Die Wende in der Wahlrechtskampagne, 1916-1918

Im Sommer 1916 stand den Vereinigten Staaten ein Wettkampf um das Präsidentenamt bevor, bei dem das gesamte Repräsentantenhaus und ein Drittel des Senats neu gewählt wurden. Die Demokraten mit Wilson an der Spitze setzten bei den Wahlen stark auf ihre reformerischen Ansätze, ergänzt durch das Motto: »Er hat uns vor dem Krieg bewahrt«; die Republikaner nominierten Charles Evan Hughes.
Der Kongreßbund trat vom 5. bis 7. Juni, kurz vor dem Parteitag der Republikaner in Chicago, zusammen, um die Nationale Frauenpartei in den zwölf Staaten zu organisieren, in denen Frauen an der Präsidentenwahl teilnehmen konnten. Die Hauptrednerin Maud Younger erklärte: »Seit der Gründung der Frauenpartei marschiert eine neue Kraft auf das politische Feld zu, durchdringt ein neuer Ruf die nationale Kampagne. Zum erstenmal sind Frauen bei einer Präsidentenwahl ein Faktor, mit dem gerechnet werden muß. Vor vier Jahren wählten Frauen in sechs Staaten - heute in zwölf, Illinois eingeschlossen. Diese Staaten mit ihren vier Millionen Frauen stellen fast ein Viertel der Wahlmänner und über ein Drittel der für die Wahl des Präsidenten notwendigen Stimmen. Sind in jedem Staat genügend Frauen organisiert, um das Gleichgewicht der Kräfte zu halten, dann können die Stimmen der Frauen über die Präsidentschaft in den Vereinigten Staaten entscheiden.«[1]
Die Furcht vor einer solchen Möglichkeit trug wahrscheinlich dazu bei, daß beide Parteien in ihren Wahlprogrammen das Frauenwahlrecht zum erstenmal als wünschenswert erwähnten; doch über die maßgebende Frage, wie es zu verwirklichen sei, schwiegen sie sich aus.[2]
Die Frauenpartei hielt während der ganzen Kampagne an ihrer Opposition zu den Demokraten fest, wobei sie die heftigsten Angriffe gegen Wilson selbst richteten:
»Die Bemühungen der Frauenpartei werden sich auf die Niederlage Mr. Wilsons und der nationalen demokratischen Kandidaten in den zwölf Staaten mit gleichem Wahlrecht richten . . . Der Frauenpartei ist vorgeworfen worden, >es auf die Bestrafung Mr. Wilsons abgesehen zu haben<. In Wirklichkeit ist Wilson ihr ziemlich gleichgültig. In 36 Staaten macht sie keinen Versuch, an Mr. Wilsons Kopf auch nur ein politisches Haar zu krümmen. Eine Wiederwahl Mr. Wilsons nähme sie mit Gelassenheit zur Kenntnis - aber nicht in den Wahlrechts-Staaten und nicht mit Hilfe der Stimmen von Frauen. Eines müssen wir Mr. Wilson und seiner Partei - und allen übrigen Parteien -beibringen: daß eine Gruppe, die sich der Einführung des bundesweiten Frauenwahl-rcchts widersetzt, die Unterstützung der Frauen in zwölf großen Einzelstaaten, die fast hundert Wahlmänner kontrollieren, verlieren wird. Dieser Stimmenanteil ist zu groß, als daß sie ihn aufs Spiel setzen oder ihn, sollte es beim erstenmal gutgegangen sein, ein zweites Mal aufs Spiel setzen könnten. Wenn das erst deutlich gemacht ist, dann ist es der Frauenpartei - was das Wahlrecht betrifft - völlig gleichgültig, wer der nächste Präsident der Vereinigten Staaten sein wird.«[3]
Nachdem die Frauenpartei ihre Absichten so unmißverständlich erklärt hatte, mußte sie erkennen, daß aus den Wahlergebnissen weder für Wilson noch für seine Partei die erwünschte Lektion in ausreichender Deutlichkeit hervorgegangen war. Der Präsident gewann in zehn der zwölf »Wahlrechtsstaaten« und verlor nur in Oregon und Illinois. Noch erfolgloser war der Versuch der Frauenpartei, Kandidaten der Demokratischen Partei für den Kongreß zu schlagen. Sie mußte zugeben, daß sich nur in Illinois die Auswirkungen des Frauenwahlrechts exakt bestimmen ließen, denn hier wurde eine getrennte Stimmzählung vorgenommen, weil die Frauen ihre Stimme nur für die Präsidentenwahl abgaben: Ihre Mehrheit für Hughes war größer als dessen gesamte Mehrheit im Bundesstaat. Anderswo vertraute die Frauenpartei auf Erklärungen ihrer Organisatorinnen, daß die Frauen Hughes oder andere Kandidaten gewählt hätten und daß Wilson seine Wiederwahl ausschließlich den vereinten Kräften von Wählern der Fortschrittspartei, von Arbeitern und Bauern (vermutlich alle Männer!), zu verdanken habe.[4] Trotz dieser mangelhaften Logik behauptete die Frauenpartei weiterhin, ihre Wahlpolitik sei erfolgreich gewesen. Als sich nicht länger leugnen ließ, daß sie den Wahlrechtszusatz im Kongreß nicht weiter voranbringen konnte, sah sie sich gezwungen, zu anderen Taktiken überzugehen, und wählte diejenige, der sie ihren späteren Ruhm verdankt: die Militanz. Die Logik der von Mrs. Catt im Laufe des Jahres 1916 entwickelten Strate-gien'der NAWSA ging in die diametral entgegengesetzte Richtung. Mrs. Catt war enttäuscht darüber, daß die Republikaner es unterlassen hatten, eine offensive Grundsatzerklärung zum Frauenwahlrecht in ihr Wahlprogramm aufzunehmen,[5] vor allem nach der gewaltigen Demonstration, welche die NAWSA während des republikanischen Kongresses in Chicago durchgeführt hatte, wo 5000 Frauen bei kaltem, heftigem Regen und stürmischem Wind von der Seeseite her in einem Wahlrechtsumzug marschierten. Doch die Grundsatzerklärung der Demokraten, in der »die Ausdehnung des Wahlrechts auf Frauen, Staat für Staat, zu denselben Bedingungen wie bei Männern« proklamiert wurde, gefiel ihr nicht besser. Was beide Suffragetten-Gruppen empfanden, äußerte sich in stürmischen Ausbrüchen auf der Galerie des Kongresses. Die New York Times beschrieb den Vorgang der Abstimmung über den Bericht des Demokratischen Resolutionausschusses in düsteren Farben: »Die Galerien beherrschten den Parteitag und die Frauen beherrschten die Galerien. Es war wie im Konvent der Französischen Revolution,... und die Frauen, die ihre Feinde und deren Entscheidung auf Namenslisten notierten, erinnerten an die strickenden Frauen der Schreckensherrschaft.«[6]
Statt zum militanten Schlag auszuholen, entwickelte Mrs. Catt ein Programm, dessen erster und wichtigster Schritt darin bestand, Mr. Wilson für den Wahlrechtszusatz zur Bundesverfassung zu gewinnen. Als Gouverneur von New Jersey hatte er noch als Gegner des Frauenwahlrechts gegolten, als Präsident durchlief er nacheinander mehrere Phasen, in denen er jeweils erklärte: er könne nichts tun, wenn seine Partei nicht handle, da er nur ihr Vertreter und Sprecher sei (obwohl er sie bei anderen Kontroversen geführt hatte); er könne nichts tun, bevor nicht der Kongreß gehandelt habe, und er könne nicht in die Kompetenzen eines Kongreßausschusses eingreifen, um dessen Handeln zu beschleunigen (obwohl er gerade das in anderen Fällen getan hatte); schließlich, daß die Frage ausschließlich bei den einzelnen Staaten liege.
Dennoch hatte sich die persönliche Einstellung des Präsidenten zugunsten des Frauenwahlrechts gewandelt, und kurz vor dem Referendum in New Jersey am 19. Oktober 1915 erklärte er öffentlich, er werde eigens die Reise von Washington nach seiner Heimatstadt Princeton machen, um dort seine Stimme für das Wahlrecht abzugeben.[7] Mrs. Catt glaubte angesichts dieser Situation, es sei nur noch eine Frage von Zeit und Taktik, seine Unterstützung für den Verfassungszusatz zu erhalten, und man solle ihn sich keinesfalls zum persönlichen Gegner machen oder ihn in dieser Frage herausfordern.
Die offensichtlichen Schwierigkeiten beim einzelstaatlichen Vorgehen angesichts solcher politischer Realitäten wie des Wahlbetrugs 1912 in Michigan, angesichts der Opposition der korrupten Parteiapparate in Ohio, Wisconsin und New York, ganz zu schweigen von der Aussichtslosigkeit, mit solchem Vorgehen im »ehernen Süden« irgend etwas zu erreichen, wurden dem Präsidenten wiederholt von Delegationen der Frauenpartei, aber auch von Mrs. Catt und ihrer begabten Stellvertreterin, Mrs. Helen Gardener, zu Ohren gebracht. Mrs. Catt selbst legte ihm Berichte über nachgewiesene Wahlbetrügereien in Michigan, Nebraska und Iowa vor und argumentierte, die Rechte der Einzelstaaten würden wohl kaum durch einen Zusatz zur Bundesverfassung beschnitten, für dessen Ratifizierung doch die Zustimmung von drei Vierteln dieser Staaten notwendig sei. Vor allem aber hielt sie die Verbindung zwischen der NAWSA und dem Weißen Haus aufrecht. Auf dem Höhepunkt der Kampagne für seine Wiederwahl im September 1916 erschien der Präsident in Begleitung seiner Frau auf dem Kongreß der NAWSA in Atlantic City und hielt eine Ansprache. Er bezog bei dieser Gelegenheit nicht direkt Stellung, obwohl es seinen begierigen Zuhörerinnen schien, er wäre beinahe so weit gegangen: »Ich bin nicht gekommen, um gegen jemand, sondern um mit jemand zu kämpfen ... Wir spüren die Flut, wir erfreuen uns an ihrer Kraft, und wir werden uns auf die Dauer nicht über ihre Methoden streiten.«[8]
Mrs. Catt glaubte, der Augenblick seiner »Bekehrung« zugunsten des Verfassungszusatzes sei gekommen, als Dr. Shaw in ihrer Antwort auf Wilsons Rede die Worte hervorstieß: »Herr Präsident, wir haben so lange auf das Wahlrecht gewartet - wir hatten gehofft, es noch während Ihrer Amtszeit zu erhalten«, worauf sich alle Zuhörerinnen schweigend erhoben und sich ihm ganz spontan zuwandten. Obwohl Wilson sich erst nach einem weiteren Jahr als Vorsitzender der Demokratischen Partei dafür aussprach, der Kongreß solle das Frauenwahlrecht verabschieden, verweigerte er der NAWSA niemals mehr seine Unterstützung, wenn er um sie gebeten wurde, und gewährte sie auf eine Art und Weise, von der die Öffentlichkeit nie erfuhr.[9] Die Unterstützung des Präsidenten mußte gewonnen werden; gleichzeitig bestand aber die Notwendigkeit, das Frauenwahlrecht zu einem ebenso dringlichen politischen Anliegen zu machen wie Dutzende anderer Themen. Zusätzlich zu zahllosen innenpolitischen Problemen wurde der Krieg, zunächst mit Deutschland, dann mit Mexiko, schließlich wieder mit Deutschland, zu einer Frage von unmittelbarer Bedeutung. Es erschien Mrs. Catt müßig und mehr als nutzlos, der Demokratischen Partei oder beiden großen Parteien mit dem Zorn der weiblichen Wähler in einem Dutzend westlicher Staaten zu drohen; auch sah sie keinen Sinn darin, mit dem Verfassungszusatz auf eine Kraftprobe im Kongreß hinzusteuern, ohne gleichzeitig die Zahl der das Frauenwahlrecht bejahenden Stimmen zu vergrößern, auf die die Vorlage zählen konnte. Dazu mußte die NAWSA ihre weit verstreuten und oft abweichenden Kräfte mobilisieren und ihre Mitglieder überzeugen, daß sie zumindest auf lange Sicht hin wußte, wohin der Weg gehen würde. Als Miss Paul den Wahlrechtszusatz 1913 wieder in die politische Diskussion gebracht hatte, ging es einen großen Schritt vorwärts. Der nächste war, daß der später so bezeichnete »Siegesplan« von Mrs. Catt vorgestellt und akzeptiert wurde - ein Schritt, der nicht darum minder entscheidend war, daß er Jahre hindurch ein Geheimnis blieb. Für die Frauen, auf denen seine Realisierung lastete, waren der Plan sowie das Auftreten des Präsidenten die bedeutendsten Ereignisse des Kongresses von 1916.
Mrs. Maud Wood Park, eine der tüchtigsten Helferinnen von Mrs. Catt, hinterließ eine Beschreibung der nach dem Kongreß stattfindenden Zusammenkunft des aus den Vorstandsmitgliedern der NAWSA und den Vereinsvorsitzenden der einzelnen Staaten zusammengesetzten Exekutivrats: »... der vollgestopfte, stickige Raum, ... die müden Gesichter der meisten Frauen dort; die riesige Landkarte der Vereinigten Staaten an einer Wand; und, am lebhaftesten von allen, Mrs. Catt selbst, als sie die Arbeit des bevorstehenden Jahres erläuterte.«[10] Als Mrs. Catt die müden Frauen ansprach, denen allen der Verdruß über die Arbeit im eigenen heimatlichen Bezirk bis zum Halse stand, schonte sie sie durchaus nicht - das war eine ihrer Methoden, die Loyalität jener Frauen herauszufordern und zu gewinnen, die sie am stärksten bearbeitete. Sie sprach über Zersetzungserscheinungen, die seit Jahren unkontrolliert in der NAWSA vor sich gingen. Sie forderte einen ganz neuen Ansatz für die bevorstehende Arbeit, die Wahl von nationalen Funktionärinnen, die bis zum Ende auf ihrem Posten bleiben würden, und vor allem die Annahme eines Programms, das den Lobbyistinnen in Washington und den Aktivistinnen der Kampagnen draußen im Land das Gefühl vermitteln würde, eine geschlossene Organisation hinter sich zu haben:
»Wenn 36 einzelstaatliche Vereine - oder besser noch mehr - sich in einem Pakt feierlich verpflichten, durchzusetzen, daß der Verfassungszusatz im Kongreß vorgelegt und von den einzelnen Staatspariamenten ratifiziert wird; wenn sie diesem Pakt gemäß eine Kampagne in ihren eigenen Staaten auf vollen Touren und ohne Unterlaß mit dem Ziel organisieren, eine günstige öffentliche Meinung hinter den Politikern dieser Staaten entstehen zu lassen, und diese beiden Kräfte auf die Männer sowohl im Kongreß als auch in den Parlamenten richten, dann können wir erreichen, daß der Verfassungszusatz durchkommt und ratifiziert wird. Anders als so schaffen wir es nicht. Noch niemals ist ein solcher Pakt geschlossen worden, und den meisten der NAWSA fehlt es an mannhafter Entschlossenheit, eine Lobby in Washington zu unterstützen. Ob das an der vorherrschenden Meinung liegt, bereits eine gelegentlich mit Briefen und Telegrammen bombardierte Lobby könne den Verfassungszusatz durchbringen, oder an dem Mangel an Vertrauen in die Durchsetzung des Frauenwahlrechts auf nationaler Ebene, oder aber an purer gedankenloser Sorglosigkeit, das weiß ich nicht zu sagen. Ich glaube eher, daß alle drei Gründe zählen .. . Dieser Kongreß darf nicht beendet werden- und sollte er bis Weihnachten dauern -, bis eine logische und vernünftige Strategie bezüglich des Bundesverfassungszusatzes beschlossen wird... Sollte entschieden werden, daß wir das Wahlrecht mit der bundesweiten Strategie tatsächlich durchsetzen wollen, dann müssen mindestens 36 Staaten einen Pakt unterzeichnen, um es mit Entschlossenheit durchzusetzen... Nationale Vorstände müssen folglich unter einem entscheidenden Gesichtspunkt ausgesucht werden - der Fähigkeit, den Kampf bundesweit zu führen. Es sollten mindestens 36 einzelstaatliche Armeen mobilisiert werden, und diese Armeen sollten sich unter der Führung des nationalen Vorstands bewegen. Sie sollten diszipliniert sein und dem Vorstand in allen die nationale Kampagne betreffenden Fragen gehorchen. Diese große Armee mit ihren 36 und hoffentlich bald 48 Divisionen sollte mit Präzision und Entschlossenheit auf den Kongreß marschieren. Mehr noch: wer diese Aufgabe übernimmt, sollte darauf vorbereitet sein, Leben und Besitz für den Erfolg hinzugeben, und jeder kleinmütige Feigling unter uns, der den Rückzug zu fordern wagt, sollte vor ein Kriegsgericht gestellt werden. Jede andere als diese Politik ist schwach, unwirksam, unlogisch, dumm, nichtig und lächerlich! Jede andere Politik würde erfolglos bleiben.«[11]
Mrs. Catt, die sich mit allgemeinen Erklärungen nicht zufrieden gab, und waren sie auch noch so ernüchternd oder inspirierend, wartete mit detaillierten Plänen auf:
»Bei einem unmittelbar bevorstehenden Angriff auf einen Feind an einem befestigten Punkt fängt ein General oft mit einem Scheinangriff an anderer Stelle an, um die Aufmerksamkeit und die Kräfte abzulenken. Sollten wir beschließen, einige Staaten so aufzubauen, daß sie für eine Kampagne gewappnet sind, können wir ihnen am besten helfen, indem wir im ganzen Land so viel >Wahlrechts-Krach< schlagen, daß weder Feinde noch Freunde bemerken, wo die eigentliche Schlacht geschlagen wird... Wir sollten, wenn das möglich ist, einige weitere Staaten hinzugewinnen, bevor der Bundeszusatz in die einzelnen Parlamente gelang... Wir sollten einen Staat im Süden aussuchen und für eine Kampagne einsatzbereit machen und so die eiserne Front des gegnerischen Südens so schnell wie möglich durchbrechen.
Auch im eisernen, gegnerischen Osten sollte ein Durchbruch erfolgen. Wenn wir 1917 in New York gewinnen, dann wird das Rückgrat der Opposition weitgehend gekrümmt, wenn nicht gar gebrochen sein... Bis 1920, wenn die nächsten nationalen Parteiprogramme beschlossen werden, sollten wir Iowa, Süd-Dakota, Nord-Dakota, Nebraska, New York, Maine und einen Südstaat gewonnen haben. Das Illinois-Gesetz sollte bis dahin in einigen anderen Staaten eingeführt sein.*(* Das »Illinois-Gesetz« bedeutet Frauenwahlrecht bei der Präsidentenwahl durch einzelstaatliche Gesetzgebung)
Durch diese Siege auf unserer Habenseite und den enormen Auftrieb für die ganze Bewegung sollten wir imstande sein, Erklärungen zugunsten des Verfassungszusatzes in allen Parteiprogrammen unterzubringen (sollte er nicht schon vorher verabschiedet werden) und seine Ratifizierung in der im Dezember beginnenden Sitzungsperiode des Kongresses von 1920 sicherzustellen. Anschließend sollte der Zusatz in den im Jahr 1921 zusammentreffenden Parlamenten von 39 Staaten vorgelegt werden, und die übrigen Staaten hätten die Gelegenheit, ihn 1922 zu ratifizieren. Wenn in diesen beiden Jahren 36 Staaten ihn ratifiziert haben, so könnte unser Kampf am 1. April 1922, in sechs Jahren, beendet sein... Dazu sind jedoch ein konstruktives Programm harter, aggressiver Arbeit für die Dauer von sechs Jahren, Mittel zu seiner Finanzierung und die Zusammenarbeit aller Suffragetten notwendig. Das wiederum setzt die Ausschaltung von Kritteleien, Verleumdungen und kleinkrämerischen persönlichen Konflikten voraus, wie sie einer stagnierenden Stadt, Gesellschaft oder Bewegung immer eigen sind und wie wir sie auch in unserer Mitte allmählich spüren. Der Erfolg hängt weniger von dem zu unserer Verfügung stehenden Geld ab als von unserer gemeinsamen Fähigkeit, die Kampagne ohne dieses niedrige Denken zu führen und sie auf das Niveau eines Kreuzzugs für die menschliche Freiheit zu heben.«[12]
Der von Mrs. Catt geforderte Pakt wurde von den Funktionärinnen von über 36 einzelstaatlichen Wahlrechtsvereinen unterzeichnet.[13] Er blieb geheim, aber seine einzelnen Punkte standen im Rahmen weiterreichender politischer Entscheidungen des NAWSA-Kongresses: Der Bundesverfassungszusatz sollte den Schwerpunkt bilden und die einzelstaatlichen Vereine sollten sich der nationalen Führung und Orientierung unterordnen. Jedem Staat wurde eine spezifische Aufgabe zugewiesen. In den Staaten mit bereits erobertem Frauen Wahlrecht sollten die Parlamente veranlaßt werden, im Kongreß Denkschriften zugunsten des Zusatzes zur Bundesverfassung einzureichen; wo die Aussichten auf ein Referendum für einen Zusatz zu den einzelnen Staatsverfassungen günstig waren, sollten diesbezügliche Kampagnen vorbereitet werden (über die der nationale Vorstand entschied, damit keine hoffnungslosen Kampagnen mehr geführt wurden); eine dritte Gruppe, vor allem im Süden, sollte in erster Linie das Stimmrecht bei den Präsidentenwahlen oder zumindest bei den Vorwahlen in Angriff nehmen. Mrs. Catts Zeitplan wurde von den Tatsachen überrollt. Es brauchte nur vier Jahre - statt der von ihr veranschlagten sechs oder mehr -, um die Aufgabe zu vollenden. Dabei spielten Faktoren eine Rolle, die sie damals vielleicht vage vorausgeahnt hatte, die in ihren Berechnungen aber nicht dasselbe Gewicht eingenommen hatten wie in der Wirklichkeit - so etwa der Eintritt der Vereinigten Staaten in den Weltkrieg.
Bemerkenswert ist jedoch, wie präzis die sich entfaltende Bewegung der NAWSA ihrem Plan folgte und wie rasch er Ratifizierung in vielen Staaten ermöglichte, nachdem der Kongreß den Zusatz erst einmal verabschiedet hatte, und wie eine Verzögerung an einer Front an anderen Fronten wiedergutgemacht werden konnte, nachdem der Motor einmal auf vollen Touren lief. Nach wenigen Monaten wurden die ersten Erfolge der neuen Strategie sichtbar, wenngleich sie zunächst nur zufällig und nebensächlich schienen.
Am 10. Januar 1917 bezogen die ersten Suffragetten vor den Toren des Weißen Hauses Posten, was darauf hinwies, daß sich der Kongreßbund und die Frauenpartei (die nun beide unter dem Namen der letzteren zusammengefaßt waren) mit gelegentlichen Delegationen beim Präsidenten und der Lobby-Arbeit bei widerspenstigen Abgeordneten nicht länger zufrieden gaben (obwohl sie diesen Weg auch weiterhin beschritten). Die Streikposten standen schweigend und bewegungslos und hielten Transparente mit den Aufschriften »Herr Präsident, was werden Sie für das Frauenwahlrecht tun?« und »Wie lange müssen Frauen auf die Freiheit warten?«.[14] Die Methode der »schweigenden Schildwache« war bereits 1912 vom Politischen Frauenbund in Albany praktiziert worden als Versuch, eine Gesetzesvorlage für ein Wahlrechtsreferendum im Parlament des Staates New York einzubringen; die Methode der Streikposten war bekannt aus zahlreichen Arbeitskämpfen. Ein Streikposten vor dem Weißen Haus war indessen neu, und die Behörden wußten nicht genau, wohin das führen würde und wie sie sich verhalten sollten. Die Polizei verhielt sich für den Augenblick passiv, und der Präsident lüftete auf seiner nachmittäglichen Spazierfahrt mit Mrs. Wilson höflich den Hut, wenn er an den bewegungslosen Frauen vorbeifuhr, die Tag für Tag ungeachtet des Wetters mit todsicherer Regelmäßigkeit zu beiden Seiten des Eingangstores standen. Die Menge war neugierig und gab oft freundliche Kommentare zu den Parolen auf den Transparenten, die von Zeit zu Zeit ausgetauscht wurden. Selbst als eine bewegliche Streikpostenkette am 4. März, dem Tag des Amtsantritts des Präsidenten, das Weiße Haus umkreiste, gab es keine Zwischenfälle.
Der 65. Kongreß eröffnete seine Sondersitzungsperiode am 2. April 1917. Unter den neuen Abgeordneten, die dem Repräsentantenhaus vorgestellt wurden, befand sich die erste Frau, die in das Bundesparlament einzog. Es war Jeanette Rankin aus Montana, die 1914 die Frauen ihres Staates in ihrem erfolgreichen Feldzug für das Wahlrecht angeführt hatte. Miss Rankin führte ein unbequemes Abgeordnetenleben zwischen den beiden Wahlrechtsfraktionen, die ihren Einzug in das Repräsentantenhaus mit einem gemeinsamen Lunch zu ihren Ehren feierten - wahrscheinlich das letzte Beispiel ihrer Zusammenarbeit -, bei dem Miss Rankin als Ehrengast zwischen Mrs. Catt zu ihrer Rechten und Miss Paul zu ihrer Linken saß.[15]
Welchen Drangsalen sie auch immer ausgesetzt war - der unbarmherzigen Kritik durch die Anhänger des Frauenwahlrechts, sie tue nicht genug für die Sache, wie der Kritik der Gegner, sie vertrete die Interessen der Frauen stärker als die ihrer Wählerschaft, die sie ins Parlament geschickt habe -, sie war die sichtbare Verkörperung des zunehmenden Drucks auf das Repräsentantenhaus, ihrem Geschlecht die politische Legitimität zuzugestehen. In der Zwischenzeit verschlechterten sich die Beziehungen zu Deutschland, und die Möglichkeit eines Eintritts der Vereinigten Staaten in den Weltkrieg, der Europa seit zwei Jahren heimsuchte, wurde immer aktueller. Mrs. Catt beobachtete die Situation mit Sorge. Sie war sich bewußt, welche Rückwirkungen eine solche Entwicklung auf die Wahlrechtsfrage haben würde, selbst in den Reihen der NAWSA, die jetzt geeinter war als je zuvor. Schon am 25. Februar bot die NAWSA der Regierung für den Fall des Kriegseintritts ihre Dienste an, aber sie gab nie die Wahlrechtsarbeit zugunsten der Arbeit für den Krieg auf, wie ihr von der Frauenpartei vorgeworfen wurde, und Mrs. Catt betonte ohne Unterlaß, daß für die NAWSA die Wahlrechtsfrage an erster Stelle stand.[16]
Hinter dieser Ansicht stand ihre Überzeugung, daß der Krieg zwar keinerlei Probleme lösen könne, die Frauen aber trotzdem keine Vogel-Strauß-Politik betreiben und so tun dürften, als ob er nicht stattfände. Auch brauchten sie mehr denn je politisches Ansehen, um ihren Beitrag zu einem echten Frieden leisten zu können; und schließlich war es nicht unvereinbar, sich gleichzeitig für die Durchsetzung des Frauenwahlrechts und der »Kriegsziele« einzusetzen, welche die Wilson-Regierung im Laufe der Monate allmählich formulierte und die in dem Satz »Die Welt für die Demokratie reif machen« zusammengefaßt wurden. Als Realistin wußte Mrs. Catt, daß die Fähigkeit der Suffragetten, erfolgreich für ihre Sache einzutreten, in gewissem Maße davon abhängen würde, ob auch sie sich den nationalen Kriegsanstrengungen anschließen würden.
Nicht so die Frauenpartei. Da ein großer Teil ihrer aktiven Mitglieder und Führerinnen Quäker waren, unternahm sie nichts, um die Arbeit für den Krieg zu organisieren (wenngleich sich einzelne ihrer Angehörigen dafür engagierten). Sie nahm den Krieg einzig zur Kenntnis, indem sie die laufenden Ereignisse mit ständig schärfer formulierten Slogans auf den Transparenten kommentierte; diese riefen ihrerseits bei der von der hochtourigen Propagandakampagne ergriffenen Menge, deren Patriotismus angeheizt werden sollte, gelegentlich hysterieähnliche Reaktionen hervor. »Demokratie sollte zu Hause beginnen«, stand auf den Spruchbändern, andere wiesen auf das »freie Rußland« hin, wo die Frauen nach dem Sturz des zaristischen Regimes das Wahlrecht erhalten hatten, und zogen neidvolle Vergleiche mit den Vereinigten Staaten und »Kaiser Wilson«. Die Gewalttätigkeit des Mob brach zum ersten Mal an dem Tag aus, als Abgesandte der Kerenski-Regie-rung das Weiße Haus besuchten und auf den Plakaten lesen konnten, daß die Vereinigten Staaten nur dem Namen nach eine Demokratie seien. Danach flammte unter den Zuschauern wiederholt Gewalt auf, an der Polizisten in Uniform ebenso wie regelrechte Rowdys teilhatten. Am 22. Juni wurden die ersten Verhaftungen vorgenommen.
Die Anklagen, mit denen die Streikposten vor Gericht gebracht wurden, führen das Dilemma vor Augen, dem sich die Wilson-Regierung und die ihr direkt unterstellten Kommissare des District of Columbia gegenübersahen.[17] Die einzige Anklage, die jemals gegen sie erhoben wurde, lautete auf Behinderung des Fußgängerverkehrs; die Wahrheit war, daß die Frauen kein Gesetz gebrochen und kein Verbrechen begangen hatten. Ihre Aktionen konnten juristisch nur als Erregung öffentlichen Ärgernisses bezeichnet werden. Im nachhinein wurde dem Streikposten-Stehen zu viel Bedeutung beigemessen - seinem Schaden oder seinem Nutzen für die Eroberung des Wahlrechts für Frauen - und zu wenig der Tatsache, daß die Streikposten tatsächlich zu den ersten Opfern der Abschaffung der bürgerlichen Freiheiten in Kriegszeiten in diesem Land gehörten. Die Erörterungen dieses Themas beschränkten sich zumeist auf die Beschreibung der Maßnahmen der Regierung im Zusammenhang mit dem Anti-Spionage-Gesetz, der Behandlung der Industrial Workers of the World, von Sozialisten wie Eugene Debs und der Kriegsdienstverweigerer. Fest steht, daß seit dem Beginn der Verhaftungen stets nur die Frauen auf den Streikposten verhaftet wurden, niemals aber die Männer, die ihnen die Transparente aus den Händen rissen, sie zerstörten und die Frauen oft körperlich mißhandelten. Trotz ihrer eindeutig aufrührerischen Slogans wurden die Frauen kein einziges Mal unter der Anklage der Störung des öffentlichen Friedens, des Aufrufs zur Gewalt oder der Gefährdung der Sicherheit der Nation oder ihres obersten Repräsentanten festgenommen. Anfangs wurden die Streikposten ohne Urteilsspruch wieder entlassen. Aber als weiterhin Streikposten organisiert wurden und die Gewalttätigkeiten andauerten, wurden die Frauen von den Distriktgerichten zu Gefängnisstrafen verurteilt, die von zunächst einigen Tagen auf sechs Wochen und schließlich auf sechs Monate angehoben wurden. Insgesamt 218 Frauen aus 26 Staaten wurden während der ersten Sitzungsperiode des 65. Kongresses verhaftet, 97 kamen ins Gefängnis. Sie saßen ihre Strafen im verrufenen Occoquan-Arbeitshaus im nahen Virginia und im kaum weniger berüchtigten Gefängnis des District of Columbia ab.[18] Als die Frauen mit einem Hungerstreik gegen die illegalen Verhaftungen, die schlechten Haftbedingungen und die brutale Behandlung protestierten, machten die Behörden, die nichts aus den bitteren Erfahrungen der britischen Regierung gelernt hatten, Gebrauch von Zwangsernährung und schufen damit ein Heer von Märtyrerinnen. Auch konnten die Frauen, die unter Anklage gestellt wurden, nicht im entferntesten zu den extremistischen Kreisen gerechnet werden. Viele von ihnen, keineswegs lediglich Miss Paul und Miss Bums, hatten nicht nur qualifizierte Berufe, sondern waren auch berühmt, wie die sechzigjährige Lavinia Dock, die lange Zeit Mitarbeiterin von Lillian Wald im settlement-Haus in der Henry Street in New York war und sich auf dem Gebiet der Krankenpflege international einen Namen gemacht hatte. Andere, wie Mrs. Lawrence Lewis, waren wohlhabend oder verheiratet mit hohen Regierungsbeamten, wie Mrs. Harvey W. Wiley, und führenden Zeitungsleuten in Washington, wie Mrs. Gilson Gardner. Eine beträchtliche Zahl stammte aus angesehenen Quäker-Familien, viele waren fleißige junge Universitätsabsolventinnen, andere Arbeiterinnen, von denen knapp ein Dutzend in einer Munitionsfabrik in Bridgeport beschäftigt war. Das Dilemma wurde noch größer infolge der Tatsache, daß die meisten Männer, denen sie zum Problem wurden, nicht gegen das Frauenwahlrecht waren. (In Wilsons ganzem Kabinett lehnte nur Außenminister Lansing das Frauenwahlrecht ab.) Man kann mit gutem Recht annehmen, daß viele von ihnen sich entsetzt zeigten über den Schaden, den ihrer ehrlich gemeinten Ansicht nach eine Taktik wie das Postenstehen der Sache des Frauenwahlrechts zufügte.
Das war natürlich auch die Hauptsorge der NAWSA, die keine Gelegenheit ausließ, durch öffentliche Erklärungen und persönliche Besuche ihrer Vorsitzenden bei Zeitungsherausgebern und Kongreßabgeordneten deutlich klarzustellen, daß ihre Organisation mit den Streikposten nichts zu tun hatte und vielmehr deren Aktionen verabscheute. Mrs. Catt sorgte dafür, daß die Teilnehmer am letzten Wahlrechtsumzug 1917 in New York Transparente trugen, die sich von den Streikposten distanzierten, und Wilson appellierte in seiner Botschaft an die Wähler New Yorks am Vorabend des zweiten Referendums dort, sich durch ihre Einstellung in der Streikposten-Frage nicht negativ beeinflussen zu lassen.
Was diese Anhänger des Wahlrechts in ihrem Übereifer für die Sache übersahen, war das Unrecht, das den Frauen auf den Streikposten und in den Gefängnissen angetan wurde. Selbst als sich die Polizei den Angriffen des Mob gegen die Frauen angeschlossen hatte, als die Haftbedingungen im Occoquan-Arbeitshaus und im Bezirksgefängnis sowie die Ungesetzlichkeit der Überführung der Frauen nach Virginia, ohne daß sie Rechtsanwälte oder Freunde erreichen konnten, sowie alle Maßnahmen gegen sie in der Öffentlichkeit weit bekannt geworden waren, trafen die Verurteilungen weiterhin hauptsächlich Frauen. So konnte es nicht endlos weitergehen, und die Streikposten zeigten keinerlei Neigung aufzugeben. Sie wurden immer zahlreicher und waren bereit, an die Stelle jener Frauen zu treten, die in Polizeifahrzeugen abtransportiert wurden, oder jener, die endlich einen Gerichtsbeschluß erhalten hatten und vor Gericht erscheinen sollten, aber zu schwach und abgemagert waren, um noch stehen zu können. Präsident Wilson konnte nicht länger behaupten, ihm seien die Umstände ihrer Haft unbekannt; er hatte alle Einzelheiten von Dudley Field Malone erfahren, einem hohen Beamten der New Yorker Hafenbehörde, der bereits seit Juli ein Freund und politischer Anhänger der Sache war. Als die Frauen für sich den Status als »politische Gefangene« forderten, antwortete die Regierung, dadurch würden alle möglichen riskanten Präzedenzfälle im Zusammenhang mit dem Krieg geschaffen. Aber da sie den Aufschrei der Entrüstung über die Behandlung der Streikposten, den eine weitverbreitete Kampagne mittlerweile ausgelöst hatte, nicht ersticken und die Hungerstreiks nicht unterbrechen konnte, wurden alle Frauen am 27. und 28. November bedingungslos freigelassen.[19]
Monate später, am 4. März 1918, erklärte das Appellationsgericht des District of Columbia jede einzelne der Gefängnisstrafen und ebenso die ursprünglichen Verhaftungen für ungültig. Wie immer man den Nutzen der Streikposten und der Hungerstreiks bewertet, dieser Ausgang darf ebensowenig verschleiert werden wie die Tatsache, daß mit allzu wenigen Ausnahmen die NAWSA-Führerinnen, Mrs. Catt eingeschlossen, dieses begangene Unrecht durch ihr Schweigen gebilligt haben.[20]
Ohne ihre Motive in Frage zu stellen oder den Mut dieser Frauen schmälern zu wollen, die eine schändliche und schmerzhafte Zwangsernährung und andere Mißhandlungen erlitten, muß man sich indessen fragen, ob die Entscheidung, die zu dieser Form des Protests führte, richtig war. Was wurde mit all dem Heldentum und Leiden erreicht? War ihnen, wie die Frauenpartei immer behauptete, der im Jahre 1917 einsetzende Auftrieb für den Verfassungszusatz zu verdanken?
Gewisse Erfolge konnten nicht geleugnet werden. Der Senatsausschuß für Frauenwahlrecht veröffentlichte am 15. September einen positiven Bericht über die Gesetzesvorlage, einen Tag nachdem der Vorsitzende des Ausschusses, Senator Jones aus Neu-Mexiko, das Occoquan-Arbeitshaus besucht und die dortigen Zustände geprüft hatte. Am 24. September wurde endlich auch im Repräsentantenhaus ein solcher Ausschuß ernannt. Die Streikposten wurden eine Woche vor Beginn der neuen Sitzungsperiode des Kongresses freigelassen, und eine Woche nach der Eröffnung wurde im Repräsentantenhaus die Abstimmung über den Verfassungszusatz auf den 10. Januar festgesetzt. Die Frauenpartei beharrte darauf, daß diese Entwicklungen Ergebnis der Streikposten-Taktik waren.
Die tagtäglich von der Presse wiedergegebenen Reaktionen zwingen zu dem Schluß, daß die Frage des Wahlrechts für Frauen durch die Streikposten, die Verhaftungen, die Gefängnisstrafen und die Hungerstreiks eine enorme Publizität gewann. Wenn jedoch die Tapferkeit der Frauen gewisse Sympathien zu wecken vermochte, so verscherzte sie sich gleichzeitig andere, innerhalb und außerhalb des Kongresses. Es ist richtig, daß die Streikposten die Regierung ganz offensichtlich vor ein Problem stellten, dessen endgültige Lösung nur darin liegen konnte, den Frauen das Wahlrecht zu geben. Aber zu behaupten, die Frauenpartei sei allein für den schließlich erfolgten Durchbruch verantwortlich gewesen, hieße, die Geschichte zu ignorieren. Andere Kräfte waren ebenfalls am Werk; zu den augenfälligsten gehörten die Rolle, die die Frauen in ihrem nunmehr völlig in den Krieg verwickelten Land spielten, sowie die Verstärkung der Wahlrechtsaktivitäten unter Führung der NAWSA.
Wie schon der Bürgerkrieg brachte auch der Erste Weltkrieg die Frauen vom Herd weg in neue Aktionsbereiche und viele tausend weitere an eine Arbeit, die ihnen nicht mehr neu war. Der gewaltige Zustrom von Frauen in die Industrie und in den öffentlichen Dienst veränderte ihre Stellung innerhalb der Gesellschaft radikal. Gleichzeitig hatten sie nun ein neues und erhabeneres moralisches Argument: Wenn Demokratie zu Hause begann, dann mußte sie am ehesten auf jene angewandt werden, die alle Arten sozialer Verantwortung auf sich nahmen und auf kompetente Weise erfüllten und damit ein für allemal bewiesen, daß sie ebensogut politische Verantwortung tragen konnten.
Im Vergleich mit dem neuerlichen und weit größeren Zustrom von Frauen in die Industrie während des Zweiten Weltkriegs mag ihre Zahl in jenem früheren Kampf wenig beeindrucken. Doch nahm die Liste der Beschäftigungen, die die Frauen an Stelle der Männer 1917 und 1918 in unterschiedlichem Ausmaß ausübten, in einer Regierungspublikation vier engbedruckte Seiten ein. Sie arbeiteten an Hochöfen, in der Fertigung von Stahlplatten, Sprengstoffen, Waffen, Werkzeugmaschinen, landwirtschaftlichem Zubehör, elektrischen Geräten, Eisenbahn-, Fahrzeug- und Flugzeugteilen. Sie arbeiteten beim Schmelzen und Verarbeiten von Messing und Kupfer, in Gießereien, Ölraffinerien, in der Chemieindustrie und bei der Herstellung von Düngemitteln und Lederwaren. Tausende strömten zusätzlich als Arbeiterinnen in die Textilbetriebe, die Uniformen für die Armee herstellten, in die Transportdienste und andere Beschäftigungszweige.[21] Die Massenbeschäftigung von Frauen an Arbeitsplätzen, an denen sie bisher kaum oder gar nicht vertreten waren, führte zu der Frage, ob sie wirklich den langen Arbeitstag durchhalten konnten oder ob andere Arbeitsbedingungen gesichert werden mußten.[22] Daraufhin wurden zur Klärung dieser Probleme Sonderdienststellen eingerichtet, auf deren Posten Frauen gesetzt wurden. Das Frauenbüro des Arbeitsministeriums war geschaffen worden, nachdem ursprünglich für die Belange von Arbeiterinnen in Munitions- und Waffenfabriken eine Frauenabteilung innerhalb des Rüstungsressorts gebildet und danach im Juni 1918 die Abteilung »Industriearbeiterinnenbetreuung« im Arbeitsministerium eingerichtet worden war, deren Leiterin Mary Van Kleeck war. Ihre Mitarbeiterin war Mary Anderson, die 1919 ihre Nachfolge antrat und 1920 die erste Direktorin des Frauenbüros wurde.[23] Auch in den Regierungsbehörden, die mit den Kriegsaktivitäten zu tun hatten, traten Frauen zum ersten Mal in Erscheinung. Dr. Shaw arbeitete als Vorsitzende fast hauptberuflich im Frauenausschuß des Nationalen Verteidigungsrates, dem auch Mrs. Catt angehörte. Dieser versuchte, die Frauen der Nation zur Arbeit in der Landwirtschaft, im Gemüsegarten, zum Einkochen von Nahrungsmitteln, zur Krankenpflege, zum Verkauf von Kriegsanleihen und zu anderen Kriegsaktivitäten zu bewegen.
Die NAWSA unterhielt und finanzierte ein Übersee-Krankenhaus in Frankreich; einige der eifrigsten Frauenrechtlerinnen schafften es, auch noch für das Rote Kreuz Nahrungsmittel zu beschaffen und zu verpacken, zu stricken und für diese Organisation zu arbeiten. Mrs. Catt erklärte unaufhörlich, daß die Frauen zwar beides tun sollten, der Kampf um das Wahlrecht müsse aber an erster Stelle in ihrer Arbeit für den Krieg stehen. Dieser Doppelaspekt ihrer Arbeit trat nie deutlicher zutage als bei dem letzten großen Wahlrechtsumzug am 27. Oktober 1917 in New York. Obwohl wesentlich kleiner als der von 1915, war er doch vielleicht noch wirkungsvoller. Neben 2500 Frauen, die Plakate mit über einer Million Unterschriften von Frauen zugunsten einer Wahlrechtspetition trugen, nahmen Gruppen von Landwirtinnen, Industriearbeiterinnen, Ärztinnen und Schwestern des Roten Kreuzes für den Überseedienst an dem Umzug teil. Was bei dieser Demonstration dramatisch vor Augen geführt wurde, war in jeder Stadt und an jeder Kreuzung des Landes Wirklichkeit geworden. Mit welchen logischen Argumenten konnten den Frauen noch weiterhin die Rechte als Bürger verwehrt werden?
Doch die Geschichte der letzten drei Jahre der Wahlrechtsbewegung brachte den nachdrücklichen Beweis dafür, daß Logik allein nicht ausreichte; wenn die Frucht auch für die Ernte reif sein mochte, fiel sie doch nicht einfach vom Baum. Während in den ersten Monaten des Jahres 1917 deutlich wurde, daß Mrs. Catts »Siegesplan« und die ständig zunehmenden Aktivitäten der Frauenpartei in den einzelnen Staaten allmählich Erfolge nach sich zogen und diese sich nach und nach auf den Kongreß auswirkten, wurde das Vorankommen doch zusehends schwieriger. Zu der doppelten Belastung durch die Arbeit für das Wahlrecht und für den Krieg kamen nun der annähernde Zusammenbruch des nationalen Transportsystems, eine Grippeepidemie und die ständigen Beschuldigungen, die Frauen würden sich antipatriotisch verhalten. Viel später, nach der Unterzeichnung des Waffenstillstands, berichtete Mrs. Catt ihrem Vorstand:
»Die Arbeit der beiden letzten Jahre war die mühsamste und schwierigste meiner ganzen Laufbahn. Alle Wahlrechtsgegner im Land versuchten nach besten Kräften, die Öffentlichkeit glauben zu machen, daß die Suffragetten Landesverrat begingen, weil sie ihre Arbeit nicht niederlegten, als die Vereinigten Staaten in den Krieg eintraten. Sie hatten ein weitverzweigtes Pressebüro, das diese Theorie vom Atlantik bis zum Pazifik ausstreute, was auf subtilste Weise geschah, in Reden, Artikeln und Briefen sowie mit allen möglichen propagandistischen Mitteln. Das war eine ständige Störung. Sie beeinflußte sogar unsere eigenen Leute so sehr, daß viele ihre Wahlrechtsverpflichtungen vollständig fallenließen ... Daß wir mitten auf dem Weg und inmitten all dieser schwierigen Umstände die Arbeit durchgehalten haben, ist erstaunlicher, als die meisten von Ihnen glauben mögen. Es hat mehr Nerven gekostet, als irgendjemand außerhalb des Hauptquartiers überhaupt ahnen kann.«[24]
Um sich ein Bild von den Kräften machen zu können, die zu diesem Zeitpunkt für das Frauenwahlrecht arbeiteten, muß man sich nicht nur der Streikposten vor dem Weißen Haus, sondern ebenfalls der immer aufsehenerregenderen Ergebnisse in den Einzelstaaten erinnern. Im Januar 1917 wurde den Frauen Nord-Dakotas per Gesetz die Teilnahme an den Präsidentenwahlen zugestanden (»Illinois-Gesetz«), rasch danach schlossen sich Ohio, Indiana, Rhode Island, Nebraska und Michigan an (die letzten drei Staaten im Laufe von nur einer Woche), während der erste historische Durchbruch im »ehernen Süden« am 6. März in Arkansas erreicht wurde, wo den Frauen die Teilnahme an den Vorwahlen zum Präsidentenamt gesetzlich bewilligt wurde.[25]
Ein Referendum über einen Wahlrechtszusatz im September 1917 in Maine endete mit einer Niederlage, aber Mrs. Catts Kommentar lautete: »Eine Schlacht ist verloren. Vergessen wir sie. Andere liegen vor uns.«[26] Sie hatte bereits ein Referendum von ausschlaggebender Bedeutung im Auge, das nach einer zweijährigen Pause in New York erneut durchgeführt wurde. Neben der ungeheuren Anstrengung, mehr als eine Million Unterschriften von Frauen für die Wahlrechtspetition zu sammeln - ein unwiderlegbarer Beweis dafür, daß die Frauen wählen wollten -, war es hier außerordentlich wichtig gewesen, daß der mächtige Parteiapparat der Demokraten, Tammany Hall, sich in letzter Minute entschied, nicht gegen die Gesetzesvorlage zum Frauenwahlrecht zu stimmen. Ihre Führer waren offensichtlich zu dem Schluß gekommen, es sei zu gefährlich, sich die zukünftigen weiblichen Wähler zu entfremden. Viele von ihnen hatten Frauen und Töchter, die in der Frauenwahlrechtspartei arbeiteten und sogar führende Funktionen ausübten und die, nach Durchsetzung des Frauenwahlrechts, in der Lage sein würden, »ihnen Stimmen zu bringen«. Die Haltung der Tammany Hall gab den Ausschlag: Ein Vorsprung von über 100 000 Stimmen brachte das Frauenwahlrecht in New York City durch, während die Abstimmung im übrigen Staat eine ungefähre Stimmengleichheit ergab. In der kriegsbedingten Sondersitzungsperiode des Kongresses, die von April bis Oktober dauerte, wurden auf Veranlassung des Demokratischen Parteivorstands nur den Krieg betreffende Gesetzesvorlagen behandelt. Als der Kongreß am 3. Dezember wiedereröffnet wurde, war er nicht mehr durch solche Einschränkungen gebunden, und seine Mitglieder mußten nun viele mit dem Frauenwahlrecht zusammenhängende Fragen erörtern: nicht nur die Streikposten oder den 100 O00-Stimmen-Vorsprung der Frauen in New York, oder die länger werdende Erfolgskette in den einzelnen Bundesstaaten. Auf ihrem Kongreß vom 12. bis 15. Dezember im kriegsüberschatteten Washington teilte die NAWSA mit, auch sie verlöre allmählich die Geduld: »Sollte der 65. Kongreß den Zusatz zur Bundesverfassung nicht noch vor den nächsten Kongreßwahlen einbringen, wird dieser Verein so viele Kampagnen für die Senats- und Kongreßwahlen aussuchen und führen, bis in beiden Häusern eine ausreichende Stimmenveränderung bewirkt und damit seine Verabschiedung garantiert ist. Die Auswahl der zu bekämpfenden Kandidaten bleibt dem Exekutivausschuß und den Ausschüssen der betroffenen Staaten vorbehalten. Unsere Opposition gegen einzelne Kandidaten wird sich nicht an parteigebundenen Überlegungen orientieren, und dennoch erhält die Treue zur Nation den Vorrang gegenüber der Treue zum Verfassungszusatz.«[27]
Eine Abstimmung über den Anthony-Zusatz im Repräsentantenhaus war auf den 10. Januar 1918 festgesetzt worden. Einen Tag vorher gab der Präsident seine langerwartete Erklärung zugunsten des Zusatzes gegenüber dem Abgeordneten Raker ab, dem Vorsitzenden des Frauenwahlrechts-Ausschusses des Repräsentantenhauses. Das bedeutete, daß sich der Präsident ungeachtet des Abstimmungsergebnisses als Vorsitzender seiner Partei für die Gesetzesvorlage engagiert hatte.
Die Abstimmung im Repräsentantenhaus bewies - wenn hierfür ein Beweis überhaupt nötig war -, daß nicht alle Helden in diesem langen Kampf Frauen waren.[28] Unaufhörliche Lobby- und Auszählungsarbeit beider Wahlrechtsgruppen hatten gezeigt, daß die Abstimmungsergebnisse sehr knapp ausfallen würden und daß der Ausgang von niemandem vorausgesagt werden konnte. Mit großer Angst beobachteten die Frauen, die auf der Galerie ihre Listen über die Stimmenabgabe vervollständigten, wie sich der Schlußkampf haarscharf zuspitzte und ihre Anhänger jede mögliche Stimme aufzutreiben versuchten. Vier - ausschlaggebende - Stimmen kamen von Kranken: vom Abgeordneten Sims aus Tennessee, der Arm und Schulter gebrochen hatte und diese nicht behandeln lassen wollte aus Angst, er könne danach nicht an der Abstimmung teilnehmen, und der trotz qualvoller Schmerzen bis zum Ende blieb, um unentschlossene Kollegen zu beeinflussen; vom Vorsitzenden der republikanischen Minderheit im Repräsentantenhaus, Mann aus Illinois, der sechs Monate in einem Krankenhaus in Baltimore gelegen hatte, bleich wie ein Gespenst erschien und sich kaum aufrecht halten konnte; von Crosser aus Ohio und von Barnhart aus Indiana, der beim letzten Aufruf auf einer Bahre hereingetragen wurde. Der Abgeordnete Hicks aus New York löste sein letztes Versprechen an seine Frau ein, eine begeisterte Suffragette, die gerade gestorben war; er verließ ihr Totenbett, um in Washington seine Stimme abzugeben und kehrte umgehend zu ihrem Begräbnis zurück.
Dank dieser aufopfernden Haltung kam der Zusatz mit 274 gegen 136 Stimmen durch, genau der für die Verabschiedung eines Verfassungszusatzes notwendigen Zweidrittelmehrheit, wobei die Ja-Stimme des Sprechers Champ Clark für den Fall eines unentschiedenen Abstimmungsergebnisses zurückgehalten worden war. Es herrschte ein derartiges Durcheinander am Tisch des Schriftführers im Sitzungssaal, daß drei namentliche Aufrufe und eine Wiederholung notwendig waren, bevor das Ergebnis feststand. Die Frauen auf der Galerie wurden schließlich durch Hochrufe und Zuwinken ihrer Anhänger unten im Saal beruhigt. Eine Stimme auf dem Flur begann »Old Hundred« zu singen, andere fielen ein, und die vertraute Hymne hallte durch das marmorne Kapitol. Einige der Anwesenden dachten sicher an all die Frauen im ganzen Land, die den Ausgang der Abstimmung noch nicht kannten und bis zum allerletzten Augenblick verbissen für ihn arbeiteten. Monate später schrieb Mrs. Ben Hooper aus Wisconsin an die Vorsitzende ihres staatlichen Wahlrechtsvereins:
»Als ich im Dezember vom NAWSA-Kongreß in Washington nach Hause zurückkam, war ich von meiner Arbeit schrecklich erschöpft, aber ich machte gleich weiter, um die Stimme von Mr. Davidson in seinem Bezirk und von Mr. Classon im neunten Bezirk kurz nach Weihnachten sicherzustellen.*(* Beide Männer stimmten für den Zusatz) Ich reiste durch einen großen Teil ihrer Bezirke, hielt keine öffentlichen Reden, sondern suchte prominente Politiker auf und diskutierte mit jedem einzelnen von ihnen die Frage und tat mein Bestes, ihnen die Situation von unserem Standpunkt aus begreiflich zu machen. An einigen Tagen stand ich um 5.30 Uhr auf, nahm einen Zug und kehrte nicht vor Mitternacht nach Hause zurück, erörterte die Frage mit sechs bis acht Männern und ging den ganzen Tag lang von Büro zu Büro. An dem Tag, als ich in Appleton war, herrschten minus zehn Grad. Als ich in Marinette war, gab es einen heftigen Schneesturm. Ich verbrachte die Nacht dort und kam nach Oconto, noch bevor die Gehsteige geräumt waren, und mußte bis zu den Knöcheln im Schnee waten. Es gibt keine Straßenbahnen in Oconto. Soweit ich sah, gab es keine Taxis. Ich arbeitete bis zum letzten Augenblick, bis ich wußte, daß jetzt nichts mehr nach Washington gelangen konnte, und dann gab ich auf. Es fehlt mir nichts, bis auf eine physische und nervliche Erschöpfung. Ich beklage mich nicht, denn für dieses Ergebnis würde ich alles noch einmal tun, selbst wenn ich danach sechs Monate das Bett hüten müßte.«[29]
Eine Analyse des Abstimmungsergebnisses im Repräsentantenhaus ist aufschlußreich. Dreißig der Männer, die bei der einzigen früheren Abstimmung, am 12. Januar 1915, gegen den Verfassungszusatz gestimmt hatten, waren nun dafür. Von »Nein« zu »Ja« hatten insgesamt 56 Abgeordnete von Delegationen jener Staaten gewechselt, in denen im Jahre 1917 Wahlrechtssiege erkämpft worden waren. Die New Yorker Delegation mit über 40 Abgeordneten stimmte bei nur vier Gegenstimmen für den Zusatz - sie hatten den anfeuernden Auftrag ihrer Wähler noch in Erinnerung. Der Westen und Nordwesten, die sich inzwischen fast vollständig aus Wahlrechtsstaaten zusammensetzten, entschieden sich mit nur wenigen Ausnahmen positiv. Die Grenzstaaten Kentucky, Tennesse und Maryland erzielten einen fast gleich hohen Stimmenanteil für und gegen den Zusatz. Arkansas und überraschenderweise Florida brachen aus dem südlichen Block aus und stimmten mit »Ja« (die Delegation aus Florida stimmte nicht einheitlich).[30]
Die Mehrzahl der Nein-Stimmen stammte aus dem bekannten »ehernen Süden« und aus den nach wie vor unverbesserlichen, zumeist industriellen Bundesstaaten Massachusetts, Pennsylvania, New Jersey und Ohio. Die Abstimmung ging quer durch die Reihen der Parteien. Politische Beobachter sahen jedoch Anzeichen dafür, daß die »stimmhungrigen« Republikaner, die die bevorstehenden Wahlen von 1920 im Auge hatten, so viele Frauen wie möglich auf ihre Seite ziehen wollten: während bei den Demokraten 104 Ja-Stimmen 102 Nein-Stimmen gegenüberstanden, stimmten von den Republikanern 165 für und nur 33 gegen den Verfassungszusatz.