Schlußwort

Zu ihrer Leistung haben Frauen immer schon ein gebrochenes Verhältnis gehabt. Der größte Teil ihrer Arbeit galt nicht. Kinder, Haushalt, Versorgung von Angehörigen, Mithilfe im Familienbetrieb - das alles war nicht Leistung, sondern Pflicht. Sobald jedoch die Frau die ihr zugewiesene Sphäre verließ und sich an Aufgaben machte, die Geld, Anerkennung und soziales Ansehen brachten, geriet sie unter Beschuß. Die rein weibliche Rolle war zwar minderwertig, aber eine Frau, die darüber hinausstrebte, wurde dennoch angefochten. Das gehört keineswegs der Vergangenheit an; schon eine berufstätige Frau begibt sich auf ein Minenfeld gesellschaftlicher Ambivalenzen, und eine »erfolgreiche« Frau veranlaßt einen ganzen Fragenkatalog. Ist sie eine skrupellose, krankhaft ehrgeizige Person, hart und berechnend und gänzlich ohne weibliche Seelenattribute? Wenn sie unverheiratet lebt, ist die Sache klar: Welcher Mann will eine solche Frau, die ein solch unnatürliches Leben gewählt hat? Wenn sie geschieden ist - auch wenn es inzwischen der statistischen Normalität entspricht-, ist es genauso klar: Ihre Ehe ist an ihrem Ehrgeiz und ihrer Härte gescheitert. jedes widerlegte Stereotyp legt bloß ein neues frei: Sie hat keine Kinder - klar, zu selbstsüchtig. Oder sie hat Kinder, dann sind die bestimmt vernachlässigt und neurotisch. Kinder und Familie in Ordnung? Dann ist sie selber zweifelsohne am Rande des inneren Zusammenbruchs. Die Realität erzwingt den Abschied von all solchen Klischees. Sicher: Das Leben zwischen Beruf, Familie und eigener Persönlichkeit ist nicht leicht, und die Gesellschaft macht es einem, so wie sie heute organisiert ist, nicht leichter. Es gibt darum nicht eine Lösung, sondern tausend Improvisationen. Aber die Frauen, die so leben, standen uns nicht als erschöpfte, überanstrengte Wracks gegenüber ganz im Gegenteil. Wenn sie ein wenig außer Atem waren, darin in der elektrisierten Weise von Hochleistungssportlerinnen. Sie hatten etwas erlebt, ihren Tag gestaltet. Die Euphorie, mit der viele Frauen ihren Beruf ausübten, war beeindruckend. In fünf Generationen werden Frauen vielleicht nicht mehr mit den Hürden und fortgesetzten Benachteiligungen und Vorurteilen zu kämpfen haben, die immer noch Alltag sind, aber wahrscheinlich wird auch diese Euphorie dann blasser geworden sein. Das Erstaunen, das Glück über die eigene Leistung, die Zufriedenheit über den eigenen Mut, die Freude am eigenen Geld, das befriedigte Gefühl der eigenen Verantwortung, das sind die Begleiterscheinungen unserer gemeinsamen Jugend, als Frauen, in der Öffentlichkeit; der Bonus dafür, daß wir so lange nicht durften und nicht konnten. Diese Haltung trifft man sogar dann an, wenn die Arbeit selbst wenig aufregend ist. Dort kann es die Geselligkeit der Arbeitssituation sein, das Herauskommen aus den vier Wänden und natürlich das größere Gefühl der wirtschaftlichen Eigenständigkeit, die selbst noch einer eintönigen Arbeit eine gewisse Attraktivität verleiht. Bei einer Arbeit, in der man eigene Ideen und Werte einbringen kann, die besser entlohnt ist und in der man ernster genommen wird, geht es einem besser - selbstredend. Wenn wir Propaganda machen für weibliche Qualifikation, für Karriere, dann aus diesem ganz einfachen Grund: weil man dann für den eigenen Einsatz viel mehr zurückbekommt. Es ist schmerzlich anzusehen, wie abertausende Frauen immer noch dem Trugschluß aufsitzen, eine weniger qualifizierte Arbeit würde sich besser mit den anderen Zielen- eines Frauenlebens verbinden lassen, während eine Karriere mit den weiblichen Interessen konkurriert. Unsere Interviews zeigten in aller Deutlichkeit, daß das einfach nicht stimmt. Eine Frau, die Qualifikationen vorweist, kann bessere Bedingungen fordern; sich ihr Leben besser einteilen; gegenüber dem Arbeitgeber und auch zu Hause, gegenüber dem Partner, mehr Gerechtigkeit fordern. Mit wachsenden Zahlen werden sie auch von der Gesellschaft und den Politikern eine verantwortliche Infrastruktur für berufstätige Eltern und für Kinder verlangen, und die westeuropäische Wirtschaft darf sich auf zwei Entwicklungen freuen. Einerseits kommen Arbeits- und Führungskräfte auf sie zu, die mit einem ganz neuen EIan und Enthusiasmus an die Tagesgeschäfte herangehen. Zweitens werden sie dafür aber ihren Preis fordern; eine familiengerechtere, flexiblere, sozial verantwortlichere Arbeitswelt. Eine unserer Gesprächspartnerinnen hat das Denken von Männern und von Frauen in der Computersprache kontrastiert. Bei Männern, meinte sie, wären die verschiedenen Sektoren ihres Lebens und Wirkens auf verschiedenen Disketten gespeichert. Wenn sie im Büro ankämen, steckten sie die Arbeitsdiskette hinein, und die anderen Bereiche, ihre Familie, der Geburtstag ihrer Schwiegermutter, wären nicht vorhanden. Bei Frauen, behauptete sie, wäre das anders; da sei immer alles gleichzeitig auf dem disc drive, alles gleichzeitig im Hauptprogramm. Die Budgetverhandlung und der Blumenkohl für das Abendessen, die Probleme mit dem neuen Buchhalter und mit der Babysitterin, alles geisterte gleichzeitig durch den Speicher, der zum Glück sehr viele Megabytes umfassen kann. Wenn wir unser Interview unterbrechen mußten, weil Frau Direktor gerade einen Anruf von ihrer neunjährigen Tochter erhielt, die wissen wollte, wo der Dosenöffner hin verschwunden sein konnte, mußten wir an diesen Vergleich denken. Dieser Zugang lenkt ab, aber er ist auch menschengerechter. Wenn man auch den vierjährigen Nachwuchs präsent hat, der gerade zu Hause friedlich mit Lego spielt, überlegt man vielleicht so manches außenpolitische Geschäft von einer anderen Perspektive; wenn man in einer geistigen Welt lebt, die ständig von Kindern und Großeltern und zu planenden Mahlzeiten und menschlichen Anlässen bewegt ist, statt sich ganz ausschließlich den Kosten und Nutzen einer Sache zuzuwenden, kommen vielleicht ausgeglichenere, demokratischere Entscheidungen dabei heraus. Auf der anderen Seite müssen wir uns auch gar nicht mit Utopien rechtfertigen. Die engagierten und aktiven Frauen, die wir für dieses Buch trafen, waren oftmals politisch und sozial verantwortungsbewußt, aber nicht immer. Wenn wir sie überwiegend als positiv, als glücklich, als erfüllt erlebten, dann nicht nur deshalb, weil sie als »gute Menschen« gute Werke vollbrachten, sondern vor allem deshalb, weil sie ihr Leben in die Hand genommen, ihre Füße in die Welt gestellt hatten.

Texttyp

Epilog