du den Dompropst? Der hat mir ins Ohr geflüstert, er wolle mir sechzig Schock geben und dazu Mantel und Rock kaufen, wenn er eine Nacht bei mir liegen dürfte. Nun gib Rat, wie wir ihn überlisten. Mich dünkt, du solltest fort reisen, damit wir an sein Geld kommen, aber dann bald zurückkehren. Derweil ließe ich ihn zu mir kommen. Nichts Besseres könnten wir uns ausdenken, ihn am Beutel zu schröpfen.« Der Mann antwortete: »Könnten wir den Tölpel hier in unserem Ehebett ausnehmen und zugleich erreichen, dass der widerwärtige Narr künftig darum einen Bogen macht, so wäre das kein schlechtes Geschäft. Lass ihn noch heute in unser Haus kommen.« Und damit reiste der Maler über Land.
Die Frau schickte sogleich ihre Magd zum Propst und ließ ihm sagen, er solle vor dem Essen kommen und auch das Geld nicht vergessen. Der Propst kam eilends, und sie sagte zu ihm: »Gebt mir das Geld und schüttet es in meinen Schoß, dann will ich eure Freude mehren.« Als er sich von seinem Geld getrennt hatte, stieß sie ein Hühnchen an den Bratspieß und legte es hurtig ans Feuer. Dann setzten sie sich zusammen zu Tisch, aßen und tranken und ließen sich's wohl gehen. Der Propst wurde ganz fröhlich und legte der Frau die Speisen selber vor.
Plötzlich aber klopfte der Maler an die Tür, und die Frau schrie auf.- »Mein Mann kommt!« Der Propst rief- »Was tun wir nur, damit ich mit dem Leben davonkomme?« Die Frau beruhigte ihn: »Ich will euch einen guten Rat geben: Zieht sofort all eure Kleider aus, so male ich euch an, gelb und rot, weiß und blau. Dann stellt euch mitten unter die Holzfiguren an der Wand, und mein Mann wird euch nicht erkennen.« Der Propst zog sich aus bis auf die Hose, während der Maler draußen unablässig fluchte, dass die Frau ihn nicht auf der Stelle einließ. Die aber bestrich inzwischen den Propst mit Farbe und stellte ihn in die Reihe der Schnitzfiguren. Dann eilte sie zur Haustür und zog den Riegel zurück.
Der Maler trat ins Haus und sprach: »Gib mir eine Kerze! Ich komme gerade von einem, der sagt, er wolle mir eine Figur abkaufen. Laß sehen, ob ich etwas Passendes habe.« Die Frau brachte ihm geschwind eine Kerze, und der Maler leuchtete damit an der Wand entlang. Als er Kopf und Haar des Propstes erblickte, rief er: »Wahrhaftig, der Geselle, der mir diese Figur geschnitzt hat, sitzt in Ehren an meinem Tisch. Sie ist gemacht, als ob sie lebendig wäre. Ich will ihm seinen Lohn aufbessern.« Jetzt aber ging sein Blick nach unten, und er rief.- »Frau, was ist denn das?« Und indem er auf das Geschirr des Propstes blickte: »Frau, das da hängt aber recht unschicklich. Lang mir ein Beil her, ich werde es abhauen. Die Frauen würden daran Anstoß nehmen.« Die Malerin erwiderte: »Tu es nicht, mein lieber Mann, die Frauen kleben ihr Wachslicht daran.« Trotzdem reichte sie ihrem Mann ein Beil.
Da erschrak der Propst, dass er ganz blass wurde. Er schnellte an der Wand entlang, wobei er wohl zwölf Holzfiguren umwarf, und sprang zur Tür hinaus.
zitiert nach: Fischer: Die schönsten Schwankerzählungen (189), S. 239-241.

(133) Eheverständnis in der Märe »Peter von Staufenberg«, um 1300
Nun war wieder einmal Pfingsten gekommen, und der Ritter wollte von seiner Burg zu Tal in die Messe reiten, wie es sich gehörte. Er schickte seinen Knappen voraus, und als der den Burgweg hinunter geritten war und an die erste Wegkreuzung kam, blieb ihm beinahe der Atem fort, denn da saß auf einem Stein eine so unbeschreiblich schöne Frau, wie er noch nie eine gesehen hatte, und er war mit seinem Ritter doch weit herum gekommen in der Welt. Ihre Gestalt umschloss ein seidenes Gewand, das war blütenweiß, und darein waren Tiergestalten mit goldenen Fäden höchst kunstvoll gestickt.
Es dauerte auch nicht lange, da kam der Staufenberger herab gesprengt, und als er die schöne Frau sah, hielt er sofort sein Pferd an, sprang ab und trat auf sie zu.
»Gott grüß Euch, edle Frau«, sagte er, und sie antwortete freundlich: »Schönen Dank, edler Ritter.«
War er von ihrer Schönheit schon ganz betroffen, so nahm ihm der Klang ihrer Stimme alle Herrschaft über sich selbst. Er wusste nicht mehr, was in der Welt war; er sah nur noch sie, setzte sich zu ihr ins Gras und fragte, ob er sprechen dürfe, was ihn zu sagen dränge. Sie lächelte ihm zu, das dürfe er tun, und nun strömten seine Worte hin: Was er jemals an Schönheit gesehen, es sei vergessen und vor ihr wie nichts - sie sei die schönste Frau, die je über die Erde geschritten wäre, und um sie wie mit Edelsteinen zu schmücken, nannte er sie Himmelsblume und holde Herrin und fand immer neue köstliche Namen; aber dann überfiel ihn die Angst, dass die herrliche Frau hier so mutterseelenallein auf einem Stein am Straßenrande saß, und er fragte:
»Holde Herrin, was tut Ihr hier?«
»Ich warte auf dich«, antwortete sie und fuhr fort zu sprechen: »Seit du zum ersten Male ein Pferd bestiegen hast, bin ich immer um dich gewesen: ich war es, die dich in allen Kämpfen beschützt hat, wenn du mich auch nie erblickt hast oder sonst ein Mensch - nun siehst du mich zum ersten Male von Angesicht!«
Der Ritter küsste ihr die Hände und bat sie flehentlich, doch immer vor seinen Augen sichtbar zu bleiben. Da strich sie ihm leise über das Haar und sagte: »Lieber, du kannst mich zu dir rufen, wann du willst: nur musst du ganz allein sein, und wenn du mich zu dir wünschest, dann bin ich da, und solange ich um dich bin, widerfährt dir kein Leid bis an deinen letzten Tag. Aber eins musst du wissen: du darfst nie heiraten - wenn du das tust, bist du drei Tage danach ein toter Mann.« Was hätte der Staufenberger nicht daran gegeben, um diese Frau zu gewinnen! Es schien ihm unmöglich, je um eine andere Frau zu freien, nachdem er ihr begegnet war, und so gelobte er ihr mit heiligen Eiden, niemals zu heiraten, und sie schieden voneinander, beide glücklich und voller Erwartung. Als er aber wieder auf seiner Burg war, ging er sofort in seine Kammer, riegelte die Tür ab und sprach: wäre sie doch bei mir« - und er hatte die Worte noch nicht zu Ende gesagt, da stand sie schon vor ihm, und beider Seligkeit war unaussprechlich.
So lebten sie nun Jahr um Jahr, und sein heimliches Glück war um den Ritter wie ein strahlendes Licht: nie hatten seine Augen so geleuchtet, nie war sein Gang so leicht gewesen, noch er so heiter.
Nun kam die Zeit, dass der neu gewählte Kaiser in Frankfurt gekrönt werden sollte, und Fürsten und Grafen und Herren, Geistliche und Laien zogen zur Krönung in die Stadt am Main, um dem neuen Kaiser alle Ehren zu erweisen. Auch der Staufenberger brach dahin auf und nahm dreißig seiner Leute mit, die er prächtig ausstattete. Er selbst sah so schmuck und schön aus wie stets, und als er an der Spitze seiner Schar in die Stadt ritt, winkte ihm alles zu, und als er auf den Römerberg geritten kam, stand der Kaiser gerade am Fenster und fragte, wer der stattliche Ritter sei. Die Hofleute nannten ihm den Namen, und der Kaiser merkte ihn sich wohl. Als er dann zum Turnier kam, fiel ihm der Staufenberger wieder auf. wer auch mit dem Ritter kämpfte, den stach er ab, doch dabei schonte er seine Gegner ritterlich, dass keinem ein Leid geschah.
Die Trompeten bliesen, dem Staufenberger wurde der Preis zuerkannt, und als er sein Knie vor der Kaiserin gebeugt hatte, um ihn zu empfangen, hob ihn der Kaiser selbst auf und redete ihn an.
»Ehre, dem Ehre gebührt«, sagte er, »und einem edlen Ritter gehört eine edle Frau! Man sagt mir, Ihr seid unbeweibt: meiner Schwester Tochter ist ein schönes Kind, lieblich von Gestalt und blühend jung in ihren achtzehn Jahren. Das Land Kärnten bringt sie ihrem Freier mit, denn ihre Eltern sind tot, und ich gebe noch einmal soviel dazu: da schlagt Ihr Euerm Kaiser die Hand wohl nicht ab, wenn er als Werber für sie zu Euch kommt?«
Der Ritter wurde totenbleich, und ihm erstarb jedes Wort im Munde.
Da wurden die Fürsten, die des Kaisers Rede gehört hatten, sehr unwillig und fragten, ob er denn den Kaiser auf seine großmütige Frage keiner Antwort würdigen wolle - und auch den Kaiser verstimmte das Schweigen.
»Vielleicht denkt Ihr, ich scherzte?« fragte er. »Aber es ist mir Ernst, und mancher Herzog würde sich nicht lange besinnen wie Ihr!«
Da nahm der Ritter all seine Sinne zusammen und bat den Herrscher um Verzeihung, wenn er so mit der Antwort gezögert hätte - aber die Dame wäre aus königlichem Geblüt und er ihr nicht ebenbürtig: so gebühre es ihm nicht, sie heimzuführen.
Der Kaiser erwiderte mit Lachen, das solle seine Sorge nicht sein - wenn er es wolle, dann heirate die Kleine einen Knecht. Doch man sah, dass dem Staufenberger bei der Sache nicht wohl war, und so fragte ihn ein Bischof, ob er dann etwa schon versprochen sei oder gar vermählt? Da entsann er sich, dass ihm seine heimliche Gemahlin ja nicht verboten habe, von ihr zu sprechen, und er sagte: »Allergnädigster Kaiser und König - ja, ich bin vermählt, und die schönste Frau, die je über die Erde schritt, nenn' ich mein eigen!«
Da lärmten die Herren und riefen, er müsse sie ihnen zeigen - als er ihnen aber antwortete, sie ließe sich nur vor ihm allein sehen, wurde es totenstill im Saal, alles sah sich bedenklich an, und nach einer langen Pause sagte der Erzbischof von Köln: »Herr Ritter, das ist kein rechtes Weib - das kostet Euch Eurer Seele Seligkeit - das ist der Teufel, der Euch in der Gestalt einer schönen Frau verdirbt!«
Alle redeten auf ihn ein und machten ihn so verwirrt, dass er ihnen glaubte. Er schwur, sich von der unheimlichen Schönen zu scheiden und dem- Kaiser zu willfahren, und der lud sich selbst zur Hochzeit auf der Ortenauer Burg ein.
Es waren acht Tage vergangen, und in seiner Unruh und bangen Furcht hatte sich der Staufenberger dahin gebracht, mit keinem Gedanken an die Geliebte zu denken, war auch immer Tag und Nacht in Gesellschaft geblieben, so dass er nie allein war und sie nicht zu sich wünschen konnte. Als er aber wieder in seine Burg kam und das Gemach betrat, in dem er so glücklich mit ihr gewesen war, da konnte er es nicht länger ertragen, und er beschwor sie.
Wieder war sie sogleich bei ihm, doch sie sah unendlich traurig aus und sagte: »Ach, herzgeliebter Mann, was hast du getan? Wenn du mir dein Gelübde gehalten hättest, so wäre ich bei dir geblieben und wie ein natürliches Weib gestorben, und auch meine Seele wäre gewiß zur ewigen Freude gekommen. Aber nun lebst du nur bis zum dritten Tag, und mein Herz wird nicht wieder gesund!«
Da war er ganz verzweifelt und wollte sie umarmen und ihr sagen, dass er nie und nimmer mehr heiraten werde - aber schon war sie in Luft zerflossen, und in dem Augenblick blies der Türmer, und alles lief zusammen, denn der Kaiser hielt seinen Einzug, und in seinem Gefolge betrat die junge Braut den Burghof.
Und der Ritter ließ alles geschehen, was geschah; er sah der Braut ins Gesicht und küsste das liebliche Mädchen, er ging mit ihr in die Kirche und ließ sich trauen, er saß mit ihr beim Hochzeitsmahle - aber da mit einem Male erscholl ein Ton, wie ihn noch keiner jemals vernommen hatte, ein wehes Seufzen, als ob eine bange Seele verscheide, die Tafel spaltete sich, und aus dem Riss wuchs ein Bein heraus, vom Knie bis zum Fuß, weißer als Elfenbein und schöner als es irgendein Maler gemalt hat, und es schritt über die lange Tafel gerade auf den Hochzeiter zu.
Der Ritter schrie auf, und da war die Erscheinung verschwunden. »Ihr habt mich verderbt!« rief er verzweifelt. »Oh, hätte ich ihr mein Wort gehalten! Ich hätte sie erlöst...«
Da sprangen alle vom Tische auf und flohen, denn sie dachten, die Hölle würde sich öffnen und sie verschlingen. Nur seine Braut blieb bei ihm und legte leise ihre Hand auf die seine. Jetzt waren sie ganz allein im Saal.
»Schöne Braut«, sprach er, »wie ist es mir leid, dass Ihr einem Sterbenden angetraut seid. Ihr verdient ein anderes Los!«
»Ach Peter«, antwortete sie, »es ist mir mehr leid um dich« - und sie ging die drei Tage nicht von ihm, denn er verfiel von Stunde zu Stunde. Unaufhaltsam siechte er hin, aber langsam, ganz langsam, und genau drei Tage, nachdem der Priester seine Hand in die der Braut gelegt hatte, verschied er.
Als er begraben war, huldigten alle der jungen Frau als ihrer Herrin, aber sie nahm den Schleier und ging ins Kloster, um ihr Leben lang für seine Seele zu beten.
zitiert nach: Kranz: Die deutschen Volksbücher (220), S. 149-156.

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