Juli - August - September

31 Tage hat der Juli

Der Zeitpunkt ist gekommen, wo ich, mit widerstrebender Hand, zu Papier bringen muß, was eine Frau zu einer Frau sagt, wenn sie bis zu beiden Ohren im Gefilde der Liebe steckt. Stellen wir uns darunter denn nicht gern etwas wenn nicht von poetischem Wert, so doch etwas vor, das in strophischer Form romaneske Beherztheit besingt, etwas von so gestutztem Laubwerk wie eine britische Hecke oder wenigstens etwas so gut auf die Sache, die es bedeckt, Passendes wie eine Babymütze, die doch selbst dann noch, wenn sie gerüscht ist, bis zum Stirnbein und der pulsierendsten Fontanelle Rechnung trägt, bis zum gewissen Grade die Proportionen eines Kopfes hat und auch nicht hin- und her- und rauf- und runterrutscht, als sei sie keinerlei Bedeckung für die Wahrscheinlichkeit?
Aber gefehlt, nirgendwo aus all den übertriebenen Daten der unverhülltesten und nacktesten Bestandsaufnahme der Natur noch aus den Spalten unserer gehässigsten Zeitschriften läßt sich auch nur die vageste Vorstellung von den Mitteln gewinnen, mit deren Hilfe sie ihr Herz vom Mund in den Ärmel und aus dem Ärmel in die Rhetorik und von dort aus ins Ohr der Geliebten schafft. Für die Alten gingen Liebesbriefe und Liebesgerede (wenn auch niemand sagen kann, wieviel zufällige Fügung oder List seitens dieser Vorläufer in den Dickichten der prähistorischen Wahrscheinlichkeit dabei im Spiel war - denn sagt, was Ihr wollt, vom Fisch bis hin zum Menschen hat es doch so allerlei Vonrückwärts und Stirnanstirn gegeben, wiewohl davon nur ein Zwitschern aus der Vergangenheit zu uns dringt) von ungleich zu ungleich. Unsere eigenen Zeitschriften strotzen von Maiden und ihren Barten, deren höchste Lobrede zwar kein glorioseres Standbein findet als »Schatzi-Lou« oder »Schnuffelchen« oder »mein armes krankes Bettpuppchen«, die im umgekehrten Falle, so will es scheinen, jedoch nur eine dem HERRN entsprechende Gegenrede ist. Aber nun höre man, wie eine Maid auf eine Maid losgeht: »Und fühlst du dich auch, mein Lieb? So sag doch, rasch, fühlst du dich? Denn ich fühle mich, oh, auf eine ganz neue Weise wohl und nochmals wohl. Doch wenn du gerade keine verläßliche Kandidatin bist, dann sag's mir nur, und ich werde meinen Zwickel mit ererbtem Weinen zum Bersten bringen darüber, daß wir nicht auf denselben Mond datiert sind und gänzlich auseinanderliegen dank der vertändelten Natur, und Scheiden ist ein so süßer Gram! Wie sind wir doch allzu oft mir eine einzige in unserem Zweigespann! So sag mir also, ob du dich fühlst, denn ich, ich fühle mich, oh so wohl.«
Oder solche Worte wie die folgenden: »Mag ich auch zeitlebens getändelt haben oder künftig tändeln oder selbst am heutigen Tage oder mögen selbst dies jetzt Tändelstunden sein, da ich dies für Dich zu Papier bringe, doch wenn ich auch in Übersee die reizenden Narzissen pflücke, mich halsüberkopf in manch Petersilienfeld stürze, bei Zartbesaitetem und Hartgebettetem die Hand im Spiel habe, wenn ich auch die Blüte der Weiblichkeit selbst an meine Brust drücke oder mich der Länge nach ermüde ohne ein Verschnaufen zwischen mir und ihr, sie über die Kante stupse, um sie auf den Boden der Wahrheit zu werfen -sag niemals, daß ich Dich nicht anbete als meine Einzige und Beste. Ihr gebe ich nur eine Phönixstunde, sie ist nicht mehr als der Wetzstein meiner Stumpfheit, der Dir Toledostahl bereitet. Dir geb ich meine Tausend, meine Schönchen, meine Immerwährenden, meine Päonien, meine abgehärteten Perennien und meine frühempfänglichen Gebinde, die für eine solche Herrlichkeit blühen, wie sie allein aus Deinem Antlitz leuchtet (Videlicet, zur Kenntnisnahme: auch wenn sie hager, grau, zahnlos, ausgemergelt, mißgestaltet, verworfen, bösartig, verkommen und für niemanden erfreulich wäre, oder sei sie, im Gegenteil, hübsch, ehrlich, marmorstirnen, rotblühend, hell von Auge, von Haar gekrönt und venushaft bis hinab zum Stiefel - einem verliebten Mädchen gilt das gleichviel!). Für Dich reserviere ich jenes Keuchen unterm Keuchen, jenes Seufzen hinterm Seufzen, jene Aufmerksamkeit hinterm Anschein: Das Silber jener Wolke ist Dein - nimm es hin! Was
kümmerts mich, auf wen es herabregnet! Mein wahres Ich ist Dein wahres Deiniges, und ich mag mich verausgaben in Busch und Knick, das ist nurmehr der Staub meiner Wirklichkeit, der Rauch, der vom Feuer kündet, das, mein einzig geliebtes Lamm, mein höchst vollkommenes und unerschöpfliches Anderes, Dir gehört, ich bin Dein! Du überwältigst mich!«
Sie überwältigt sie! Jawohl, und sei die Angesprochene auch schlaff wie ein Mohammedaner nach seinem hundertsten Ramadan, so gemäßigt wie ein Frost in Timgad, so listig wie ein Bischof ohne Stuhl, dennoch und trotzdem und abermals, wie sehr wird es sie überwältigen, da capo. Und wäre es auch von so guter Qualität und so scharf wie Madagaskarpfeffer, es geböte immer noch über sie, es kann sie treppauf kommandieren und -ab, zur rechten Seite und zur falschen, Versteckspiel oder ganz Aug-in-Aug, bei Mittmond und Mattnacht, bei Morgenröte und bei Tage, ja doch, es wird immer noch über sie gebieten, so gestochen ist sie vom Verlangen und so geladen bis an die Zähne, daß ihr Zuckerschnäuzehen sich Hackfleischtörtchen als Gürtel um die Hüfte hängen könnte, und sie würde sich als Pastete herausputzen und vor Entzücken in die Hände klatschen; oder hieße man sie, eine Perücke falsch herum aufzusetzen, so daß ihr das Gelock weit über die Nase hinge, sie täte auch dies, ein Lamm von hinten bis vorn, und alles mit demselben Ausdruck, der besagt: »Du kennst meinen flinken Schritt, meine wirkliche Wildbahn, meinen wahren Biß. Mein Einkommen und mein Auskommen unterliegen deinem Geheiß, bin ich doch nur der Schatten meiner selbst, wenn ich nicht an deiner Seite bin, und was ich bin, ist, weil du bist, und solltest du dich umwenden und mich nicht finden, so deshalb, weil ich das, was deiner nicht würdig ist, zu einer anderen getragen habe, die mich womöglich wieder strahlend pustet, so daß ich deinem Blitzstrahl wieder entgegenzuleuchten vermag, eine Sonne meinem Strahl!«
Nein    ich kann's nicht niederschreiben! Es kommt noch schlimmer! Mehr Bratenschmalz, mehr Weiche, mehr Lavendel, mehr malvenmang, noch eingeseimter, noch mehr Blumenstreu, noch puttenputziger, noch grauslicher bar jeglicher Vernunft und jeglichen Verstandes, gar nicht zu  reden  vom Humor. Nirgendwo und in keiner Tasche bewahren solche ein Senfkorn jener Anwandlung auf, aufgrund derer sie sich ins Futter schneuzen könnten, sie können nicht glücklich sein, solange sie sich nicht in Melasse wälzen und wie eine auf den Leim gegangene Fliege durch hochrote Sümpfe krauchen, alle Beine angekettet und nachschleppend in der Gummilösung der Liebe!
Und genauso wie andere eine gemeine Zunge haben, so sind die hier zum Speien süß.  Das eine machte der Kehle übel, das andere  dem Herzen. Denn was vermag eine über eine Frau, die sich solcherart über den Purpur beugt und in solchem Maße Schmeicheleien ausstreut, daß die eindeutige Natur der Fakten entweder kandiert oder gezuckert wird bis zum Mysterium oder aber so besudelt, daß sie nicht gerade ein lohnender Fund sind? Gewiß ist es bewundernswert, eine Eingebung zu haben und eine Eingebung im Zustand der Verliebtheit, doch weshalb denn so witzlos über eine derart witzige Tollheit? Sie dräute doch nur umso gewaltiger, befreite man sie von ihrem Gekreisch, doch nein, sie können nur im Zustand der Betäubung. So neblig wie ein Weiher, so ausgezehrt wie eine Pumpe, so laut zwitschernd auf dem Draht, daß man die Botschaft nicht vernehmen kann. Und sei's drum!

31 Tage hat der August

Verwirrungen

Was sie in ihren Köpfen, Herzen, Mägen, Taschen, Krempen, Laschen und Rockschlitzen haben, ist samt und sonders etliche Male kommentiert worden, auf dem Wege des Hinweises oder der harschen Vorhaltung, gepriesen, getadelt, episch, poetisch, pastoral, pamphletal, gestachelt und gestupst, zum Sprungbrett gemacht für jegliche Art von Vermutung, guter, schlimmer und gleichgültiger.
Manche halten dafür, daß sie auf keine Weise recht tun, haben, sein, denken, handeln, gehen könnten. Andere dafür, daß sie auf keine Weise falsch tun, sein, denken, handeln, gehen könnten, wieder andere scheinen sich zwischen zwei Stühlen zu befinden, indem sie sagen, sie könnten, könnten nicht, hätten, hätten nicht, dächten, dächten jedoch nicht, gäben und nähmen doch, seien gleichzeitig im Recht und sehr im Unrecht, so daß sie eigentlich zwischen zwei Zuständen hin- und herschwingen wie der Klöppel einer Glocke, von dem man niemals behaupten kann, er befinde sich irgendwo, sei's in der Mitte, sei's an der Seite, denn was ständig in Bewegung ist, befindet sich nicht lang genug in einem Ruhezustand, als daß man es entweder verdammen oder verklären könnte. Das ist es vielleicht, was sie zu wohl für die Hölle und zu flüchtig für den Himmel hat geraten lassen.
Sei dem, wie wolle, wir sagen, es ist ein grauslig Ding, wenn eine Frau sich die Gnade zwiefach schnappt vermittelst einer prahlerischen Zunge, denn gewiß sind solche in unserer Stadt am Klappern und laufen herum wie tolle Hunde, als seien die Liebe und ihre Begebnisse eine öffentliche Schmiede, wo aller Ohren beschlagen werden mit Worten wie diesen: »Sie ist soundso groß und soundso breit, und sagte sie doch, als wir uns niederlegten, um unserer Pflicht nachzukommen, das und das, und machte es dann folgendermaßen!« Oder als sei die Liebe eine Sägemühle, deren Staub einem jeden ins Auge geworfen gehört, oder als sei sie dazu angetan, in öffentlicher Versammlung zu erörtern, was von der Natur zwischen zwei Kissen verborgen worden ist. Noch der gemeinste Grobian, der schäbigste Kuppler oder dürrste Witzbold würde erröten und sich vor lauter Scham um ihretwillen das Schienbein kratzen. Derzeit erscheint es als und scheint und ist es wahrhaftig eine entsprechend traurige Chronistentätigkeit zu sagen, daß nicht alle Frauen proper und stubenrein sind, denn wenn eine Frau krank ist, ist sie kränker als jeder Mann, so wie ein vermoderter Kiebitz stinkiger ist als ein vermoderter Stock. Selbst der Kater kratzt, um seine intimen Geschäfte zu verbergen, düngt beiseite, um jene ernsthafte Notwendigkeit nicht bloßzustellen, die im Halbschatten geboren wurde und zu den Schatten geht.
Nein, keineswegs sind alle Frauen so scheu im Umgang mit ihrer Liebe, sondern nächtigen laut und gackern und krähen über die Letzte im Bette, als sei sie ein Ei und nicht ein Herzensschatz, und rennen darauf in den Straßen umher und posaunen alles aus über sie, die sich bei lebendigem Leibe windet, daß alle sie sehen und an sie hinpissen können! Oh pfui! Oh Schande! Sie beschmutzt alles, das sie mit den Exkrementen berührt, wie sie ihrem hoffnungslosen Zustand eigen sind!
Sie ist schamlos und schamversessen! Sie ist zügellos an allen Ecken und Enden, und nur umso schändlicher ist es, daß sie über zweie zugleich blökt! Und wenn der Mann nicht besser spricht, nein, oft und sogar noch selbstverständlicher diesem Hang folgt, dann ist das doch nur seine weinerliche Natur. Denn das, was ein Geheimnis ist, das verwundert, entsetzt, gesucht und hoch gepriesen wird, das wird ein Mann jagen, anspringen und beschmutzen aus schierem Kummer. Doch spricht etwa die Hand von der Handfläche, das Auge von der Iris, die Zunge vom Munde? Nein, das ist ein schmutziger Vogel, der seinen Finken beschmutzt!
Wie es wiederum einige Burschen gibt, die damit groß tun, daß sie eine Frau eine Menge lehren und immer noch etwas lehren könnten und deren ein und alles seien, so gibt es gleichfalls Frauen, die, nicht weiser, behaupten, daß sie eine Frau (stünde ihnen nur der Sinn danach) einiges lehren könnten; so ist es, wiewohl es mir traurig gegen den Strich geht, von einer zu berichten, die so heilsam ist für die Wunde wie Patience Scalpel, doch eine Tatsache, daß sie (an solchen Abenden, wo sie vor ihrem Lieblingstropfen saß, denn sonst hätte sie sich dazu nicht versteigen können) zunächst andeutete, dann behauptete und schließlich prahlte, sie könne selbst, obzwar in diesem Felde mit zwei linken Händen ausgestattet und eine Amateurin, die niemals mehr als gerade eben nur in die Materie hineingerochen habe, einer Frau geradesoviel bedeuten wie irgendeine andere, wobei doch das sanftgeschnurrte »Nein, nein, nein!« aus den Pelzen, die Dame Musset umgaben, sich ihr unablässig in die Flanke bohrte.
»Was«, sagte die ehrenwerte Dame, »kannst du schon davon wissen, die du nur gemannt hast? Vergiß doch bitte nicht, mein Herz, daß das Kamel unentwegt vor dem Nadelöhr steht und doch nicht hindurchkann, und eine Frau ist ihren Möglichkeiten nach der Proportion der Nadel wesentlich näher als der Mann.«
»Und dennoch!« sagte Patience.
In diesem Augenblick traten schlankweg Pro und Contra ein, High-Head und Low-Heel, die Gegensätze, denen man in dieser Frauenwelt häufig begegnet. Die eine (Low-Heel), die ständig die Meinung verfocht, daß die Frauen schwache und alberne Geschöpfe seien, aber doch gar so liebe, die andere (High-Head), die ständig geltend machte, daß sie stark, tapfer, zweimal so kühn wie ein Mann und ihm in geistiger Hinsicht mehrfach gewachsen, doch bei weitem nicht so wertvoll seien.
»Ich halte dafür«, sagte High-Head, »daß sie dem Ruch nach eine Voltairianerin ist, daß sie ein scharfes Aroma verströmt, ihr Sinn jedoch so von Gedanken und Einbildungen eingesponnen und durchzogen ist, daß die Welt von beiden wenig sieht, weil beide sich in einer Knechtschaft befinden, schädelhörig und kopfverstrickt. Ein Mann kann einem sagen, was er denkt, denn es kommt spinnend, ein dünnes Fädchen von ein und derselben Spindel.«
»Und ich halte dafür«, sagte Low-Heel, »daß sie sich aus eben diesem Grunde nicht einer eigenen Meinung anheischig machen sollte, denn eine Meinung ist ein einzelnes und angenehmes Ding, nicht zwei Wesen, Schädelhocker, die verdrießlich ihre Tage aufzehren.«
»Doch bisweilen«, fiel ihre Gefährtin ihr ins Wort, »ersinnt sie neue Dinge, mein Mädchen, und wie erklärst du dir das?«
»Sie muß doch wohl auf irgendeinen Gedanken kommen, da sie ihr das Lätzchen abgebunden und den Hosenboden vergrößert haben«, sagte die andere, »doch wenn schon? Sie ist doch nichts als nett!«
»Sie ist nahezu alles!« schrie High-Head, »Ist sie etwa nicht das kreisende Zentrum einer kreisenden Welt? Schwellen die Bienen etwa nicht an und blasen sich auf, wetzen ihre Rüssel und horten ihren Honig, um ihr Glühwein und Nektar zu machen? Ist der Wurm etwa nicht ein einziger schuftender Zoll, damit sie in Seide und Satin gehüllt gehen kann, der Seehund nicht geschmeidig ihrem Mantel zuliebe, und wird das Samenkorn im Kot nicht fett und birst zu ihrem Entzücken? Wie? Webt die Natur, die alte Hure, etwa nicht Tag und Nacht die Fäden des menschlichen Geschicks, woran sich diese Dämchen festhalten, Kinn und Schenkel, Himmelsschwimmerinnen überm Baum, der es hundert Jahre darauf anlegt, ihr einst den Sarg abzugeben? Große Mutter Gans, wie sie krabbelt!« setzte sie hinzu.
»Alle Neune und alle Zehne und Hahnengekräh!« rief ihre Braut aus, »Was schweifst du nicht herum! Solche Frauen, wie du sie beschreibst, erlebt man nur in Büchern oder scharrt sie mit dem Pflug auf oder sind nur in Schwarten mit dem Gänsekiel beschrieben, der, mit ihr, schon eine Million Jahre tot ist und Staub wie ihr Treiben! Und selbst dort noch - was haben diese Federfuchser denn von ihr gesagt, als daß sie irgendeine Art von Testikeln gehabt haben muß, wie krumm und schief auch immer, daß sie eigentlich als Mann aufgerufen worden sei und als sie geantwortet habe durch irgendein Mißgeschick oder eine monströse Tollheit des Fatums über eine Gebärmutter gestolpert und auf alle Zeiten dazu verdammt worden sei, sie mit sich herumzuschleppen wie der Sträfling Kugel und Kette, ob ihr das nun gefiel oder nicht?«
»Weil, holde Närrin«, sagte ihre Gefährtin, »sie sie nicht gewähren lassen, sondern sie allenfalls als gutes Material auf der weiblichen Familienseite proklamieren und sie nur durch die männliche Pforte zum Verstand zulassen, wobei sie sie, so ist mir aufgefallen, desungeachtet, daß sie sie doch bewundern, mit Bemerkungen des Inhalts plagen, sie sei störrisch, ganterfüßig, wackelhüftig, unschön, ernüchternd, bärtig, faßbrüstig, lahmbeinig, schäbig gekleidet, gummigelenkig, raffzähnig, spreizfüßig, bartfädig, gelähmt, eine taube Nuß, zinkennasig und hängelippig, von Kopf bis Fuß unweiblich, für keinen schwindelnden, liebäugelnden Hansel geeignet, weißäugig, habe keinen Wind in den Nüstern als den, der ihre Lungenflügel herunterbläst, um sie zu einem Garnichts zu machen, und so weiter und so fort. In keiner Hinsicht seiner Leiden würdig. Denn ob in der Nähe eines Mannes oder fern von ihm, sie wird nicht nach seinem Geschmack sein!« Sie unterbrach sich. »Und woher, sagst du, kommen solche Frauen? Vom Keller heraus, vom Ehebett herunter, unterm Schlaf und überm Wachen. Vorbei an musterndem Blick und suchender Hand und auf und davon. Aus Vorratskammer und Brautschlummer, in Empfängniszeit und hohem Alter, aus Gasse und Gosse, aus der Patsche des Sumpfs und dem Innersten des Fenns, von allen Wegen und allen Pfaden, aus runden Türen und Falltürspeichern, von Heuhaufen und Kohlbeeten, von Königsthronen und Kontorschemeln, vom hohen Leben und vom niedrigen. Manche, indem sie Teekannen und Tischwäsche fallenlassen, manche Teedosen und Batist, manche Seetang und Safran, manche mit Trophäenschädeln und Erinnerungsknochen, Sammelgut verlorener Liebesmüh. Manche in Nachthemden und manche zurechtgemacht nach der Mode, manche erhitzt von der Hausarbeit und manche kühl von Entschlüssen. Tatsächlich ein paar von jeder Sorte, die in jenes weite Feld ausschwärmen, wo, neben einem zänkischen Märzgott, die erste der Sies einen Saum raffte mit kriegerischer Hand.«

»Das mag nur allzu wahr sein, was dich betrifft«, räumte
ihr Schatz ein, »aber dennoch, sind nicht etliche
auf ihre Posten zurückgekehrt?« »In der Tat,
und gar nicht wenige«, sagte High-Head,
»doch wie!«

30 Tage hat der September

Ihre Gezeiten und Monde

Die ganze Lage der Frau ist so sehr dem Zufall unterworfen, so komplex und verdrießlich, daß man sie nicht einen Augenblick lang festlegen kann, ohne sie im nächsten falsch plaziert zu haben.
In der Jugend ist sie anmutig, gerade gewachsen, helläugig, lieblich von hinten bis vorn; ob groß oder klein, hell oder dunkel — irgendwie oder irgendwas nach dem Herzen. Doch es vergehen keine zwölf Jahresspannen, da sackt sie zusammen, zerdehnt sie sich, wird sie krumm und schief. Ihre Knochen werden trocken, ihr Fleisch schmilzt, ihre Zunge ist bitter oder trieft von einem verfemten Honig. Ihr Sinn ist verderbt dank einer liebedienerischen Existenz. Das Leben hat sie das Leben gelehrt. Sie hat sich damit angefreundet und auch nicht lange genug auf dem Rücken gelegen - obgleich sie doch die halbe Lebensdauer so verbracht hat -, um die Münze des Ätherischen zu bevorzugen. Sie war nicht dafür gemacht worden, am Himmel herumzuschwimmen, sie ist ein Fisch der Erde, sie schwimmt in Terra firma.
Doch in dieser armseligen Lage bereitet sie der ebenso armseligen Fein. Werden doch alle aus demselben Netz gefischt, und die eine wird zu einem ebenso schmachvollen Aschehäufchen wie die andere. Der Hüftknochen der Hl. Therese atmet nicht mehr Anstand als der von Messalina, denn die fehlende Pforte, die kein Mann je durchschritt, ist genauso nichtig wie der zugige Hohlraum, wo jedermann zu laden pflegte, und das Auge, das darum weinte, ist ebenso unbehaust wie das Fleisch, nach dem es schrie.
Es kommen und gehen keine Füße im Grabe, noch gibt es im Grabgewölbe eine zügellose Hand, und das hat lange Weile, also worum grämst du dich? Heute ist sie unanständig, doch morgen ist sie ungewollt auf immerdar.
Doch wir machen uns das Herz schwer um dessentwillen, was überhastet gemacht worden ist und ohne Bangigkeit, wie es im Mutterleib zugehen soll, und ohne den Wunsch zu wissen, wie es ihm zehn Wochen lang in der Erde ergehen soll.
Das also sind die drei Voraussetzungen, doch wir berücksichtigen einzig und allein die zweite, nämlich, daß sie ist. Was ist das dann aber anderes als nur ein kurzes Ausschlagen des Geistes, eine falsche Addition, wo doch zwei Ziffern ihrer Gesamtheit unberücksichtigt bleiben?
Wenn schon beim Manne die Eifersucht auf seine Frau eine gedankenlose und fehlerhafte Kalkulation ist, um wieviel sinnloser ist es dann nicht, daß eine Frau ohnmächtig wird, krank wird, zu wüten beginnt und sich zu grämen wegen einer Frau? Ein Mann mag wohl rasen aufgrund des kleinen Unterschieds, der immer fremd bleiben wird, doch eine Frau zerreißt ihr Unterhemd um einer Ähnlichkeit in einem Unterhemd und eines Geheimnisses willen, das unwiederbringlich ist in einem Maße, daß es schon das Ausmaß eines Geheimnisses annimmt.
Doch wütet das Feuer ebenso heiß hier im Garten der Venus, jawohl, mit einer gar noch trunkeneren und stürmischeren Flamme als unmittelbar im Felde der Natur; und wo ein Mann um seiner treulosen Frau willen vom Ende des Stricks abgeschnitten wird, da wird man noch am selben Tag zwei Maiden um eben desselben Mädchens willen vom selben Balken baumeln sehen.
Sie machen freilich nicht geltend, wie das in Familien Brauch ist, daß sie auf betrügerische Weise zum Hahnrei gemacht worden seien, Hörner trügen und einen Bastard nährten, denn eine solche Behauptung wäre mehr als sinnlos. Und wiewohl das für die Alten der zutiefst sitzende Stachel im Fleische war, sehe man sich doch an, wie eitel das Leiden des Menschen ist, man mag es drehen und wenden, wie man will, denn obzwar es zwischen Schwester und Schwester kein solches Stechen gibt, schreien sie doch geradeso laut, ja, lamentieren sogar noch ausgiebiger und wenden und winden sich, als sei der bloße Mangel eine ungeheuerliche Pein!
Was ist dies also anderes als schiere Eitelkeit und ein Sturzbad der Verzweiflung, das wir uns bereiten, und beweist das denn nicht, was immer der Mann auch an Gegenteiligem gesagt haben mag (indem er als Begründung die Legitimität seines Sprößlings vor der Richterbank ins Feld führte), daß das alles nur Lüge und der Sitz der Sache in seinem Stolz zu suchen ist?
Man nehme einem Mann den Vorwand, und er weint geradeso, wenn es diesmal auch eine desolate Melancholie sein wird, und eine, die nicht rechtet. Doch überdies ist es aufrichtiger, und je aufrichtiger etwas ist, desto härter schlägt es an die Rippe. So ist es auch mit der Frau. Sie haben keine Grundlage für ihre Eifersuchtswallungen außer der echten Bitterkeit jener Torheit, und wo sie weinen, geschieht das um der abwegigen Einsamkeit willen - der unbedachten Rückkehr ihrer selbst zu sich selbst, wenn sie es nur bei Lichte besehen wollen, was unwahrscheinlich ist, denn wo ein Körnchen Vernunft ist, da ist auch ein Körnchen Besserung, und wo ein Körnchen Besserung ist, da ist ein Hälmchen Gleichgültigkeit, und wo ein solches aus dem Boden schießt, da mag ein Garten des Vergessens sein, worin sich's befreit aufatmen läßt.
Desungeachtet haben wir uns so sehr daran gewöhnt, die Eitelkeit bei ihrem anderen Namen zu nennen, daß selbst eine Frau, die hinter einer anderen Frau herheult, uns keines Besseren belehrt hat. Und diejenigen, die in diesem Jammer darniederliegen, kehren sich geradeso gründlich der Wand zu wie Penelope, als sie ihren Gatten beweinte.
Es ist ein Labyrinth, und wir werden auch keinen Weg hinausfinden, obgleich wir jenen Weg schon seit langem kennen. Vieles Sausen der Spindel verdünnt den Faden der Verzweiflung, und vieles Springen des Schiffchens verwebt den Gram zur Absicht, doch wir wollen davon nichts wissen und treten das Pedal ohne Ziel und werfen das Schiffchen ohne Nahrung und weben die Luft in einen Umhang von Krankheit.
Wir schütteln den Baum, bis keine Blätter mehr daran sind, und schreien zu den Stecken; wir verstören unterdessen die Erde mit unserer Wut; unser Kummer ist ein stumpfes Fleisch, und wir werden nicht aufhören, davon zu essen, bis wir am Knochen der Erleichterung angelangt sind. Unser Friede sitzt nicht schon unter der Haut, sondern erst im Mark, wir sind nicht weise diesseits des rigor mortis; wir sinken
nicht hinab in einen Fluß der Weisheit, sondern schwimmen allein im Jordan. Wir haben wenige Philosophen unter uns, denn unser Blut wurde zu dick gebraut, um die Weisheit zu befördern, die eine schwächliche Nußschale ist und nur flott macht, wenn der Weg bereitet ist und die Winde ruhig sind.

WELTENWEITERUNGEN

Die spitze Füchsin mit dem roten Rock
Der Honigkopf mit seiner Widderlock
Das Frätzchen mit dem Kinderraschelkleid
Wie eine Heuschreck in der Blätterzeit
Und Pantheraugen schwarz und glüh
Und Taubenfüßchen noch dazu
Der dralle Hänfling schwipp zu Pferd
Die stakse Ringerin, der Jährlingsstute wert
So fest und rückenrund und seidenglatt
Daß die Bereiterin dasselbe Rüchlein hat
Die Strahlenäugige mit männlich forschem Schritt
Die Zwillingshaften wie aus einem Schnitt
Die Bucklige in ihrem Narrenglück
Mit Possenreißerinnen vor und rück
Hoch am Trapez, und Jungfer Tausendschön
Auf ihrer Azurkugel frei im Stehn
Die Königin, die aus des Gatten Zackenkron
Beseligt biegt den schmiegen Mädchenthron
Es dreht sich weltenweit das lange Sternenjahr
Planetenhaft um eine Mädchenschar
Und die Prognosen aller Tiden
Sehn nicht viel anders aus hienieden!