Südafrika

Schwarze Frauen im Widerstand*

  • (* Zuerst erschienen in: Südafrika. Geschichte, Wirtschaft, Kultur, Widerstand. Hg.: Arbeitskreis Afrika (AKAFRIK), Azania-Koordination für Projekte, Kultur und Bildung e.V. (AZAKO), informationszentrum 3. weit (iz3w); gekürzt. Bestellung: iz3w, Postfach 5328, Kronenstr.16, 7800 Freiburg.)

Apartheid in all ihrer Brutalität trifft die schwarze Frau am schlimmsten, weil sie unter mannigfaltigen Formen der Ausbeutung noch stärker als die Mehrheit der schwarzen Männer leidet. Ihre Beteiligung im Widerstandskampf gegen eine ungelöste Kolonialfrage und das kapitalistische Apartheidsystem ist daher vielfältig. In erster Linie setzt sich die schwarze Frau zur Wehr, weil sie sich als Glied jener großen enteigneten Masse von Schwarzen versteht, deren billige Arbeitskraft in Fabriken, Minen, Plantagen und Farmen enorme Profite für die weißen Besitzer und die in der südafrikanischen Wirtschaft dominierenden transnationalen Konzerne erwirtschaftet. In dieser Hinsicht führt sie den gleichen Kampf wie der schwarze Mann. Jedoch innerhalb dieses allgemeinen und umfassenden Kampfes für wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Befreiung hat ihr Widerstand eine spezielle Ausprägung. Denn während das Schicksal des schwarzen Mannes durch Ausbeutung auf dem Arbeitsmarkt gekennzeichnet ist, wird die schwarze Frau faktisch aus dem Produktionsprozeß gedrängt und zur Reproduktion billiger Arbeitskraft und deren alleiniger Erzieherin degradiert, wobei sie — in den verarmten Reservaten — auf das angewiesen ist, was von den kleinen Einkommen ihrer männlichen Verwandten übrigbleibt. Wo sie in den Arbeitsmarkt eindringt, wird sie nicht nur Opfer der Klassenausbeutung. Der Kapitalismus hat die Formen sexueller Ungleichheit aus der vorkolonialen afrikanischen Gesellschaft: Erbschaftsregelung, Besitzrechtsunterschiede, vorurteilsbehaftete sexuelle Normen und Werte, übernommen. Er hat sie umgestaltet, erweitert und in neuen Mythen verfeinert, die sich seinen allumfassenden, ausbeuterischen und entfremdenden Zielen nicht nur anpassen, sondern als Rechtfertigung für eben diese Ziele stehen. Die schwarze Frau kämpft für Befreiung von der niedrigsten Stufe in einer rassistischen, patriarchalischen Klassengesellschaft, die den weißen Mann an die Spitze der Hierarchie, die weiße Frau an die zweite, den schwarzen Mann an die dritte und die schwarze Frau an die allerletzte Stelle verwiesen hat.
Auf einer anderen Ebene muß sich die schwarze Frau gegen das chauvinistische Denken und Verhalten des schwarzen Mannes wehren, der ja ihr Bruder und Genosse ist. Nachdem der schwarze Mann seine traditionelle gesellschaftliche Führungsposition durch koloniale Enteignung verlor, kann er sich nur noch als Familien- und Clanoberhaupt behaupten. Bewußt oder unbewußt hat er daher Interesse an der Aufrechterhaltung der Traditionen, die die Männer begünstigen. Er trägt dazu bei, daß die soziale Ungleichheit zwischen Männern und Frauen andauert, weil sie seine privilegierte Stellung und den Mythos seiner Überlegenheit über die schwarze Frau stützt.
Diese dreifache Unterdrückung in einer von Profitmaximierung und Kategorien der Hautfarbe bestimmten Welt verleiht dem Kampf schwarzer Frauen für ihre Emanzipation eine Sonderstellung, die nicht identisch ist mit der gesellschaftlichen Stellung der Feministinnen im Westen. Während die schwarzen Frauen die Verwirklichung ihres Frauseins eng verbunden und sogar abhängig vom Fortschritt und den Errungenschaften der Schwarzen überhaupt sehen, konzentrieren sich die Frauen im Westen hauptsächlich auf Sexismus in einer von Männern beherrschten Gesellschaft. Aber verlangen die schwarzen Frauen etwa nicht dieselben Verbesserungen, die die Mehrheit der weißen Frauen schon lange genießt?
Dies mag unfreundlich klingen, aber echte Solidarität zwischen schwarzen und weißen Frauen gegen Unterdrückung kann sich nur auf der Basis einer realistischen Einschätzung der Situation als auch des Kampfes der Frauen in der Dritten Welt im allgemeinen entwickeln. In Südafrika sind Versprechungen im Hinblick auf Frauenrechte bedeutungslos, solange Schwarze als enteignete, kolonisierte und entmenschlichte Völker leben. Die koloniale Enteignung der afrikanischen Völker insgesamt sowie die jetzige Ausbeutung der schwarzen Männer und Frauen auf dem Arbeitsmarkt verlangt eine enge Allianz der Unterdrückten, unabhängig vom Geschlecht. Viele westliche Feministinnen wollen dies nicht anerkennen. Sie gehen von der berechtigten Wunschvorstellung aus, daß alle Frauen der Welt den Kampf gegen das Patriarchat gemeinsam aufnehmen sollten. Wo aber Wünsche mit der Realität verwechselt werden, entsteht eine falsche Ausgangsbasis und nutzlose Strategiediskussionen beginnen. Analysen und Diskussionen in Europa über die Lage der Frauen in der »Dritten Welt« sind oft irreführend. Ein Beispiel ist die Schlagzeile »Frauen gegen weiße Herren« in der Emma vom Oktober 1985, die den Eindruck vermittelt, der Hauptwiderspruch in dieser rassistischen Gesellschaft widerspiegele sich im Kampf der Frauen gegen das Patriarchat, insbesondere gegen weiße Männer.[1] Die Mehrheit der weißen Frauen in Südafrika will überhaupt nichts über die Lage der schwarzen Frauen wissen, weil sie als Teil jener superreichen Bourgeoisie einen der höchsten Lebensstandards in der Welt genießen — auf Kosten des Schweißes und Blutes der schwarzen Bevölkerung. Sie verlangen von den schwarzen Frauen, »Madams« genannt zu werden. Sie stellen schwarze Frauen ein, um sie für sich kochen, putzen, waschen und ihre Kinder pflegen zu lassen, zu Löhnen unter dem Existenzminimum. Sie üben eine direkte Person-zu-Person- und Herrin-zu-Dienerin-Kontrolle über das Leben und Schicksal der Mehrheit der beschäftigten schwarzen Frauen aus.
Nicht nur Hausangestellte werden mit Füßen getreten. Im Baragwanath Krankenhaus, dem einzigen für Schwarze in Soweto, traten die Arbeiterinnen in den letzten Jahren wiederholt in den Streik. Da wurden qualifizierte schwarze Krankenschwestern von weißen Schwestern mit höherem Dienstgrad böswillig behandelt. Über Jahrzehnte waren viele weiße Arbeiterinnen bereitwillige und aktive Mitglieder jener ausschließlich weißen Gewerkschaftsorganisationen, deren Hauptaktivität darin bestand, schwarze Frauen und Männer außer Konkurrenz zu halten, indem sie eifrig auf die Einhaltung der Apartheidsgesetze achteten, die die besseren Arbeitsplätze den Weißen vorbehalten (jobreservation). Angesichts des wachsenden Widerstands haben tausende von weißen Frauen freiwillig am sogenannten militärischen Verteidigungsunterricht teilgenommen, den die Regierung der weißen Zivilbevölkerung erteilt. Sie bereiten sich darauf vor,, ihre Privilegien als Weiße mit der Waffe zu verteidigen, schwarze Frauen, Kinder, Schülerinnen und Männer zu erschießen, wie es Soldaten und Polizisten schon jetzt täglich tun.
Es gibt weiße Frauen in Südafrika, deren Beitrag und Hingabe im Kampf gegen das Apartheidsystem Anerkennung verdient. Ich denke dabei an Frauen wie Helen Joseph, Sheena Duncan, Ruth First (Film: Zwei Welten) und Ruth Weiß. Sie blieben bis heute eine winzig kleine Minorität. Aber die Anzahl der Weißen, die sich dem Anti-Apartheid-Kampf anschließen, steigt. Ein Bespiel dafür ist die Bewegung der »Women against War«. Anfang 1989 protestierten über 500 weiße Frauen mit der Parole »Give them a choice!« gegen die Zwangsrekrutierung ihrer Söhne in der südafrikanischen Armee.

Die gegenwärtige Situation der schwarzen Frauen

Infolge der unmenschlichen »Homeland«-Politik des weißen Regimes und der damit verbundenen Wanderarbeit leben nur 15% der schwarzen Männer ständig mit ihren Familien zusammen. So besteht die Bevölkerung der »Homelands« aus alten Männern, Frauen und Kindern. Die Wanderarbeitsverträge sind ca. ein Jahr lang gültig, danach müssen die Arbeiter nach Hause gehen. Dann helfen sie beim Pflügen, suchen neue Arbeit, sorgen dafür, daß ihre Ehefrauen schwanger werden und kehren an ihre Arbeitsstelle zurück. Dieser Kreislauf wiederholt sich, bis die Männer alt sind. 80% der 30-49jährigen »Homeland«-Bewohner sind Frauen. Sie sind von dem Geld abhängig, das ihre Ehemänner von ihren extrem niedrigen Löhnen nach Hause schicken. Die Landparzellen in den »Homelands« sind meist zu klein, um die Familie zu versorgen. Das erzwungene Alleinsein treibt viele Ehemänner in neue sexuelle Beziehungen — dann müssen die niedrigen Löhne für zwei Haushalte reichen.
Die Ehefrauen der Wanderarbeiter erziehen die Kinder allein und müssen trotz traditioneller Arbeitsteilung und damit verknüpfter Tabus Männerarbeiten wie die Viehzucht übernehmen. Außerdem müssen sie den alltäglichen Frauenpflichten nachgehen: kochen, waschen, putzen, von weither Wasser und Brennholz holen. Niemand erkennt ihren Beitrag und ihre Anstrengungen an. Statt dessen degradieren die Apartheidgesetze sie lebenslang zu Minderjährigen, die unter permanenter Vorherrschaft ihrer Männer, Väter und sogar Söhne stehen. Sie haben z.B. keinen Anspruch auf Landbesitz, es sei denn, daß die Männer in der Familie dies gestatten. Für sämtliche offiziellen Anträge, z.B. für einen Paß oder einen Arbeitsvertrag, wird die Genehmigung eines Mannes verlangt (vgl. Khuzwayo 1985).
Heute noch werden Schwarze von fruchtbarem Land oder stadtnahen Gebieten vertrieben, um Raum für weiße Siedlungen zu schaffen. Sie werden in trockene, entfernte Landesteile deportiert, wo jede Infrastruktur fehlt: fließendes Wasser, richtige Behausung, Schulen und Arbeitsmöglichkeiten. In Abwesenheit ihrer Männer müssen die Frauen zusehen, wie ihre Häuser niedergewalzt werden, und die mit der Zwangsumsiedlung verbundene Brutalität der Polizei erleiden. Es ist daher kein Wunder, daß schwarze Frauen am konsequentesten gegen die Zwangsumsiedlungen Widerstand geleistet haben. Sie errichteten Siedlungen an selbstgewählten Orten, z.B. Crossroads in der Nähe von Kapstadt, ungeachtet der Drohungen von seiten der schießfreudigen Polizei (vgl. Filme: »Weint nicht, wenn sie unsere Hütten abreißen« von Betty Wolpe, Joyce Seroke, Ellen Khuzwayo; und »Aus der Trauer erwachen«). Um das Haushaltsgeld aufzubessern, suchen manche Frauen Arbeitsmöglichkeiten als Tagelöhnerinnen oder Saisonarbeiterinnen auf Farmen von Weißen, die in der Nähe der »Homelands«, den sogenannten »Grenzindustrien« liegen. Farmarbeiterinnen sind die am meisten Ausgebeuteten mit solch niedrigen Löhnen wie 20 Rand pro Monat (20 DM).
Immer mehr Frauen ziehen in die Städte. Über eine Million schwarze Frauen arbeiten als Hausangestellte, nach den Farmarbeiterinnen die am stärksten ausgebeutete Gruppe. Ihre Löhne und Arbeitszeiten sind nicht festgelegt, die Arbeit der Hausangestellten wird in den Arbeitsgesetzen nicht als Lohnarbeit berücksichtigt. Die Arbeitszeit beträgt in den ländlichen Gebieten im Durchschnitt 73 Stunden, in der Stadt meist über 48 Stunden pro Woche, bei einem durchschnittlichen Lohn von 100 Rand. Viele verdienen weniger, in den ländlichen Kleinstädten und auf den Farmen bis zu 30 Rand im Monat (vgl. SPEAK1987). Zur Zeit wird das Existenzminimum für eine sechsköpfige Familie auf 300 Rand geschätzt, und häufig sind die Hausangestellten die einzigen, die in ihren Familien verdienen. Meistens wohnen sie in Quartieren und Heimen für Dienstpersonal. Dort dürfen Ehemänner und Kinder nicht mitwohnen. So werden Hausangestellte gezwungen, ihre Kinder bei Verwandten in den »Homelands« zu lassen, während sie die weißen Kinder versorgen — jene Kinder, die schon vor dem 10. Lebensjahr begreifen, daß sie »Masters« und »Madams« der Schwarzen sind (vgl. ebd.).
Für qualifizierte Tätigkeiten werden Frauen nur dann eingestellt, wenn sich daraus keine Konkurrenz für weiße Frauen ergibt. Sie arbeiten vor allem als Krankenschwestern und Lehrerinnen. Neuerdings sind viele Frauen in der Verwaltung der »Homelands« als Sekretärinnen tätig. In der Industrie beschränkt sich die Beschäftigung von schwarzen Frauen auf Bereiche wie Textil-, Bekleidungs- und Nahrungsmittelsektor. Ihre Löhne sind immer niedriger als die der schwarzen Männer und betragen ca. 10% der Löhne der weißen Männer, unter 300 Rand.
Ein großes Problem für schwarze Frauen ist das Fehlen eines angemessenen gesetzlichen Mutterschutzes. Es gibt kein Gesetz, das schwangere Frauen vor Arbeitsplatzverlust schützt. Aus Angst treiben Frauen ab oder schnüren ihren Bauch, um die Schwangerschaft zu verbergen — was häufig zu Fehlgeburten führt. Ein Problem für viele Mütter — oft alleinstehend in den Townships — ist die Eskalation staatlicher Gewalt seit der Verhängung des Ausnahmezustands 1985. Kinder unter 16 Jahren werden verhaftet. Der Elternausschuß für die Unterstützung von Gefangenen (DPSC) legte in der Kampagne zur Befreiung der Kinder aus den Gefängnissen Beweise (u.a. Filmmaterial) vor, daß die Kinder körperlich mißhandelt und gefoltert werden. Viele Mütter können nachts aus Sorge um ihre verschwundenen Kinder, die sie zu Recht in den Händen der schießfreudigen Polizei vermuten, nicht schlafen.

Widerstand

Frauen, die sich dem Widerstandskampf verpflichten, sind oft die mutigeren, wohl weil sie der am meisten unterdrückte Teil der Bevölkerung sind; sie haben mehr zu gewinnen und weniger zu verlieren. Im Laufe der Jahrhunderte wuchs und verstärkte sich der organisierte Widerstand, die Frauen beteiligten sich an der Gründung der nationalen Befreiungsbewegung, des ANC, im Jahre 1912. Weil sie im allgemeinen von den kolonialen formalen und höheren Ausbildungswegen ausgeschlossen wurden, aber auch wegen der patriarchalisch geprägten Einstellung ihrer eigenen Männer, konnten sie keine einflußreichen Führungspositionen übernehmen. Trotzdem hörten sie nicht auf sich zusammenzuschließen, um gegen die sie diskriminierenden Gesetze zu kämpfen:
1913 bekämpften schwarze Frauen entschlossen die Einführung eines Gesetzes, das die Ausweispflicht für Frauen vorsah. Der Staat wollte die Bewegungsfreiheit der schwarzen Frauen in den Industriegebieten einschränken. An einem Tag marschierten 600 Frauen in einer Stadt im Orange Free State zur Stadtverwaltung und übergaben einen Sack voller Paßdokumente. Viele von ihnen wurden verhaftet und zu vielen Jahren Gefängnis verurteilt. Der Staat ließ die Ausweispflicht zunächst fallen. Ihr Protest fand große Beachtung und Anerkennung seitens ihrer Männer, wie die Erklärung der »African People's Organization« zeigt: »Damals mußten wir Männer, das angeblich starke Geschlecht, beschämt die Köpfe senken, und wir wurden nachdenklich angesichts des heroischen Widerstands der Töchter Afrikas.« Nach diesem Ereignis erkannten die Frauen die Notwendigkeit, sich in Frauenorganisationen auf nationaler Ebene zu organisieren, um sich gegen rassistische und frauenfeindliche Gesetze zu wehren. Im Laufe der Zeit wuchsen ihre Anzahl und Aktivitäten ständig.
Anfang der 50er Jahre beteiligten sich tausende von Schwarzen an der Protestkampagne (Defiance Campaign) gegen die Apartheidgesetze. Die Frauen erwiesen sich dabei als kampferprobt. So z.B. in der Ostkap-Provinz, wo sie sich mit Stöcken in der Hand an Bushaltestellen aufstellten, um Männer zur Ordnung zu rufen, die sich dem Busboykott nicht anschließen und mit dem Bus zur Arbeit fahren wollten.
Der Höhepunkt des Widerstands in dieser Phase war die zweite Kampagne gegen die Paßpflicht 1955/56. Die Regierung Strijdom wollte die ungleiche Landverteilung durch »Homelands« zementieren und beschloß die endgültige Einführung der Paßpflicht für Frauen, um ihren Zuzug in die städtischen Gebiete einzuschränken. Ein gut in Erinnerung bleibendes Ereignis ist die Frauendemonstration vom 9. August 1956. 20000 Frauen aus dem ganzen Land versammelten sich in Pretoria und marschierten zu den Union Buildings, dem Kabinettssitz, jenem Platz also, den Schwarze nur betreten durften, um dort die dreckigsten Arbeiten zu verrichten. Während die Frauen draußen warteten, stürmte ihre Delegation, angeführt von der verstorbenen Vorsitzenden der ANC-Frauenliga Lilian Ngoyi, das Amphitheater. Der Premierminister lehnte es ab, die Frauen zu empfangen. Der kämpferische Geist der Frauen fand seinen Ausdruck in einer Rede von Lilian Ngoyi und in einem Widerstandslied. Danach standen die Frauen schweigend mit geballten Fäusten dreißig Minuten lang, anschließend sangen sie die afrikanische Nationalhymne, bevor sie triumphierend zurückmarschierten.
Das »Paßgesetz« wurde erlassen, aber die schwarzen Frauen verloren nicht den Mut. Unterstützt von einigen weißen Frauen wie Helen Joseph hatten sie die Herausforderung angenommen. Die folgenden Jahre waren durch zahlreiche Protestaktionen gekennzeichnet, wobei die Frauen wiederholt ihre Pässe öffentlich verbrannten und damit eine sichere Verhaftung in Kauf nahmen. Das Massaker von Sharpeville im Jahre 1960 bei einer friedlichen Demonstration gegen Apartheid markierte das Ende der Ära des passiven Widerstands. Unter den 69 Menschen, die an diesem Tag von der Polizei ermordet wurden, waren auch Frauen. Es folgte eine Verhaftungswelle von schwarzen Widerstandsführern und Aktivisten, das Verbot von ANC und PAC trieb Tausende schwarzer Männer und Frauen ins Exil.
Ab Ende der 60er Jahre im Zuge der Entwicklung der Black Consciousness Movement übernahmen Frauen die Strategie der Mobilisierung und Politisierung der Bevölkerung durch einzelne konkrete Kampagnen, durch Selbsthilfeprojekte, was heute zu einer der charakteristischen Kampfmethoden geworden ist. So wurden die Frauen im Alphabetisierungsprogramm für Erwachsene aktiv. Außerdem mobilisierten sie die Bevölkerung zu einer Reihe von Aktivitäten wie Gesundheitsvorsorge, Ernährung, Kampf gegen steigende Nahrungsmittelpreise und Wohnungsmieten und Betreuung von Familien der Gefangenen. In den Gebieten der Zwangsumsiedlung unterstützten sie den Widerstandskampf von Familien und Gemeinden. Alle Projekte wurden als Kollektive bzw. Kooperativen organisiert, um nicht-hierarchische Organisationsformen, demokratische Entscheidungsprozesse sowie organisatorische Fähigkeiten der Beteiligten zu fördern. Es ging um die Verwirklichung des Prinzips des Vertrauens auf die eigene Kraft sowie die Schaffung von psychologischen Voraussetzungen für einen intensiven langfristigen Kampf.
Ein Beispiel für diese Art von Projekten ist die Zanempilo Gemeinschaftsklinik in der Nähe von Kingwilliamstown. Die Klinik diente sowohl als Bildungszentrum für Gesundheitsarbeiter wie auch als Frauenklinik vor allem für Frauen auf dem Lande. Sie wurde von der schwarzen Ärztin Mamphela Ramphele geleitet, schwarze Krankenschwestern wirkten auf freiwilliger Basis mit. Man muß vielleicht eine schwarze Unterdrückte sein, um die Bedeutung eines solchen Projekts ausreichend bewerten zu können, zu erleben, wie ein solches Projekt gerade in den Händen derjenigen Menschen funktioniert, die jahrhundertelang als faul, dumm und unfähig beschimpft worden sind. Solche Projekte mit sinnlich erfahrbarem Erfolg tragen zur Erkenntnis der eigenen Fähigkeiten und Kräfte viel mehr bei als hundert Reden.
Als das Regime von Vorster den Erfolg und vor allem die bewußtseinsfördernde Wirkung der Klinik erkannte, wurde die Ärztin in eine weit entfernt gelegene Stadt verbannt. Aber am Ort ihrer Verbannung gründete sie ein anderes Projekt, das »Ithuseng Community Health Centre«. Heute sind zu diesem Projekt noch ein Gartenbauprojekt, ein Frauenclub, eine Ziegelfabrik, Gemeinschaftsgärten und eine kleine Bibliothek zur Unterstützung des Erwachsenenbildungsprogramms hinzugekommen. Mamphele Ramphele ist heute an der Universität Kapstadt tätig.
Im Jahre 1975 trafen sich 250 Frauen in Durban und gründeten die »Black Women's Federation«. Sie gelobten:

  1. die Stellung der schwarzen Frauen zu heben und die Gleichstellung der Rassen und der Geschlechter zu erkämpfen;
  2. sich mit der breiten Masse der Frauen zu identifizieren, ihr politisches Bewußtsein zu heben und damit zur Politisierung der Nation beizutragen.

Es ist das Verdienst der BWF, daß nicht nur Frauen verschiedener Schichten sowie politischer und ideologischer Hintergründe zusammengekommen sind, sondern auch die sogenannten farbigen, indischen und afrikanischen Frauen sich im Kampf näherkamen. Obwohl die Black Consciousness Movement 1977 verboten wurde, hat sich die Strategie der Massenmobilisierung durch einzelne konkrete Kampagnen in allen ernstzunehmenden politischen Organisationen in Südafrika durchgesetzt.
Um auf allen Ebenen ihren Willen geltend zu machen, ziehen es die schwarzen Frauen heute vor, sich in Frauenverbänden zu organisieren, die sich in die Befreiungsbewegungen eingliedern oder mehr oder minder selbständig bleiben. Sie verstehen ihre Organisationen als Forum, wo sie gemeinsam über ihre Erfahrungen der dreifachen Unterdrückung reflektieren. Gleichzeitig wollen sie darauf achten, daß die Befreiungsbewegungen nach ihren Grundsätzen handeln: Beseitigung aller Ausbeutungs- und Unterdrückungsformen.

Frauen in der Gewerkschaftsbewegung
Seitdem die Botha-Regierung Anfang der 80er Jahre die gewerkschaftliche Organisierung für Schwarze eingeschränkt zuließ, ist die schwarze Gewerkschaftsbewegung stark angewachsen. Ihre Aktivitäten umfassen alle Angelegenheiten, die die schwarzen Gemeinden betreffen: Gefangene, Lebensmittelpreise, Transport, Konsumentenboykotte, Wohnungen und Mieten, Arbeitslosigkeit, Erziehungskrise, Erholung und Frauenrechte. Arbeiterinnen haben die Gelegenheit genutzt und sind in die Gewerkschaften eingetreten, wo sie sich u.a. auf die besondere Lage der Frauen und die Forderungen der Arbeiterinnen konzentrieren. In diesem Zusammenhang soll ihre Forderung nach der Gründung von Frauengruppen in den Gewerkschaften verstanden werden. In den Verhandlungen mit den Betriebsleitern fordern sie Mutterschaftsurlaub und soziale Leistungen, gleichen Lohn, gleiche Beschäftigungsmöglichkeiten, Arbeitszeitregelungen, Schaffung neuer Arbeitsstellen für Frauen und Kinderfürsorge. Dazu kommt der Kampf gegen Zwangsüberstunden, sexuelle Belästigung, für Erholungsmöglichkeiten, Jugendzentren und Darlehensmöglichkeiten. Obwohl die Arbeitgeber sich dieser neuen kämpferischen Gewerkschaftsbewegung widersetzen, können die Gewerkschaften sich einiger Erfolge rühmen.
Die Chemical Workers Union z.B. hat die Firma NCS Plastics 1983 dazu gebracht, einem dreimonatigen Mutterschaftsurlaub bei Fortzahlung eines Drittels des Lohns zuzustimmen, der mit Arbeitslosengeld ergänzt werden soll. Bei der Antragstellung sollen die Arbeitgeber behilflich sein. Solche Zugeständnisse seitens der Arbeitgeber sind minimal. Die Frauen haben jedoch erreicht, die Diskussion über ihre besondere Lage, z.B. den Mutterschaftsurlaub auf die Tagesordnung jeder schwarzen Gewerkschaft zu bringen. Durch ihren mutigen Einsatz ziehen sie mehr und mehr Aufmerksamkeit auf sich. Als Ergebnis einer großen Frauenkonferenz, die 1988 von der National Union of Metal-workers (NUMSA) einberufen wurde, beabsichtigt diese Gewerkschaft in ihren Lohnverhandlungen für 1989 die frauenspezifischen Forderungen stark einzubeziehen. Im August 1988 feierte zum ersten Mal eine Gewerkschaft (CCAWUSA) den nationalen »Tag der Frau«. Auf dem Jahreskongreß 1988 der NACTU (National Congress of Trade Unions), die seit 1982 eine aktive Frauensektion hat, wurde infolge der Kritik über das Fehlen von Frauen in der Gewerkschaftsführung Patricia de Lille als stellvertretende Vorsitzende gewählt.

Gewerkschaften für Hausangestellte
Obwohl die Regierung die Gewerkschaften für Hausangestellte bis jetzt nicht zugelassen hat, kam es auf Initiative der Betroffenen zur Gründung eigener regionaler Gewerkschaften. Der gegenwärtige Kampf konzentriert sich auf die elementare Forderung nach einem Arbeitsgesetz für die Hausangestellten, ohne das die Aktionsmöglichkeiten ihrer Gewerkschaften beschränkt sind. Es gibt Anzeichen dafür, daß die Gewerkschaften dazu beigetragen haben, den Hausangestellten den Wert ihrer Arbeit bewußt zu machen, und daß sie ihnen helfen, ihre Interessen zu formulieren und wahrzunehmen. Die Gewerkschaften bieten Alphabetisierungs- und Weiterbildungskurse für Frauen an. Aus neu erwachsendem Selbstbewußtsein heraus riefen Hunderte von Hausangestellten auf ihrer ersten nationalen Versammlung: »We are Cinderellas no more«.
Die Organisierung von Hausangestellten ist schwierig, weil sie in ihrer Arbeitssituation isoliert sind oder allenfalls in sehr kleinen Gruppen zusammenarbeiten, wodurch sie sich gegenüber ihren »Madams« in einer äußerst schlechten Verhandlungsposition befinden. Trotzdem sind die Gewerkschaften schnell angewachsen, und im November 1986 haben sich regionale Verbände zu einer nationalen Einheit der Gewerkschaft für Hausangestellte SADWU (South African Domestic Workers Union) zusammengetan. Bei der Gründung wurden folgende Forderungen gestellt: Minimallohn von 200 Rand monatlich plus Verpflegung und Transportkosten, 8-Stunden-Tag, 5-Tage-Woche sowie bezahlte Überstunden; Abschaffung von Kinderarbeit, Mutterschaftsrechte für alle, 14 Tage Krankheitsurlaub im Jahr, 21 Tage Jahresurlaub, monatliche Kündigungsfrist; Einhaltung von Feiertagen oder deren Bezahlung als Überstunden, Lohnkarten, aus denen die Arbeitsstunden und Reduzierungen ersichtlich sind.

Frauenorganisationen

Im folgenden werden einige Frauenorganisationen kurz beschrieben, die zur Zeit in Südafrika arbeiten und sich als progressiver Teil der Demokratischen Front verstehen. Innerhalb der United Democratic Front (UDF) sind die Frauen regional organisiert, so z.B. die Federation of Transvaal Women, Border Women's Congress, Western Cape United Women's Congress, Port Elizabeth Women's Congress. Hauptaktivitäten sind Kampagnen gegen Preiserhöhungen bei Mieten und Nahrungsmitteln, Betreuung von Familien der Gefangenen, Unterstützung von Landbesetzungen, Seminare für Frauen sowie Projekte zur Verbesserung der materiellen Situation der Frauen. Die neue Tendenz ist: weg von den kleinen Projekten hin zur Gründung von kooperativ geführten Fabriken, damit Frauen die Möglichkeit bekommen, Fertigkeiten im Bereich Technik, Herstellung, Marketing und Management zu erwerben. Diese regionalen Verbände streben die Gründung eines nationalen Kongresses der UDF-Frauen an.
Die Imbeleko Women's Organization wurde geplant als nationale Organisation mit Zweigen in allen Provinzen und operiert zur Zeit im Transvaal. Die Gruppe bevorzugt, ganze Gemeinschaften in Projekte einzubeziehen, die politisches Selbstbewußtsein, Selbstbestimmung und Selbstentwicklung fordern. Die Gemeinschaft identifiziert ihre Probleme und schlägt Lösungen vor. Die Frauengruppe stellt ihre Mittel und ihr Know-how zur Verfügung und bildet Frauen in traditionellen »Männergebieten« wie z.B. Polsterei, Tischlerei, Musterzeichnung aus.
People Opposing Women's Abuse (POWA): Mit Zunahme der Staatsgewalt und der Gewalt in den Townships werden auch die Gegenmaßnahmen radikaler. Z.B. berichtete die Weekly Mail im Februar von einem von Frauen verübten Shebeen-Überfall, bei dem es einen Toten und mehrere verletzte Männer gab, und der von den Frauen als Vergeltungsakt auf eine Gruppenvergewaltigung von neun Frauen erklärt wurde. Als langfristiges Projekt hat eine Gruppe von weißen Frauen die POWA gegründet und unterhält ein Frauenhaus mit sieben Plätzen sowie ein Notruftelefon.

Hauptprobleme im Kampf
Das bisher Gesagte könnte den Eindruck erwecken, als ob die Mehrheit der schwarzen Frauen entweder aktiv am Kampf beteiligt oder eingeschriebene Mitglieder von militanten Organisationen seien. Das ist leider nicht der Fall, denn der Organisierung der Frauen stellen sich viele Hindernisse in den Weg. Seit 1985 herrscht Ausnahmezustand in Südafrika. Viele Frauen oder ihre Familienmitglieder sitzen in Haft. Eine der international bekannten »Sechs von Sharpeville« ist eine Frau: Theresa Ramashamola. Unter den von der Todesstrafe bedrohten »Upington 26« sind drei Frauen, Xoliswa Duba, deren Baby im Gefängnis zur Welt kam, Elisabeth Boostaander (22) und Velina de Bruin (63). Nach ihrer Haft leben viele Frauen unter Bann, so daß sie ihre Aktivitäten nicht fortsetzen können.
Andere Probleme sind mit der Rolle der Frauen in der Familie verbunden. Die meisten Frauen, die in städtischen Gebieten leben, sind zugleich Ehefrauen, Mütter und Arbeiterinnen; sie arbeiten sozusagen zwei Schichten pro Tag. Wo also sollten sie auch noch die Zeit und die Kraft finden, um sich in einer Organisation zu engagieren? Hinzu kommt, daß sich an der Einstellung der Männer zu Kinderbetreuung und Hausarbeit noch nicht viel geändert hat. Die Vorstellung, daß ihre Ehefrauen beispielsweise in Gewerkschaften freien Umgang mit anderen Männern haben, verunsichert sie. Die meisten Versammlungen finden abends statt, was viele Männer mit Argwohn betrachten. Schließlich ist es auch das eigene Bewußtsein der Frauen, das ihren Interessen entgegensteht. Aufgrund ihrer Sozialisation sehen sie keine andere Möglichkeit, als sich dem Willen ihrer Ehemänner zu beugen.
Auch viele Männer in den Gewerkschaften stellen die Fähigkeiten von Frauen immer noch in Frage und lehnen es ab, Frauen in Führungspositionen zu wählen. Diese Einstellungen finden sich in allen Befreiungsbewegungen, wenn sie dort auch weniger eklatant sind, da aufgrund der größeren Zahl von Intellektuellen der sozialen Gerechtigkeit mehr Lippenbekenntnisse erwiesen werden. Wieviele Frauen aber gibt es denn in den Entscheidungsgremien des PAC und ANC? Diese und viele andere Probleme, denen sich schwarze Frauen in Südafrika in ihrem Kampf für ihre Emanzipation, gegen die Klassenausbeutung im Kapitalismus, gegen Rassismus und männlichen Chauvinismus gegenübersehen, aber auch die Entschlossenheit der schwarzen Frauen, ihre Ketten abzuwerfen, finden Ausdruck in dem eindringlichen Gedicht einer Frau:

So dämmerte es mir also langsam, daß ich ihn hege und pflege,
damit der Boß seinen schönen, dicken Profit aus mir und ihm ziehen kann,
und als gestandener Gewerkschafter geriet er in Rage bei dem Gedanken,
daß wir beide hart arbeiten für einen einzigen Lohn.
Ich sagte: »Und außerdem mache ich ja noch diese Teilzeit-Packarbeit, das heißt,
ich arbeite für drei Männer, mein Schatz, meinen Boß, deinen Boß und dich!«
Er sah mich etwas einfältig an und sagte:
»Von nun an werden sich meine Kumpels und ich um gleichen Lohn
für alle kümmern. Willst du, daß wir eine Hausfrauengewerkschaft gründen?
Meinst du, du solltest bezahlt werden
als Köchin, als Putzfrau, als Krankenschwester und als Dienstmädchen?«
Ich sagte: »Jetzt übertreib mal nicht, mein Schatz, du brauchst nur zu
Hause mit anzufassen,
dann hätte ich vielleicht die Zeit, meine Kämpfe selbst auszufechten!«
(Aus: Working Women. Johannesburg 1985)