Die Vision des Vaters: eine Erzeugung ohne Geschichte(n)

  • Ein Spiegel-Hymen. - Ein ungezeugter Erzeuger. - Die finstere Nacht wird exorziert. -  Die Astrologen als Thaumaturgen: qua Sonnen-Schein. - Eine Frage des Eigentums. - Eine blendende Lüge.

Aber diese Quelle ist bereits ein Spiegel. So entflammt die Erleuchtung der Idee einen Spiegel, der die Strahlen eingefangen hat: der Sonne, des Guten und, auf andere Weise, die des Auges, der Seele, des Auges der Seele (des Seelen-Auges). Die ebenfalls Spiegel sind. Eine Spiegel-Begattung, die um so mehr blendet, als sie auf eine Selbst-Begattung des Spiegels hinausläuft. Das Selbe (insbesondere) der Spiegel vereinigt seine Reflexe und bringt eine sich schnell vermehrende Genealogie hervor. Es muß das Selbe sein, damit die Hierarchie der Ideen, sowohl ihre Progression als auch ihre Regression ins Unendliche einer bestimmten Ordnung folgen. Ein einziger wird sich auf verschiedene Weise in jedem von ihnen, entsprechend seinem Glanz, seinem Schliff, seiner Exaktheit (seiner Klarheit), seiner Fähigkeit der Reflexion, widerspiegeln. Die Deszendenz und die Aszendenz sind Stufen der Vollkommenheit in der Verwirklichung der Reproduktion der Idee, die selbst ein Spiegel ist.

Und der blendende Glanz, den der Sonnenaufgang in diesen Spiegel-Hymen entzünden wird, zwingt, den empfindlichen Blick noch eine Zeitlang von diesem blindmachenden Aufglühen abzuwenden. Zumindest die Membran des Auges muß für die zukünftigen Generationen erhalten bleiben. Denn ihr Feuer ist der Sonne noch nicht so weit angeglichen, noch nicht genügend an seinen sonnenhaften Ursprung erinnert, daß es sich mit ihr, ohne vom Blitz getroffen zu werden, vereinigen könnte. Desaster einer Vereinigung ohne Maß, einer Verwandtschaft zwischen zwei Geschlechtern, einer Hochzeit, die etwas anders ist als eine Betrachtung der Ähnlichkeit in der Vereinigung der Blicke von Vater und Sohn, die sich im Licht vollzieht und letztlich im Sinne des Guten. Lehrer und Vater, Gott, von allerhöchster Einsicht. Ohne Ursprünge, sicher. Zumindest wird man von dem, dessen Anfang man nicht kennt und der selbst keinen Anfang kennt, keinen Anfang erfahren. Des Guten, das Vater und Sohn genießen, dessen Nutzen sie (sich) repräsentieren, ohne daß es möglich wäre, das Kapital einzuschätzen, das auf dem Spiel steht. Eine Schuld, die Sokrates dem philosophischen Lehrling nicht bezahlt, sondern die er seinen theoretischen Nachkommen weitergibt, ohne daß eine Abschätzung oder Einforderung möglich wäre. Eine Summe, von der man schließlich nicht einmal mehr weiß, wem sie gebührt. Die einzigen Spuren der Identifikation sind aus bestimmten Attributen des (sogenannten) Gläubigers herauszuhören. Zum Beispiel: der alles, was ist, gezeugt hat, ohne selbst gezeugt zu sein, der den Einsatz der Zeugung also be- und verschließt. Ewige Dauer dessen, der die Zeit seiner und der Entstehung annulliert, und der (sich) in Spiegel projiziert, die in Wahrheit unsterblichen Lichtsamen mehr oder weniger entsprechen - Lichtsamen, die woher kommen? Deren zwangsläufig spekulative Früchte er ernten und einsammeln will, um ein Kapital zu mehren, im Namen dessen man Rechenschaft von euch fordern wird. Nicht damit ihr, wie ihr denken könntet, darin euer Erspartes wiederfindet, das, was ihr durch die Akkumulation solcher Reichtümer hättet (re)-produzieren können, was euch unterschlagen, meisterlich entwendet wurde. Nein. Vielmehr sollt ihr irgendeine Schuld-Anerkenntnis unterschreiben, um zumindest von der Vorspiegelung von soviel Gold zu profitieren. Diese Verpflichtung ist dauerhaft. Mit vollem Recht. Der Sohn schiebt einen Zahlungstermin auf, aus dem er Gewinn zieht. Auch wenn er darunter leidet, Schuldner zu sein, auch wenn er zahlt, damit die Mystifikation andauert. Er wird selbst so weit gehen, sein Leben zu opfern, um diese Aussicht auf Belohnung in der Ewigkeit aufrecht zu erhalten, die im Guten des Vaters besteht. Denn ihm ist die Teilnahme an ihr versprochen, vorausgesetzt, er ist nach seinem Bild geraten. Das erfordert natürlich, daß er sich von allem empirischen, materiellen Anfang abwendet, vor allem von dem mütterlichen Anfang, und daß er sich nur von jemandem empfangen läßt, der sich als Ursprung ohne Anfang ausgibt.

Wenn jemand niemals in der Mutter gewesen ist, hat er den Tag immer schon gesehen. Der Vater nimmt sich vor, das Vergessen der Einkerkerung im Schatten und im Wasser ihrer Höhle oder ihres Bauches, dieser uralten Behausung, diese Grabes-Blindheit der Erinnerung, die sich gegen jede Reminiszenz sperrt, diesen unauslöschlichen Hornhautfleck auf dem Auge (der Seele) durch die Blendung eines Tages ohne Ende in euch auszutilgen. Aber noch ist es für die Verwirklichung einer solchen alethéia zu früh. Das Vergessen des Vergessens fordert eine lange und methodische Initiation. Zeit muß vergehen, ein Weg muß durchlaufen, Umkehrungen müssen vollzogen, Nachahmungen wirksam werden... Eine Abfolge und ein Ineinandergreifen von Operationen, die Spuren zu wiederholen und zu übersetzen versuchen, die vielleicht vor allem durch ihren Widerstand, zu erscheinen, wirksam sind. Stenographien, die der möglichen Wiedereinprägung von idealen Formen vorangehen und sie vorbereiten. In der Seele. Jetzt also ziemt es sich, die Finsternis zu betrachten. Man muß die nächtliche Kontemplation wieder durchlaufen, die Dunkelheit der Nacht dabei durchschreiten. Das ist »ganz leicht«. »Ohne allen Zweifel«! Es ist vor allem notwendig. Eine gut vorbereitete Wiederholung kann die Empfänglichkeit, Aufnahmefähigkeit der geprägten Flächen wiederbeleben und befreien, die jeder Äußerung gegenüber taub sind. Eine geschickte graphische Behandlung kann die Richtungen der Bahnungen, Linien, überschreiten, sie beispielsweise umkehren. Der Schatten, der hinten verborgen ist, der die Nacht bildet, kann z. B. vorn vorgestellt werden, ebensogut gegenüber oder sogar oben. Die ursprüngliche Blendung, die der Wahrnehmung der Vergangenheit, die dem sich widersetzt, was sich früher unter der Erde zugetragen hat, die nicht sehen will, was dem Fortschritt der paidéia folgt, spukt in ihrer Perspektive, ja, verwirrt ihren Gesichtspunkt und bietet sich als »ganz leichtes« Schauspiel dar, als etwas später Kommendes, das weniger geisterhaft ist, weil es im Bereich des Sichtbaren dargestellt wird, auch wenn es weniger Glanz hat. Es kommt darauf an, jede Wiedererscheinung, jeden Wieder-Gänger, jeden Abkömmling zu beschwören, jede Sehnsucht des Rückfalls, Rückzugs, der Regression zum Mysterium der Höhle. Die Finsternis, das Undurchdringliche, das Geheimnis, die Nacht zwingen sich von nun an dem Horizont des Blicks auf. Ihre derart begrenzte, erneute Einschaltung wird die Hypothek ihrer Anfänge, ihres Vor-Rangs vor der Gegenwart aufheben. Zumindest kann man es denken und es durch topographische Manipulationen versuchen, deren Wirksamkeit zu diesem Zeitpunkt von ihrem Schweigen verstärkt wird. Es gibt keinen Diskurs, der die sich vollziehenden Permutationen begleiten kann. Der Logos ist unfähig, während der Präsenz seiner Rede das Hinten zum Vorn, das Frühere zum Späteren werden zu lassen. Selbst wenn darin sein ganzes Projekt, seine ganze Arbeit besteht. Selbst wenn er, um dies zu leisten, schriftliche Kunstgriffe benutzt, deren Verdopplungseffekte mehr als eine Umdrehung zur Folge haben. Die Sprache schreitet immer von einem Anfang zu einem Ende, von einer Vergangenheit zu einer Zukunft fort, aber da sie gezwungenermaßen auf die Schrift rekurriert, neigt dieser Fortschritt stets dazu, sich in sein Gegenteil zu verkehren. Ein Artefakt, das hier verschleiert werden muß, weil es den teleologischen Glauben ins Wanken bringen könnte. Und weil die Initiation in das Unwiderlegbare des Endzwecks, der Anfangsursache, Schweigen gebietet. Brüche im Ablauf des Vortrags, die die Einwirkung der Macht dessen verschleiern, der verdoppelt und dabei allen Sinn von unten nach oben, von hinten nach vorn verkehrt. Und umgekehrt, natürlich. Und obwohl die Nacht den »Menschen« noch »umgibt«, obwohl sich auch der »Mensch« noch »inmitten« der Nacht befindet, ist diese doch schon nicht mehr die Grundlage, das Prinzip, kaum mehr ein bergender Raum; das Irreduzible der Mitter-Nacht ist dabei, zum Objekt einer einfachen optischen Transaktion zwischen Menschen zu werden. Die Nacht ist notwendig, damit das Licht erscheinen kann. Man fangt besser im Schatten wieder damit an, den Blick an die Macht der Sonne zu gewöhnen. »Das ist leichter.« Die Finsternis dient also von jetzt an der Manifestation ihres Glanzes.

Außerdem sind es »der Himmel und die Dinge des Himmels«, denen der Eingeweihte sich jetzt zuwendet. Und das, was er in der Nacht betrachten wird, das wird das Licht der Sterne und des Mondes sein. Methodische Annäherung an die sonnenhafte Erleuchtung. Die Reflexe gehen der Erinnerung an das Original voran und bereiten sie vor. Man begreift, was es re-produzieren kann, was es verursacht, bevor man zum Wieder-Erkennen der Ursache selbst gelangt, die für das körperliche Auge nicht wahrnehmbar ist.
Der Grund bleibt dem sterblichen Blick weiterhin verborgen. Er ist tatsächlich stets vergraben unter, immer dahinter: unter und hinter der Erde, der Mutter, der Geburt, der Oberfläche aller Körper... Immer darin: in der Matrix, der Höhle, der Seele, der Idee. Seine Grundlegung ist unter den Abkömmlingen versteckt, die dieses Dasein hier, diese Welt hier, diesen Blick hier bevölkern. Ihre Anziehungskraft muß ihnen genommen werden, damit sich ihre ideale Quelle durchsetzt. Sie werden deshalb als weniger gut, weniger wahr, weniger gelungen vorgestellt, repräsentiert; als weniger glänzend. Bleiche Echos einer blendenderen Wirklichkeit, Wiedergaben eines wertvollen Urbilds. Zudem ruft das, was jetzt als Kopie figuriert, von einigen Umkehrungen abgesehen, die Trugbilder der Höhle hervor: Schatten-Licht, Rückwendung-Gegenüber, Fetisch-Statuen - kosmischer Prozeß, begrenzter Raum der Höhle - Welt... Man verschiebt den Einsatz des Spiegels, aber ohne es zu sagen. Man gibt vor, ihn zu reduzieren, dabei läßt man ihn verschwinden.
Offensichtlich gibt es keine Zauberer mehr. Der Aufstieg der Trugbilder schließt ihre Rückberufung aus. Der Rekurs auf die Astrologie in diesem Punkt funktioniert als Thaumaturgie, die vom »Natürlichen« verdeckt wird. Macht sich die Natur selbst zum Spiegel? Vielleicht reflektiert ihr (euch) selbst darauf. Das hat nichts mit Zauberei zu tun, heißt es. Jedenfalls dann nicht, wenn das Objekt der Reflexion ausschließlich vom Guten des Vaters vorgegeben wird, hier also der Sonne. Das Double wird demnach »authentisch« sein, angemessen. Daß der Schein in der Definition des Richtigen vergangen ist, wird unbewußt bleiben. Das ist nicht gesehen worden. Und doch ist es (so). Dieser kleine pädagogische Umweg über die Astrologie - »das ist ganz leicht« — bestimmt das Schicksal der Geschichte, die folgt.

Und weil die Macht der Phantasmen jetzt im und durch das Gestirn überlistet ist, wird sich der Mensch »schließlich« imstande sehen, »die Sonne selbst zu schauen«. Man könnte hinzufügen: Das war es, was er gern wollte. Oder sogar, daß dies sein einziges Begehren war. Die Sonne hat die Verführung monopolisiert. Und wenn das Schauspiel ihres »Reflexes im Wasser oder in anderer Umgebung« einen Blick noch fesseln konnte, der auf die Abschwächung, die eine solche Verdopplung, eine solche Entstehung impliziert, nicht gefaßt war, wenn man die Kette der »Kopien« notwendigerweise wieder zurückverfolgen mußte, um die Evidenz ihres Urbildes bestätigen zu können, wenn dieser Kampf mit der Kindheit, mit der durch die Geburt (aus einem anderen Körper) bedingten Blindheit unvermeidlich war und methodisch geführt werden mußte, um den Blick von der Faszination durch allzu sinnliche Reize zu läutern, dann wird diese Erziehung vielleicht in einen Begriff münden. In einen ersten Begriff: Sonne. Losgelöst von der »Umgebung«, die ihre Reproduktion in mehr oder weniger guten, wahren oder schönen Bildern ermöglichte, befreit von dieser Unterstützung, die noch an das Materielle, das Mütterliche gebunden war; sie brauchte sie, um sich durch mehr oder weniger deformierte Abkömmlinge zu vermehren, mit denen der Umgang für den Lehrling der Philosophie in der Kindheit der Philosophie tolerierbar war; jetzt aber geht man dazu über, sie in ihrer Allmacht ins Auge zu fassen. In ihrer Souveränität. In ihrer Autonomie. »Sie selbst« also, »gesehen als sie selbst«, »an dem ihr eigenen Ort«, »um schließlich zu erwägen, wie sie ist«.

Die IDEE der IDEEN ist einzig in sich selbst sie selbst. Weil sie Signifikat, Signifikant und Referent in einem ist, gibt es kein Außerhalb von ihr. Weder zeigt sie etwas anderes als sich selbst, noch verweist sie auf etwas anderes, selbst wenn es ihr verwandt wäre. Und noch weniger bedarf sie einer heterogenen Vermittlung, eines fremden Empfängers, um sich zu bezeichnen, zu repräsentieren. Sie überwindet diese noch methodologischen, noch generativen Aufspaltungen. In ihr kulminiert jedes Verfahren der Annäherung, das dialektische inbegriffen. Sie vollendet es, indem sie es sowohl abschließt als auch - oder: und - auf das Eine Ganze (des Ganzen) hin öffnet. Dieser steile, unzugängliche, mit Fallen gespickte Pfad, auf dem das Kind, den Knaben, den jungen Mann erst ein Geburtshelfer, dann ein Professor der Philosophie hinaufgeführt haben, dieser aus der Höhle herausführende Pfad wird auf dem Gipfel der Idee sein Ende finden: auf dem Gipfel der Idee des Ganzen, dem Ende von allem, dieser Idee, die das Projekt der gesamten Genealogie enthält und sich dennoch nicht inkarniert. Geizig mit ihrer Substanz, deren Ökonomie ihre eigene Wirklichkeit (die Wirklichkeit als ihre eigene) unterhält. Unbegrenzt identisches Ideal, das seine Bestimmung keiner Unterschiedenheit der Materie - die es sich zuführt, durch die es sich erhält - unterwerfen wird. Immer sich selbst gleich, ohne die Hilfe irgendeiner Repräsentation, Figuration. Absolute Sicherheit der Identität mit sich, die von keinem Spiegel unterstützt wird. Wirklich? Wie bezieht sich dann das eine auf das andere, die ideale Ordnung des Ganzen und die absolute Intelligenz?

Es hieße allerdings, dem Kandidaten der Philosophie eine zu große Entdeckung zumuten, wenn man schon jetzt an solche Begriffe appellierte. Es hieße riskieren, daß man seine Seele umstürzt, daß man ihn im entgegengesetzten Sinn agitiert, daß man seine harmonische innere Ordnung auflöst, vielleicht für lange Zeit. Denn an dem Punkt, an dem er jetzt ist, läuft er noch Gefahr, das »Sinnliche« mit dem »Intelligiblen« zu verwechseln, das, was gesehen werden kann, mit dem, was unsichtbar das ganze Schauspiel bestimmt. So wird er sich vielleicht vorstellen, daß ihm die Ursache (aitios) von allem, was ist, daß ihm der Erzeuger und Vater der Welt ohne weiteres erscheinen könnten. Das wäre eine parousia, die seinen Gang lähmte, die wie ein Blitz in seine Bewegung einschlüge, die seinen Blick versengte. Dem Vater ins Angesicht schauen heißt soviel wie sterben. Und dieser junge Mann ist noch nicht an dem Punkt, um diese Art des Lebens zu wählen. Sicher, man wird ihn allmählich dahin führen. Aber man muß ihm Vertrauen einflößen, man muß ihm die Wahrheit verhüllen, indem man ihm Geschichten erzählt, wie den Kindern. Warum nicht die von der Sonne, die alle Welt bezaubert? Warum nicht die, wie dieser arme Wurm, der, in einer dunklen Höhle gefangen, sich in einen Fürsten der Stadt verwandelte, als er in ihr seinen sonnenhaften Ursprung entdeckte? Warum nicht? So also wird er seinem erlauchten Vorfahr vorgestellt. Nicht irgendeinem heruntergekommenen Bild seiner Zauberei, sondern ihm selbst, »gesehen als er selbst«. Aber wird er seinen Anblick ertragen können? »Er wird müssen.« Damit die Fabel verblüffender wird. Der Mythos muß hier der Beweisführung dienen. Und so wie die sonnenhaften Schatten, weil sie »natürliche« waren, unmerklich das Trugbild in die Ökonomie des Eigenen, des Eigentums eingeführt haben, so wird umgekehrt die Betrachtung der Sonne dazu genutzt, den noch sterblichen Blick der Ordnung des Intelligiblen zu unterwerfen. Durch die Fiktion, die in der Geschichte am Werk ist, wird dieser dialektische Taschenspieler-Trick realisiert. Bezaubert durch unwahrscheinliche Märchen, durch Träume, die, von einem Pädagogen erweckt, ermuntert werden, durch diese in einem gewissen Maß, entsprechend einem bestimmten Kalkül gutgeheißene onirische Verschärfung wird das Kind seinen Phantasmen (sozusagen) absagen, ohne davon Rechenschaft geben zu können. Es wird aus diesem noch sinnlichen Ort, in den die Spuren seiner Wünsche eingeschrieben waren, herausgebracht. Ohne Zweifel vertreibt man es aus ihm nicht auf einmal mit Gewalt. Bei der Verletzung durch eine solche Entwurzelung bestünde die Gefahr von Narben, die im Gedächtnis haften bleiben. Von Erinnerungen, Wiederkehr. Von blutigen Übergängen zwischen dem Sinnlichen und dem Intelligiblen. Auch zwischen Ideen und Empfindung, idealen Empfindungen. Eine Verwirrung, vor der sich jeder Philosoph, der sich achtet, hütet. Der Aufstieg zum Wesen muß gegen eine Regression zu den Sinnen abgesichert werden, selbstverständlich. Das »Natürliche« schließt, nach und nach, jeden noch sinnlichen Eindruck, alle noch körperliche Epigraphie aus.

Aber bei dieser Progression hat ein Austausch stattgefunden, der nicht bemerkt worden ist. Den in der Höhle hergestellten Objekten, diesen Fetisch-Statuen, die den Schatten von unten, aus der Höhle, ihre Qualität als Phantasmen verleihen, hat man kosmische Elemente substituiert, die man keiner menschlichen Machenschaften verdächtigen kann. Es ist Gott-der-Vater, der den Himmel und die Sterne geschaffen hat, die euch nach seiner Idee bilden. Nach seinem Bild. Diese Welt ist »wahr« nur, insofern sie durch Ihn allein erzeugt ist und sich allein auf Ihn bezieht. Das ist offensichtlich genug für alles, was die Erde beherrscht, was sich über ihr aufhält, was sie - während es sich emporrichtet - mit Füßen tritt. Gegenüber dem jedoch, was sich darunter, darin abspielt, ist Mißtrauen geboten. Ein Kunstgriff, der dem Blick entgeht, ist immer möglich. Gewiß, der Vater ist letztlich auch dessen Ursache, wie euch bewiesen wird. Und doch können sich hier Dinge ereignen, die seine Vorsehung, seine Projekte, seine Projektionen übersteigen. Man kann hier seiner Macht trotzen und sich selbst zum Demiurgen machen, auch etwas hervorbringen. Dies wirft die Frage nach der Angemessenheit des Eigentums auf. Es wie der Vater machen ist nur so lange gut, wie es seiner Zaubermacht, der Vorherrschaft seines Guten dient. Die Aufteilung des Glaubens macht die »Menschen« unbeherrschbar. Deshalb hat das, was sich unter der Erde, in dieser Quasi-Mutter tut, einen anfechtbaren, in jeder Hinsicht zweitrangigen Wert und führt allermeist von den Zielen ab, die Beachtung verdienen. Übrigens hat der Hinweis auf das Unterirdische nur die Funktion, daß man sich davon abwendet, wenn man gesehen hat, wie wenig »natürlich« das ist, was hier erzeugt wird. Die wahre »Natur« wird auf dem Weg zum Himmel entschleiert, nicht indem man sich der Erde zuwendet, zur Erde zurückkehrt, der Mutter, dem Ort einer noch künstlichen Empfängnis, wo Zauberer verkehren, die weismachen wollen, daß der Schlüssel der (Re-)Produktion von geschickten Nachahmern göttlicher Pläne unter Verschluß gehalten werden könne. Die Höhle gebiert nichts als Phantome, Trugbilder, bestenfalls Bilder. Man muß ihren Gesichtskreis verlassen, um den unnatürlichen Charakter einer solchen Geburt wahrzunehmen. Die Erzeugung des Wirklichen (die wirkliche Erzeugung) kommt dem Vater zu, die Erzeugung des Fiktiven (die fiktive Erzeugung) der Mutter, dem »Receptaculum« mehr oder weniger guter Abbilder der Realität. Das »Eigene«, das Eigentum sind Attribute der väterlichen Produktion. Sie definieren das Werk des Vaters »als solches«. Das Sein. Das Eigene. Die Eigenschaften. Weshalb der Schein nur dank dem noch materiellen, noch mütterlichen Ort der Reproduktion existiert, dessen »geringster« Repräsentant die Höhle ist.
Die Mutter-Materie also bringt nur Bilder hervor, das Vater-Gute nur das Wirkliche. Obwohl er in den Augen der Sterblichen sinnliche Realisierungen nicht nötig hat, um wiedererkennbar zu sein, anerkannt zu werden. Chiasma der Kinder-Zulagen, die dem Haupt der Familie alle Rechte und alle Gewalt über »seine Kinder« zuweisen, die, falls sie keine Bastarde sind, falls sie den hybriden Charakter ihrer sterblichen Geburt abgestreift haben, einzig ihrem Erzeuger gleichen. Auch ein optisches Chiasma also. Der Vater negiert die Bedingungen der Spekulation und Spiegelung. Er ignoriert, könnte man sagen, die physikalischen, mathematischen, ja die dialektischen Koordinaten der Repräsentation »im Spiegel«. In jedem Fall will er nichts von der unweigerlichen Umkehrung wissen, die sich durch die Identifikation mit dem anderen als anderem vollzieht - er, der es ablehnt, zu sein, wenn er nicht mit sich identisch ist, sich selbst gleich, freilich ohne Bestimmungen, die dafür maßgebend, die dafür gesetzgebend sein könnten. Gewaltiges, unerhörtes Imperium des Vaters, der verlangt, daß die Mutter nichts als das Receptaculum für seine Kräfte sei, eine Materie, die Beweisstücke seiner Rechtsansprüche zur Welt bringt, während die Mäeutik, die sokratische Hebammenkunst, die Aufgabe hat, sie »als solche« erscheinen zu lassen, indem sie sie von ihrer körperlichen, allzu profanen Kruste befreit, sie entschleiert.

Daß das Zeichen der Macht des Vaters sich während seiner Einprägung hat verkehren lassen, wird nicht in Betracht gezogen. Daß die Mutter fähig wäre, die Identität der Macht, die sich in diesem Zeichen manifestiert, zu verkehren, wird in diesen Begriffen nicht veranschlagt. In seinen Begriffen. Die Krise einer stets möglichen Umkehrung der Macht, einer Veränderung, die den Fortbestand dieser selben Macht untergräbt, ist das Risiko einer Negation, die die Kohärenz der sokratischen Argumentation und des platonischen Diskurses unterhält und bedroht, dessen Fundament sich immer schon auf das Unendliche hin öffnet, um die Autorität des väterlichen Logos voll und ganz zu begründen: Lebenssamen, Samen der Wahrheit, der Güte, der Schönheit, deren spiegelbildliche Hypothek getilgt wurde.
Nun, die Verweigerung, Ablehnung des Spiegels, des harten Metalls der Spekulation, dessen Wert, dessen orthotes er in der Geradheit und Reinheit seines Blicks nicht wahrgenommen hat, nicht wahrnehmen wollte, wird die Augen desjenigen verbrennen, der es wagen sollte, ihn in seiner glänzenden Kausalität anzuschauen. Sprechen wir nicht gleich vom Vater. Es genügt, daß er die Blendung an seinen Repräsentanten delegiert: an die Sonne, den Glanz der fein verstäubten Spiegelfolie. Konvergenz des Lichtes an einem Ort, der keinen anderen Ort als seinen eigenen kennt, des Lichts, das sich in jedem Spiegel, in jedem Speculum reflektiert. Ein Feuer, das in Weißglut geraten ist, weil es alle Flammen an sich gerissen hat. Weil es dem Reflex die Ursache seines Leuchtens genommen hat. Und der »Erde« die Anziehungskraft ihrer Wahngebilde, das innere Feuer ihrer hohlen, konkaven Spiegel. Die lodernden Kammern, die, aus Furcht, man könne sich in ihnen verändern, ihrer ursprünglichen Funktion, ihres ursprünglichen Goldes beraubt wurden, sind dunkle Löcher geworden, in denen die klare Vernunft sich zu verwirren, sich zu umnachten droht. Ein Rückfall also in das Vergessen stillgelegter Minen, in denen kein kostbares Metall mehr schimmert: Hysteren, aus denen jeder Stein der Weisheit schon gestohlen ist. Sollte es hier noch Feuer geben, so ist es von der Hand des Menschen entzündet. Ein trügerischer Glanz. Die Mutter-Materie, eine Oberfläche, die den Eindrücken nachgibt, sich dem Druck fügt, nährende Wurzel für das Werden neuer Schößlinge des Patriarchen, die aber den Glanz des Lichtes, das sie erhitzt, erleuchtet, befruchtet, nur eingetrübt zurückwerfen wird. Wie es ihr gefällt. Manchmal vereist sie es von ferne und spiegelt sich so in ihm, ohne sich mit ihm zu vermischen. Eine für die exakte Erkenntnis des Selbst, für die Aufrechterhaltung der eigenen Identität erforderliche Hälfte. Gerade vereist genug, um zu vermeiden, daß man sich in ihren Wassern auflöst, daß man sich in ihren zurückweichenden Tiefen verliert, aber zu wenig, um zu glänzen, um die leuchtenden Strahlen zu verzehnfachen oder wenigstens ihre Macht zu verdoppeln, aufzuspalten. Eine trübe, matte Vereisung. Eine weiße Kälte, die das Licht zurückwirft, ohne es in Wahrheit zu konzentrieren oder zu absorbieren.

Und es kommt vor, daß der Sohn der Mutter neuen Glanz gibt. Das kann man jeden Tag beobachten. Es verhindert nicht, daß auch er den Ort seiner Zeugung verachtet, indem er seinen Boden umkreist, aber von weitem, mit einem gewissen Hochmut. Denn er will sein Feuer nur sich selbst verdanken, seit jeher, indem er seinen ohne Zweifel himmlischen Körper verbraucht, verzehrt, ohne Rücksicht auf seine Berührungen mit der Materie. Was die Unsterblichkeit der Verbrennung angeht, sie wird durch das Begehren des Vaters verbürgt, dessen Wille es ist, daß dieses Gestirn das Universum gemäß seinen göttlichen Ideen »verwaltet«,[2] der ihn bevollmächtigt, in seiner Abwesenheit die Welt - einschließlich der »Erde« - seinem Gesetz entsprechend zu regieren. Wobei er übrigens für die Mehrzahl der Attribute der Erde die Verantwortung übernimmt, auf einer erweiterten universellen Stufe. Indem er allem Sichtbaren »Werden und Wachstum und Nahrung« gibt, wobei er »den Tag« mit vollen Händen austeilt.[3] Werden, das nicht mehr durch den Tod beschränkt sein wird, sondern das nach dem Maß der Ewigkeit rhythmisiert wird. Durch die Abfolge von Morgen und Abend, von Sonnenaufgang und Sonnenuntergang, von Jahreszeiten, von Jahren. Immer von neuem. Gleich und doch anders. Wobei er das Werden harmonisch ordnet, das unaufhörlich durch die materialistische Anarchie der lebenden Wesen bedroht wird. Er lehrt sie zählen - bewegliches Bild einer Zeit ohne Erinnerung -, aber auch die Oberfläche der Erde zu messen, zu vermessen. Eine Geometrie, die ohne die Macht der Projektionen der Sonne undenkbar ist. Erde, von der man nichts als ihre quasi tote Rinde betrachten wird, während jede Flamme in ihre Eingeweide verdrängt wird, in der Tiefe verschwindet, die der Evidenz entzogen ist; die von fast der ganzen vom Licht beherrschten Welt ignoriert wird. Denn die wichtigste Funktion dieses leuchtenden Abkömmlings ist es, alles »Seiende« deutlich sichtbar zu machen. Er ist die Fackel der absoluten Intelligenz, er weiht den Blick ein, wie das Falsche vom Wahren, der Schatten vom Körper, den er verdoppelt, das Abbild vom Urbild, der Reflex vom Original zu unterscheiden ist. Und obwohl dieser Sohn sich bestimmte mütterliche Privilegien und Rechte aneignet, schlägt er nach dem Vater, den er in allem nachahmt, zum Wohle ihrer beider Interessen.
....Sonne, die Ex-stase der Kopula. Ursache von allem, was ist. Ein Feuer, in dem die Lust auf eine Blendung des Auges reduziert wird. Ein leuchtendes Receptaculum. Eine Matrix für die Reproduktion von Bildern. Die luzide Vereinigung wird nichts als Erscheinungen hervorbringen, sie wird sich auf die (Be-)Setzung der Welt mit mehr oder weniger adäquaten Repräsentationen beschränken, deren Substrat außerhalb bleiben, nicht mehr nach innen kommen wird. Nichts als zersetzbare Materien, Kadaver, deren Eindringen die Membran des Auges nicht duldet.

Die Lust entsteht und verschwindet wieder. Sie wächst quasi augenblicklich, findet im Augen-Blick statt. In der schnellen Vereinigung und Komplizität mit der Sonne beim Wiedererkennen der Formen, sicherlich noch irdischen, die trotzdem eine Bürgschaft für das Maß des Verhältnisses aller Dinge zum Guten des Vaters sind. Die unmittelbare Rückversicherung für die Teilnahme an der Unwandelbarkeit seiner Macht, die natürlich keine Modifikation ihrer Attribute, keine Veränderung der Morphologie kennt, die immer identisch mit sich selbst ist, ohne Akzidenzien.
Eine solche Beständigkeit überschreitet in Wahrheit jeden vergänglichen Gesichtspunkt. Das Schauspiel, das sich täglich dem Blick darbietet, ist bedeutend variabler. Es verändert sich entsprechend der Distanz, aus der man es ins Auge faßt: bald ist es kleiner, bald größer. Mehr noch, es erscheint als kleiner oder größer, größer oder kleiner, ohne daß die Annäherung oder die Entfernung dabei eine Rolle spielt. »Aufregende« Wahrnehmungen, zumindest »für die Seele«, »was [...] die Vernunft zur Betrachtung auffordert«.[4] Daß der Blick es zuläßt, daß das Große und das Kleine, gezwungenermaßen, keine deutlichen, getrennten Bestimmungen sind, sondern daß das eine das andere werden kann, daß es einen vermischten Übergang gibt, das versetzt die Vernunft in Panik. Ebenso unzulässig findet sie es, nimmt man beispielsweise eine andere Sinnenfunktion, daß das gleiche Ding dem Gefühl »Hartes und Weiches als dasselbe meldet«.[5] Kostbare Erfahrungen, denn sie sind es, die die »Überlegung und Vernunft« herbeirufen, um »zu erwägen, ob jedes solches Angemeldete eines ist oder zwei«.[6] Das Auge wird so, verwirrt durch die Widersprüche, die sich ihm darbieten, zunehmend und immer besser lernen, seinen Blick auf die Ideen hin zu verschieben, auf die fixen. Um strenger unterscheiden zu können, was es mit »groß« und »klein« auf sich hat, wird es dazu kommen, sich ihnen nur ausgerüstet mit einem mathematischen Instrumentarium zu nähern. Es ist eine Frage der Wissenschaft, die wirkliche Größe zu ermessen. Man muß dabei das Verhältnis des in Frage stehenden Dings zu einem anderen, zu mehreren anderen des gleichen Typs berechnen. Und wenn man in dieser Materie keine Kompetenz besitzt, wendet man sich besser an einen Spezialisten.

Aber um ein ideales Maß, einen idealen Wert zu finden, muß man sich selbstverständlich am Richtmaß orientieren. Dieses ist unglücklicherweise nicht bereit, sich zur Schau zu stellen, und zwar zum Wohl aller. Seine Größe übersteigt alles, was die gesamte Natur erfassen könnte. Nicht, daß es sich weigerte, aus sich herauszugehen, seine Tätigkeit kennt keine ihm innewohnenden Grenzen. Aber es hat keinerlei Bedürfnis, keinen Wunsch danach, sich zu manifestieren und zu erschaffen. Sein Sein und seine Vollkommenheit sind sich selbst genug. Wenn es dennoch ein Richtmaß setzt, so aus reinem Wohlwollen. Güte, die an Schranken stößt, weil es seine Macht nicht voll und ganz ausüben kann. Denn sie ist mit der Welt, der Ausdehnung des Universums unvereinbar. Kein Gefäß kann es zufriedenstellen, keines ist fähig, es vollständig aufzunehmen. Überhaupt bleibt jedem überlassen, es entsprechend seiner »Intuition« und »gemäß seinem Vermögen« nachzuahmen. Denn »sich immer einerlei und auf gleiche Weise zu verhalten und dasselbe zu sein, das kommt nur dem Göttlichsten unter allem allein zu, körperliche Natur aber steht nicht in dieser Ordnung [...], daher denn ihr aller Veränderung schlechthin entledigt zu sein unmöglich ist«[7]
Die Formen, die sich dem Blick - und übrigens allen Sinnen - darbieten, sind also Modifikationen unterworfen, Veränderungen, die ihren noch sterblichen Charakter evozieren. Der Blick kann diesen Phänomenen der Zunahme und der Abnahme, des Scheiterns bei der Erhebung, des schließlichen (Rück-)Falls in einen anderen Körper, die alles Lebende bedrohen, so gut er kann zu begegnen suchen, indem er jede allzu geradlinige Spannung, jeden linearen Tropismus, der von einem Anfang zu einem Ende, von einer Geburt zu einem Tod führt und umgekehrt,[8] vermeidet. Indem er sich »der Kreisbewegung teilhaftig [macht] als der kleinstmöglichen Abweichung von der Selbstbewegung«.[9] Dabei ahmt er in gewisser Weise die der Welt durch den Demiurgen eingeprägte Bewegung nach. Indem er die Sonne nachahmt oder, wie man sagt, »den Adler macht«. Indem er sich endlos um seine Achse, sein Zentrum dreht, ohne jede andere Ortsbewegung. Aber »sich selbst [...] immer zu drehen ist keinem wohl leicht möglich außer dem alles Bewegte Ausführenden«.[10] Nur Gott dreht sich ewig um sich selbst im Kreise. Und dem, was ihm im Vergänglichen am meisten gleicht: dem Universum, der Sonne und der Seele der Menschen, billigt er in einem gewissen Grade dieses Privileg zu.
Übrigens ist die Propädeutik darauf bedacht, durch zahlreiche Kehrtwendungen, Pirouetten, vertraut zu machen mit der verschleierten Zirkularität ihres Verfahrens, das von konstanten Progressionen und Regressionen in Bewegung gehalten wird, falls es sich nicht überhaupt um das Chaos einer Natur handelt, die die göttliche Intervention noch nicht kennengelernt hat.[11] Die Seele der Menschen könnte also vielleicht anfangen, ihre Verwandlungen, die das Los des Seienden und dieses Universums sind, hinter sich zu lassen, allerdings nur unter der Bedingung, daß sie ihren »Blick« einzig auf ideale Formen richtet.
Noch sind wir nicht so weit. Auch wenn die Zeit dem Ende zudrängt. Denn der Anblick der Sonne »an dem ihr eigenen Ort« läuft Gefahr, die noch empfindlichen Augen auszutilgen, die angesichts ihrer eigenen völligen Verbrennung hingerissen, außer sich, aufgerissen sind, falls der Anblick der Sonne sie bei der defensiven Schließung des Diaphragmas, angesichts einer solchen Blendung, nicht endgültig geschlossen hat. Auf jeden Fall Einbuße der halben Öffnung - der Höhlenöffnung —, die die Aufnahme der Quantität des Lichts, entsprechend seiner Qualität, im Verhältnis zur Entfernung der Lichtquelle wie zur Größe der zu reproduzierenden Formen, regeln soll. Sonnenstrahlen, die das, was durch das »Wie« oder »Als ob« der Metaphorisierung noch nicht genügend vereist ist, zunichte machen können. Eine für die organische Membran des Auges fatale Heliogamie, für diesen lebenden Stoff, der unfähig ist, den blendenden Glanz eines so glühenden Gestirns aufzunehmen.
Sicher hat die Sonne in diesem Punkt die Funktion, daran zu gemahnen, daß jede Hierogamie* (*Himmlische Hochzeit. (Anm. d.Ü.)) die Absage an dieses Leben hier, an diese Erde hier, an diesen Blick hier erfordert. Diese ganz beseelte Materie muß reorganisiert werden, damit sich das Sein in seiner Wahrheit durchsetzt. Nur die Toten sehen Gott. Mit endlich vereisten Blicken, die von nun an auf die Ewigkeit des Unsichtbaren hin geöffnet sind, die von den noch Lebenden wieder verschlossen werden. Das, was die geschlossenen Augen sehen, kann ihnen nicht erscheinen. Sie können nicht erkennnen, was es ist. Ebenso geht es ihnen mit der Sonne, von deren »ti estin«** (**Was sie ist. (Anm. d.Ü.)) kein Blick Zeugnis ablegen wird, kaum von ihrem »oion estin«.*** (***Wie sie ist. (Anm. d.Ü.)) Was sie ist? Ein Aus-Ruf, der euch den Atem verschlägt. Der den Ablauf eurer Rede, den Faden eurer Induktion oder Deduktion brüsk unterbricht. Ellipse des Seins, das man als solches nicht vorstellen, repräsentieren kann. Die Kopula blendet jedes »Subjekt«, vor allem, wenn es darum geht, sie zu demonstrieren. In dieser Blindheit, dieser Spalte des Augen-Blicks, blitzt das Sein auf, dessen Aufleuchten durch den Anspruch des »Subjekts« auf das Eigentum an seinen Attributen wieder zugedeckt wird. Die Kopula streicht am Ende der Rechnung jede auf die niemals ganz adäquaten Attribute bezogene Bestätigung aus. Auch wenn man sie bis ins Unendliche herzählte, ihre Summe wäre unerschöpflich. Auch wenn man das Beweisverfahren endlos wiederholte, die Totalität dieser Beweise wäre dem nicht gleichwertig, was sie zur Verwirklichung treibt. Das Sein unterbricht die Einfachheit der Beziehung zu sich, wechselt die Gegenwart. Das Sein spaltet das »Subjekt« von allen seinen Repräsentationen, von jedem Prädikat ab. Es projiziert dieses Subjekt auf den Bildschirm seiner Täuschungen - der verkehrten, von Platon nach rückwärts verlagerten hystéra - oder es verweist es auf das, was hinter ihm ist, was vor seiner Konstitution als Ganzheit, als eigener Name liegt. Einzig Gott, der jede Bestimmung verweigert und hinter dem nichts ist, nichts, was weiter zurückläge als er, ist. Er ist die Extrapolation der Kopula allen Seins. Von allem was ist, in der Tat. Was jemals erdacht, empfangen worden ist.
Dieses Späterkommen des Bewußtseins im Verhältnis zum Augenblick der Empfängnis läßt sich tatsächlich nie wiedergutmachen. Und noch weniger läßt es sich umgehen, wenn man sich an die Erinnerung, die Visionen der Erinnerung inbegriffen, wendet, diese blendenden Intuitionen eines unreflektierten, noch nicht gespiegelten, noch nicht gemessenen Blicks. Diese Verspätung drückt sich auch in der Anmaßung des Logos aus, der im Prozeß seiner Hervorbringung noch unerfahren ist, der im Hinblick auf das Mysterium seiner (Re-)Produktion noch in-fans ist. Der das »Subjekt« einkreisen, gefangennehmen wird, diesen Amnios*, (*Gefäß zum Auffangen des Bluts von Opfertieren. (Anm. d.Ü.)) diesen Uterus, diese Mutter - mit denen er nicht rechnen wollte. Indem er behauptet, sich selbst zu genügen, oder aber, er habe nur seinen Vater an seiner Seite, sei nur seinem Gesetz etwas schuldig. Das Receptaculum,[12]  in das der Vater seinen Willen senkte, in das er seine Wahrheitssamen legte, wird in der Gegenwart, im Präsens der Rede nicht als solches bezeichnet. Man kann sich nicht in jedem Moment des fortschreitenden Diskurses explizit darauf berufen. Bei der Realisierung der Aussage gibt es nichts, was dieses Receptaculum benennte, und dennoch umfaßt es ihre Formation, ihre Transformationen. Kein eigener Sinn, kein eigener Name, kein eigener Signifikant gibt der Matrix aller Diskurse, aller Texte, einschließlich denen der Gesetze, Ausdruck. Diese notwendige Bedingung ihrer (Re-)Produktion fehlt in dem, was sie darstellen. Sie verdecken den Ort des Werdens, die Mutter, die durch ihre Nicht-Repräsentation, ja sogar durch ihre Verleugnung, Verneinung das absolute Sein bestimmt, das dem Vater zugeschrieben wird, der sich nicht mehr auf nichts gründet, außerhalb jedes Anfangs. Zwischen diesen beiden Abgründen - dem Sein und dem Nichts - schreitet die Sprache voran; sie bestimmen die ganze Morphologie, die aus der Aussparung der Mutter hervorgeht, indem sie alles in ihr entstandene »Seiende«, ihre Eigenschaften aufzählt, um sie auf den Vater zu beziehen. Seinem Wunsch, seinem Gesetz gemäß.

Die Mutter wird sich zum Glück nicht erinnern. Sie bleibt jungfräulich, um die Neuprägungen des Vaters zu empfangen, die sie bald darauf wieder vergißt. Unstet, unbeständig, wankelmütig, untreu, bietet sie sich immer als dieselbe dar, um in sich alle Lebewesen zu empfangen, von denen sie keine Spur bewahrt, keine Erinnerung. Sie ist ohne Gestalt, ohne Gesicht, ohne eigene Form; denn »ließe sie das eigene Aussehen daneben erscheinen«, hieße das, manche »Eintretenden [...] bei der Aufnahme schlecht nachbilden«.[13] Sie ist deshalb nichts, hat jedoch an allem teil: »Als Feuer erscheine jeweils der zu Feuer, als Wasser der zu Wasser gewordene Teil desselben, als Erde und Luft, soviel es etwa Nachbildungen dieser in sich aufnimmt.«[14] Man kann, genau besehen, nicht sagen, daß sie nachahmt, denn das würde irgendeine Intention, irgendein Projekt, ein Minimum an Bewußtsein voraussetzen. Sie ist reine Mimikry. Sicher, das ist immer der Fall bei minderwertigen Lebewesen. Was das Intelligible angeht, so partizipiert sie hier »auf irgendeine höchst unzugängliche Weise und äußerst schwierig zu erfassen«.[15] Weil sie für die Bestimmung der Wesen notwendig ist, macht ihre Funktion es erforderlich, daß sie ihrerseits keinerlei Bestimmung kennt. Doch ebensowenig wird sie irgendeine bestimmte Erscheinung haben. Unsichtbar also. Wie der Vater? Der Ursprung des Sichtbaren entzieht sich der Repräsentation. Sie ist ein Überschuß im Verhältnis zu aller identifizierten Gegenwart. Das »Jenseits« der Mutter kann sich dennoch mit dem des Vaters nicht messen. Man muß sie auseinanderhalten, sonst kommt es zu Konflikten um den Vor-Rang, zu einer Autoritätskrise. Die Macht des Vaters muß die der Mutter ausstechen, damit die Ordnung aufrechterhalten werden kann. Aber von der entsprechenden Ökonomie dieser beiden Überschüsse, dieser Überschreitungen der »Gegenwart«, wird man wenig Aufhebens machen. Es scheint, daß die Entscheidung bereits gefallen ist, daß sie hier nicht noch einmal in Frage gestellt werden muß. Das ist bereits anderswo erledigt worden. Auf einem »anderen« Schauplatz, der diesen hier prägt - ob er es weiß oder nicht.[16]

Desgleichen scheint es bereits geklärt, daß das Verhältnis der Mutter zur Spiegelung nicht diskutiert werden muß. Obwohl es eben dieser Spiegel ist, der ohne Gedächtnis, ohne die Erinnerung an irgendwelche Spuren, Eindrücke das Bild dessen re-präsentiert, der sich vor ihm präsentiert. Ebenso trug man Sorge, daß er geebnet »bis zur möglichsten Glätte«[17] sei, damit er alle Gestalten ohne Verzerrung, die er seiner eigenen Natur verdankt, reflektiere. Hat er doch, in seinem Verhältnis zum Intelligiblen, keine andere Funktion als die der Bestimmung dadurch, daß er sich aus diesem Prozeß aller spezifischen Charakterisierung heraushält. Ohne Zweifel kann er als etwas »sinnlich Seiendes« und sogar als »intelligibel« bezeichnet werden, doch nur insofern er die Wahrscheinlichkeit alles »Seienden« hervorbringt.
...Daß alles bereits durch die Ähnlichkeit entstellt ist, das ist es, was der Vater nicht akzeptiert - weder für sich noch für seine Rede -, er, der ewig identisch mit sich selbst sein will. Er zieht es vor, (sich selbst) absoluter Spiegel zu sein, (sich selbst) unendlich und unbestimmt zu reflektieren. Als ob er Richtmaß von allem sei, was ist. Aus Furcht vor einer Veränderung in irgendwelchen Spiegelbildern, die immer deformieren, transformieren könnten? Aber er behauptet doch, (ihre) Quelle zu sein. Ist das Sein ein Spiegel? Oder eine Quelle? Eine spekulative Aporie. Das »Subjekt« - das Sem - ist bereits die Ressource der Spiegelungen geworden. Das Prädikat, die Attribute - Spiegel, Quelle - attestieren bereits, Abweichungen ausgenommen, ein Verhältnis der Zugehörigkeit zum »Subjekt«. Dabei bringt die Kopula - ist - die spiegelbildliche Operation wieder ins Spiel. Wenn das »Subjekt« des Diskurses der Vater ist, dann ist er die Ressource all dieser Spekulationen und Spiegelungen. Das Wichtige dabei ist, daß man nicht weiß, daß er eines Tages geworden ist; daß er das Bedürfnis nach einer kopulativen Konjunktion hatte, um (anzufangen) zu sein. Eben deshalb werdet ihr den Vater niemals erscheinen, niemals an den Tag, niemals zur Existenz kommen sehen. Der Vater ist, von Beginn an, pure Spekulation. Das entgeht den Augen eines noch sterblichen Körpers, natürlich. Die Harmonie des Ministeriums für Finanzen ist den Blicken der einfachen Bürger entzogen. Denn die Wahrnehmung könnte von ihm Abrechnungen fordern, sie könnte möglicherweise einen Teil seiner Güter, seines Guten, zurückverlangen. Sie könnte seinen Wert, sein Kapital aufteilen, es auf zwei Geschlechter verteilen, zumindest auf zwei Klassen der Ressourcen, der Spekulationen und Spiegelungen. Der Logos wäre nicht mehr ohne weiteres ein Mittel, das einzig seine Wünsche übersetzt, das seine Eigenschaften etabliert, definiert und in einem Ganzen versammelt. Die Wahrheit würde ihren einstimmigen und universellen Charakter verlieren. Sie könnte doppelt werden, zum Beispiel. Sie hätte zumindest eine Kehrseite, eine Rückseite, die sich als solche konstituieren würde; auf jeden Fall ein anderes, noch verstecktes Gesicht. Ein anderes Feuer? Einen anderen Spiegel? Man würde nicht mehr wissen, wohin man den Blick richten, die Augen (der Seele) wenden soll, um klar zu sehen. Besser ist es deshalb - sagt er in seiner Weisheit -, daß das Licht ihm allein vorbehalten ist. Er wird es in Güte verteilen. Er wird die Erde, den Blick, die Seele erhellen. Er wird nach seinem Gutdünken erhitzen und befruchten, voller Wohlwollen. Doch wird er sie teilweise im Finstern belassen. Und ihnen die Nacht, die Träume, die Phantasmen, die Trugbilder anheimstellen.

Die Sonne an dem ihr eigenen Ort ist also ohne Schatten. Die irdischen »Seienden« sind es, die durch ihren Widerstand gegen das Licht, durch ihre Festigkeit, Schatten hervorbringen. Doch ein noch ängstlicher oder unerfahrener Blick wird durch sie die »Gegenwart« der Sonne wiedererkennen, der er nicht ins Angesicht schauen kann, ohne geblendet zu werden. Auch kann es sein, daß die sonnenhafte Erleuchtung von ihrem eigenen Anblick ablenkt und auf dunklere, der Quelle des Lichts weniger verwandte Nachbilder verweist, deren Ursprung sie trotz allem im wesentlichen ist. Desgleichen ist sie die Ursache ihrer Reflexion im und durch den Mond, ihrer Reproduktionen auf der Oberfläche der Erde, des Meeres - einer Natur, die weniger strahlend ist als das Gestirn, das sie beherrscht. Ursache also der Schatten, der Reflexe, der Bilder, der Ohnmacht der »Seienden« und des Blicks angesichts dieser All-Macht.
Und weil nichts ihrem Prinzip entgehen darf, ist sie auch die Ursache der Trugbilder, des Abstiegs der Abkömmlinge des Vaters in die Höhle. Rück-Fall in diese Quasi-Mutter, wohin man nicht gehen darf, da man Gefahr läuft, das Maß (des einzigen Gesetzes des Vaters) zu vergessen, könnten doch die Eindrucke der Erinnerung sich verwirren, so daß man nicht mehr wüßte, was es auf sich hat mit dem Wahren und dem Falschen, mit dem Guten und dem Schlechten, mit dem Schönen und dem Häßlichen... Mit dem Leben, der Geburt. Dem Sein. Von nun an kaum verbürgte, verworrene und veränderliche Meinungen. Bewegliche, undeutliche Schatten: Phantasmen. Verführung, Fälschung der Wahrheit, durch die sich zunehmend deformierte Vorstellungen schnell vermehren. Gewiß, das Arrangement des Schauspiels hat den ursprünglichen Ort bereits transformiert. Und der »Sohn« kann in ihn nur mit Hilfe von Kunstgriffen eindringen. Seine Macht wurde bereits manipuliert, seine Embleme wurden fetischisiert. Der Mensch kehrt nur unter Vorsichtsmaßnahmen in die Mutter zurück, maskiert, insgeheim, hinter einem Vorhang. Und er hat ihren Abgründen nur eine Erektion in effigie, eine standbildhafte, mumifizierte, entgegenzusetzen - sofern er nicht noch ihr Gefangener ist. In diesem Fall betrachtet er gelähmt, angekettet, bezaubert auf dem Grund der Höhle die Schatten der von den Zauberern nach ihrem, seinem Bild hergestellten »Figurinen«. Geschickte Imitationen der Zeugung des Demiurgen. Faszinierende Projektionen, weil sie in ihrem Verhältnis zur Ursache und weil sie im Prozeß der Erzeugung der Ursache umgedreht sind. Weil sie pervertiert sind. Weil sie also die in die Repräsentation eingeschriebene Per-Version der Interpretation zugänglich machen -wenn man sich nur umwenden könnte.

Aber wer weiß, daß die Perversion immer schon bestand? Daß die hystéra zum Beispiel von jeher verkehrt war? Daß Sokrates sich ihrer als einer Ausrede - einer wie durch Zufall »mythischen« - zu pädagogischen Zwecken bedient, verhindert nicht, daß er selbst auf ihr Spiel hereinfällt. Dieses Spiel. Die Analyse der Projektionen wird niemals stattfinden. Man wird niemals die Bedeutung dessen einschätzen können, was sie durch ihre Verzauberung in der spiegelnden Verkehrung, Inversion unkenntlich macht. Das Sein, die Wahrheit, das Gute, die Macht des Vaters dulden keine Möglichkeit der Rückwendung. Sie perpetuieren sich, manifestieren sich, ewig in ihrer Geradheit. Ohne Kehrseite, Rückseite. Und das Receptaculum, der Ort des Werdens, wird sich an nichts erinnern. Sonst würde es - vielleicht? - die irreduzible Umkehrung bezeugen, die durch die Spekulation und Spiegelung und durch die Re-Produktion aller Eindrücke, aller Spuren, aller Formen - auch der idealen - vollzogen wird. Das Vergessen des Werdens der Idee ist erforderlich: durch Verkennung des Prozesses ihrer Einschreibung, durch Verdecken des Spiegels, der sie immer schon reflektiert hat. Es ist nicht nötig - absolut nicht -, daß man weiß, daß sich die Erzeugung des »Sohnes«, des Logos, durch den Vater einer Verkehrung verdankt, noch daß die Mutter der Ort ist, wo sie sich vollzieht. Daß sie es ist, die sie durch und in ihrer »Unbewußtheit« unterhält. Die Mutter, glücklicherweise, ist ohne Erinnerung. Jedem (neuen) Projekt unterworfen, blind gegenüber allen (neuen) Projektionen - ein Bild-Schirm, der ihrer schnellen Vermehrung dient.

Aber das Imperium des Vaters verbietet dem »Sohn«, darin irgendein Gefallen oder gar eine Selbst-Befriedigung zu finden. Wenn er dabei diese Art von Genuß erreichte, das heißt, sein Gutes auf andere Weise als in der Suche nach der Adäquation mit dem Bild jenes Einzigen suchte, der ihn von aller Ewigkeit her erschaffen hat, dann ginge er im »Wahnsinn« unter. Er wäre für immer der Gefangene dieser Abgründe der Unvernunft, in denen er nicht klar zu sehen, sich zu bewegen, voranzukommen vermag, unfähig ist, sich in ihnen aufrecht zu halten. Und was die angeht, jene - sprechen wir nicht von ihr, die lediglich Dekoration ist, die den Ablauf der Szene garantiert -, die ihn möglicherweise zu solchen Praktiken verführt haben, indem sie mit der/ihrer/seiner Morphologie Mißbrauch trieben, um ihn von der Arbeit der Erinnerung der Ideen abzulenken, so - werden sie aus dem Staat verbannt. Sie werden öffentlich für ihre Nichtachtung oder ihr Unverständnis gegenüber der Anwendung des Gesetzes verdammt. Es geht für den Pädagogen nicht darum, den »Körper« des Kindes zu vernachlässigen. Aber es kommt darauf an, daß seine Organe dem Schönen, dem Guten dienen; daß sie eine Erhebung zum Vater zum Ziel - telos - haben. Das schließt aus, daß sie, sollte der Traum von einer noch sterblichen Geburt noch nicht vollständig ausgelöscht sein, an einem Ort miteinander verkehren, der die mütterliche Höhle wieder wachruft, das Bedürfnis nach Regression in eine »Amme«, eine Matrix, die zu materiell, zu ungeformt ist, als daß man dort ohne Einbußen, Beschmutzungen, Flecken - blinde Flecken auf dem Auge (der Seele) - die Typen des Ideals re-produzieren könnte: hystéra, in der die Empfängnis nicht vollständig unbefleckt ist. Aus der allerdings für den noch empfänglichen Blick, die noch empfängliche Seele fesselnde Phantasmen hervorgehen, von denen der Präzeptor der Philosophie - in Wahrheit der Päderast - das Kind befreien wird, indem er es von dieser allzu natürlichen Kruste entbindet, bis es sie mit Füßen tritt und sich dabei aufrichtet. Indem er außerdem jede Sehnsucht nach einem Rückzug, nach einer Rückkehr zu dem, was vorher war, unterbindet, indem er ganz offensichtlich seine Rückseite besetzt. Eine Ordnung des Fortschreitens, die es jetzt strengstens einzuhalten gilt, weil man sich sonst auf anderen Wegen verirren könnte. Und genau dies ist der kritische Augenblick für die Zukunft der Vernunft.