Deutsch-deutsche Solidarität

Brief an Erich Honecker (18. 11. 1987)

Sehr geehrter Herr Honecker,

mit unserem Brief vom 21. 9. 1987 haben wir Ihnen nochmals dafür gedankt, daß Sie uns am 8. 9. 1987 in Bonn Gelegenheit zu einem persönlichen Gespräch gegeben hatten. Gleichzeitig wiederholten wir unsere bereits in diesem Gespräch vorgetragenen Bitten,

  • - Gespräche der Gruppe »Generale für Frieden und Abrüstung« mit Generalen/Admiralen der DDR zu ermöglichen,
  • - unserer Freundin, Frau Bärbel Bohley, deren Bild und Brief wir Ihnen am 8.9. 87 in Bonn übergeben hatten, eine Erlaubnis erteilen zu lassen, uns in Bonn zu besuchen.

Schon bei dem Gespräch am 8.9.87 hatten Sie spontan geantwortet, die Erlaubnis zum Gespräch mit Generalen/Admiralen der DDR sicherlich erteilen zu können und im Fall unserer zweiten Bitte alles Ihnen Mögliche tun zu wollen, damit Frau Bohley eine Besuchserlaubnis erteilt wird.
Wir waren Ihnen für diese Zusagen sehr dankbar und fühlten uns deshalb ermutigt, unseren Brief vom 21.9.87, mit dem wir beide Bitten konkretisierten, in der Hoffnung zu schließen, »keine Absagen befürchten zu müssen«.
Leider hat sich diese Hoffnung bisher jedoch nur im Hinblick auf unsere erste Bitte erfüllt. Mit einem Brief vom 5.11.87 und in einem sehr positiven Gespräch am gleichen Tage hat uns Herr Glienke, Gesandter an der Vertretung der DDR in Bonn, mitgeteilt, daß Generale der DDR jederzeit für Gespräche zur Verfügung stehen würden und Herrn Generalleutnant a. D. Prof. Hans Wiesner als Ansprechpartner benannt. Zu unserer zweiten Bitte (Besuchserlaubnis für Frau Bohley) konnte uns Herr Glienke leider nichts sagen. Doch haben wir inzwischen erfahren, daß Frau Bohley diese Erlaubnis offenbar verweigert werden soll. Nach unserer schriftlichen Einladung vom 21.9.87, deren Kopie wir unserem an Sie gerichteten Brief beigefügt hatten, hat Frau Bohley die Erteilung einer Besuchserlaubnis beantragt. Daraufhin ist ihr vom Ministerium des Inneren mit Schreiben vom 13.10.87 mitgeteilt worden, daß »keine Möglichkeit bestehe, ihren privaten Reisewünschen zu entsprechen«. Wegen dieser unerwarteten Absage hat sich Frau Bohley telefonisch an Ihr Büro gewandt, um (für den Fall eines Mißverständnisses) auf die Ihnen am 8.9.87 in Bonn von uns vorgetragene Bitte um Erteilung einer Besuchserlaubnis für Frau Bohley, sowie auf Ihre damalige Zusage, alles Ihnen Mögliche für deren Genehmigung tun zu wollen, aufmerksam zu machen. Zu ihrem und unserem Erstaunen ist Frau Bohley bei diesem Telefonat von Ihrem persönlichen Mitarbeiter, Herrn Otto, gesagt worden, die Frage einer Besuchserlaubnis sei bei Ihrem Gespräch mit uns am 8.9.87 in Bonn überhaupt nicht erörtert worden. Sie, sehr geehrter Herr Honecker, wissen genausogut wir wir, daß diese Behauptung unzutreffend ist. Unsere Bitte, einer Besuchserlaubnis für Frau Bohley wenn irgend möglich den Weg zu ebnen, haben wir am 8.9. in Bonn nachdrücklich vorgetragen und ausführlich begründet. Ihre ermutigende Zusicherung einer wohlwollenden Prüfung ist uns in deutlicher Erinnerung. In unserem Brief vom 21.9.87 haben wir auch diese Bitte noch einmal ausdrücklich wiederholt.
Es ist uns deshalb unverständlich, wie Ihr Mitarbeiter sagen kann, die Frage einer Besuchserlaubnis für Frau Bohley habe bei unserem Gespräch mit Ihnen am 8.9.87 in Bonn überhaupt keine Rolle gespielt. Wir sind auch sehr betroffen und enttäuscht, weil das Ministerium des Inneren der DDR den Besuchsantrag von Frau Bohley kurzerhand mit der absolut nicht überzeugenden Begründung zurückgewiesen hat, es bestehe keine Möglichkeit, ihren privaten Reisewünschen zu entsprechen. Wir glauben, daß diese Möglichkeit sehr wohl besteht und daß eine Besuchserlaubnis für Frau Bohley als Ausdruck des Interesses an einer fortschreitenden Verbesserung und Normalisierung der Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten auch wichtig wäre. Wie Sie wissen und ja auch oft anerkannt haben, setzen gerade wir uns engagiert und zielstrebig für eine derartige Verbesserung und Normalisierung ein. Wir müßten es deshalb als schlimme Brüskierung empfinden, wenn die Behörden der DDR unserer sehr bescheidenen und dieser Zielsetzung entsprechenden Bitte, Frau Bohley die Erlaubnis zu einem kurzen Besuch unseres Landes zu erteilen, ein endgültiges Nein entgegensetzen würden.
Im Vertrauen auf Ihr Verständnis für unsere Empfindungen und Absichten bitten wir Sie daher nochmals ebenso herzlich wie dringend, alles Ihnen Mögliche zu tun, damit die uns unverständliche Entscheidung des Ministerium des Inneren revidiert und unserer guten Freundin Bärbel Bohley erlaubt wird, unsere rein persönlichen Motiven entspringende Einladung anzunehmen und für zwei oder drei Wochen zu uns in die BRD zu kommen. In dieser Zuversicht grüßen wir Sie mit allen guten Wünschen für Abrüstung, Aussöhnung und Frieden!
Ihre Petra K. Kelly Gert Bastian

Brief an Erich Honecker (25.11.1987)

Sehr geehrter Herr Honecker!
Tief betroffen und bestürzt wegen des uns unbegreiflichen Vorgehens der DDR-Behörden gegen die »Umwelt-Bibliothek« und viele unserer Freunde aus unabhängigen Friedensgruppen appellieren wir an Sie, eine sofortige Einstellung jeder Repression und die umgehende Freilassung aller Inhaftierten anzuordnen! An der Schwelle zum ersten entscheidenden Abrüstungsabkommen und angesichts der damit verbundenen Hoffnungen auf mehr Vertrauen zwischen den Blöcken werten wir das Vorgehen der DDR-Behörden als schlimmen und unbegreiflichen Anachronismus. Beim Gespräch in Bonn am 8.9.87 hatten wir Sie um mehr Verständnis für das Engagement der unabhängigen Friedens- und Menschenrechtsgruppen in der DDR gebeten.
Sie haben uns damals stolz erklärt, daß ja schon die Unterstützung einer spontanen Demonstration von Angehörigen dieser Gruppen am 5.9.87 in Berlin durch die Volkspolizei einen großen Fortschritt markieren würde. Wir begrüßten diesen Fortschritt und drückten die Erwartung aus, daß auch bei künftigen spontanen Meinungsäußerungen nach diesem neuen Maßstab verfahren würde.
Warum dann jetzt dieser böse Rückschritt, der dem Ansehen der DDR und dem Vertrauen in die Glaubwürdigkeit Ihrer Friedenspolitik nur schaden kann? Machen Sie ihn so schnell wie möglich ungeschehen! Nur so kann der Schaden wenigstens begrenzt werden. Lassen Sie nicht zu, daß unsinnige Polizeimaßnahmen und neue Intoleranz des Staates gegenüber den um Fortschritt und mehr Menschlichkeit bemühten Bürgerinnen und Bürgern das schon Erreichte gefährden!
Petra K. Kelly Gert Bastian

Brief an Erich Honecker (21. 1.1988)

Sehr geehrter Herr Honecker!

In tiefer Sorge wegen der offensichtlich anhaltenden Verfolgung unserer Freundinnen und Freunde aus den unabhängigen Friedens- und Ökologiegruppen in der DDR, vor allem in Berlin selbst, durch die Behörden der DDR wende ich mich heute auch im Namen von Petra Kelly erneut an Sie.
Wir tun dies, weil wir Sie bei so vielen Gelegenheiten, angefangen vom Besuch einer Delegation der Grünen in der Hauptstadt der DDR im Herbst 1983 bis hin zu dem Gespräch mit Ihnen im Bonner Hotel Bristol im September 1987 als sehr offenen, fairen, unseren Anliegen und Bedenken gegenüber verständnisvollen Gesprächspartner kennen und schätzen gelernt haben. Wir können deshalb nicht glauben, daß die Pressionen, denen unsere Freundinnen und Freunde in der DDR seit Herbst 1987, mit der Durchsuchung der Umweltbibliothek der Zions-Gemeinde beginnend, neuerdings wieder ausgesetzt sind, Ihre Billigung finden oder gar mit Ihrem Einverständnis geschehen. Das gilt erst recht für die uns ebenso unverständlichen Verfolgungen und Verhaftungen vieler unserer Gesinnungsgenossen/innen im Zusammenhang mit der »Kampfdemonstration« zu Ehren von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht aus Anlaß des 69 sten Jahrestages ihrer Ermordung. Gerade dieser Anlaß hätte jeden nur denkbaren Grund bieten müssen, allen, die in Erfüllung des Vermächtnisses dieser Vorkämpfer für soziale Gerechtigkeit und Geistesfreiheit für diese Werte eintreten und dies durch die Teilnahme am ehrenden Gedenken zum Ausdruck bringen wollten, mit Solidarität und Toleranz zu begegnen. Statt dessen wurde nicht nur die Teilnahme an der Gedenkveranstaltung mit unbegreiflicher Ignoranz verwehrt, sondern auch mit einer Welle von Festnahmen und Anklagen zum »staatsfeindlichen« Handeln gestempelt, was doch in Wahrheit nur Zeichen einer Geisteshaltung und staatsbürgerlichen Einstellung gewesen ist, wie die DDR sich beides in der sozialistischen Gesellschaft nicht fruchtbarer wünschen kann! Wenn Ihnen, sehr geehrter Herr Honecker, gesagt worden sein sollte, die solchermaßen Verfolgten und Ausgegrenzten würden gegen die sozialistische Gesellschaft agieren und seien deshalb keine loyalen Bürgerinnen und Bürger der DDR, dann hat man Ihnen Grundfalsches berichtet.
Gerade unsere Freundinnen und Freunde sind es doch, die der DDR eben nicht den Rücken kehren wollen, weil sie es als Teil ihrer sozialen und gesellschaftlichen Verantwortung empfinden, sich mit konstruktiver Kritik am Ausbau der DDR-Gesellschaft zu beteiligen und für mögliche Verbesserungen einzusetzen. Wir würden so wünschen, daß Sie sich die Zeit nehmen könnten, mit Vertretern dieser Gruppen ein ruhiges, offenes Informationsgespräch zu führen. Sie würden dabei selbst feststellen, wie ungerecht, ja absurd und abwegig die Behandlung dieser DDR-Bürgerinnen und -Bürger durch die Behörden ist und welch wertvolles Potential für positive gesellschaftliche Entwicklungen der DDR in ihnen zur Verfügung steht. Wir appellieren deshalb erneut leidenschaftlich an Sie, der Verfolgung unserer Freundinnen und Freunde sowie der gezielten Mißdeutung ihrer idealistischen Ziele und Absichten ein Ende zu machen, den Dialog mit den unabhängigen Friedens- und Ökologiegruppen zu suchen und sie als konstruktives, wertvolles Element, anstatt wie bisher als Störenfriede beim Ausbau einer sozialistischen, demokratischen und dem Frieden in Europa verpflichteten DDR Gesellschaft zu betrachten.
In der Hoffnung, mit diesem Brief einen gewiß sehr bescheidenen Beitrag zur Überwindung der gegenwärtigen Verständnislosigkeit der DDR-Behörden gegenüber dem Engagement unserer Freundinnen und Freunde in der DDR leisten zu können, grüße ich Sie mit dem Ausdruck unseres Vertrauens und mit allen guten Wünschen für 1988 auch im Namen von Petra Kelly als Ihr
Gert Bastian

Telegramm an Erich Honecker (26. 1.1988)

Herrn Erich Honecker Berlin/DDR
Wir protestieren schärfstens gegen die Verhaftung von Bärbel Bohley, Werner Fischer, Ralf Hirsch, Freya Klier, Stefan Krawczyk, Lotte Templin und Wolfgang Templin wegen angeblicher landesverräterischer Beziehungen. Dieser absurde Vorwurf entbehrt jeder Grundlage. Er stempelt auch uns und unseren Freund Roland Jahn, die wir uns zu den engsten Vertrauten eines Großteils der Verhafteten im Westen zählen dürfen, zu Agenten, mit denen Kontakt zu pflegen Bürgerinnen und Bürgern der DDR von den Behörden ihres Landes offenbar als »Landesverrat« angelastet wird. Damit wird unser jahrelanges Bemühen um Verständigung und Ausgleich zwischen Ost und West, insbesondere um bessere Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten, in unerträglicher Weise diffamiert und kriminalisiert. Wir verlangen deshalb, daß die durch nichts gerechtfertigten Vorwürfe »landesverräterischer Beziehungen« gegen die oben Genannten unverzüglich zurückgenommen, die Anklagen niedergeschlagen und die Verhafteten auf freien Fuß gesetzt werden. Nur so kann der Gerechtigkeit und der auch von der DDR in Helsinki eingegangenen Verpflichtung zum Schutz der Menschenrechte Genüge getan und weiterer Schaden für das internationale Ansehen der DDR vermieden werden.
Wir bitten Sie dringend, unseren an Sie gerichteten Brief vom 21.1.1988 ernst zu nehmen und, wie darin gefordert, die sofortige Einstellung der undemokratischen, die DDR beschämenden Verfolgungen und Ausgrenzungen der Mitglieder unabhängiger Friedens- und Ökologiegruppen Ihres Landes zu veranlassen.
Petra K. Kelly, MdB Gert Bastian
Generale für Frieden und Abrüstung

Telegramm an Erich Honecker (16. 1.1989)

Sehr geehrter Herr Honecker!
Die empörenden Meldungen über eine erneute Welle der Verfolgung und Unterdrückung unserer Freundinnen und Freunde in den unabhängigen Friedens- und Menschenrechtsgruppen der DDR fordern unseren schärfsten Protest heraus! Sie erinnern in unguter Weise an die für die Regierung der DDR beschämenden Verhaftungen und Abschiebungen vor einem Jahr, die schon im Interesse des internationalen Ansehens Ihres Landes besser eine endgültig überwundene Vergangenheit geblieben wären. Daß heute abermals Bürgerinnen und Bürger der DDR verfolgt, verhaftet und am Äußern ihrer Meinung gehindert werden, nur weil sie sich für eine positive Weiterentwicklung der sozialistischen Gesellschaft ihres Landes, für Frieden durch Abrüstung und für gesicherte Menschenrechte engagieren, ist ein Schlag ins Gesicht aller Menschen guten Willens, die in gleicher Weise überall auf der Welt für eine Zukunft ohne Kriegsfurcht und ohne jedwede Unterdrückung kämpfen.
Es ist zugleich auch eine Entweihung des feierlichen Gedenkens an die schändliche Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht vor nunmehr 70 Jahren, weil gerade diese Opfer blindwütiger Intoleranz und haßerfüllter Ignoranz Vorkämpfer für die Befreiung der Menschen von Unterdrückung und geistiger Bevormundung gewesen sind. Wir wollen nicht glauben, daß Sie mit dem, was in den letzten Tagen in der DDR geschehen ist, einverstanden sind. Darum bitten wir Sie dringend, den im Zusammenhang mit den erwähnten Gedenkfeiern besonders perversen Schikanen der DDR-Behörden gegenüber politisch engagierten Bürgerinnen und Bürgern der Deutschen Demokratischen Republik unverzüglich ein Ende zu machen, die sofortige Freisetzung aller Inhaftierten anzuordnen und dafür Sorge zu tragen, daß ähnliche Willkürakte nicht mehr vorkommen.
Petra K. Kelly Mitglied des Bundestages
Gert Bastian General für Frieden und Abrüstung

Texttyp

Briefe