Noch einmal zum Marxismus und Feminismus

[1] Man hört oft sagen, daß »Theorie« und »Praxis« in einem Mißverhältnis stehen, das eine würde dem anderen nicht entsprechen ... Sie sollten sich aber entsprechen und zusammengehen, und dies besonders vom marxistischen Standpunkt aus. Die aber, die davon sprechen, fragen sich nicht, von wo aus wir sehen oder beurteilen können, ob eine Entsprechung von Theorie und Praxis erreicht ist: vom Blick der Theorie oder vom Blick der Praxis aus oder ...?
Liegt der Fehler dieses Denkens nicht in der »reinen Wissenschaft«, in der Reinheit der Wissenschaft (der Philosophie etc.) selbst, d.h. in dem Vermögen des Subjekts (»männlich, erwachsen, weiß, zivilisiert«), eine Position der Macht (potentia et potestas), der Autorität, der Manipulation zu erlangen? Eine Theorie drückt die Ideen des historischen Subjekts aus, dessen, der eine gewisse Macht genießt und entscheidet, was »Theorie« oder »Wissenschaft« genannt wird. Hier schmuggelt sich Ideologie ein.
Anders gesprochen: Wenn wir versuchen wollen, Theorie zu definieren, so tun wir dies immer — auch ohne es zuzugeben — parteilich, rationalistisch und mit binären Gedankenmodellen. Und so erhalten wir eine petitio principii, den Irrtum der Logik, der daraus besteht, etwas zu bestätigen, was es vorher zu beweisen galt. Jeder, der zu wissen behauptet, was Theorie ist und was nicht (und so die Theorie mit einem mysteriösen Sinn erhöht), tut dies vom Standpunkt einer absoluten Wissenschaft, die von ihm selbst so bestimmt wurde, und von einer ganz bestimmten Ideologie aus. Er drückt dies in einem Wertesystem aus, das er für nicht diskutierbar hält und das er in Frage zu stellen verweigert. Indem er dies tut, verhält er sich in gleicher Weise, wie es von den radikalen Rechten vorgegeben ist und wie es Agnes Heller in ihrem Buch »Philosophie des linken Radikalismus« beschreibt:

  • »Ich rechne zu den rechten Radikalen alle, die nicht die Normen der philosophischen Diskussion über die Werte anerkennen; alle, die nicht bereit sind, mit Bewußtsein über den ideologischen Charakter ihrer eigenen Werte zu denken, alle, die nicht wahrhaben wollen, daß Werte für die andere Gruppen oder Gesellschaften Affinität haben, gleichwertig sein können.« (Heller 1978, 113)

Eine beeindruckende Zahl derer, die wir gewöhnlich als Linke betrachten, entspricht dieser Beschreibung über die radikale Rechte in bezug auf das Frauenproblem.
Wenn immer im vorhinein »bekannt« ist, was Theorie ist, bleibt das Problem offen, ob das Denken sich selbst denken kann und ob es sich nicht zwangsläufig (wie die Wissenschaft und die Philosophie) von Beginn an innerhalb einer Ideologie bewegt? Trotzdem wird der Mensch nicht aufhören und darf wahrscheinlich auch nicht aufhören zu versuchen, in das einzudringen, was das Denken selbst erlaubt (d.h. die rationalistische Trennung, die binären Modelle, die Beherrschung der Frau durch den Mann ...?). Man darf nicht aufhören, Ideologien zu demaskieren: bis heute sind alte immer aufgedeckt und entmystifiziert worden durch neue. Jetzt ginge es darum, die Hierarchie der Werte zu relativieren und ihrem Pluralismus zuzustimmen. Und dies ist sicherlich weniger einfach, als in einem privilegierten Bewußtsein und im Besitz der Wahrheit zu leben.
Das Problem der Frauen ist von der Philosophie niemals ernsthaft berücksichtigt worden, da es als ein »partikularistisches« und von daher als uninteressant für die Philosophie angesehen wurde. Die Verlagerung des Problems der Frauen in die Domäne des Partikulären ist das Werk des metaphysischen Denkens, worin bereits die Trennungen Subjekt/Objekt, Geschichte/Natur, Kultur/Natur, männlich/weiblich, öffentlich/privat, Schöpfung/Chaos, rational/irrational, Geist/Materie, Produktion/Reproduktion etc. wirken. Es ist dieselbe Entwicklung, die die Evolution der Philosophie erlaubt hat — an erster Stelle der idealistischen Philosophie: Der Geist, insofern aktiv, hat sich immer aus der insofern passiven Materie genährt. Die Natur ist immer Gegenstand der Philosophie gewesen, und dies hegt auf gleicher Ebene wie die entsprechende Arbeitsteilung (der Geschlechter). Der Ort der Frauen ist immer als Natur definiert worden. Anschauende Materialismen haben jedoch auch eine andere Tendenz hervorgebracht: In dieser konnte das feministische Prinzip aktiv sein, während es in idealistischen Auffassungen immer passiv ist. Aber vergessen wir nicht, daß der anschauende Materialismus nicht die rationalistischen Trennungen überschreiten konnte, weil er sich bereits innerhalb dieser Trennungen bewegte. So ist er nicht von Frauen hervorgebracht worden; eine weibliche oder feministische Philosophie ist nicht möglich. Sie ist deshalb nicht möglich, weil eine Philosophie nicht denkbar ist, deren Ideal die Befreiung der Materie von der Tyrannei des Geistes wäre, weil eben Natur ohne Geist keine menschliche und zudem keine historische wäre. Das Gegenteil: die idealistische (und männliche) Philosophie hat die Geschichte dieser Disziplin gemacht. Die Aufgabe der Philosophie wäre es jetzt, in ihr das Problem der Frauen zuzulassen. Es ist klar, daß die Bedingungen für Frauen sich nicht ändern können (weder in der Gesellschaft noch in der Philosophie) ohne grundlegende Änderungen in der Philosophie, und dazu gehört es, die Geschichte der Besonderheit des Frauenproblems zu widerlegen.
Der klassische Marxismus hat von diesem Widerspruch und dieser rationalistischen Trennung geerbt, daß er Produktion und Reproduktion als getrennte Bereiche artikuliert. In der Tradition eines dogmatischen Marxismus wurde — in Übereinstimmung mit den Gesetzen des Kapitals und des Profits — der Bereich der materiellen Reproduktion hintangesetzt; daher ist der Bereich der Frauenarbeit im Haushalt (oder in der Prostitution etc.) bis heute nicht in ökonomischen Begriffen analysiert worden, sondern in psychologischen und moralischen. Der ökonomische Reduktionismus im Marxismus hat sich vornehmlich mit dem Bereich der Lohnarbeit und der Produktion beschäftigt und damit den Bereich der »anderen Lebensproduktion« und somit auch das ganze Leben und die Aktivität der Frau im Haus vernachlässigt mit dem Ergebnis der Trennung von Privatem und Öffentlichem.
Schließlich gab man zu, daß das Patriarchat nicht eine von den Produktionsverhältnissen und vom sozialen System unabhängige Sache ist, sondern daß es Teil und Bedingung dieser Struktur ist (zahlreiche feministische Forschungen sind dem gewidmet). Die »sozialistische« Revolution im reduzierten Sinne — also sofern sie nicht auch eine Revolution der Kultur im weiteren Sinne ist und eine des Privaten — wird daran nichts ändern. Die geschlechtliche Arbeitsteilung, die in allen Klassengesellschaften existiert — einschließlich der Länder, in denen eine »sozialistische« Revolution stattgefunden hat (ohne eigene Technologie und entsprechende Produktionsverhältnisse) —, läßt die Klassentrennung zu und ist nicht ihr Resultat. So gesehen, erscheint das Dilemma, entweder Klassenteilung oder Geschlechterteilung zu unterstellen, den binären Modellen des metaphysischen Denkens geschuldet. Daher ist es notwendig, die Spuren der besonderen Unterordnung der Frauen zu verfolgen, die nicht ausschließlich aus den Verhältnissen der Produktion herrührt, aus der die Frauen größtenteils ausgeschlossen sind, sondern die Unterdrückung, die eine gewisse Autonomie hat, indem sie auch dann in den Machtverhältnissen andauert, wenn die Frauen in größerer Zahl in die Produktion eintreten. Die monogame Familie ist das Instrument und der Ort der Ausbeutung (der Frau und des Kindes, in geringerem Maße auch der Ort der Unterdrückung des Mannes). Es ist somit unmöglich, die Befreiung für Frauen innerhalb dieser zu erlangen. Die Frau nimmt jedoch teil an der Produktion als Subjekt und als Objekt des Austausches zwischen Männern und den Symbolen ihrer gesellschaftlichen Verhältnisse: Die Frau ist eine Ware, so wie sie ein Zeichen ist, das Kommunikation erlaubt. Die Frau kann auch Produzentin sein, aber historisch (und nicht natürlich) sind Männer die Produzenten. Die Frau hat von daher eine sehr besondere Rolle in der Produktion und im Austausch — die Rolle des unbewußten Objekts, der Natur. Ihr Bezug zum Kapital findet durch Vermittlung des Mannes statt, nämlich dann, wenn sie »nicht arbeitet«, d.h. wenn sie sich ihrem Haushalt widmet. Aber als denkendes Subjekt (für sich zumindest) ist die Frau genausowenig eine »Ware« wie andere Menschen.
Wenn der Marxismus skandalöserweise das Problem der Frau vernachlässigt hat, müssen wir doch annehmen, daß seine innere Logik seine Artikulation erlaubt. Es ist sicher so, daß viele antifeministische Marxisten die Tatsache ausgenutzt haben, daß Marx und Engels sich mit dem Problem der Frau nicht besonders beschäftigt haben. Die Erste Internationale, in der Marx, Engels und Bebel sich in unterschiedlicher Weise engagiert haben, war in bezug auf das Frauenstimmrecht und ihr Recht auf Lohnarbeit gespalten und unentschieden. 1875 wurde von der SPD ein von Marx kritisch kommentiertes Programm (vgl. Kritik des Gothaer Programms) übernommen, in dem die Frauenfrage völlig vernachlässigt war. Sie hat auch Marx nicht sonderlich beschäftigt. Beim Kongreß von 1875 hat Bebels Vorstoß für das Frauen Wahlrecht keinen Erfolg gehabt: Frauen mußten der Einheit der Partei geopfert werden. Im Punkt IV (b3) des Programms der Arbeiterpartei, in dem die Frage der Beschränkung der Frauen- und Kinderarbeit als »geistige und sittliche Grundfrage des Staates« behandelt wird, schreibt Marx in seiner Kritik: »Die Normierung des Arbeitstages muß die Beschränkung der Frauenarbeit schon einschließen, soweit sie sich auf Dauer, Pausen etc. des Arbeitstages bezieht; sonst kann sie nur Ausschluß der Frauenarbeit aus Arbeitszweigen bedeuten, die speziell gesundheitswidrig für den weiblichen Körper oder für das weibliche Geschlecht sittenwidrig sind. Meinte man das, so mußte es gesagt werden« (MEW 19, 31). Und das ist alles (Marx fährt mit der Kinderarbeit fort). Abgesehen davon, daß er sich nicht klarer ausgedrückt hat als das Gothaer Programm — was hat er sagen wollen?
Was in der Geschichte der Arbeiterbewegung offensichtlicher wird, deutet sich hier schon an: Die Arbeiterbewegung und die Arbeiterpartei werden von den Interessen ihrer aktiven Mehrheit oder ihrer stärksten Gruppen (d.h. der Männer) gelenkt. Frauenarbeit und Frauenstimmrecht sind nicht in ihrem Interesse. Frauenarbeit ist Konkurrenz, weil Frauen schlechter bezahlt und deswegen (wie die Kinder) viel lieber vom Unternehmer eingestellt werden. Die Situation des vergangenen Jahrhunderts wiederholt sich in unserem, insbesondere in ökonomischen Krisenzeiten wie jetzt. Wie Marx bereits anmerkte, ist Frauenarbeit umgekehrt im Interesse des Kapitals, das ihr seine Gesetze aufzwingt. Abgesehen davon, daß sie Konkurrentinnen sind, vernachlässigen Frauen zusätzlich noch, wenn sie arbeiten, ihre Aufgaben im Haushalt, die Reproduktion der Arbeitskraft des Mannes. So stößt also die Frauenarbeit außerhalb des Hauses auf Widerstand bei der Arbeiterklasse, nicht nur aus psychologischen, sondern auch aus ökonomischen Gründen. Man muß also davon ausgehen, daß die Interessen der Frauen und die der Arbeiterklasse entgegengesetzt sind. Erst 1891 nahm die deutsche Arbeiterpartei in ihr Programm das Prinzip der juristischen Gleichheit von Frauen auf. Bebel, der Engels' Linie verfolgte (vgl. Ursprung der Familie..., 1884), bleibt praktisch mit seinen politischen und intellektuellen Anstrengungen bezüglich der Frauen in der marxistischen Geschichte isoliert (bis zum Auftreten von feministischen Marxistinnen in unseren Tagen). Von daher rührt das verständliche Mißtrauen der Frauenbewegungen gegen die Arbeiterbewegung und den Marxismus bis zu einem gegenteiligen Beweis. Die Arbeiterbewegung in England, in Deutschland und anderswo hat den unerbittlichen Widerstand gegen das Recht der Frauen auf Arbeit bewiesen, und fast bis in die Gegenwart gegen das Stimmrecht für Frauen. Nachdem dieser Kampf für die Männer verloren ist und die Frauen in großer Zahl in die Produktion eingetreten sind, wenden Arbeiter immer noch paternalistische Maßnahmen an, um Frauen vor der Arbeit zu »schützen«. Diese Mittel haben im hohen Maße immer die Funktion, Frauenarbeit im Namen des Mythos der Mutterschaft in unterschiedlicher Weise zu beschränken (dies gibt es heute noch in vielen Ländern). Diese Begründung (der sog. Mutterschutz) ist umso unsinniger, als nicht alle Frauen Mütter sind, und sie sind es erst recht nicht ihr Leben lang. Welches sind also die Arbeitsbereiche, die »besonders schädigend für den weiblichen Organismus« sind und die es nicht gleichzeitig für den Organismus des Mannes wären? Und welche Arbeiten wären »für das weibliche Geschlecht sittenwidrig« (Marx)? Wenn die Sittenwidrigkeit nicht für Männer gilt, haben wir es mit einem offenkundigen Beispiel einer Zustimmung zu unterschiedlichen Kriterien für die Moral der Geschlechter zu tun. Wenn Marx so etwas entgehen konnte (muß man sich erinnern, daß er ein Mann war?), was ist dann von den anderen zu erwarten? Bebel selbst, gefühlvoll moralisierend und voller guter Absichten — die Bedingungen für Frauen innerhalb der Arbeiterklasse sozusagen zufriedenstellend mystifizierend — kann es entgegen seiner eigenen Logik nicht verhindern, sich in seiner technologischen und chemischen Utopie vorzustellen, daß es immer die Frauen sein werden, die sich in der zukünftigen Gesellschaft mit den Säuglingen beschäftigen (»Ammen, Gouvernanten, Freundinnen, gut erzogene junge Mädchen werden im Falle der Not der Mutter zu Hilfe kommen«, Die Frau und der Sozialismus). Er war immer in Sorge, daß die Frauen, die in der Industrie arbeiten, ihre Weiblichkeit verlieren könnten.
Die Geschichte von Clara Zetkin (deren Ideen uns noch zu Beginn des Jahrhunderts beispielhaft vorgehalten wurden) ist erhellend. Wie andere Frauen war auch sie zerrissen in doppelter Militanz, beiden Bewegungen, der der Arbeiter als auch der der Frauen, ergeben. Bis zum letzten Weltkrieg hatte sie in der internationalen Organisation der Frauenbewegung gearbeitet, innerhalb als auch außerhalb der Arbeiterbewegung. Ich kann an dieser Stelle nur als Resultat festhalten, daß Clara Zetkin schließlich die Frauenfrage der Klassenfrage völlig untergeordnet hat. Sie hat also ihre vorherige, mit Unterstützung von Lenin gewonnene Überzeugung vom »Doppeljoch« der Frauen aufgegeben. Dies ist das letzte Wort der dogmatischen kommunistischen Parteien bis heute geblieben, ebenso das letzte Wort von vielen Marxisten. Das Dogma bekräftigt: »Das Frauenproblem existiert nicht, es gibt nur das Klassenproblem«. Als Leiterin der Frauenorganisation in der Partei hat Clara Zetkin sich förmlich in sektierischer Weise geweigert, mit den Feministinnen Kontakt aufzunehmen. Diese hatten — immer schon als sogenannte bürgerliche — bei der Partei bereits einen negativen Beigeschmack. Clara Zetkin und die Partei haben damit verhindert, daß eine beeindruckende Masse von Frauen, die für ihre Rechte kämpften (ein uneingeschränkter Kampf) in ihre Organisation eintraten, und sie haben die Möglichkeit unterschätzt, daß Frauen aus anderer sozialer Herkunft sich den Kämpfen der Linken anschließen könnten, einfach deswegen, weil sie als Frauen in den Widersprüchen der männlichen Gesellschaft lebten. Sie haben die Möglichkeit unterschätzt, daß Frauen sich unabhängig von ihrer sozialen Herkunft den konservativen Ideologien entziehen könnten. Indem sie die Masse der bewegten Frauen von sich fern hielt, hat Clara Zetkin einen fatalen Irrtum begangen, der später von vielen Parteien und von im Staat etablierten Frauenorganisationen wiederholt werden wird.
Alexandra Kollontai hat die Notwendigkeit einer autonomen Frauenbewegung ebenfalls nicht gesehen. So bleiben beide in der als orthodox marxistisch vorgestellten Auffassung, daß Feministinnen notwendig bürgerlich seien und sich von daher niemals der Arbeiterbewegung nähern könnten (sie werden es selbstverständlich nicht können, solange sie daran gehindert werden und zur Rechten gestoßen werden). Dieses Dogma und Vorurteil gegenüber den Frauen ist erstaunlich; man gibt praktisch jedem
eine Chance: Die Kleinbürger, die Intellektuellen, die Landarbeiter etc. haben theoretisch die Möglichkeit — und es wird sogar als Wahrscheinlichkeit erachtet —, sich der Arbeiterklasse anzuschließen. Nicht aber die Frauen. Von dem Moment an, in dem sie identifiziert sind als eine Gruppe im Kampf gegen irgendetwas, werden sie zu Feministinnen erklärt (mit anklägerischer Bedeutung) und in die Arme des Kapitalismus zurückgestoßen.
Der biologische Determinismus bedroht die Möglichkeit von Frauentheorie und -forschung; der Marxismus hat schon in hohem Maße Schaden erlitten durch einen ökonomischen Determinismus, der bezüglich der Frauenfrage immer noch der offizielle Standpunkt von zahlreichen kommunistischen Parteien ist. Man glaubt hier, daß die Ideologie durch die Ökonomie bestimmt sei und daß die Verhältnisse der Frauen eine Sache der Ideologie seien (in Jugoslawien hört man oft von den »ideologischen Resten der Vergangenheit« sprechen, vom »Erbe der bürgerlichen Gesellschaft«, von »ausländischen Einflüssen« etc.) Außerdem würde die Familie (ebenso wie die Frauenfrage) zum »Überbau« gehören und nicht zur »Basis« der Gesellschaft. Da Klassenkämpfe und politische Kämpfe vorherrschend oder ausschließlich auf der ökonomischen Ebene und in der Produktion (der Industrie selbst) stattfänden, bleiben die Probleme der Frauen und der Familie (nicht bezahlte Arbeit von Frauen) außerhalb der revolutionären Optik. »Das Argument, das das Politische auf die Ökonomie reduziert, wird zur Entschuldigung, nicht zu handeln«, behauptet Branka Margas (New Left Review, 6/1970, 32). Das gleiche gilt für das Argument, das vorgibt, Frauenarbeit sei von solcher Art, daß kein revolutionäres Bewußtsein entstehe. Sie zitiert ein anderes sehr weit verbreitetes marxistisches Argument gegen die Frauenbewegung: »Die Unterjochung der Frauen ist wie die der Rassen: ihr Prinzip gründet sich auf dem biologischen Unterschied ... eine Bewegung, die daraus abgeleitet würde, wäre (wiewohl möglich) notwendig eine Abweichung vom Klassenkampf.« Margas hält dem entgegen, daß dies eine mechanistische Herangehensweise sei und daß es vielmehr darum ginge, die Frage nach der Beziehung von biologischen Gegebenheiten und den sozioökonomischen Bedingungen von Frauen zu beantworten (ebenda). Dieses Problem wird oft von vielen Feministinnen mehr oder weniger vernachlässigt; weil sie die Geduld verloren haben, aber auch weil eine große Menge neuer Probleme durch den Feminismus hervorgerufen werden. Kate Millet z.B. vertritt die Auffassung, daß Frauen nicht in gleicher Weise einer Klasse angehören wie Männer. Wenn sie nicht völlig unabhängig sind, gehören sie durch Heirat vermittelt zur Klasse des Ehemannes, verlieren aber diese Bedingung durch Scheidung.
Die Sache wird noch enorm verkompliziert durch eine reduzierte Sichtweise über das Verhältnis zwischen der »Produktion« (von Gütern) »männlich« und der »Reproduktion« (des Lebens) »weiblich«; zwischen der Produktion von »Tausch«-Werten (Männer) und »Gebrauchs«-Werten (Frauen). Das zentrale Problem ist die Erklärung und die Bestimmung der Hausarbeit in ökonomischen Begriffen. Der Marxismus weist im allgemeinen die ökonomische begriffliche Bestimmung von Frauenarbeit zurück — obwohl sie leicht bewertbar wäre. Einmal berechnet, was die Aufgaben der Frauen im Vorhof des Kapitals wert sind, müssen wir noch wissen, was mit diesen Daten zu tun ist, weil es doch schwierig (wenn nicht unmöglich) ist, aus der Logik des Kapitals herauszutreten. Es gibt umgekehrt überhaupt keine Probleme, die entlohnte Frauenarbeit zu bemessen. Der Anspruch, daß Hausarbeit bezahlt werden sollte (welches eine zweischneidige Waffe ist für die Frauen), hat den Ausgangspunkt, daß der Monatslohn des Mannes die Kosten seiner Reproduktion (und die seiner ganzen Familie), mit der sich die Frau beschäftigt, ohne dafür direkt bezahlt zu werden, beinhalte. Dieser Teil könnte also direkt der Frau ausgezahlt werden. Die Unterjochung der Frauen durch das Dazwischentreten von Mittelsmännern könnte in diesem Fall nur erklärt werden durch das Bemühen des Kapitals (männlich natürlich), den administrativen Prozeß zu vereinfachen.
Branka Margas und Hilary Wainwright denken, daß das wichtigste Problem nicht die Hausarbeit sei, sondern vielmehr die Tatsache, daß Frauen gleichzeitig innerhalb und außerhalb des Hauses arbeiten (New Left Review 89, 1983, 60ff.).
Aber es ist offensichtlich, daß jede Diskussion als gescheitert angesehen werden muß, in der Produktion und Reproduktion niemals getrennt analysiert werden, ebenso wie die sogenannte Tauschgüter- und Gebrauchsgüter-Produktion. (Marxisten bestätigen dies manchmal gerne — aber in diesem Fall ziehen Sie es bitte ernsthaft in Betracht, meine Herren, und fahren Sie nicht fort, nur die Seite der »Produktion von Tauschgütern« unendlich zu analysieren!)
Dieser Vorschlag über die doppelten Bedingungen der Frauen sollte vertieft und radikalisiert werden, und es wäre außerdem notwendig, sich nicht mehr nur auf den Kapitalismus zu beschränken. Die Tatsache, daß die Frau im Laufe der ganzen Geschichte in der Doppelrolle des Objekts und (für sich) auch des Subjekts erscheint, daß sie immer zweiseitig ist und daß sie in den beiden Bereichen Produktion und Reproduktion teilhat, veranschaulicht die Ungenügendheit irgendeiner zu leichten, zu einfachen und zu formelhaften Analyse. Es liegt in der Tatsache selbst, daß »die Frau sich auf beiden Seiten des Spiegels« befindet (L. Irigaray), daß sie Subjekt ist für sich selbst und »das Andere des Mannes« (S. de Beauvoir). Es veranschaulicht auch, daß in der Geschichte die Möglichkeit als auch die Hoffnungen auf Überschreitung der Subjekt/Objekt-Situation und auf Aufgabe der Geschlechter-Hierarchie liegt. Indem sie vom kapitalistischen System sprechen, denken die Autoren des Buches La conscienza di sfruttata:

  • »Es ist notwendig zu bestätigen, daß die Organisation der Hausarbeit die Kehrseite der Medaille der Organisation der kapitalistischen Arbeit ist: d.h. — es besteht eine notwendige Bindung zwischen der Herstellung der Welt von Waren und der Welt des Überlebens, der »häuslichen Güter«. (...) Man kann behaupten, daß die Existenz der Warenwelt der Existenz der Welt des Haushalts, die vom Markt ausgeschlossen ist, anvertraut ist. (...) Diese Arbeit bringt nicht nur die völlige Entwertung dessen mit sich, der sie tut, sie bringt insbesondere nicht direkt die Mittel zum Leben mit sich. Alle diese Güter werden mit Geld gekauft: Die Hausarbeit hat keinen Lohn, weil sie nicht in den Tauschmarkt eintritt. Die Frauen befinden sich also in der Situation, ihre Hausarbeit mit dem tauschen zu müssen, der die Möglichkeit besitzt, sich auf den Arbeitsmarkt zu begeben.« (Op. cit., 111, 115f.)

Erinnern wir uns an die Worte von Marx und Engels:

  • »Die Produktion des Lebens, sowohl des eignen in der Arbeit wie des fremden in der Zeugung, erscheint nun schon gleich als ein doppeltes Verhältnis — einerseits als natürliches, andererseits als gesellschaftliches Verhältnis —, gesellschaftlich in dem Sinne, als hierunter das Zusammenwirkung mehrerer Individuen, gleichviel unter welchen Bedingungen, auf welche Weise und zu welchem Zweck, verstanden wird.« (MEW 3, 29f.)

Der ökonomische Determinismus hat den Zusammenhang dieser beiden Elemente aus dem Blick verloren, worauf Feministinnen aus der Frauenbewegung beharren, denen von eben diesem ökonomischen Determinismus paradoxerweise die Vernachlässigung der marxistischen Interpretation vorgeworfen wird. Wenn Marx in seinen ökonomisch-philosophischen Manuskripten von 1844 jedoch — an der Stelle, an der er die entfremdete Arbeit analysiert — vom Arbeiter spricht, der zu Hause ist, wo er nicht arbeitet, eröffnet er den Marxisten die Möglichkeit, die Folgen zu bedenken, die eine Trennung von Arbeitsplatz und Familie/Haushalt haben könnte. Aber gleichzeitig spricht er hier nur von Arbeitern (die Männer oder Frauen sein könnten, aber historisch sind es Männer, die sich in dieser Situation befinden), für welche die Trennung buchstäblich und räumlich besteht. Es gibt jedoch auch andere Arbeiter, die Arbeiterinnen, für die der Widerspruch zwischen Arbeit und Familie noch nicht einmal besteht (Familie = Arbeit), für die die Entfremdung etwas komplizierter ist: diese, die auch nicht zu Hause sind, nicht einmal, wenn sie zu Hause sind.
In dieser Trennung der Bereiche Arbeit und Familie ist die Frau selbst auch noch geteilt, während der Mann zusammenhängend auf einer Seite bleibt. Der Kapitalismus übernimmt und transformiert nur (wenn auch wesentlich) etwas, das schon existiert: die Unterjochung der Frau, die schon immer dagewesen ist. Den existierenden Sozialismen ist es nicht gelungen, diese zu beseitigen, da sie dieselbe Technologie beibehalten haben und sich überwiegend (im Sinne des oben genannten ökonomischen Determinismus) mit dem makroökonomischen Aspekt beschäftigt haben (auch hierzu würde verstärkte Forschung lohnen). Und sehr wenige gibt es nur von denen, die bereit wären, die Konsequenzen dieser umgewälzten traditionellen Sicht weise zu akzeptieren — das heißt, daß die Ausbeutung der Frauen weitere und andere Ausbeutungen erlaubt und somit ihre besonderen Werte und ihre Ideologien in Frage gestellt werden müßten.

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