Frauen als Journalistinnen

Journalistinnen waren selten im frühneuzeitlichen Europa. Es erforderte außerordentlichen Mut. als Frau einen Beruf auszuüben und Karriere zu machen in einer Zeit, in der dies als unerhört und widernatürlich galt. Diese Frauen wollten auf eigenen Beinen stehen, einen Beruf mit Würde ausüben und von Zeitgenossen beiderlei Geschlechts ernstgenommen werden. Sie waren nicht nur darauf aus, Geld zu verdienen, obgleich sie natürlich hofften, mit ihrem Beruf ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Doch in einer Zeit, in der die Gesellschaft von der Frau verlangte, im Haushalt und in der Reproduktionssphäre dienende Funktionen zu erfüllen oder reine Zierde des Mannes zu sein, brachen diese weiblichen Ambitionen mit allen Verhaltensnormen.
Der Journalismus entstand in der Mitte des 17. Jahrhunderts, und praktisch von Beginn an war eine zwar kleine, doch nicht zu vernachlässigende Zahl von Frauen in der Publizistik präsent. Sie begriffen sofort, welchen Einfluß Zeitungen und Zeitschriften auf die öffentliche Meinung hatten. Sporadisch erschienen im 18. Jahrhundert Periodika - nur wenige und in großem zeitlichen Abstand voneinander -, die von Frauen herausgegeben oder redaktionell geleitet wurden. Viele hatten nur eine kurze Existenz. Doch 1759 wurde das Journal des Dames auf den Markt gebracht. Es erschien fast zwei Jahrzehnte lang und war damit das langlebigste Periodikum von und für Frauen in ganz Europa vor der Französischen Revolution. Niederländische, italienische und deutsche Frauen scheinen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts nur relativ wenig in der Publizistik tätig geworden zu sein. In England wie in Frankreich hingegen gab es während der gesamten Frühen Neuzeit eine starke weibliche Komponente im Journalismus. Der folgende Essay wird sich deshalb auf diese beiden rivalisierenden Nationen und die bemerkenswerten Frauen konzentrieren, die auf beiden Seiten des Ärmelkanals diesen dornigen und häufig undankbaren Weg einschlugen.
Bevor wir uns einzelnen Fällen zuwenden, müssen jedoch einige allgemeine Fragen aufgeworfen und vergegenwärtigt werden. Inwieweit waren diese ungewöhnlichen Journalistinnen sich ihrer Besonderheit, ihres Geschlechts bewußt? Praktizierten sie einfach den Feminismus, statt ihn nur zu predigen, indem sie ein wagemutiges, unkonventionelles Leben führten, oder kommt in ihren Artikeln ein explizites feministisches Bewußtsein zum Ausdruck (die Unterwerfung der Frau unter den Mann zu erkennen und gegen sie anzugehen)? Welche Strategien erfanden und verfolgten sie, um männliche Rivalen zu besänftigen, den königlichen Zensoren ein Schnippchen zu schlagen und sich die Gunst ihres Publikums zu sichern? Gibt es in diesen von Frauen redigierten Blättern einen genuin weiblichen Ton und wenn ja, worin unterscheidet er sich vom männlichen? Was bedeuten die mannigfaltigen Formen der Selbstdarstellung und Selbstdefinition dieser Journalistinnen? Wie sahen ihre Beziehungen zu männlichen Kollegen und zu anderen Frauen aus? Natürlich können diese Fragen nicht alle in jedem Einzelfall beantwortet werden, denn wir haben es mit ganz spezifischen Publikationen zu tun, die von außergewöhnlichen Frauen redigiert wurden. Sie gestalteten den Inhalt ihres Blattes mehr danach, was sie selbst sagen wollten, denn auf Grund einer klaren Einschätzung des Geschmacks ihrer weiblichen Leserschaft. Viele dieser Blätter hatten nur ein kurzes Leben. Manche wurden freilich auch zu einem Gutteil von den Leserinnen und Lesern gestaltet und spiegelten somit nicht immer zutreffend die Politik der Herausgeberin wider. Und nur selten scheinen Journalistinnen ihre Vorgängerinnen vor Augen gehabt zu haben, zu weit waren sie zeitlich und räumlich voneinander entfernt. Folglich entwickelte sich bei diesen Frauen kein echter Sinn für Kontinuität, für Solidarität unter Frauen und Berufskolleginnen oder für die Entwicklung eines eigenständigen Berufsbildes. Auch wenn diese Fragen nicht alle beantwortet werden können, sie stellen uns immerhin die Aufgabe, im wagemutigen Leben dieser Frauen einen Sinn zu finden, und sie
skizzieren Perspektiven für die weitere Forschung.

Frauen im englischen Pressewesen

Zuerst ein Blick nach England. Während der Zeit einer starken Monarchie, zwischen der Restauration und dem Ende der Regierungszeit Königin Annas, gab es heftige und intensive Debatten im Parlament, in dem sich die beiden Parteien, die Whigs und die Tories, mit ziemlicher Regelmäßigkeit an den Schalthebeln der Macht ablösten. Da keine der beiden Gruppen die Politik länger als einige Jahre lang dominierte, folgte die Öffentlichkeit interessiert jeder Sitzungsperiode des Parlaments, denn man konnte nicht vorhersagen, wer am überzeugendsten sein oder wer zu welchem Zeitpunkt eine bestimmte Regierung stürzen würde. Bei Zuhörern und Lesern entwickelten sich bestimmte Verhaltensweisen: das politische Leben zu verfolgen, Stellung zu nehmen, ja sich selbst daran zu beteiligen. Die aufkommenden Periodika profitierten von dieser Vorstellung vom Publikum als Schiedsrichter, als einer Gruppe mit aufgeklärter Meinung, die sogar den Lauf der Dinge beeinflussen konnte. Männer und Frauen galten als informiert und kultiviert. John Dunton, dessen Athenian Mercury sich an eine breite Leserschaft richtete, brachte 1693 The Ladies Mercury heraus, um den sich vergrößernden Markt weiblicher Leser zu bedienen und zu erweitern. Ladies Diary wurde von John Tipper verlegt, einem Mathematiklehrer, der sein Blatt mit Puzzlespielen, Rechen- und Denksportaufgaben füllte, um damit sein Vertrauen in das klare Urteil, die schnelle Auffassungsgabe und den Scharfsinn der Frauen zu zeigen. Richard Steele und Joseph Addison ermunterten ebenfalls die Frauen, die von ihnen redigierten Blätter zu lesen. Der Tatler, der Spectator und der Guardian waren bestrebt, ihre Leser beiderlei Geschlechts zu bilden und ihre Sitten zu verfeinern.
Es verwundert folglich nicht, daß Frauen, die als Leserinnen so hochgeschätzt waren, selbst daran gingen, Zeitschriften herauszubringen.
Die erste war Mary de la Riviere Manley, die 1709 den Female Tatler unter dem Pseudonym Mrs. Crackenthorpe auf den Markt brachte.
Mary Manleys Vater hatte ihr eine gute Erziehung und Bildung angedeihen lassen, und so hatte sie nichts von dem ehrerbietig-demütigen Verhalten, zu dem die meisten Mädchen gezwungen wurden. Sie war eine glühende Anhängerin der Tories, ihr satirisches Blatt ein kaum verhüllter Angriff auf die damals regierenden Whigs, eine Darstellung der Intrigen und Skandale. Wegen Verleumdung verhaftet und zum Schweigen gebracht, übergab sie widerstrebend ihr Blatt an eine »Gesellschaft sittsamer Damen«, die es zu einem völlig unlesbaren Blatt machten. Der Gefängnisaufenthalt setzte ihr zwar körperlich hart zu, ihren Geist aber konnte er nicht brechen. Als sie entlassen wurde, schlug Jonathan Swift, der ihre politischen Ansichten teilte, ihr vor, seinen Examiner zu übernehmen und eine Reihe politischer Pamphlete zu schreiben. Während andere Mary Manley abschätzig einen einfältigen »Weiberkopf« nannten, wurde sie von Jonathan Swift hochgeschätzt; er akzeptierte sie einfach als Kollegin der schreibenden Zunft. Es schmerzte sie, als »Verleumderin« abgestempelt und verfolgt zu werden, denn sie war überzeugt, ihre Artikel trügen dazu bei. ihr Land von der Korruption zu befreien. Die vorherrschende literarische Form der Zeit war die Satire, und sie meinte, ihre Satiren würden als gefährlicher gelten, weil sie von einer Frau stammten. Was bei Männern kein Verbrechen ist, gilt bei einer Frau als empörend und unverzeihlich, klagte sie und investierte später - nach dem Tod von Königin Anna und der vernichtenden Schlappe der Tories - ihr literarisches Talent in das Schreiben von Liebesgeschichten und behauptete nun, Politik sei nichts für Frauen. Der Widerruf früherer Positionen, die vorgetäuschte Selbstbescheidung und der Wechsel zu anderen Themen waren bewußte Entscheidungen, denn sie mußte sich als Autorin ihren Lebensunterhalt verdienen, und dies, obwohl ihre schlimmsten Feinde von einst, die Whigs, nunmehr an der Macht waren (und sie vierzig Jahre lang behalten sollten). Bei anderer Gelegenheit werden wir wieder auf solche taktischen Rückzüge stoßen. Rückzug aus exponierten Stellungen war eines der wenigen erfolgversprechenden Mittel, das Frauen der schreibenden Zunft zur Verfügung hatten. Mary Manley schrieb zwar nicht über Frauenfragen, doch sie wußte ganz gewiß, daß ihr Blatt ein neues, nie dagewesenes Unterfangen war; und sie wußte, worüber man schreiben mußte, um sein Brot zu verdienen.
Ann Dodd organisierte 1721 die Verbreitung des oppositionellen London Journal. Sie war politisch und religiös radikal gesonnen, eine »Schwärmerin« mit hochfliegenden Plänen. Häufig von der Obrigkeit verfolgt und eingesperrt, war sie recht geschickt darin, sich aus den Klauen der Justiz zu befreien: indem sie eine Krankheit vorschob und darauf verwies, ihre vielköpfige Familie sei auf sie angewiesen, oder gar behauptete, sie habe nicht gewußt, was in den von ihr verkauften Zeitungen stand. Doch sie wußte sehr wohl, was sie tat, und war zutiefst davon überzeugt, daß Freiheit und Bildung zusammengehörten und einander bedingten, daß man den Lesern beiderlei Geschlechts die unschmeichelhafte Wahrheit über die Politiker, die sie regierten, sagen mußte und damit zu geistiger Unabhängigkeit beitrug.
Im Jahre 1737 brachte Lady Mary Wortley Montagu, eine Anhängerin der Whigs, die politische Wochenzeitung The Nonsense of Common Sense heraus. Sie schrieb anonym, denn sie meinte, es sei für sie als Adlige unschicklich, einen Beruf zu ergreifen. Lady Montagu war berühmt, weil sie den aufgeklärten Gedanken einer Schutzimpfung gegen die Pocken aus der Türkei nach Europa gebracht hatte. Mit Befriedigung hatte sie beobachtet, daß sich aufgeklärte medizinische Behandlungsmethoden verbreiteten, und war sich folglich völlig bewußt, welche einflußreiche Rolle Frauen in der Gesellschaft spielen konnten. Sie war befreundet mit der ersten Vorkämpferin für Frauenrechte, Mary Astell, die sich für die Einrichtung von höheren Lehranstalten für Frauen einsetzte. In ihrem Wochenblatt pries Lady Montagu Bildung für Mädchen, griff Frivolität und Extravaganz an und mischte grundsätzlich politische Stellungnahmen mit einer feministischen Botschaft; sie predigte die Bedeutung gebildeter, berufstätiger und politisch aktiver Frauen überall auf der Welt und lebte dieses Ideal selbst vor.
Eliza Haywood war wahrscheinlich die bekannteste englische Journalistin in der Frühen Neuzeit, weil ihr Female Spectator (1744-1746) auch in anderen europäischen Ländern Erfolg hatte und sogar auf der anderen Seite des Atlantik, in den englischen Kolonien Nordamerikas, sehr populär war, besonders in New York, Pennsylvania und Connecticut. Das Blatt erlebte zahlreiche Nachauflagen in Buchform und war so erfolgreich, daß um ihren Erfolg bangende Schriftsteller ihre Konkurrentin als »dummen und niederträchtigen weiblichen Schmierfinken« zu diffamieren versuchten. In den 1740er Jahren hatte sich das politische Klima in England verändert. Die Hannoveraner Georg I. und Georg II. sprachen schlecht Englisch und nahmen nur wenig Einfluß auf die Politik, so daß die politische Macht von der Krone auf die Whigs überging, die das Parlament völlig beherrschten. Angesichts einer so eindeutig dominierenden Seite war die einst so lebhafte Debatte zwischen den beiden Parteien abgeflaut, und der Journalismus hatte sich entpolitisiert. Der Female Spectator spiegelte diese Tendenzen: Er befaßte sich mit Themen wie Heirat und Ehe, mit Moral und Philosophie, Erdkunde, Geschichte und Mathematik. Die Herausgeberin und drei andere anonyme Journalistinnen ermutigten ihre Leserinnen, Maskenbälle und das Spiel aufzugeben und statt dessen lieber zu lesen und ihren Geist anderweitig zu bilden. Eliza Haywood wollte nach eigener Aussage eine neue Mode lancieren: Bildung. In ihrem nächsten Blatt, den Epistles for the Ladies (1749-1750), wies sie darauf hin, daß wissenschaftliche Studien heilsam und gleichsam etwas Natürliches für Frauen seien. Angeregt wurde insbesondere zu Untersuchungen mit dem Mikroskop, denn die Entdeckung winziger und bis dahin unbekannter Organismen könne den Frauen Freude bereiten und ihnen zur Ehre gereichen, vielleicht sogar »unsterblichen Ruhm« einbringen. Die Mütter wurden aufgefordert, ihre Töchter die Naturwissenschaften zu lehren, gleichsam als frühen Religionsunterricht, denn die Erkenntnis der Wunder der Natur mit Hilfe von Mikroskop und Teleskop könne bei einem jungen Menschen nur die Bewunderung und Liebe für den Schöpfer stärken. In ihren Artikeln sah Eliza Haywood die Frau als Mutter, Lehrerin und Amateurforscherin in den Naturwissenschaften. Sie führte anscheinend selbst Forschungen mit dem Mikroskop durch. Doch mit Sicherheit plädierte sie nicht dafür, daß alle Frauen einen Beruf ergreifen und Karriere machen sollten. Um nicht ein verzerrtes Bild zu erhalten, muß darauf hingewiesen werden, daß ein Großteil ihrer Artikel sich damit beschäftigte, wie eine Frau es anstellen sollte, einen passenden Ehemann zu finden. Aber auch diese Artikel legten das Gewicht auf Ernsthaftigkeit: nicht Eitelkeit und Frivolität dürften das Gefühlsleben bestimmen, man sollte lieber eine dauerhafte Beziehung eingehen, die auf gemeinsamen Interessen und gegenseitigem Vertrauen beruhte. Obgleich ihr Platz im Haus sei, müßten Frauen sich darin üben, selbstverantwortlich ihren Kopf zu gebrauchen und zu »räsonnieren«.
Die irische Romanschriftstellerin Charlotte Lennox, eine gute Freundin Samuel Johnsons, brachte 1760-1761 das Lady's Museum heraus, ein Blatt, das geschickt versuchte, ehrbaren Leserinnen die Beschäftigung mit ernsten Dingen nahezubringen: Klugheit und Schönheit seien in jeder Hinsicht vereinbar, so ihre Botschaft. Nach Charlotte Lennox scheinen jedoch in England Frauen von der journalistischen Bühne verschwunden zu sein. Selbst die nicht journalistisch tätigen Frauen im Pressewesen waren nach 1760 weniger sicht- und hörbar: die Straßenhändlerinnen, die nicht genehmigte Pamphlete verkauften, die mercuries, die Zeitungen en gros einkauften und ihren Vertrieb organisierten, diejenigen, die congers bildeten, Netzwerke, um die zahlreichen kleinen Presseunternehmen zu schützen, die auf zu unsicheren Füßen standen, um allein auf sich gestellt überleben zu können. Die Männer, die mit ihren »Frauenmagazinen« den Markt übernahmen, waren sehr viel weniger anregend für Frauen mit intellektuellen Ambitionen: Sie mokierten sich über »Blaustrümpfe« und legten das Schwergewicht auf ein Thema: Mode, Mode und noch einmal Mode. Diese von Männern gemachten Zeitschriften für Frauen stehen für die Trivialisierung des Frauendaseins, die Mary Wollstonecraft am Ende des 18. Jahrhunderts so heftig beklagte. Journalistinnen hatten in England die Überwachung durch Spitzel, Schikanen und Verfolgung durch die Obrigkeit, ja sogar das Gefängnis riskiert und erduldet. Sie hatten immer wieder Argwohn wegen ihrer unorthodoxen Lebensweise und wegen ihres ungewöhnlichen Berufs erregt. Wie und warum sie sich nach 1760 so vollständig aus ihren hart erkämpften Positionen verdrängen ließen, wäre interessant zu erforschen, insbesondere weil dies eine Zeit großen Aufschwungs für Journalistinnen in Frankreich war, dem wir uns nun zuwenden wollen.

Die Situation in Frankreich

Die ersten journalistischen Versuche von Frauen entstanden in den stürmischen Tagen der Fronde, nicht einmal zwanzig Jahre nach dem Erscheinen der offiziellen, absolutistisch orientierten Gazette de France im Jahre 1631. Während der Rebellion gegen die Krone, der Fronde, sprossen an allen Ecken und Enden Oppositionsblätter hervor. Manche waren für eine weibliche Leserschaft gedacht, stellten Frauen heraus oder waren wahrscheinlich sogar von Frauen geschrieben. In der Gazette des Halles, in Le Babillard und in der Gazette de la Place Maubert war viel von einer gewissen »Dame Denise« die Rede. Oft in patois verfaßt und häufig laut vorgelesen, waren diese Blätter an ein breites Publikum gerichtet, zu dem auch die weitgehend leseunkundigen Unterschichten gehörten, namentlich die poissardes, die Fischweiber. Es wäre faszinierend, mehr zu erfahren über jene Frauen, die im Hintergrund diese frühesten Oppositionsblätter steuerten.
Die erste französische Journalistin, deren Namen wir kennen, war Marie-Jeanne L'Heritier, die 1703 das Projekt einer Zeitung entwarf: L 'Erudition enjouee ou Nouveiles savantes, satiriques et galantes ecrites a une dame francaise qui est a Madrid. Das Blatt kam niemals wirklich zustande, aber es war gedacht als ein Protest gegen pedantische, »gelahrte« Literaturkritik, als ein mehr individualistischer, subjektiver Zugang zu den belles lettres und Fragen des ästhetischen Geschmacks überhaupt. Es war der Versuch, eine weibliche Tradition der Literaturkritik zu begründen. Nach ihr kam Anne-Marguerite Petit Dunoyer, eine aus Nimes stammende Protestantin, die sich in Holland niedergelassen hatte, nachdem eine stürmische Ehe mit einem französischen Katholiken in die Brüche gegangen war. Sie bemühte sich sehr, gute Ehemänner für ihre Töchter zu finden - eine von ihnen hatte eine berühmte Liaison mit dem jungen Voltaire, als dieser sich im Jahre 1713 in Den Haag aufhielt -, hatte aber nichts als Ärger mit ihren zukünftigen Schwiegersöhnen, die ihre Töchter verführten, ihr Vermögen durchbrachten und sogar versuchten, sie zu ermorden. Besonders scharf wandte sie sich gegen Voltaire, der es seiner »Beinahe-Schwiegermutter« später heimzahlte, indem er ihren Charakter in den schwärzesten Farben schilderte, sich über ihre literarischen Versuche lustig machte und versuchte, ihre Tochter gegen sie aufzubringen. Vieles davon schildert Madame Dunoyer in ihren Memoires unverblümt, was vielen Lesern gefiel. Auch in ihren Lettres Historiques et Galantes finden sich Episoden aus ihrem Leben voller Drangsal. Sie fand schließlich finanzielle Sicherheit als Redakteurin der Quintessence des Nouveiles, die sie von 1711 bis 1719 leitete und die ihr nach eigener Aussage Ehre, Geld und Reputation einbrachten.
Der Ton der Quintessence war — zum Teil, weil Madame Dunoyer die Aufhebung des Edikts von Nantes durch Ludwig XIV. verurteilte ziemlich antifranzösisch, das Blatt trat für Gewissensfreiheit ein. Es erschien zweimal wöchentlich, und seine Verbindung von Neuigkeiten und Klatsch war ein höchst erfolgreiches Gemisch. Die Leserinnen und Leser mochten es sehr, wenn man nach den mehr als guten Einkünften urteilt, die es seiner Herausgeberin einbrachte. Die Regierung indes verklagte die Redakteurin mehrmals wegen Verleumdung, zum Teil wegen ihrer französischen Übersetzung von Mary de la Riviere Manleys 1709 erschienenen skandalträchtigen Secret Memoirs . . . from the New Atlantis im Jahre 1713, Voltaire und ihr früherer Ehemann beschuldigten Madame Dunoyer, sie vernichte soviele Leute in ihrem Blatt, daß man sich wundern müsse, daß ihr noch niemand die Knochen gebrochen oder sie in einen Kanal geworfen habe. Doch wir müssen objektiv über sie urteilen und nicht aufgrund der Beschuldigungen zweier Männer. Denn letzten Endes konnte ein männlicher Journalist ein noch so schlechter Ehemann sein, nie hätte man von seiner von ihm getrennt lebenden Frau oder begüterten Schwiegertochter ein ernstzunehmendes Urteil über seine publizistische Tätigkeit eingeholt oder auch nur erwartet.
Madame Dunoyers Blatt war faszinierend und einzigartig. Sein vollständiger Titel lautete: Quintessence des nouvelles historiques, critiques, politiques, murales et galantes, und es war tatsächlich eine bunte Mischung aller möglichen Gattungen. Es berichtete über Neuigkeiten, aber auch über Abenteuer, Kuriositäten, Prozesse. Unfälle, Katastrophen, Verbrechen, Aufstände, Stürme und Unwetter, Feuerbrände und Festlichkeiten. Diese Artikel von »allgemein menschlichem Interesse« waren ein Gemisch aus Realität und Fiktion, und Frauen spielten darin eine große Rolle. Madame Dunoyer berichtete auch gern über das Geschehen bei Hofe und über grandes dames. Die Einbildungskraft spielte eine große Rolle in ihrem Blatt; sie schrieb lieber über Menschen als über abstrakte Themen. Madame Dunoyer arbeitete ohne Mitarbeiter, sie stützte sich z. B. auf die ungedruckten nouvelles a la main. In Form fiktiver »Briefe an den Herausgeber« lobte sie sich unablässig selbst.
Welche Absichten verfolgte sie? Sie behauptete, sie wolle vor allem Nachrichten bringen, doch da diese oft schlecht waren, meinte sie, das ausgleichen und ihnen durch Hinzugedichtetes einen tröstlichen Ausgang geben zu müssen. Sie verband Öffentliches und Privates. Fernliegendes und ganz Persönliches, wollte informieren, aber auch unterhalten und reicherte deshalb viele Neuigkeiten mit Erdichtetem an und gab Erfundenes als wirklich Geschehenes aus. Damit machte sie Politik zu etwas Persönlichem, einem eher privaten als öffentlichen Bereich. Ihre Berichte waren eine lebendige, frische Neugestaltung und Verschönerung der Wirklichkeit, in denen sie politische Geschehnisse mit bekannten literarischen Figuren zusammenbrachte, mit denen ihre Leserinnen und Leser vertraut waren. Bisweilen schlug sie für Nachrichten-Geschichten der Leserschaft verschiedene Alternativen für den Ausgang der Geschichte vor, unter denen sie wählen konnte! Sie war stets persönlich präsent in ihrem Blatt, und ihr kühnes Hinzufügen von Selbsterfundenem stärkte das Gefühl ihrer eigenen Bedeutung. Die Freiheit, mit der sie sich zwischen realer Geschichte und Literatur bewegte, beweist ein fast modernes Gespür dafür, wie weitgehend ein »Faktum» subjektiv geprägt ist.
Madame Dunoyer zeigte sich nie schwach oder demütig. Sie hatte einen freien, äußerst originellen Zugang zum Journalismus und nahm sich mehr Freiheiten gegenüber den journalistischen Konventionen heraus als jeder andere männliche oder weibliche Herausgeber oder Redakteur, Doch trotz all ihren Wagemuts sah sie sich nie als Sprecherin für ihr Geschlecht. Sie hatte nicht ausdrücklich für Frauen geschrieben und wollte anscheinend sogar die doppelte Gefahr vermeiden, ein weiblicher Redakteur zu sein und sich dann noch an eine vornehmlich weibliche Leserschaft zu wenden. Mademoiselle Barbiers Saisons litteraires (1714) suchte ebenfalls Schutz hinter einem geschlechtsneutralen Titel, obgleich das Blatt Sympathien für die Rechte der Frauen und für die unteren Schichten zeigte. Die anonyme Redakteurin von La Spectatrice (1728-1729) gab ihre Identität niemals preis - wir können noch nicht einmal mit völliger Sicherheit sagen, daß es sich um eine Frau handelte; sie strebte tatsächlich die Objektivität eines Hermaphroditen an. Madame Le Prince de Beaumonts Nouveau magasin francais wandte sich ebenfalls an eine gemischte Leserschaft und zielte nicht ausschließlich auf ein weibliches Publikum. Erst das Journal des Dames bekannte sich kühn dazu, ein Blatt »von Damen für Damen« zu sein und wird allein schon durch diese Selbstdefinition zu einem Meilenstein in der Geschichte des Pressewesens.
Das Journal des Dantes erschien - mit Unterbrechungen - von 1759 bis 1778, für ein Periodikum des Ancien Regime eine respektable Lebenszeit. Neun Männer und Frauen leiteten nacheinander die Monatszeitschrift. Am Anfang und am Ende wurde das Blatt von einem Mann geleitet, dazwischen hatten nacheinander drei Frauen die Chefredaktion inne. Ursprünglich von seinem Begründer, einem glühenden Royalisten, als harmloser Zeitvertreib für Damen der guten Gesellschaft bei ihrer Toilette konzipiert, wurde das Blatt in seinen letzten Jahren, unter der Leitung Louis-Sebastien Merciers, ganz offen frondeur, ein Oppositionsorgan. In der Mitte seines Erscheinungszeitraumes, von Oktober 1761 bis April 1775, folgten drei Frauen einander in der Leitung des Blattes. Sie bewirkten die Veränderung von einem belanglosen Blättchen zu einem ernstzunehmenden Oppositionsorgan, das soziale Fragen ansprach, für Reformen eintrat und seine Leserinnen und Leser aufforderte, selbst zu denken, eitlen Zeitvertreib aufzugeben und lieber den Geist zu bilden. Die Zeitschrift konnte nicht länger der sorgsamen Prüfung durch die Zensoren entgehen. Die Herausgeberinnen repräsentieren mithin eine wichtige Übergangsphase in der Entwicklung des Journal des Dames, sie verwandelten es von einem politisch konformistischen rien delicieux zu einem Stachel im Fleisch der Regierung und gaben es schließlich in die Hände von Männern mit
revolutionären Sympathien.
Das Blatt hatte - je nach Zeitpunkt - zwischen 300 und 1000 Abonnentinnen; leider sind die Subskriptionslisten, die zeigen könnten, wer diese Abonnentinnen waren, verlorengegangen, wohl durch den häufigen Wechsel in der Leitung des Journal. Mit 12 livres pro Jahr lag sein Preis weit unter dem der meisten literarischen Monatszeitschriften.
Wenn wir Annoncen oder Leserbriefe als Indiz für die Leserschaft nehmen, scheint die soziale Zusammensetzung der Leserschaft des Blattes während der zwanzig Jahre seines Erscheinens breiter geworden zu sein, von einer verwöhnten Elite zu einer mehr praktisch orientierten Leserschaft.
Die drei weiblichen Chefredakteurinnen setzten große Hoffnungen und noch größere Erwartungen in ihre Leserschaft. Die erste Leiterin des Blatts, die den Männern vorwarf, sie hätten die Frauen in Ketten gehalten, glaubte tatsächlich, sie könnten allein auf sich gestellt und sehr rasch eine Bewegung für die Gleichheit der Geschlechter initiieren. Trotz ihrer leidenschaftlichen Appelle konnte sie aber die Frauen nicht zu Aktionen bewegen. Vielmehr zeigt ein starker Rückgang der Auflage, daß ihre feurige Rhetorik viele Abonnentinnen die Flucht ergreifen ließ. Ihre beiden Nachfolgerinnen waren realistischer. Die Passivität ihrer Leserinnen schien ihnen zu beweisen, daß die Frauen
an ihrer Unterjochung genauso schuld waren wie die Männer. Da ihnen klar war, daß weitgehende gesellschaftliche und politische Veränderungen notwendig waren, bevor die Frauen selbst auf den Plan treten konnten, akzeptierten sie männliche Hilfe und Unterstützung von Reformern und sogar Radikalen. Ihre eigene Lage hatte sie für andere Formen sozialer Ungerechtigkeit sensibilisiert, und ihr Groll gegen das monarchische Regime wuchs. Sie waren zwar gezwungen, innerhalb des alten Systems zu arbeiten, mußten Schutzherren umwerben und Zensoren besänftigen, aber zugleich halfen diese Redakteurinnen den Männern, die eifrig dessen Sturz vorbereiteten. Insbesondere unterstützten sie viele frondeurs mit Sympathien für das Parlement und die Jansenisten und ließen sich umgekehrt von ihnen gern helfen. Diese Männer identifizierten sich stark mit der Fronde, jener »revolution manquee«, die nichtsdestotrotz auf der konstitutionellen Ebene eine harte Herausforderung für den französischen Absolutismus gewesen war und ein zwar kurzlebiges, aber explosives Bündnis zwischen Prinzen und Prinzessinnen von Geblüt, Richtern und dem peuple der Städte zustande gebracht hatte. Die frondeur-ldeologie des Journal des Dames störte die Obrigkeit genauso wie das Einklagen von Frauenrechten, wenn nicht gar noch mehr.
Madame de Beaumer, die erste weibliche »journaliste des Dames«, übernahm das Blatt im Oktober 1761 von seinen schüchternen Begründern und schlug als erste den das Blatt später kennzeichnenden nonkonformistischen Ton an. Selbst für ihre Zeitgenossen war sie eine rätselhafte Gestalt. Da sie nichts über ihr Privatleben in Erfahrung bringen konnten, zeichneten sie ein Bild von ihr als einer Frau, der es an Vermögen, Schönheit und Anmut mangelte, die aber äußerst resolut war. Mit ziemlicher Sicherheit war sie eine Hugenottin mit engen Verbindungen nach den Niederlanden. Ihre radikalen Tendenzen waren bereits früher deutlich geworden, in den unter einem Kryptonym herausgegebenen Lettres curieuses, instructives et amüsantes, ein nur kurze Zeit 1759 in Den Haag erschienenes Periodikum, in dem sie die französischen Zeitungszensoren als widerliche Brut von Halunken bezeichnete und die Pressefreiheit in Holland lobte. Kein Wunder, daß Madame de Beaumer die französischen Zensoren und die Aufsicht über den Buchhandel, mit denen sie bereits heftig aneinandergeraten war, als Bedrohung dafür ansah, ihre Mission zu erfüllen. Sie war der beste potentielle Bastille-Häftling. Sie pries die Fähigkeiten der Frauen, zog aber auch für die Armen und Unterdrückten, für soziale Gerechtigkeit, religiöse Toleranz, Freimaurerei, republikanische Freiheit, Frieden zwischen den europäischen Staaten und Gleichheit vor dem Gesetz ins Feld. Ihre hochgesteckten Ideale mögen manchmal überzogen erscheinen, als lächerlich kann man sie nicht abtun, denn bei allem exzentrischen Auftreten war Madame de Beaumer schon bald nach ihrer Rückkehr nach Frankreich der Obrigkeit wieder ein Dorn im Auge.
Mehrere Zensoren lehnten von ihr vorgelegte Manuskripte ab. Verzweifelt, daß sie mit ihrer Botschaft nicht durchdrang, beschloß sie, sich in das Journal des Dames einzuschleusen, eine bereits existierende Zeitschrift, die äußerst zahm war und von Schöngeistern gemacht wurde und nie auch nur den leisesten politischen Argwohn erregt hatte.
Madame de Beaumer wußte, daß sie nur begrenzte Zeit zur Verfügung hatte, daß die Zensoren sie bei der ersten sich bietenden Gelegenheit mundtot machen würden. Sie hoffte jedoch, zumindest einige Ausgaben herausbringen zu können, bevor man sie festnehmen würde; deshalb schrieb sie in so eindringlichem Ton. Sie mußte zeigen, daß die Unterjochung der Frau eine allgemeine, weltweite Tragödie war, daß gegenseitige Achtung der Geschlechter auch zu Respekt zwischen den Gesellschaftsklassen und vielleicht auch zwischen den Nationen führen würde, daß eine Revolution der moeurs, der Sitten, soziale Harmonie und Frieden zwischen den Völkern schaffen würde. Nun hatte sie endlich Leserinnen, wenn auch nur für kurze Zeit, ein unfreiwilliges Publikum von Abonnentinnen. Sie wollte die Gelegenheit so gut wie möglich nutzen und schrieb deshalb ohne Rücksichtnahme, herausfordernd und streitlustig.
Sie behauptete, die Ehre der französischen Nation sei eng verbunden mit dem weiteren Erscheinen des Journal des Dames, nun, da es von einer Frau geleitet wurde. Die Frauen forderte sie auf, wagemutig zu sein, und betonte, sie könnten genauso gut denken, sprechen, forschen, analysieren und Kritik üben wie die Männer. Sie rief zu einer »Revolution« des weiblichen Selbstbewußtseins auf und schwor, sie sei eine der ersten, die diese Revolution in Gang setzen werde. In der Zeitschrift veröffentlichte sie provozierende Artikel, Literaturkritiken, Würdigungen berühmter Frauen und insbesondere Listen mit den Namen von unbekannten Künstlerinnen, Kauffrauen, Handwerkerinnen
und Musikerinnen aus den unteren Schichten. Diese Vielzahl fähiger, talentierter Frauen schien all ihre Argumente zu bestätigen. Sie bildeten eine aktionsbereite Kraft voll Energie, die nur darauf wartete, angesprochen und vor ihre Aufgaben gestellt zu werden. Achtung vor den Frauen war schließlich der erste Schritt der »Revolution«, die sie propagierte.
Madame de Beaumer, die vielleicht sogar selbst Freimauerin war in Den Haag, wo sie sich öfter aufhielt, gab es eine gemischte Loge -, übernahm nachdrücklich und wortwörtlich die Vorstellung der Freimaurer von einer universellen Harmonie. Davon überzeugt, daß ihre Botschaft für alle Menschen und überall galt, veröffentlichte sie eine Liste mit 81 Städten in Frankreich, den deutschen Territorien, der Eidgenossenschaft, Holland, Spanien, Italien, Portugal, Rußland, Schweden und England, in denen das Journal des Dames verkauft werde. Diese Aufstellung war mehrere Seiten lang, und kein anderes Blatt konnte etwas derartiges vorweisen. Sie war jedoch frei erfunden; die übereifrige Madame de Beaumer hat vielleicht wirklich Exemplare ihres Blattes an die aufgelisteten Buchhändler geschickt, aber es gab keinen wirklichen Markt für das Journal. Doch allein schon die Möglichkeit, daß ihre Zeitschrift international bekannt sein und gekauft werden könnte, beunruhigte die Obrigkeit; die Zensurinstanzen verzögerten das Erscheinen einiger Ausgaben, verboten die Zeitschrift schließlich ganz und brachten damit Madame de Beaumer in ernste finanzielle Schwierigkeiten. Auch ihr Aufenthalt im enclos du Temple (ein Viertel, zu dem Polizei und Gläubiger keinen Zutritt hatten), wo sie ihr wagemutiges Blatt produzierte, bildete keinen Schutz mehr. Die Hugenottenfamilie Jaucourt, die sie zuvor finanziell unterstützt hatte, konnte ihr auch nicht mehr unter die Arme greifen. Sie floh nach Holland, nach fruchtlosen Versuchen, die Herzen ihres Zensors und des für den Buchhandel verantwortlichen Malesherbes zu erweichen. Die beiden hatten darauf bestanden, sie solle ihre Sünden dadurch büßen, daß sie eine die Soldaten verherrlichende Histoire Militaire verfasse und damit ihren Patriotismus beweise - eine Aufgabe, an die diese pazifistische Vorkämpferin für die Frauen nicht einmal im Traum denken mochte.
Bevor sie Frankreich verließ, hatte Madame de Beaumer zumindest einige treue Leserinnen gewonnen, die ihr Eintreten für die Frauen unterstützten. Eine Leserin verlangte sogar von ihr, sie möge die französische Sprache von den Männern, die sich ihrer bemächtigt hätten, zurückverlangen. Sie meinte, die Karriere Madame de Beaumers versetze sie in die einzigartige Lage und gebe ihr das Recht, die weiblichen Formen von Autor und Redakteur zu gebrauchen und zu erreichen, daß sie von allen akzeptiert würden; es sei eine Schande für die Frauen, daß sie noch nicht allgemeiner Sprachgebrauch seien. Entzückt übernahm Madame de Beaumer die Wortschöpfungen ihrer Mitstreiterin und bezeichnete sich fortan als autrice und editrice; ihren Leserinnen versicherte sie, daß sie ihr Geschlecht liebe und entschlossen sei, seine Ehre und Rechte einzufordern. In Holland fand sie ihren Mut wieder und bereitete sich darauf vor, nach Paris zurückzukehren und ihr Blatt zurückzufordern. Es gibt Hinweise darauf, daß sie die temperamentvolle Lady Montagu in England besuchte. Gespräche mit holländischen Freunden überzeugten sie, daß die Frauen kurz vor einem intellektuellen und gesellschaftlichen Durchbruch stünden.
Marin, ihrem Zensor, war ihre Rückkehr auf die Pariser journalistische Bühne gar nicht recht; er sandte sogleich einen Brief an Malesherbes. An jenem Morgen sei sie, so schrieb er, in seinen Gemächern erschienen, mit einem großen Hut auf dem Kopf, einem langen Schwert an der Seite, die Brust (sie hätte gar keine, notiert er) und das Gesäß (an dem, wie er schreibt, auch nicht viel dran sei) in enganliegende, abgetragene Männerkleider gehüllt. Marins abschätzige Beschreibung ihrer Person rührte zweifellos daher, daß seine üblichen Formen des Umgangs mit Frauen bei ihr nicht griffen. Hinter diesem schnellen Abtun ihrer Person verbargen sich indes Misogynie und politischer Argwohn, denn Marin war zu dem Entschluß gekommen, »la femme Beaumer« als Angriff auf die öffentliche Moral, als eine äußerst unbesonnene und unerhört taktlose Vertreterin der schreibenden Zunft anzusehen. Er versuchte sie jetzt dazu zu zwingen, das Blatt zu einer Modezeitschrift umzuwandeln, worauf sie mit einem heftigen Ausfall antwortete. Sie könne nicht die Grundsätze aufgeben, die ihr ganzes Leben bestimmten. Ihr wurde klar, daß sie die Grenzen weiblicher Bescheidenheit so weit überschritten hatte, daß ihr nie wieder verziehen würde. Da sie jedoch entschlossen war, das Journal des Dames als ein wichtiges Kommunikationsmittel für Frauen zu erhalten, übergab sie es vor ihrem endgültigen Rückzug nach Holland an eine andere Chefredakteurin. An eine Frau, die über genügend Beziehungen in der Gesellschaft (le monde) verfügte, um für das Blatt den Segen der Verantwortlichen für den Buchhandel zu erhalten, doch auch wagemutig genug war, um als prete-nom, als »Strohmann« für ihre männlichen Mitarbeiter zu dienen, die immer stärker zu frondeurs wurden.
Die Nachfolgerin Madame de Maisonneuve ging ihre journalistische Laufbahn anders, doch genauso mutig an. Sie verkehrte in den Kreisen der Hochfinanz und langweilte sich in ihrem Müßiggang, bis ihr die Aufgabe und Herausforderung angetragen wurde, ihre gesellschaftliche Stellung dazu zu nutzen, dem Journal des Dames Anerkennung zu verschaffen. Schon bald kamen sie selbst und ihr Blatt in den Genuß königlicher Gunstbezeugungen. Die Gattin des Ministers Choiseul wurde Abonnentin, und im Juni 1765 wurde der stolzen Herausgeberin die persönliche Ehre zuteil, dem König in Versailles das Journal zu präsentieren. Sie wurde auch zur pensionnaire du roi gemacht und erhielt 1000 livres im Jahr. Der Welt zeigte sie, daß eine Frau aufsehenerregenden Erfolg im Journalismus haben konnte. In weniger als drei Jahren vervierfachte sie den Gewinn ihres Blattes. Wie hatte sie das vor dem Ende stehende Journal des Dames in ein gutgehendes Blatt verwandelt, so gutgehend, daß sich selbst der vorsichtige Panckoucke, der nur erfolgreiche Zeitschriften verlegte, dafür interessierte?
Madame de Maisonneuves Geheimnis war ein vertrauenerweckender, gemäßigter Ton, ein großes Gespür für den richtigen Augenblick und die Fähigkeit, pikante Themen in den Grenzen des Anstands zu behandeln, eine ausgewogene Mischung von Gewagtem und Wohlanständigem zu finden. Die kämpferische Rhetorik ihrer Vorgängerin fehlte bei ihr völlig. Ihre diplomatische Darstellungskunst verband sich trefflich mit den zahlreichen pieces fugitives, die eine Gruppe junger männlicher Mitarbeiter lieferte, und das Ergebnis war ein gefälliges und erfolgreiches Blatt. 1766 ging diese glückliche Zeit jedoch zuende, weil der von der Regierung unterstützte Mercure Abonnenten an das Journal des Dames verlor. Der Mercure nutzte das ihm vom König verliehene Recht dazu, die Themenbreite des unliebsamen Konkurrenten einzuengen und ihn so weniger attraktiv für Leser zu machen. An diesem entscheidenden Punkt gab Madame de Maisonneuve das Blatt an ihren wichtigsten Mitstreiter ab, an Mathon de la Cour. Sie vertraute ihm so sehr, daß sie darauf bestand, daß ihr Name weiter auf der Titelseite prangen sollte und sie das Blatt weiter »den gekrönten Häuptern Europas« präsentieren konnte. Mit ihrem Segen veränderte Mathon die Ausrichtung des Blattes, es wurde weniger gefällig und sehr viel wagemutiger. Mathon füllte es mit Artikeln, in denen die Tugenden der Spartaner und der Römer gepriesen wurden, brachte Rousseaus republikanische Ideen in das Journal, griff den Luxus und die Verschwendung bei Hofe an. Ganz besonders bewunderte er die Schriften des jungen Louis-Sebastien Mercier, für ihn ein unverdorbener, draufgängerischer Kopf, der eine eindringliche Prosa schrieb und den Dingen auf den Grund ging. Merciers verbotene Arbeiten, in denen er die Tyrannei, die Ungleichheit zwischen den Gesellschaftsklassen und das Horten von Korn aus Gewinnsucht (während zur gleichen Zeit Bauern hungerten) verurteilte, wurden im Journal des Dames veröffentlicht.
Madame de Maisonneuve hatte dem Blatt in Mathons fortschrittlichrebellischer Phase weiterhin ihren Namen geliehen, als Mathon die parlements gegen den »Despotismus« der Krone unterstützte. Doch Ende der 1760er Jahre schlug das politische Klima um. Choiseul wurde entlassen, der neue Kanzler Maupeou war ein glühender Royalist und fest entschlossen, die Opposition der parlements zu zerschlagen. Zu Mathons wie auch ihrem eigenen Schutz nahm Madame de Maisonneuve ohne Protest das Verbot ihres Blattes hin. Während der gesamten Regierungszeit Maupeous und der beiden Minister, die mit ihm ein despotisches »Triumvirat« bildeten, d. h. bis 1774, blieb das Journal des Dames stumm.
Die letzte Herausgeberin des Blattes, die Baronin de Princen, später bekannt als Madame de Montanclos, war ebenso ehrgeizig und unabhängig wie Madame de Beaumer, aber sehr viel mütterlicher. Durch ihren ersten Gatten, einen extravaganten deutschen Baron, hatte sie Zugang zu Hofkreisen, und so widmete sie ihr Journal des Dames der heranwachsenden Kronprinzessin Marie-Antoinette. Diese vergnügte sich in ihren Mußestunden mit den Stücken von Beaumarchais und Mercier, anscheinend ohne das in ihnen enthaltene revolutionäre Potential zu bemerken, den rachgierigen Zorn, der sich hinter dem Lachen des Poeten und den Tränen des Dramatikers verbarg. Die Baronin de Princen, eine glühende Verehrerin Merciers, dem sie am Ende ihr Blatt übergeben sollte, fand einen gefügigen Zensor und brachte das Journal des Dames 1774, als Maupeou und sein verhaßtes »Triumvirat« ihre Macht verloren, wieder auf den Markt.
Zunächst tat sie alles, um Marie-Antoinette zu schmeicheln, doch schrittweise - insbesondere, nachdem sie Monsieur de Montanclos geheiratet hatte und aus Versailles nach Paris zurückgekehrt war wandte sie sich von den bei Hofe herrschenden Werten ab. Sie konzentrierte sich stärker auf Themen, die um die Mutterschaft kreisten, und orientierte ihr Blatt zunehmend auf Frauen, die wie sie selbst meres de Jamilles waren. Ihr Feminismus war komplexer, subtiler und facettenreicher als derjenige ihrer beiden Vorgängerinnen, die anscheinend kinderlos gebliehen waren. Während diese zum Beispiel Rousseau nicht mochten, meinte Madame de Montanclos, er habe sehr viel getan für das Selbstwertgefühl der Frauen, weil er ihnen gezeigt hatte, daß sie gesellschaftlich nützliche Wesen waren. Obschon Rousseau weibliche Intellektuelle ablehnte, übertrug er den Frauen doch die Verantwortung für die moralische Erneuerung der Gesellschaft, denn die Mütter sorgten nicht nur für den Zusammenhalt ihrer Familie, sondern bildeten zugleich das moralische Rückgrat der patrie. Durch ihre Tätigkeit im Haus, im Reich der Mutter, leisteten sie ihren unschätzbaren Beitrag zum Gemeinwesen.
Das Journal des Dames sprach unter ihrer Ägide in einer Weise über Kinder, wie es dies vorher nie getan hatte. Kinder waren Freude bereitende, kostbare kleine Wesen; es war ein Vergnügen, ja ein Privileg, seine Zeit mit ihnen zu verbringen. Madame de Montanclos betrachtete die Mutterschaft als ein Recht der Frauen; sie mußten dieses Recht für sich einklagen und sich als fähig erweisen, ihre Mutterrolle wahrzunehmen. Mutter zu sein, war eine ungeheure Verantwortung, aber keine Last. Seine Kinder etwas zu lehren, konnte sogar für beide ein Vergnügen sein. Besondere Aufmerksamkeit wurde natürlich der Mädchenerziehung gewidmet.
Doch Madame de Montanclos vertrat auch die von Rousseaus Ansichten weit entfernte Auffassung, Frauen sollten einen Beruf ausüben dürfen, wenn sie dies wollten. Sie führte als Beispiel Laura Bassi, eine willensstarke bürgerliche Frau an, die einen Doktortitel in Physik erworben und einen Lehrstuhl an der Universität Bologna erhalten hatte. Schon bald, hoffte die Redakteurin, würden Frauen überall den Gipfel wissenschaftlicher Anerkennung erreichen, so daß dieses Ereignis nicht mehr als außergewöhnlich gelten würde. Sie freute sich, daß die Berufswege zumindest im Prinzip beiden Geschlechtern offenstanden. Dies war zu ihrer Zeit eine ziemliche radikale Position und ging weit über das hinaus, was Eliza Haywood vertreten hatte. Die vier bekanntesten Publizistinnen in Deutschland, die fast ein Jahrzehnt nach Madame de Montanclos schrieben, schreckten immer noch vor der Vorstellung zurück, es könne weibliche Gelehrte und Professoren geben, und beschränkten selbst die Ziele von Frauen, »die ihren Kopf gebrauchten«, auf Heim und Herd. Madame de Montanclos stimmte zwar mit ihnen darin überein, daß Mutterschaft von erstrangiger Bedeutung war, glaubte aber, geistige Tätigkeit und deren Anerkennung seien ebenfalls notwendig. Dennoch entmutigte sie eine Reihe ihrer Autorinnen, deren Beiträge sie streng kritisierte. Mercier unterstützte Madame de Montanclos aus dem Hintergrund heraus. Sie bewunderte seine Tatkraft und seine Politik und verkaufte ihm das Blatt für ein Butterbrot, denn sie glaubte, als Autor des prophetischen L'An 2440 könne er eine bessere Zukunft für die Menschheit entwerfen. Ihre letzte, gemeinsam mit Mercier erstellte Ausgabe des Journal des Dames behandelte unverblümt Themen wie die große Hungersnot in Frankreich, lobte den neuen controleur general des finances Turgot und die Freiheiten der Engländer, unterstrich, wie wichtig die Abschaffung der verhaßten corvee, der Spanndienste, und die Erweiterung der Freiheit des Menschen war. Madame de Montanclos sah am Ende - wie ihre beiden Vorgängerinnen - die Presse als ein Werkzeug an, um Männer wie Frauen aus Unwissenheit und Sklaverei herauszuführen.
Die Redakteurinnen des Journal des Dames waren gezwungen, erfinderisch zu sein und viele Wege einzuschlagen, um ihr Blatt über Wasser zu halten. Doch sollte die Tatsache, daß keine von ihnen sehr lange auf ihrem Posten blieb, nicht dazu führen, ihren Erfolg geringzuschätzen. Der Beruf des Journalisten war nichts für feige Leute. Die meisten Männer fanden ihn undankbar, und die bekannten salonnieres und femmes de lettres rümpften über ihn die Nase oder hatten vielleicht Angst, ihn auszuüben. Aber diese editrices hatten hochfliegende Pläne und glaubten, sie könnten das Los der Frauen verbessern. Anders als die Buchautoren suchten Journalistinnen unmittelbaren, häufigen, direkten, wiederholten Kontakt und wechselseitigen Austausch mit einem sozial breit gestreuten Spektrum von Leserinnen und Lesern. Sie hofften auch, durch ihr eigenes Beispiel zu zeigen, daß Frauen in einem stark in der Öffentlichkeit wirkenden und exponierten Beruf erfolgreich sein konnten. Bei der Verwirklichung ihrer Projekte stießen sie jedoch auf ungeheure Schwierigkeiten.
Nach dem Journal des Dames tauchten noch einige Publizistinnen mit Zeitungsprojekten auf und verschwanden bald wieder. Keine von ihnen konnte sich lange halten, und keine setzte sich dafür ein, ein ernstzunehmendes Blatt »par et pour les femmes« ins Leben zu rufen.
1778 brachte Charlotte Chaumet, die Gattin des Gerichtsvorsitzenden D'Ormoy, ein Journal de Monsieur heraus, das noch nicht einmal zwei Jahre lang erschien. Adeleide Gillette Dufrenoy übernahm den Courrier lyrique et amüsant. Sie und ihr Gatte sollten während der Revolution großen Mut zeigen und Verstecke und Asyl für viele ihrer verfolgten Freunde besorgen. Doch in dem von ihr redigierten Blatt, in dem vor allem Lieder und Gedichte abgedruckt wurden, durften keine politisch gewichtigen Themen behandelt werden. Die Revolution brachte nur ein zunehmend unfreundliches Klima für Journalistinnen mit sich.
Wie läßt sich also die Initiative dieser ersten Herausgeberinnen und Redakteurinnen bewerten? Die kurze Zeit, die sie im Redakteurssessel saßen, und ihr Scheitern läßt sie auf den ersten Blick als ungeeignet für die Aufgabe erscheinen. Ihre kühnen Aufrufe an die Frauen, sich zusammenzuschließen, und ihre Versuche, ihre Blätter dazu einzusetzen, Solidarität zwischen den Frauen zu schaffen, lassen sie als heroische Gestalten und ihrer Zeit Jahrhunderte voraus erscheinen. Es muß indes berücksichtigt werden, daß starke gesellschaftliche Kräfte am Werk waren, um die Frauen in »ihrer ureigensten« Welt, der Reproduktionssphäre, zu halten. Mary Wollstonecraft sollte es später prägnant ausdrücken: Männer fanden ungebildete Frauen sexuell gefügiger; es lag in ihrem Interesse, ihr »Püppchen« unwissend zu halten. Frauen wurden sinnvolle Tätigkeiten außerhalb des Hauses verweigert. Man ermutigte sie nicht oder erlaubte ihnen nicht einmal, ihre Talente zu entfalten und selbstgesteckte Ziele zu verfolgen. Die Redakteurinnen lehnten sich dagegen auf. Fast alle ergriffen den Beruf der Journalistin, um der Leere und Ziellosigkeit ihres früheren Lebens zu entkommen.
Zu ihren männlichen Kollegen unterhielten diese Journalistinnen lebhafte, bisweilen sehr anregende Beziehungen. Es gab einen ständigen Gedankenaustausch, gegenseitigen Respekt, eine gemeinsame Oppositionshaltung, doch von Seiten der Frauen auch Anpassungsstrategien, um keinen Anlaß zur Entrüstung zu geben. Viele Frauen nahmen wenn nötig eine ehrerbietig-demütige Haltung ein, aber diese Bescheidenheit war oft nur gespielt, eine Verstellungstaktik, damit ihr Blatt überhaupt gedruckt wurde. Manche Männer waren neidisch und beklagten die Freiheit, die Frauen im Austausch für solche Verzichtleistung genossen. Viele Journalisten, darunter Freron, schrieben eine Zeitlang unter dem Namen einer Frau, um zu sehen, ob die Öffentlichkeit ihnen gegenüber dann nachsichtiger wäre. Nur wenige Frauen schrieben unter dem Namen eines Mannes - dazu kam es später —, aber einige verbargen ihre wirkliche Identität und schrieben unter Pseudonym. Dieses Masken- und Rollenspiel, dieses Verkehren männlicher Stimmen in weibliche und umgekehrt, gleichsam in einer Art journalistischer Saturnalien, verdiente sicherlich eingehendere Beschäftigung und Erforschung. Auch die Beziehungen der Redakteurinnen zu Kollegen und Lesern ihres eigenen Geschlechts waren kompliziert. Diejenigen, die nicht sehr nachsichtig mit ihren Mitarbeiterinnen umgingen, wirkten eher abschreckend und wurden nicht sehr geschätzt. Auf der anderen Seite fühlte sich Madame de Beaumer, die die höchsten Erwartungen hegte und damit rechnete, daß sich ihre Leserinnen ihr zugesellten und ebenfalls für einen aggressiven Republikanismus und Solidarität unter Frauen, für Schwesternschaft einträten, verletzt und verärgert, als diese sie enttäuschten. Diese Frauen versuchten, unabhängig zu leben in einem System, das auf Abhängigkeit aufgebaut war, doch konnten sie nie genügend Unterstützung von Frauen gewinnen. Im Beruf mußten sie unausweichlich mit den Männern Kompromisse eingehen.
Ihr Privatleben jedoch entsprach keineswegs der herrschenden Norm. Mary Manleys romantische Eskapaden waren sprichwörtlich.
Eliza Haywood flüchtete nur einige Jahre nach der Hochzeit aus ihrer Ehe. Lady Montagu verließ im Alter von 50 Jahren ihren Ehemann, einen Gesandten, und brannte mit ihrem italienischen Liebhaber durch, einem 25jährigen Möchtegernpoeten. Madame Dunoyer ging nach Holland, um einem Ehemann zu entkommen, der sich nicht um ihren Unterhalt kümmerte. Die anonyme Spectatrice hielt die Ehe für die größte Erniedrigung und Knechtschaft und bekannte sich stolz dazu, ledig zu sein, eine celibataire. Sie ging sogar so weit, die geschlechtliche Neutralität eines Hermaphroditen und die Freiheit für sich in Anspruch zu nehmen, die ihr das Verbergen ihrer Identität eingebracht hatte: den völligen Schutz ihres Privatlebens. Von Madame Leprince de Beaumont, Mutter von sechs Kindern, sagte man, sie habe nacheinander drei Ehemänner gehabt, die indes alle drei Tölpel gewesen seien. Madame de Beaumer lebte allein in einem möblierten Zimmer im enclos du Temple; sie scheint sich von ihrem Ehemann getrennt zu haben, wenn sie überhaupt einen gehabt hat. Madame de Maisonneuve nahm nie den Namen ihres Ehemannes an und verbrachte die meiste Zeit ihres Lebens anscheinend zufrieden als Witwe. Madame de Montanclos heiratete zwar nach dem Tod ihres ersten Mannes noch einmal, trennte sich aber auch sofort wieder von ihrem zweiten Gatten. Dies zeigt bei Frauen mit Ambitionen eine gut nachvollziehbare Ablehnung der ihre Freiheit einengenden Ehe, in der sie nach den gesetzlichen Regelungen des 18. Jahrhunderts aufhörten, rechtlich selbständige Personen zu sein. Ihr Besitz, Hab und Gut und ihre Person wurden von ihren Ehemännern kontrolliert; deren Einwilligung wurde verlangt, wenn Frauen schriftstellerisch oder journalistisch tätig werden wollten. Diese wagemutigen, stolzen Frauen suchten nach einem anderen Lebensstil, der ihren unorthodoxen Ambitionen mehr entgegenkam.
Es handelte sich also um eine Gruppe von Frauen, die Einfluß auf die öffentliche, patriarchalische, politische Welt haben wollte. Madame Leprince de Beaumont, die Herausgeberin des Nouveau magacin francais, sah sich als eine von einer ganzen Reihe von Frauen - sie fragte sich nur, wieviele es waren -, die entschlossen waren, zu beweisen, daß ihr Geschlecht die Fähigkeit, ja die Verpflichtung hatte, seine eigene Identität zu finden. Ihre Anstrengungen und Kämpfe werfen ein neues Licht auf die ideologischen, institutionellen, kulturellen Spannungen und selbstverständlich auch auf die Spannungen zwischen den Geschlechtern im frühneuzeitlichen Europa.

Aus dem Englischen von Wolfgang Kaiser