Kein Spinngeweb in dem Gehirne

Erste Emanzipationsschritte von Frauen im Rahmen des Männerjournalismus für Frauenzimmer (18. Jh.)

»WOHNT WITZ IN EINER MÄNNERSTIRNE,
SO HAT AUCH DIESER SATZ SEIN RECHT:
ES SASS DEM WEIBLICHEN GESCHLECHT
KEIN SPINNGEWEB IN DEM GEHIRNE.«
(Christiana M. von Ziegler, 1739)

CHRONIK

  • 1730 Christiane Marianne Ziegler wird als erstes weibliches Mitglied in die Leipziger »Deutsche Gesellschaft« aufgenommen.
  • 1738 Sidonia Hedwig Zäunemann erhält die Urkunde einer kaiserlich gekrönten Poetin.
  • 1745 L.A. v. Kulmus gibt ihre Zeitschrift »Der Aufseher oder Vormund«, die Übersetzung einer englischen Zeitschrift, heraus.
  • 1764 Die erste  Anthologie mit Gedichten  ausschließlich von Frauen: »Gesammelte Frauenzimmer Gedichte«.
  • 1779 Ernestine Hofmann gibt als erste Frau eine eigenständige Zeitschrift heraus.
  • 1789 Französische Revolution
  • 1791 Olympe de Gouges veröffentlicht ihre »Deklaration der Rechte der Frau und Bürgerin«.
  • 1792 Theodor Gottlieb von Hippel veröffentlicht seine Vorschläge zur »Bürgerlichen Verbesserung des Weibes«. Mary Wollstonecraft veröffentlicht ihre »Verteidigung der Rechte der Frau«.
  • 1793 In Paris wird die »Gesellschaft der revolutionären Republikanerinnen« gegründet, die ausschließlich weibliche Mitglieder aufnimmt.
  • 1794 Das »Allgemeine Preußische Landrecht« regelt die Ehe als Vertragsverhältnis und legt unehelichen Vätern gewisse Pflichten auf. Die Gesetzgebung wird im Laufe des 19. Jh. wieder zugunsten des Mannes revidiert.

Die ersten Zeitschriften für Frauen waren Männerschriften. Im aufgeklärten 18. Jh. herrschte Hochkonjunktur für Sittenlehrer des weiblichen Geschlechts. Zahlreiche Publizisten ernannten sich selbst zu Anwälten der Frauenbildung und Förderern weiblicher Dichtkunst. Sie entdeckten die Frau als Leserin, forderten sie z.T. zur Mitarbeit auf und wiesen ihr vorbereitete und vordefinierte Plätze in der literarischen Öffentlichkeit an. Unter männlicher Dramaturgie entwickelten sich so die ersten Ansätze publizistischer Tätigkeit von Frauen.

Gottscheds Zeitschrift DIE VERNÜNFTIGEN TADLERINNEN (1724 - 25) ist die erste solcher Zeitschriften für Frauen und Vorbild für eine Flut nachfolgender Publikationen.
Im Titel wird jeweils - als fiktive weibliche Herausgeberin - ein bestimmter Frauentyp markiert: Die Matrone, die Braut, die Patriotin.[1] Feminisierung des Journalismus wurde verstanden als geschlechtsspezifische Didaktisierung, d.h. Orientierung von Inhalt und Schreibart an Bedürfnissen, die man in Stellvertretung als für die Frau nützlich und förderlich und ihrem Niveau entsprechend antizipierte. Das Konzept folgt weitgehend dem Beispiel der Moralischen Wochenschriften: Erziehung mit Hilfe des abschreckenden bzw. der Lächerlichkeit preisgegebenen Beispiels. Diese ersten Frauenzeitschriften machen die Frau mehrfach zum Objekt: als Leserin/Adressatin, indem ihr ein »gehöriges« und zugestandenes Maß an Bildung und Belehrung zugedacht wird, als animierte, nachahmende Mitarbeiterin und schließlich als Lehr-Gegenstand, wenn Frauengestalten mit angeprangerten, ins Übertriebene gesteigerten Torheiten und Schwächen der Leserin zu ihrem angeblichen Nutzen vorgeführt werden. Die Frauenbilder dieser moralisierenden Belehrung sind weder Idole noch heimliche Projektion von Männerphantasien, sondern Verkörperungen aller als weiblich qualifizierten Laster wie Eifersucht, Klatschsucht, Leichtsinn, Verschwendung, u.a. bürgerlicher Untugenden. Zum Typ stilisiert, bevölkern dergestalt Frau Ignorantia, Frau Loquax und andere Ausgeburten tugendrichterlichen Erfindungsgeistes die Frauenzimmerjournale.
Der Pioniergeist, der im Selbstverständnis ihrer Verfasser durchklingt, liegt darin begründet, daß die Propaganda für das Recht auf Bildung für Frauen an sich schon als außergewöhnlich und richtungsweisend empfunden wurde. Herrschende Vorurteile über den Gegensatz von Weiblichkeit und Bildung sowie männliche Überheblichkeit aufgrund vorgeblich naturgegebener Überlegenheit bildeten das Angriffsfeld, zugleich aber auch den Rahmen, in dem kulturelle Emanzipation von Frauen sich bewegte. Dies gilt ebenso für kreative poetische Beschäftigung von Frauen. Indem noch zum Ende des 18. Jh. Schriftstellerinnen sich gegen männliche Vorurteile gegenüber ihrer Existenzberechtigung überhaupt meinten verwahren zu müssen, sind sie, gefangen in ihrer Selbstbehauptung geistiger und poetischer Gleichberechtigung, aus dieser Fronthaltung nicht herausgekommen.
Es ist ihnen nicht gelungen, die für sie von den männlichen Vorkämpfern weiblicher Bildung längst schon vordefinierten Inhalte und begrenzten Räume infragezustellen. So kreist der Diskurs über Frauenbildung im 18. Jh. im Grunde genommen immer wieder um ein Mehr oder Weniger an gewünschter Gelehrsamkeit, um den Anteil an Verstandes- und Herzensbildung, die Ausgewogenheit von nützlichen Kenntnissen und angenehmer Unterhaltung, ohne je Rahmen und Zweck der Frauenbildung - Ehe und Familie - zur Disposition zu stellen. Eine gewisse Ausnahme bildet die poetische Produktion von Frauen, die jedoch überwiegend als Vervollkommnung der Bildung, nur in Ausnahmefällen wirklich als berufsmäßige Beschäftigung gedacht und anerkannt war.
»Was wollen wir aber von denen Männern sagen, welchen vielleicht Angst und Bange ist, daß dies Blatt eine gute Wirkung haben wird? Welche schon zittern und beben, aus Furcht, daß sie keine dummen Weiber mehr werden haben können? Und welche lieber eine alberne Frau nehmen möchten als eine, die ihre Kinder sogar klüger machen möchte, als sie selber sind? Wir wollen ihnen ihr närrisches Beginnen nicht verweisen: sondern ihnen nur zum Besten ihrer Nachfolger alle die glücklichen Folgen einer Ehe mit einer dummen Frauen, einer unvernünftig eingerichteten Haushaltung und einer üblen Kinderzucht von Herzen angewünschet haben.«[2]
Dieses Programm ist beispielhaft für den Tenor der meisten Frauenzeitschriften. Zu lesen ist es in der 2. Auflage der Vernünftigen Tadlerinnen (1738). Verfasserin ist Louise Adelgunde Victoria Kulmus, die Ehefrau Gottscheds, die bezeichnender Weise als »die Gottschedin« in die Literaturgeschichte eingegangen ist. Der Streit um dieses Paar geht lediglich darum, wer von beiden über größeres Talent bzw. vollendeteren Kunstverstand verfügt habe, womit die Problematik einer männlich organisierten Frauenöffentlichkeit, in deren Rahmen und Fahrwasser von Weiblichkeitsentwürfen Frauen publizieren konnten, gar nicht erst erscheint. Wenn man Gottscheds Deutung in seinem Nachruf auf ihren Tod (»Daß ich meiner wohlseligen Freundin zu dieser Arbeit anführte und mir also eine Gehülfin aus ihr bereitete«)[3], des subjektiv selbstgefälligen Gestus' dieses Frauenlehrmeisters entkleidet und auf seine objektive Aussage hin befragt, kennzeichnet diese die Situation der Mehrheit schreibender Frauen im 18. Jh.: Männer als Herausgeber stellten das Medium - und Konzept - ihrer Veröffentlichungen. »Die Gottschedin« kann durchaus als lebende Verkörperung von Gottscheds Ideal einer gebildeten Frau angesehen werden. Sein Stolz auf sie spricht unverhohlen aus den Äußerungen über seine »fleißige Freundin und Mitarbeiterin«. Schon vor ihrer Heirat trug er sich mit dem Plan, ihre Briefe an ihn zu veröffentlichen. Doch solcherart Publizität wünschte sie nicht.[4] Sie empfindet ihre Beschäftigung als für Frauen außergewöhnlich, fühlt sich durch die Zeitungsarbeit z.T. überlastet und formuliert schon die Warnung vor »zu gelehrten Frauen«, die in den folgenden Jahrzehnten zur gängigsten Aussage avanciert, wenn es um das Thema Frauenbildung geht: »Ein Frauenzimmer liest, um besser und weiser zu werden, nicht um gelehrt zu scheinen.« (1756).
Trotz dieser einschränkenden Bedingungen für die Entfaltung einer Frauenöffentlichkeit muß festgehalten werden, daß die Fülle von Frauenzimmerjournalen ein wichtiges Forum für die Entwicklung schriftstellerischer Produktionen und  journalistischer wie  poetischer Veröffentlichungen von Frauen darstellte. Eine potentielle Veränderung der Frauenzeitschriften ist allerdings gebunden an weibliche Herausgeberschaft. Erst wenn Frauen die gesamte Herstellung eines Journals selbst in die Hand nehmen, ist materiell die Möglichkeit eines selbstbestimmten Frauenjournalismus geschaffen. Doch dieser Schritt erforderte die Überwindung weit größerer Vorurteile, Ängste und sozialgeschichtlicher Bedingungen (beispielsweise die Bereitschaft der Stadt- bzw. Landesregierung, ein Zeitungsprivileg an eine Frau zu vergeben).
Die »Gottschedin« tritt als erste weibliche Herausgeberin hervor, allerdings inhaltlich mit einem unselbständigen Unternehmen, nämlich der Übersetzung einer englischen, sehr erfolgreichen Moralischen Wochenschrift, DER AUFSEHER (1745). Und Ernestine Hofmann, die 1779 die Herausgabe FÜR HAMBURGS TÖCHTER wagt, schützt einen männlichen Herausgeber vor. Überhaupt sind viele Artikel von Frauen anonym oder mit einem männlichen Pseudonym veröffentlicht. Dies ist nicht allein ein technisches Problem, da durch den Verzicht auf weibliche Verfasserschaft auch verhindert bleibt, einen bewußten Standpunkt aus weiblicher Perspektive einzunehmen. Frauenjournalismus und weibliche Ästhetik sind gebunden an bewußtes und offensives Schreiben als Frau.

»Das Magazin für Frauenzimmer und das Jahrbuch der Denkwürdigkeiten für das Schöne Geschlecht — zeigen meinen Leserinnen, was teutsche Männer uns nützlich und gefällig achten. Pomona - wird Ihnen sagen, was ich als Frau dafür halte«.[5]

Mit dieser Anrede führt Sophie von La Roche 1783 ihre Zeitschrift Pomona FÜR TEUTSCHLANDS TÖCHTER ein.
Damit — mit einer Zeitschrift von einer Frau, geschrieben für Frauen, die dieses Verhältnis programmatisch in ihr Konzept aufnimmt — ist formal die erste eigentliche Frauenzeitschrift vorhanden. Inhaltlich bleibt Sophie jedoch sehr zurückhaltend und betrachtet die Schriftstellerei als für Frauen doch eher uneigentliche Beschäftigung, welche sie »in ihren Erholungsstunden vornehmen«, und die Haus- und Handarbeiten als eigentlichen Ort weiblicher Entfaltung.
Die Herausgabe einer Zeitschrift allein war als Projekt schon so gewagt, daß es nicht überrascht, daß dies zunächst von einer Frau gewagt wurde, die sich Anerkennung bereits erworben hatte und auch weiterhin ängstlich darum bedacht war, nicht gegen kulturelle Standards und Erwartungen zu verstoßen. Die Erziehungsideen, die sie in den »Briefen an Lina« in ihrem Blatt verkündet, entsprechen verbreiteten Aufklärungsideen und einem konventionellen Frauenideal. Ausdrücklich und vehement richtet auch sie sich gegen Gelehrsamkeit und plädiert für Herzensgüte, »da wir von der Natur und den besten Gesetzen bestimmt sind, durch freundliches Bezeugen und Güte alles, was uns umgibt, glücklich zu machen«. (1783,1, Vorrede)
Das Bild der Empfindsamen, dem ihr Frauenbild nahekommt, hat sich inzwischen durchgesetzt. Natürlichkeit der Frau - und das heißt auch geschlechtsspezifischer Unterschied zwischen Mann und Frau ihrem Naturell nach — als erste weibliche Tugend, die Frau als Verkörperung von Anmut, diese Postulate entwerfen ein äußerst ambivalentes Weiblichkeitsbild.
1724 hatte Christiane Marianne Ziegler, erste gekrönte Poetin und erstes weibliches Mitglied der Leipziger »Deutschen Gesellschaft«, die Natürlichkeit als poetische Überlegenheit der Frau gegen die künstliche Dichtkunst der Männer ins Feld geführt.[6] Doch kulturhistorisch setzte sich der Topos von der Natürlichkeit des weiblichen Geschlechtes in der Funktion ihrer angenommenen natürlichen Begrenzung durch.[7]
In der Ästhetik erhält das Weibliche entweder die Rolle der Muse, da es »die poetische Existenz des schwerer organisierten männlichen Geschlechts um ein erhebliches vermehren würde«, (Herzogin Amalie von Sachsen-Weimar, 1782 im Tiefurter Journal), eines Fermentes, das im Produktionsprozeß männlicher Dichtkunst aufgeht. Oder aber das Weibliche in der Kunst wird an bestimmte Genres und Schreibhaltungen gebunden - nämlich an solche, die eine subjektive, intuitive Haltung zum Sujet voraussetzen und dafür in geringerem Maße an die Konditionierung durch poetische Regeln und Traditionen gebunden sind.
Tatsächlich sind Brief, Gedicht, Novelle sowie räsonnierende Erörterungen die Formen, deren sich die Frauen im 18. Jh. in den Zeitschriften in erster Linie bedienen. In der Pomona haben Briefe allerdings auch kommunikative Funktion zwischen Leserinnen und Herausgeberin. Korrespondenz mit Lesern, die in den Moralischen Wochenschriften in fingierten Leserbriefen vorgetäuscht wurde, findet hier tatsächlich statt. Sophie gibt Erziehungsratschläge und bereitwillig Auskunft über ihre eigene Person.
Marianne Ehrmann konnte, als sie ihre Zeitschrift AMALIENS ERHOLUNGSSTUNDEN 1790 herausgab, nicht auf so große Popularität und Vorschußlorbeeren bauen. Dafür konnte sie einige praktische Lebenserfahrungen in ihr Projekt einbringen. Nach einer ersten gescheiterten Ehe hatte sie als Erzieherin und Schauspielerin gearbeitet, hatte Zürich, Wien und Straßburg kennengelernt und in zweiter Ehe den Schriftsteller Friedrich Ehrmann geheiratet. Ihren Schauspielerberuf gab sie auf, um an den Zeitschriften ihres Mannes mitzuarbeiten. Ihre eigenen Bücher (»Müssige Stunden eines Frauenzimmers« und »Philosophie eines Weibes«, beide 1784) hatte sie anonym veröffentlicht, wodurch sie dem Publikum nicht als bereits bekannte Autorin begegnete, als sie 37jährig 1790 Amaliens Erholungsstunden herausgab.[8]
Die Zeitschrift erschien bis 1792 monatlich in der Cottaschen Buchhandlung und kostete bei erheblichem Umfang zwei Gulden halbjährlich. Außer der Herausgeberin sind Mitarbeiter namentlich nicht genannt. Viele Beiträge sind nur mit Anfangsbuchstaben signiert. Wie aus ihrer Antrittsrede hervorgeht, betrachtet Marianne Ehrmann das Schreiben für Frauen eigentlich als unangemessene Beschäftigung und entschuldigt sich quasi mit ihrer persönlichen Situation. Formal und dem Charakter nach lehnt sie sich an die Moralischen Wochenschriften an. Moralisierend und belehrend werden Begebenheiten von gescheiterten und »gefallenen« Mädchen und Frauen erzählt. Bestimmte programmatische Begriffe ihres Erziehungskonzeptes werden der Leserin durch Sperrdruck und Wiederholung aufgedrängt. Höchstes Ziel weiblicher Bildung ist eheliche Glückseligkeit, die durch Freundschaft und Übereinstimmung von Herz, Kopf, Grundsätzen und Temperament der Partner erreicht werden könne, wobei ein klares Unterordnungsverhältnis der Frau nicht angetastet wird. Ein guter Gatte erweise sich darin, ein weiser Erzieher seiner Gattin zu sein. Die Lebensprinzipien, die die Herausgeberin ihren Leserinnen anempfiehlt, richten sich gegen Luxus, Flatterhaftigkeit (womit sie hauptsächlich Tanzvergnügungen und wechselnde Männerbeziehungen meint), leichtsinnige Sinnlichkeit, Verzärtelung, gegen Büchergelehrsamkeit. Propagiert werden dagegen Weltklugheit, Natürlichkeit, soziale Verantwortung, Einfachheit und Prinzipientreue in der Lebensführung.
Trotz dieser konventionellen Beschränkung ihres Frauenbildes schreibt Marianne Ehrmann im Selbstverständnis einer Opposition zum männlichen Überlegenheitsanspruch. Und das eigentliche Novum und Wagnis ihrer Texte besteht darin, daß sie diesen Widerspruch nicht nur allgemein formuliert, sondern hin und wieder den Spieß umdreht. In ihren »Glossen über das Wort: Mann« wendet sie dasselbe polemisch-didaktische Darstellungsmittel, das man so weitschweifig weiblichen Untugenden gewidmet hatte, auf den Mann an. Damit behauptet sie praktisch eine Gleichberechtigung der Kritik und führt den Mann als Thema in die polemische Würdigung im Rahmen einer Frauenzeitschrift ein; ein durchaus emanzipatorischer und radikaler Vorgang, auch wenn der Text selbst aus heutiger Sicht banal und bemüht ironisch wirkt. Satire als Kritikform (nach eigenem Selbstverständnis, vgl. Antrittsrede) steht der Autorin hier nur in ganz unausgebildeter Form zur Verfügung, als einfache Verkehrung in der Wertung des Gemeinten und des Geäußerten: zu Kritisierendes wird gelobt und soll damit lächerlich gemacht werden. Allzu durchsichtig ist das belehrende Konzept: die moralisch Guten siegen über die Schlechten, welche regelmäßig in Krankheit, Selbstmord und anderem Unglück enden.
So entlarvt sich auch in dem Briefwechsel zweier Freundinnen, der glücklichen, vernünftigen Auguste und der flatterhaften, zunächst lebensfrohen, später unglücklichen Minna, sehr schnell, auf welcher Seite die Verfasserin ihren Zeigefinger hochhält. Wer anfangs bei dem Widerspruch der Minna gegen »euch altkluge Matronen« und gegen »lauter schwerfällige Moral« und ihrem Ausspruch »Gott bewahre mich vor einem Manne« (2. Brief, S. 33f.) noch schwankte, wird bald mit der Holzhammermethode belehrt, daß die Sympathie eindeutig der eheglückseligen Auguste gehöre. Auffällig ist auch die noch unreflektierte geschlechtsspezifische Wortwahl. So findet man den Begriff des Weiblichen häufig in Negativverbindungen, mit Weichheit z.B., während die Standhaftigkeit als männlich qualifiziert wird.
Erst in der Romantik befreien sich einige Frauen aus diesen festgefahrenen Gleisen begrenzter Frauenbildung und -kunst. Ihre Entwürfe legen allerdings die Fesseln gesellschaftlicher Bezüge ab und entfalten sich im Raum poetischer Utopiebildung. Dort überwinden sie den utilitaristischen Zwang weiblicher Natürlichkeit, die Zweckgebundenheit von Natur und Liebe, und führen das Recht der Frau zu begehren ins Feld. Z.T. sind auch ihre Lebensgeschichten gezeichnet von wechselhaften und mühseligen Versuchen zu selbstbestimmter Liebe und angemessener Teilhabe am kulturellen und ästhetischen Leben. Von der Literaturgeschichtsschreibung werden Frauen in der Darstellung der Romantik vor allem als Musen und Salongesellschafterinnen gewürdigt, die ein Klima ästhetischer Produktivität schufen, in welchem die männliche Poesie und Philosophie sich treibhausmäßig entfalten konnte.
Die Zeit der belehrenden Frauenzeitschriften ist im wesentlichen vorüber. In klassischer und romantischer Literaturproduktion beteiligen sich schreibende Frauen an den ehrgeizigen Journalen führender Schriftsteller und Philosophen. Auch Sophie Mereau veröffentlichte in Schillers HOREN zunächst Gedichte und 1797 Teile aus ihrem Roman »Amanda und Eduard«. Schiller verstand sich als ihr Gönner und Förderer und äußerte sich anerkennend über ihre literarischen Leistungen: »Ich muß mich doch wirklich darüber wundern, wie unsere Weiber jetzt, auf bloß dilettantischem Wege, eine gewisse Schreibgeschicklichkeit sich zu verschaffen wissen, die der Kunst nahekommt.« (an Goethe,  1794 Kommentar über Sophies Roman).[9] Anders als in diesem Erstaunen Schillers erhält in der romantischen Ästhetik Schlegels das Weibliche die Funktion der naturhaften Anlage zu Poesie und Philosophie. Schon vorher formuliert Sophie Mereau in »Amanda und Eduard«, die Weiber seien von Natur gut, sie seien Philosophen, ihre Aufgabe bestehe nur darin, sich zu erkennen und zu erhalten, während die Männer danach streben müßten, erst durch Kunst eine ruhige Harmonie zu erreichen. Ihr anderes wesentliches Postulat lautet: »Des Weibes Natur ist Liebe«. Das Hauptthema ihrer Texte ist Liebe; angeregt und entfacht wird das Begehren nach Entgrenzung im Anblick und Einssein mit der Natur, Erfüllung findet es im Geliebten. Sehr deutlich finden sich Züge aus ihrer eigenen Lebensgeschichte in ihrer Literatur. Nach dem frühen Tod ihrer Eltern heiratete sie 23jährig den Juraprofessor Friedrich E.K. Mereau, von dem sie sich nach acht Jahren wieder scheiden läßt. Die Briefe aus dieser Zeit deuten auf eine leidenschaftliche Suche nach erfüllten Liebesbeziehungen; sie hatte mehrere sehr intensive Beziehungen zu anderen Männern und spielte zeitweilig mit dem Gedanken, ihren Mann zu verlassen und sich als Schauspielerin unabhängig zu machen.
Die Zeitschrift KALATHISKOS  erscheint im Jahr ihrer Scheidung. Sie war als jährlich periodische Schrift geplant, ist aber nur zweimal in Berlin erschienen. Formal ist sie nicht eindeutig der Gattung Zeitschrift zuzuordnen, ist im konventionellen Gattungsschema wohl eher ein Almanach, obwohl sie zu ihrer Zeit, z.B. von Sophies späterem, zweiten Mann Clemens Brentano, als Zeitschrift bezeichnet wurde. Auch wenn der Titel sich nicht ausdrücklich »an Teutschlands Töchter« wendet, ist diese Bestimmung metaphorisch ausgesprochen: Kalathiskos ist im Griechischen das Handarbeitskörbchen der Frau, Symbol der weiblichen Sphäre überhaupt und Name eines Tanzes. Der ganze Inhalt auch spricht für eine Einordnung als Frauenzeitschrift. Der Bruch zu den vorhergehenden Publikationen liegt allerdings in dem radikalen Wechsel von Genre, Stil und Schreibhaltung. In dem Blatt finden sich keine räsonierenden und belehrenden Artikel mehr, alles wird poetisch ausgedrückt. Dem Primat innerer Prozesse gegenüber der Schilderung äußerer Handlungsabläufe entspricht eine zum Pathos und zu sprachlichen Manierismen neigende Sprache. Der Text »Jugend und Liebe« kann als programmatisch betrachtet werden. Mit Rückblick auf den paradiesischen Zustand »glücklicher Einfalt« wird eine geschlechtsspezifisch differierende Verwaltung seines Verlustes behauptet: Der Mann verkörpert Vernunft und Zerstreuung in der alltäglichen Umgebung, während die Frau die Sehnsucht nach dem verlorenen Erfülltsein bewahrt.
In der Erzählung der »Ninon de Lenclos« wird die Lebensgeschichte einer vollkommenen, erotisch emanzipierten Frau ausgemalt. Sie lebt ihrer Lust und ihrem Begehren und begründet ihr Recht dazu daraus, daß sie aus ihrer Gleichheit in der Bildung mit den Männern auch deren sexuelle Freiheiten teilen könne. Sie vereint Schönheit, Geist und Geschmack, Vernunft und Wollust.
»Vergötterung und Allberechtigung der Liebe, Mißachtung der Ehe, poetische Anerkennung der Sinnlichkeit, Ringen nach Freiheit, Hinblick nach Frankreich« seien die Grundzüge ihrer Briefe (Varnhagen von Ense, 1856).[10] In dieser Charakterisierung sind Bezüge zwischen Sophies Biografie und ihren Werken markiert. Doch schreibende Frauen der Romantik, die z.T. individuell versuchten, ihr selbstbestimmtes Leben zu finden und im literarischen Raum poetischer Utopiebildung auszumalen, machten daraus noch kein feministisches Programm mit dem Anspruch allgemeinerer gesellschaftlicher Gültigkeit. Die Diskrepanz zwischen Imagination und der Realität der meisten Frauen war zu groß, als daß aus dieser Spannung die Entwicklung konkreter Utopie weiblicher Emanzipation möglich gewesen wäre.
Kleine Schritte zum Ziel der vorbehaltlosen Beteiligung am kulturellen und gesellschaftlichen Leben folgten, und dieses Ziel kostete Anstrengung genug, als daß das Augenmerk sich auf eigene, frauenspezifische kulturelle Erfordernisse richten konnte. Hinzu kam die Erfahrung, daß die Sonderproduktionen »für Frauen« nicht selten ihre Diskriminierung und   vorgebliche   natürliche   Unterlegenheit zementierten. So lehnte Johanna Schopenhauer, als ihr 1821 die Herausgabe einer Frauenzeitschrift angetragen wurde, dieses ausdrücklich mit dem Argument ab, daß die Zeiten »wo man für Frauen wie für Kinder eigne Bücher schreiben durfte«, längst vorbei seien: »Der weibliche Geist ergreift jetzt jede Blume im Gebiet der schönen Literatur, betrachtet alles und behält das Beste, mit nicht minderem Gelingen und nicht minderer Auswahl als der männliche, und schon die Anmaßung nur für Frauen schreiben zu wollen, würde die gebildetsten und geistreichsten Leserinnen uns verscheuchen, weil sie schon von weitem Langeweile und zum Überdruß wiederholtes moralisches Geschwätz zu wittern glauben würden.«[11]
Aber dort, wo Frauen sich am Zeitschriftengeschäft der Männer beteiligten, widmeten sie sich nicht immer der schönsten Blume. Ihr Anteil an der Arbeit war häufig der der Fleißarbeit. Caroline Schlegels Anteil am Athenäum, dem Projekt der Schlegel-Brüder, ist nur durch Mitteilungen in (Privat) Briefen dokumentiert, im Journal erscheint ihr Name nicht. Das gleiche gilt für Therese Huber (geb. Heyne, gesch. Forster), die nach dem Tode ihres zweiten Mannes ihre Arbeitskraft an Cotta verkaufte und acht Jahre lang (1816 - 24) hauptverantwortlich sein täglich erscheinendes Morgenblatt für gebildete Stände redigierte, für 700 Gulden jährlich.[12] Auch ihre Mitarbeit blieb - auch auf eigenen Wunsch - anonym.
Wenn Frauen aber selber Journale führen, keine frauenspezifischen, sondern allgemeine Unterhaltungs- und Kulturblätter - wie die zu ihrer  Zeit populäre  Schriftstellerin  Amalie Schoppe die NEUEN PARISER MODEBLÄTTER in den 30er Jahren des 19. Jh. - konnte sich der Spieß schon mal umdrehen: die weibliche Herausgeberin wird Förderin männlicher Nachwuchs-Dichtkunst. Friedrich Hebbel konnte in ihrem Journal seine ersten Gedichte veröffentlichen, ein Umstand, dem die Schriftstellerin verdankt, daß sie heute wenigstens in einigen Literaturgeschichten Erwähnung findet.

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