Die Untersuchung von 1450

Die sieben ersten Aussagen, die Bouillé im Februar 1450 sammelte, klingen wahr. Da sie nicht zu den Akten der Rehabilitation genommen wurden, sind sie nicht übersetzt worden. Zudem haben die Zeugen treuherzig gesagt, woran sie sich erinnerten. Ihre Aussagen wurden weder durch ein stenges Verhör noch durch Einwirken anderer Berichte verbogen. Sie sprachen frei. Der König hatte einen Gnadenerlaß herausgegeben: sie hatten nicht viel zu befürchten. Der Feldzug zur Rückeroberung der Normandie war im Gange. Zweifellos spürten alle, daß der Wind sich gedreht hatte und daß es besser war, die Sache unter einem neuen Blickwinkel zu betrachten. Aber es ist nicht zu erkennen, daß sie vor der Macht in die Knie gegangen sind. Um so weniger, als die Engländer wirklich keinen Anlaß zur Furcht mehr zu bieten schienen und einige Verantwortliche inzwischen tot waren. Insbesondere Pierre Cauchon: es war einfach, ihn zu belasten. Und nun entdeckt man, was die Akten des Verurteilungsprozesses nur wenig zeigten: die Verhaltensweisen.

Die Notare

Zwei Gehilfen sind vorgeladen worden, der Notar Manchon und der Gerichtsvollzieher Massieu; beide waren 1431 etwa dreißig Jahre alt und keiner hat seither Karriere gemacht: sie sind einfache Pfarrer in einer Gemeinde von Rouen. Für sie besteht kein Zweifel: Mgr. de Beauvais, die Magister aus Paris und die Engländer handelten aus Haß, aus Begünstigung, die Ehre des Königs von Frankreich erniedrigend, dem Johanna diente, aus Rachsucht, und um sie sterben zu lassen, aber nicht dem Recht entsprechend und zu Ehren Gottes und des katholischen Glaubens.

Manchon berichtet zunächst, daß Loiseleur, ein Vertrauter von Mgr. de Beauvais, der fest zur Partei der Engländer hielt - denn früher, als der König vor Chartres stand, holte er den König von England herbei, damit er die Belagerung aufhebe -, vorgab, aus der Heimat besagter Jeanne zu kommen, und so ein Mittel fand, ihr Vertrauen zu gewinnen, mit ihr zu sprechen, indem er ihr angenehme Neuigkeiten aus der Heimat erzählte. Er wollte ihr Beichtvater sein, und er fand Mittel, das, was sie ihm im geheimen sagte, den Notaren zu Gehör zu bringen. Und tatsächlich wurden besagter Notar und besagter Guillaume Colles mit Zeugen heimlich in ein danebenliegendes Zimmer gebracht, wo ein Loch war, durch das man mithören konnte ... Ihm scheint, daß jener Loiseleur das, was besagte Pucelle ihm im Vertrauen sagte oder beichtete, den Notaren hinterbrachte, und es wurde für die Verhöre im Prozeß aufgezeichnet, um sie zu Fall zu bringen.
Ferner sagte er, daß, als der Prozeß begann, Magister Jean Lohier, ein angesehener normannischer Schreiber, in die Stadt Rouen kam, und ihm mitgeteilt wurde, was vom Bischof von Beauvais darüber niedergeschrieben war. Jener Lohier bat um zwei oder drei Tage Aufschub, um es einzusehen. Worauf ihm geantwortet wurde, daß er am Nachmittag seine Meinung äußern müsse, und er wurde dazu gezwungen. Als Magister Jean Lohier die Akten eingesehen hatte, sagte er, daß der Prozeß aus mehreren Gründen nicht gültig sei. Zum einen, weil er nicht die Form eines gewöhnlichen Prozesses hatte. Ferner, weil er an einem verschlossenen Ort stattfand, wo die Beisitzer nicht die volle Freiheit hatten, ihren Willen kundzutun. Ferner, weil man in dieser Sache die Ehre des Königs von Frankreich, zu dessen Partei sie hielt, verhandelte, ohne ihn oder jemand von seiner Partei herbeizurufen. Ferner, weil weder die Anklage noch die Artikel übergeben worden waren und jene Frau, die ein einfaches Mädchen war, keinen Rechtsbeistand hatte, um auf so viele Magister und Doktoren antworten zu können, besonders in so schwierigen Fragen wie denen nach ihren Offenbarungen. Daher schien ihm, daß der Prozeß nicht gültig sei. Darüber wurde Mgr. de Beauvais sehr wütend auf besagten Lohier. Und obgleich Mgr. de Beauvais ihm sagte, er solle bleiben und den Prozeß verfolgen, antwortete jener Lohier, daß er nicht bleiben werde. Und unverzüglich ging Mgr. de Beauvais, der damals in dem Haus wohnte, das jetzt Magister Jean Bidault bewohnt, nahe Saint-Nicolas-le-Paincteur, zu den Magistern, das heißt zu Magister Jean Beaupère, Jacques de Touraine, Nicolas Midi, Pierre Maurice, Thomas de Courcelles (Die Magister aus Paris) und Loiseleur und sagte zu ihnen: »Dieser Lohier will uns schön in unsern Prozeß hineinreden. Er will alles schlechtmachen und sagt, er sei nicht gültig. Wenn man ihm glauben wollte, müßte man von vorn beginnen, und alles, was wir getan haben, wäre umsonst«, und er nannte die Gründe, warum besagter Lohier ihn schlechtmachen wollte. Weiter sagte Mgr. de Beauvais: »Man sieht wohl, auf welchem Fuß er hinkt. Beim heiligen Johannes, wir werden nichts dergleichen tun, sondern unsern Prozeß fortsetzen, wie wir ihn begonnen haben.« Es war am Samstagnachmittag in der Fastenzeit. Am Morgen darauf war der Sprechende mit besagtem Lohier in der Kirche von Notre-Dame zu Rouen und fragte ihn, was er von diesem Prozeß besagter Jeanne halte. Er antwortete ihm: »Ihr seht doch, wie sie verfahren. Sie werden, wenn sie können, sie bei ihren Worten fassen, das heißt bei den Beteuerungen, die ihre Erscheinungen berühren, wenn sie sagt: >Ich weiß gewiß<; wenn sie dagegen sagte, >es scheint mir<, so meine ich, daß keiner sie verurteilen könnte. Ich finde, sie handeln aus Haß; und darum halte ich mich hier nicht länger auf, denn ich will nicht mehr dabeisein.« Und tatsächlich ist er seither immer in Rom geblieben und als Dekan der Rota dort gestorben.
Ferner sagte er, daß er zu Beginn des Prozesses fünf oder sechs Tage lang die Antworten und Entschuldigungen jener Pucelle mitgeschrieben hat, und manchmal wollten die Richter ihn zwingen, indem sie lateinisch sprachen, andere Wendungen zu gebrauchen, ihre Aussagen zu verändern und anders hinzuzuschreiben, als der Sprechende sie verstand. Zwei Mgr. de Beauvais ergebene Männer wurden in eine Fensternische in der Nähe der Richter gesetzt, und vor jenem Fenster hing ein Tuch, damit sie nicht gesehen würden. Die beiden Männer schrieben und berichteten, was jene Jeanne belastete, und verschwiegen ihre Entschuldigungen, und ihm schien, daß besagter Loiseleur dabei war. Nach der Verhandlung kollationierten sie am Nachmittag, was sie geschrieben hatten, aber die beiden berichteten ganz anderes und ließen die Entschuldigungen aus; deswegen erzürnte sich Mgr. de Beauvais sehr heftig gegen den Sprechenden ...
(...) Ferner sagte er, daß, wenn Mgr. de Beauvais und den genannten Magistern etwas nicht gefiel, sie ihm verboten, es aufzuschreiben, indem sie sagten, es diene nicht dem Prozeß; aber der Sprechende hat immer nur nach seinem Verständnis und Gewissen geschrieben. Ferner sagte er, daß Magister Jean de la Fontaine vom Beginn des Prozesses bis zur Woche nach Ostern der Stellvertreter von Mgr. de Beauvais war, um in Abwesenheit des Bischofs die Pucelle zu verhören, trotzdem war er während der Prozeßführung ständig mit besagtem Bischof zusammen. Und als der Zeitpunkt kam, besagte Pucelle eindringlich aufzufordern, sich der Kirche zu unterwerfen, wurde sie von jenem de la Fontaine und den Brüdern Isembard de la Pierre und Martin Ladvenu unterrichtet, daß unser heiliger Vater, der Papst, und jene, die der streitbaren Kirche vorstehen, diese Kirche bedeuten; sie dürfe nicht zweifeln, sich unserm heiligen Vater und dem heiligen Konzil zu unterwerfen, denn dort wären mehrere berühmte Geistliche sowohl von ihrer Partei wie von anderswo; und wenn sie das nicht täte, würde sie sich in große Gefahr begeben. So gewarnt, sagte sie am folgenden Tag, sie wolle sich gern unserem heiligen Vater, dem Papst, und dem heiligen Konzil unterwerfen. Als Mgr. de Beauvais diese Worte hörte, rief er den englischen Wärter besagter Pucelle und fragte ihn, wer am Tag vorher mit ihr gesprochen hätte. Der Wärter antwortete, es sei besagter la Fontaine gewesen, sein Stellvertreter, und die beiden Mönche. Und da de la Fontaine und die Mönche nicht zugegen waren, wurde der Bischof sehr wütend auf Magister Jean Le Maistre, Vikar des Inquisitors, und stieß wilde Drohungen gegen sie aus. Und als besagter La Fontaine von der Drohung Kenntnis erhielt, verließ er Rouen und kehrte nicht mehr zurück. Und hätte genannter Le Maistre die beiden Mönche nicht entschuldigt und für sie gesprochen, indem er sagte, wenn man ihnen ein Leid zufüge, nähme er am Prozeß nicht mehr teil, so wäre ihr Leben in Gefahr gewesen. Und von da ab wurde von Mgr. de Warwick verboten, daß irgend jemand bei jener Pucelle vorgelassen werde, wenn nicht mit seiner oder Mgr. de Beauvais' Erlaubnis ...
Ferner sagt er, daß sie am Anfang der Predigt von Saint-Ouen, nach ihrer Abschwörung, weil Loiseleur zu ihr sagte: »Jeanne, Ihr habt recht getan; wenn es Gott gefällt, habt Ihr Eure Seele gerettet«, bat: »Wohlan, Ihr geistlichen Herren, führt mich in Euer Gefängnis, damit ich nicht mehr in der Hand dieser Engländer bin.« Worauf Mgr. antwortete: »Führt sie dorthin, wo Ihr sie hergeholt habt.« Deshalb wurde sie ins Schloß zurückgebracht. Und am Sonntag darauf, am Tag der Dreifaltigkeit, wurde den Magistern und anderen, die sich mit dem Prozeß befaßten, gesagt, daß sie ihre Männerkleider wieder angelegt habe und rückfällig geworden sei. Als sie in Abwesenheit von Mgr. de Beauvais ins Schloß kamen, traten ihnen achtzig oder hundert Engländer entgegen und sagten ihnen im Hof jenes Schlosses, daß sie, die Kirchenleute, alle Betrüger, Verräter, Armagnacs und falsche Ratgeber seien; sie konnten nur mit großer Not entkommen und aus dem Schloß gelangen und taten an diesem Tag nichts weiter. Am folgenden Tag wurde der Sprechende gerufen, welcher antwortete, er ginge nicht mehr hin, wenn es keine Sicherheit gäbe, wegen der Angst, die er tags zuvor gehabt hätte. Und er wäre nicht mehr zurückgekehrt, wäre ihm nicht einer der Leute von Mgr. Warwick zur Sicherheit geschickt worden. So kehrte er zurück und war bis zum Ende des Prozesses zugegen, einige Privatgespräche ausgenommen, die abseits mit ihr geführt wurden. Dennoch wollte Mgr. de Beauvais ihn zwingen, jenes Schriftstück zu unterschreiben; was er nicht tun wollte. (Bezüglich der posthumen Ermittlung weist der Notar die Verantwortung zurück.) Ferner sagt er, daß er sah, wie besagte Jeanne zum Gerüst geftihrt wurde, und es waren sieben- bis achthundert Kriegsleute um sie, die Schwerter und Knüppel trugen, und keiner war beherzt genug, mit ihr zu sprechen, ausgenommen Bruder Martin Ladvenu und Magister Jean Massieu. Und er sagt, daß sie die ganze Predigt geduldig anhörte, danach ihre Gebete so demütig verrichtete, daß die Richter, Prälaten und alle Anwesenden in Tränen ausbrachen, als sie ihre jammervolle Reue und ihr schmerzliches Wehklagen hörten. Und der Sprechende sagt, daß er bei nichts, was ihmie geschah, so sehr geweint hat und daß er sich einen Monat lang gar nicht beruhigen konnte. So hat er von einem Teil des Geldes, das er für den Prozeß bekam, ein kleines Meßbuch gekauft, das er noch hat, damit er für sie beten konnte ...

Jean Massieu hat andere Formfehler in Erinnerung behalten, zuerst in der Art und Weise, wie die Pariser Magister Johanna verhörten:

Noch bevor sie dem einen ihre Antwort gegeben hatte, warf ein anderer Beisitzer eine Frage dazwischen; wodurch sie bei ihren Antworten oft übereilt und verwirrt war. Und wenn der Sprechende besagte Jeanne manchmal vom Gefängnis zum Gerichtssaal brachte und an der Schloßkapelle vorbeikam, erlaubte er ihr auf ihre Bitte, dort ihr Gebet zu verrichten: deswegen wurde der Sprechende mehrmals von dem genannten d'Estivet, dem Promotor der Sache, gerügt. »Schurke, erkühnst du dich, die exkommunizierte Hure sich der Kirche nähern zu lassen ohne Erlaubnis? Ich werde dich einen Monat lang in einen Turm sperren lassen, so daß du weder Sonne noch Mond siehst, wenn du das weiterhin tust.« Und als der Promotor merkte, daß der Sprechende nicht gehorchte, stellte er sich mehrmals vor die Tür der Kapelle, zwischen ihn und Jeanne, um zu verhindern, daß sie ihr Gebet vor jener Kapelle verrichtete. Und er fragte besagte Jeanne ausdrücklich: »Ist dort der Leib Jesu Christi?«
Als er sie am vierten oder fünften Tag vom Gericht ins Gefängnis zurückbrachte, fragte ihn ein Priester namens Eustache Turquetil: »Was hältst du von ihren Antworten? Wird sie verbrannt werden? Was wird geschehen?« Worauf der Sprechende antwortete: »Bis jetzt habe ich nur Gutes und Ehrbares an ihr gesehen, aber ich weiß nicht, was am Ende sein wird; Gott weiß es.« Diese Antwort wurde von besagtem Priester den Leuten des Königs hinterbracht, und es wurde berichtet, daß der Sprechende nicht für den König sei. Deswegen wurde er am Nachmittag von Mgr. de Beauvais gerufen, der ihm von jenen Dingen sprach und ihm sagte, er solle sich vorsehen, oder er würde ihm mehr zu trinken geben, als er vertrüge. Und ihm scheint, wäre nicht der Notar Manchon gewesen, der ihn in Schutz nahm, so wäre er der Strafe nicht entgangen.
Ferner sagt er, als sie nach Saint-Ouen gebracht wurde, damit Magister Guillaume Erard ihr predige, begann dieser mitten in der Predigt, nachdem er besagte Jeanne sehr getadelt hatte, mit lauter Stimme zu rufen: »Ach Frankreich, wie sehr bist du mißbraucht; du bist stets der allerchristlichste Hort gewesen, und Karl, der sich König und dein Herrscher nennt, hat ketzerisch und schismatisch den Worten und Taten eines unnützen Weibes angehangen, das verschrien ist und voller Unehre; und nicht nur er, sondern der gesamte Klerus seines Herrschaftsbereichs, der sie geprüft hat, ohne sie zu tadeln, wie sie gesagt hat.« Und die Worte über den König wiederholte er zwei- oder dreimal. Dann wandte er sich an besagte Jeanne und sagte mit erhobenem Finger zu ihr: »Dir, Jeanne, sage ich, daß dein König ketzerisch und schismatisch ist.« Worauf sie antwortete: »Meiner Treu, Herr, bei aller Ehrerbietung, erlaubt mir, daß ich Euch bei meinem Leben versichere, daß er der christlichste aller Christen ist, der den Glauben und die Kirche wirklich liebt und nicht so ist, wie Ihr sagt.« Und da sagte der Prediger zu dem Sprechenden: »Heißt sie schweigen.« (...) Ferner sagt er, daß besagter Erard am Ende der Predigt ein Schriftstück verlas, das die Artikel enthielt, denen sie abschwören sollte, worauf Johanna sagte, sie verstünde nicht, was >abschwören< sei, und sie verlangte Rat darüber. Und Erard hieß den Sprechenden, sie zu beraten. Daraufhin sagt er zu ihr, das hieße, wenn sie einem jener Artikel zuwiderhandelte, würde sie verbrannt, aber er riet ihr, sie solle sich auf die allgemeine Kirche berufen, ob sie den genannten Artikeln abschwören solle oder nicht, was sie auch tat, indem sie mit lauter Stimme zu bmagem Erard sagte: »Ich berufe mich auf die allgemeine Kirche, ob ich ihnen abschwören soll oder nicht.« Worauf besagter Erard ihr antwortete: »Du mußt sofort abschwören, sonst wirst du verbrannt.« Und in der Tat, ehe sie den Platz verließ, schwor Jeanne ihnen ab, und machte ein Kreuz mit einer Feder, die er ihr reichte. Ferner sagt der Sprechende, daß er Jeanne beim Verlassen des Platzes geraten hat, sie solle darum bitten, in ein Gefängnis der Kirche gebracht zu werden, da ja die Kirche sie verurteilte, worum auch einige Beisitzer, deren Namen er nicht mehr weiß, den Bischof von Beauvais ersuchten. Worauf der Bischof sagte: »Führt sie ins Schloß, woher sie gekommen ist.« Und so geschah es.
Am gleichen Tag nach dem Mittagessen legte Jeanne in Gegenwart des Kirchenrats die Männerkleider ab und zog Frauenkleider an, wie ihr befohlen ward. Das war am Donnerstag oder Freitag nach Pfingsten. Die Männerkleider wurden in einen Sack in ihrer Zelle gesteckt, und sie blieb dort unter Bewachung von fünf Engländern, von denen drei nachts in dem Raum blieben und zwei draußen vor der Tür standen. Der Sprechende weiß von anderen, daß sie mit gefesselten Füßen schlief, an eine kurze Kette gebunden, die unter den Bettpfosten lief und an einem großen, fünf oder sechs Fuß langen Holzklotz mit einem Schloß befestigt war; darum konnte sie sich nicht rühren. Und als der Sonntagmorgen, der Tag der Dreifaltigkeit, kam und sie aufstehen mußte, sagte sie zu den englischen Wachen, wie sie dem Sprechenden berichtete: »Nehmt mir die Fessel ab, ich will aufstehen!« Da nahm ihr einer jener Engländer die Frauenkleider weg, die sie trug, und leerte den Sack, in dem die Männerkleider waren, warf ihr diese hin und sagte: »Steh auf!« Sie steckten die Frauenkleider in den Sack. Sie zog die Männerkleider nicht an und sagte-. »Meine Herren, Ihr wißt, daß es mir verboten ist; ich ziehe sie nicht mehr an.« Trotzdem wollten sie ihr keine anderen Kleider geben, und der Streit dauerte bis zur Mittagsstunde. Zuletzt zwang sie ein menschliches Bedürfnis, hinauszugehen und besagte Männerkleider zu nehmen. Als sie zurückkahm, wollten sie ihr keine anderen geben, wie sehr sie auch darum bat und flehte.
Gefragt, an welchem Tag sie ihnen sagte, was er hier über ihren Bericht aussagt, sage er: es war am fulgenden Dienstag vor dem Mittagessen, an dem Tag, an dem der Promotor mit dem Grafen von Warwick weggegangen war und der Sprechende mit ihr allein blieb. Sogleich fragte er besagte Jeanne, warum sie wieder Männerkleider angelegt hab< ie antwortete ihm, was oben gesagt wurde.
Gefragt, ob er an besagtem Sonntag, dem Tag der Dreifaltigkeit, im Schloß nach dem Mittagessen mit den Kirchenleuten zusammen war, die gerufen worden waren, um nachzusehen, ob sie wieder Männerkleider angelegt hatte, sage er: nein, aber er begegnete ihnen beim Schloß, völlig verstört und verängstigt, denn sie waren von den Engländern mit Äxten und Schwertern wild zurückgedrängt und Verräter geschimpft worden.
Ferner sage er, daß ihr am folgenden Mittwoch, am Tag ihrer Verurteilung, bevor sie vom Schloß aufbrach, der Leib Christi unehrerbietig, ohne Stola und Leuchter, gereicht wurde, worüber Bruder Martin Ladvenu, der ihr die Beichte abgenommen hatte, unzufrieden war. Darum wurde nach einer Stola und einem Leuchter geschickt, und so spendete Bruder Martin ihn. Danach wurde sie zum Altmarkt gebracht; neben ihr gingen Bruder Martin und der Sprechende, in Begleitung von über achthundert mit Äxten und Schwertern bewaffneten Kriegsleuten. Auf dem Altmarkt nach der Predigt, die sie sehr beständig und friedlich anhörte, wobei sie große Zerknirschung, Reue und Glaubensinbrunst zeigte, in jammervollem und frommem Wehklagen und in Anrufung der heiligen Dreifaltigkeit und der gebenedeiten Jungfrau Maria und aller gebenedeiten Heiligen des Paradieses, von denen sie einige ausdrücklich mit Namen nannte, verharrte sie sehr lange, etwa eine halbe Stunde, in dieser Andacht, diesem Wehklagen und wahrem Bekennen des Glaubens und bat die Umstehenden, welchen Ranges und Standes sie auch waren, sowohl von ihrer wie von der anderen Partei, für sie zu beten, und vergab ihnen, was sie ihr angetan hatten. Darüber kamen den beiwohnenden Richtern und selbst einigen Engländern die Tränen, und manche weinten bitterlich. Einige der Engländer erkannten und gestanden den Namen Gottes, als sie ein so denkwürdiges Ende sahen, und sie freuten sich, dieses Ende erlebt zu haben, und sagten, sie sei eine gute Frau gewesen. Als sie von der Kirche verlassen wurde, blieb der Sprechende noch bei ihr; mit großer Demut bat sie um ein Kreuz; als das ein Engländer, der dabeistand, hörte, machte er ein kleines aus einem Stück Holz und gab es ihr. Sie empfing es andächtig, küßte es und flehte zu Gott, der am Kreuz gelitten hat, um uns zu erlösen. Von diesem Kreuz hatte sie das Zeichen und die Darstellung; sie barg jenes Kreuz an ihrer Brust, zwischen ihrem Leib und ihren Kleidern. Und sie bat den Sprechenden demütig, ihr das Kreuz der Kirche zu holen, damit sie es fortwährend sehen könnte bis zu ihrem Tod. Der Sprechende setzte alles daran, daß der Priester der Gemeinde von Saint-Sauveur ihr es brachte. Sie drückte es lange an sich und hielt es fest, bis sie an den Pfahl gebunden wurde. Noch während sie ihre Andacht verrichtete, und wehklagte, drängten ihn die Engländer und selbst einige ihrer Hauptleute, sie ihnen zu überlassen, um sie schneller zu töten, und sagten zu ihm: »Was, Priester, sollen wir hier zu Mittag essen?« Und sie schickten sie unverzüglich, ohne irgendein Urteil, ins Feuer und sagten zum Henker: »Walte deines Amtes.« Und so wurde sie geführt und angebunden, und unter anhaltendem Wehklagen und Preisen Gottes und seiner Heiligen rief sie, sterbend bis zuletzt mit lauter Stimme: »Jesus.«

Die Bettelmönche

Es erscheinen zwei Bettelbrüder des Klosters zu Rouen, die Johanna im Mai 1431 von allen am nächsten standen. Isembard de la Pierre, Augustiner, sagt aus:

Einmal haben er und mehrere Anwesende besagte Jeanne ermahnt und gebeten, sich der Kirche zu unterwerfen. Worauf sie antwortete, sie wolle sich gerne dem heiligen Vater unterwerfen, und verlangte, zu ihm geführt zu werden, und sie würde sich nicht dem Urteil ihrer Feinde unterwerfen. Und als Bruder Isembard ihr riet, sich dem Allgemeinen Konzil von Basel zu unterwerfen, fragte ihn besagte Jeanne, was das Allgemeine Konzil sei. Der Sprechende antwortete, es sei eine Vereinigung der gesamten Kirche und der Christenheit, und in diesem Konzil gebe es ebensoviele von ihrer Seite wie von der Seite der Engländer. Als sie das vernommen hatte, rief sie: »Oh, wenn dort einige von unserer Partei sind, will ich mich dem Konzil von Basel gern unterwerfen.« Und sofort begann der Bischof von Beauvais sehr ungehalten und empört zu schreien: »Schweigt, in Teufels Namen.« Und er sagte dem Notar, er solle sich nur ja hüten, ihre Unterwerfung unter das Konzil von Basel aufzuschreiben. Wegen dieser und mehrerer anderer Dinge bedrohten die Engländer und ihre Beamten besagten Bruder Isembard ganz schrecklich, wenn er nicht schwiege, würden sie ihn in die Seine werfen.
Ferner sagt er aus, daß, nachdem sie widerrufen und abgeschworen und wieder Männerkleider angelegt hatte, er und mehrere andere dabei waren, als besagte Jeanne sich daftir entschuldigte, daß sie wieder Männerkleider angezogen hatte, indem sie öffentlich beteuerte, daß die Engländer ihr im Gefängnis viel Unrecht und Gewalt angetan hatten oder hatten antun lassen, als sie Frauenkleider trug. Tatsächlich sah er sie in Tränen, ihr Gesicht war so verweint, entstellt und verzerrt, daß der Sprechende großes Mitleid mit ihr hatte.
Ferner berichtet er, daß sie, als man sie zur verstockten Ketzerin und Rückfälligen erklärte, öffentlich vor allen Beisitzern antwortete: »Hättet Ihr Männer der Kirche mich in Euer Gefängnis gebracht und dort bewacht, so wäre mir das nicht geschehen.«
(...) Ferner sagt dieser Zeuge aus, daß man der armen Jeanne allzu schwierige, spitzfindige und verfängliche Fragen stellte, derart, daß selbst die großen Gelehrten und gebildeten Leute, die zugegen waren, nur mit großer Mühe darauf hätten antworten können; worüber verschiedene Beisitzer murrten.
Ferner sagt dieser Zeuge aus, daß er persönlich beim Bischof von Avranches gewesen ist, dem sehr alten und großen Gelehrten, der wie die anderen ersucht worden war, seine Meinung über den Fall abzugeben. Deswegen fragte besagter Bischof den Sprechenden, der zu ihm geschickt worden war, wie der heilige Thomas von Aquin in der Frage der Unterwerfung, die man der Kirche schulde, entschied. Und der Zeuge übegab dem Bischof schriftlich den Entscheid des heiligen Thomas: »In Zweifelsfällen, die den Glauben berühren, soll man sich an den Papst wenden oder an das Allgemeine Konzil.« Der gute Bischof war derselben Meinung und schien höchst unzufrieden mit dem Schluß, zu dem man dort hierüber gekommen war. Der Entscheid war nicht einmal schriftlich festgehalten worden, was man aus Arglist unterlassen hatte.
Ferner sagte der Sprechende aus, daß man nach ihrer Beichte und dem Empfang des heiligen Sakraments das Urteil gegen sie fällte und sie wurde zur Ketzerin erklärt und exkommuniziert.
Ferner sagt er aus, er habe deutlich gesehen und klar vernommen, denn er ist immer zugegen gewesen und hat der Entwicklung des ganzen Prozesses beigewohnt, daß der weltliche Richter sie nicht zum Feuertod verurteilt hat. Obgleich besagter weltlicher Richter erschien und sich an der Stätte einfand, wo ihr am Ende die Predigt gehalten und sie der weltlichen Gerichtsbarkeit überlassen wurde, so ist sie dennoch ohne Urteil oder Beschluß besagten Richters dem Henker ausgeliefert und verbrannt worden, indem dem Henker ohne weiteres Urteil lediglich gesagt wurde: »Walte deines Amtes.«
Ferner sagte er aus, daß besagte Jeanne an ihrem Ende so große Reue und schöne Buße zeigte, daß es ganz wunderbar war, indem sie so demütige, jammervolle und gläubige Worte sprach, daß die vielen, die sie sahen, heiße Tränen weinten, derart, daß sogar der Kardinal von England und mehrere andere Engländer weinen und Mitleid haben mußten.
Weiter sagte er, daß die beklagenswerte Frau ihn ersuchte und demütig bat, als er bei ihrem Ende bei ihr war, er solle in die nächste Kirche gehen und ihr das Kreuz bringen, um es ihr bis zur Schwelle des Todes hoch vor die Augen zu halten, damit das Kreuz, an dem Gott hing, fortwährend vor ihrem Blick bliebe, solange sie noch am Leben sei. Weiter sagt er, daß sie, als sie in den Flammen war, unaufhörlich bis zuletzt mit lauter Stimme den heiligen Namen Jesus rief und unablässig die Heiligen des Paradieses um Hilfe anflehte. Und noch als sie ihren Geist aufgab und ihr Haupt neigte, brachte sie den Namen Jesus hervor, zum Zeichen ihres innigen Glaubens an Gott, so wie wir es vom heiligen Ignatius und anderen Märtyrern lesen.

Die Bettelbrüder, in der Nachfolge Bernhardins von Siena, predigten die Verehrung des heiligen Namens Jesus, des erlösenden Namens, der das Böse besiegt. Johanna hatte ihnen zugehört und deshalb diesen Namen auf ihre Fahne schreiben lassen. Was die Geistlichen des Prozesses von 1431 sehr beunruhigt hatte.

Ferner sagt er aus, daß gleich nach der Hinrichtung der Henker zu ihm und seinem Begleiter, Bruder Martin Ladvenu, kam, von wunderbarer Reue und entsetzter Zerknirschung bewegt und völlig verzweifelt, da er fürchtete, niemals mehr Gnade und Vergebung vor Gott zu finden für das, was er dieser heiligen Frau angetan hatte. Besagter Henker versicherte und beteuerte, daß trotz des Öls, des Schwefels und der Kohle, die er zur Verbrennung der Eingeweide und des Herzens besagter Jeanne hinzugetan hatte, das Feuer diese nicht verzehren und weder die Eingeweide noch das Herz in Asche verwandeln konnte; worüber er so erstaunt war wie über ein offensichtliches Wunder.

Martin Ladvenu, Dominikaner, spricht weder von Johannas Beichte am Morgen der Hinrichtung noch von der Kommunion, die er ihr spendete. Aber er spricht von der maßlosen Anhänglichkeit des Herrn Pierre Cauchon, damals Bischof von Beauvais, an die Engländer, indem er zwei Zeichen seines Hasses anführte: zum einen hat besagter Bischof, als er sich zum Richter aufwarf, befohlen, daß besagte Jeanne in weltlichen Gefängnissen und in den Händen ihrer Todfeinde blieb; obgleich er sie ebensogut in kirchlichem Gewahrsam hätte halten können, hat er vom Beginn des Prozesses bis zur Vollstreckung des Urteils zugelassen, daß sie in dem weltlichen Gefängnis gequält und grausam behandelt wurde. Weiter sagt dieser Zeuge, daß der Bischof in der ersten Sitzung alle Beisitzer um Rat fragte, um zu erfahren, ob es angebrachter sei, sie in einem weltlichen oder einem kirchlichen Gefängnis festzuhalten. Darauf wurde beratschlagt und entschieden, daß es angemessener sei, sie in kirchlichem statt in anderem Gewahrsam zu halten, aber der Bischof antwortete, daß er das nicht tun werde, aus Angst, den Engländern zu mißfallen. Das zweite Zeichen, das er anführt, ist, daß an dem Tag, an dem besagter Bischof und andere sie zur Ketzerin und Rückfälligen erklärten, weil sie im Gefängnis wieder Männerkleider angelegt hatte, der Bischof beim Verlassen des Gefängnisses zum Grafen von Warwick, der von einer großen Schar Engländer umgeben war, lachend und mit lauter Stimme sagte: »Farewell, farewell; es ist getan, seid guten Muts!« oder ähnliche Worte.
Ferner berichtet er, daß man ihr seiner Meinung nach zu schwierige Fragen stellte, um sie bei ihrem Wort und Urteil zu nehmen, denn sie war ein armes, recht einfaches Mädchen, das mit Mühe das Vaterunser und das Ave Maria konnte.
Ferner sagt er aus, die einfache Pucelle habe ihm. anvertraut, daß man sie nach ihrem Widerruf im Gefängnis furchtbar gequält und geschlagen und ein Mylord aus England ihr Gewalt angetan habe. Sie sagte öffentlich, das sei der Grund gewesen, weswegen sie wieder Männerkleider angelegt habe. Als es dem Ende zuging, sagte sie zum Bischof von Beauvais: »Wehe, ich sterbe durch Euch, denn hättet Ihr mich einem kirchlichen Gefängnis übergeben, wäre ich nicht hier.« (...)

Diese vier ersten Zeugen werden im Verlauf des Prozesses erneut erscheinen, nicht jedoch die drei folgenden. Zwei weitere Dominikaner, Bruder Toutmouillé und Bruder Duval, wurden nicht wieder vorgeladen, wahrscheinlich weil sie nicht Mitglieder des Verurteilungsgerichts waren und daher nicht viel zu sagen hatten. Der erste sagte 1450 lediglich folgendes aus:...

...am Tag, an dem besagte Jeanne der weltlichen Gerichtsbarkeit und dem Feuertod ausgeliefert wurde, befand er sich früh morgens im Gefängnis, mit Bruder Martin Ladvenu, den der Bischof von Beauvais zu ihr geschickt hatte, um ihr den nahen Tod mitzuteilen, sie zu wahrer Reue und Buße zu bewegen und ihr die Beichte abzunehmen, was besagter Ladvenu sehr gewissenhaft und barmherzig tat. Und als er dem armen Mädchen den Tod ankündigte, den es noch an diesem Tag sterben sollte, wie ihre Richter es angeordnet hatten, und sie hörte, daß sie dem furchtbaren Tode nahe war, begann sie schmerzlich und jammervoll zu schreien und sich die Haare zu raufen: »Gott, wie schrecklich und grausam verfährt man mit rnir; muß denn mein reiner Leib, der nie geschändet wurde, heute verbrannt und in Asche verwandelt werden? Oh, ich würde lieber siebenmal enthauptet als so verbrannt. Wehe! Wäre ich in einem kirchlichen Gefängnis gewesen und von Männern der Kirche und nicht von meinen Feinden bewacht worden, es wäre mir nicht so elend ergangen! Oh, ich rufe zu Gott, dem großen Richter: man tut mir ungeheuerliches Unrecht an.« Und sie beklagte sich, wie der Sprechende berichtet, über die Unterdrückung und Gewalttätigkeiten, die sie im Gefängnis von den Wärtern und den anderen erdulden mußte, die man gegen ihren Willen zu ihr gelassen hatte. Nach ihren Klagen kam der Bischof hinzu, dem sie sogleich sagte: »Bischof, ich sterbe durch Euch!« Und er hielt ihr vor: »Jeanne, Ihr sterbt, weil Ihr nicht gehalten habt, was Ihr uns versprochen habt und Ihr in Eure erste Untat zurückgefallen seid!« Und die arme Pucelle antwortete: »Ach, hättet Ihr mich doch in ein Gefängnis der Kirche gebracht und in die Hände kirchlicher und geeigneter Wärter gegeben, es wäre nicht geschehen: ich werde Euch deswegen vor Gott anklagen!« Danach ging der Sprechende hinaus und hörte nichts weiter.
Bei der posthumen Ermittlung jedoch hatte Jean Toutmouillé Johannas Worte Cauchon hinterbracht: »Wahrhaftig, ich sehe jetzt wirklich, daß meine Stimmen mich getäuscht haben.« In diesem Punkt wahrt er Stillschweigen. Was Duval betrifft, so befand er sich in einer Sitzung mit Isembard de la Pierre, und als sie im Konsistorium keinen geeigneten Ort zum Niedersetzen fanden, setzten sie sich mitten an den Tisch nahe der Pucelle. Als man sie verhörte und examinierte, unterrichtete sie besagter Isembard, was sie sagen sollte, indem er sie anstieß oder ihr ein anderes Zeichen gab. Nach der Sitzung wurden der Sprechende, Bruder Isembard und Magister Jean de la Fontaine abgeordnet, um sie an diesem Tag nach dem Mittagessen aufzusuchen und zu beraten. Sie kamen gemeinsam zum Schloß von Rouen; dort fanden sie den Grafen von Warwick vor, der sehr erregt und wütend war und beißende Beleidigungen und schändliche Kränkungen gegen Bruder Isembard ausstieß: »Warum hattest du heute früh die Frechheit, diesem bösen Weib Zeichen zu geben? Zum Henker, Schurke, wenn ich noch einmal merke, daß du dich bemühst, sie zu befreien und über ihren Vorteil zu unterrichten, lasse ich dich in die Seine werfen.« Da flohen die beiden Begleiter des besagten Isembard aus Furcht und suchten Schutz in ihrem Kloster. Das alles hat der Sprechende gesehen und gehört, aber weiter nichts, da er beim Prozeß nicht dabei war.

Jean Beaupère

Bleibt Magister Jean Beaupère, Theologe aus Paris. Der älteste - er ist siebzig Jahre alt. Der Ranghöchste - er ist Domherr von Rouen. Jener, der die schwerste Verantwortung trägt. Aber er ist auch der festeste, er spricht klar und offen, und er verleugnet nichts.

Er sagt, daß er bezüglich der im Prozeß besagter Jeanne erwähnten Erscheinungen vermute, daß die genannten Erscheinungen im menschlichen Willen liegen und mehr natürlicher denn übernatürlicher Ursache entspringen; doch verweist er diesbezüglich auf den Prozeß.
Ferner sagt er, daß er an jenem Morgen, noch bevor sie nach Saint-Ouen gebracht wurde, damit ihr die Predigt gehalten werde, mit Erlaubnis allein ins Gefängnis besagter Jeanne eintrat und diese davon unterrichtete, daß sie bald auf das Gerüst geführt würde, damit man ihr predige, und wenn sie eine gute Christin sei, so müsse sie auf dem Gerüst sagen, daß sie alle ihre Worte und Taten unter die Entscheidung unserer heiligen Mutter Kirche und besonders der kirchlichen Richter stelle. Sie antwortete, daß sie das tun wolle. Und das hat sie auf Ersuchen des Magisters Nicolas Midi auf dem Gerüst in Saint-Ouen auch gesagt; nach ihrem Widerruf wurde sie zurückgeführt, obgleich einige Engländer dem Bischof von Beauvais und denen von Paris vorwarfen, daß sie die Irrtümer jener Jeanne unterstützten.
Ferner sagt er, daß am Freitag oder Samstag nach dem Widerruf, als sie im Gefängnis Frauenkleider bekommen hatte, den Richtern hinterbracht wurde, daß besagte Jeanne bereue, die Männerkleider abgelegt zu haben, und wieder Frauenkleider trage. Darum schickte Mgr. de Beauvais den Sprechenden und Magister Nicolas Midi zu ihr, um ihr zuzureden und sie zu ermahnen, ihren auf dem Gerüst geäußerten Vorsätzen treu zu bleiben und sich davor zu hüten, rückfällig zu werden. Aber sie konnten den nicht finden, der den Schlüssel zum Gefängnis hatte. Und während sie auf den Gefängniswärter warteten, wurden sie von einigen Engländern im Schloßhof bedroht: wer sie beide in die Seine werfe, verdiene Lohn. Deshalb kehrten sie um, und auf der Schloßbrücke hörte Magister Midi, wie er dern Sprechenden berichtete, ähnliche Worte von anderen Engländern. Darüber erschraken sie und gingen fort, ohne mit besagter Jeanne zu sprechen.
Ferner sagt er bezüglich der Unschuld jener Jeanne, daß sie sehr zart war, von einer Zartheit, wie sie einer Frau anstehe, wie er meint; und keinem ihrer Worte war zu entnehmen, daß ihr Leib verdorben war.
Zu ihrer letzten Reue könne er nichts sagen, denn am Montag nach ihrem Widerruf verließ er Rouen, um sich im Auftrag der Universität Paris nach Basel zu begeben, und sie wurde am Mittwoch darauf verurteilt; darum weiß er nichts über ihre Hinrichtung, bis auf das, was er in Lille in Flandern sagen hörte.[1]

Von dieser objektiven Aussage - der einzigen, die auf die >Erscheinungen< anspielt, um von >natürlichen Ursachen< zu sprechen, bezüglich der Unschuld auf die >Zartheit< verweist und es ablehnt, etwas über die Reue zu sagen - hatte die Sache wenig zu gewinnen. Tatsächlich wurde Beaupère nicht wieder vorgeladen.