Frühfeminismus in Deutschland

 

Theodor Gottlieb von Hippel 

Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber, 1792

Offensichtlich inspiriert von der zuvor erschienenen Schrift von Ch. C. W. von Dohm, Über die bürgerliche Verbesserung der Juden, 1781, hat er alle Frauen als rechtlose Hälfte der Menschheit und diese Tatsache als Politikum erkannt und problematisiert, während Kant, Fichte und Hegel, die namhaften bürgerlichen Rechtsphilosophen, alle Frauen auf Grund ihrer »Natur«, die sie minderwertiger mache als den Mann, den eigentlichen Menschen, vom bürgerlichen Rechtsstaat ausgeschlossen wissen wollten. Von Hippel, einer der wenigen aufgeklärten, vorurteilslosen Männer im damaligen Deutschland, der sich auch für die Emanzipation der Juden einsetzte, wurde wenn nicht ignoriert, so gehässig attackiert. J. G. Fichte hat in seiner 1796/97 erschienenen zweibändigen »Grundlage des Naturrechts« die absolute Unterwerfung der Frauen gefordert und höchst antifeministisch gegen »die Weiber und ihre Schutzredner« polemisiert. Sehr wahrscheinlich hat er damit auf von Hippel gezielt.
Eine frühe feministische Autorin wie Amalia Holst wurde durch Hippels Schrift zu eigener Kritik, zum eigenen Schreiben zur Frauenfrage ermutigt. Zehn Jahre nach Erscheinen seiner Schrift erscheint die ihre mit der Forderung nach Öffnung der Wissenschaften für die Frauen. Darin heißt es: »Meinen Leserinnen empfehle ich besonders die Werke des verewigten von Hippel. Was er über die bürgerliche Verbesserung der Weiber und über die Ehe geschrieben hat, verdient unsere ernstvolleste Beherzigung.« Die Frauenbewegung und ihre Autorinnen, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts erste Versuche machten, die Geschichte der Frauen zu rekonstruieren, haben von Hippels Verdienst gewürdigt.
Der folgenden Auswahl liegt die Ausgabe von 1792 (Berlin) zugrunde. Rechtschreibung und Zeichensetzung wurden den heutigen Normen angepaßt.
 

Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber

 
Da, wo Freiheit unterdrückt wird, kann nichts, was menschlich ist und heißt, zu Kräften kommen. Dort ist die Ehe, dieser wichtigste und heiligste Vertrag im Staate, nichts mehr und nichts weniger als ein Kauf- und Tauschhandel.(...) (S. 79)
Welch eine demütigende Ehre, die man den Weibern erwies, sie auf immer unter Vormundschaft zu setzen, ihren bürgerlichen Handlungen die bürgerlichen Folgen zu entziehen und sie durch eine feierliche Sanktion zu Schatten der Männer im Staate zu machen! Alle Gesetze in Hinsicht des anderen Geschlechts scheinen in Donner und Blitz gegeben zu sein; wenn sie gleich sich das gesetzliche Ansehen geben,(...) sieht man, sobald man ihnen nähertritt, doch so viel Donner- und Blitz-Gesetzlichkeit(...), daß man sich sogleich überzeugt, kein Frauenzimmer habe hier mitvotiert.
Die höchste Beleidigung ist, zu erklären, daß man durch Jemanden nicht beleidigt werden könne, und durch das Privilegium, nicht Unrecht tun zu können, hat man die damit Privilegierten in keine vorteilhaftere Sicherheit gestellt als die Blödsinnigen.(...) Die Gesetze selbst berauben das ganze Geschlecht alles Nervs, alles Mutes, die Freiheit zu lieben, aller Vernunft, den Despotismus nicht zu fürchten? Wie? man erniedrigt ein ganzes Geschlecht zur Sklavenklasse.(...) (S. 81)
Was bedürfen wir weiteren Zeugnisses, als daß die Frauenspersonen auf kein öffentliches Amt Anspruch haben; daß sie (Mutter und Großmutter ausgenommen) nicht Vormünderin-nen werden können; daß sie in Fällen, wo die Gesetze, der Feierlichkeit des Geschäftes halber, mehr als zwei Zeugen verlangen, nicht als Zeuginnen zuzulassen, mithin nicht als Zeugen bei Testamenten brauchbar sind,(...) daß sie an den Rechten der Römischen väterlichen Gewalt(...) keinen Anteil haben; daß man sie zur wahren Adoption unfähig erklärt, weil hier die väterliche Gewalt sich in ihrer rechtlichen Würde zeigt! -Wahrlich, nach diesen Beraubungen wird man auf die angeblichen Vorteile neugierig sein, wodurch die römischen Gesetze das andere Geschlecht zu entschädigen die Güte gehabt;(...) ... kurz und gut, sie haben das Recht, alte Kinder zu bleiben bis an ihr seliges Ende(...) (S. 83)
Doch alles ist kein Vergleich gegen den Tausch des Rechtes gegen Güte - der männlichen Worte: ich fordere! gegen die weiblichen: ich bitte. Wie konnte man aber auch einer in der gesetzlichen Herrschaft des Eheherrn befindlichen Gattin, einer der Gewalt eines Andern untergeordneten Sklavin, mehr als Gnade und Wohltaten erweisen? Nicht sie, sondern ihr Mann hatte die Kinder. Auf ihre Familie hatte sie Verzicht getan, um zu ihres Herrn Familie einzugehen. - Schon längst hatte man verlernt, daß die Ehe eine gleiche Gesellschaft sei, daß die Herrschaft im Ehestande eine beiderseitige Herrschaft der Eheleute neben einander bleibe, und daß der Mann sie sich nur durch einen ausdrücklichen Vertrag zueignen könne? »Nicht auch durch einen stillschweigenden?«(...) (S. 99)
Jemandem Güte erweisen, indem man ihm Gerechtigkeit entzieht, heißt: ein Naturgesetz mit Füßen treten,(...) die Erstgeburt für ein schnödes Linsengericht verkaufen.(...) O der blinden Leiter, die mit pharisäischer Heuchelei das andere Geschlecht einschläferten, im Trüben fischten und durch Schein des Rechts die natürlichen in das Herz eingeschriebenen Rechte zu vertilgen suchten! Die Natur läßt sich nicht zwingen. -Furcht! Fiel dieses Wort auf? es sollte auffallen. - Seht! ich will mein Herz ausschütten und zur Ehre des männlichen Geschlechts bekennen, daß keine bösere Absicht als die Furcht, das andere Geschlecht würde uns beherrschen, den Grund zu unserer Herrschaft über dasselbe gelegt hat.(...) (102)
Der Mensch ist zur Nachahmung geneigt, und es ist eine bekannte Bemerkung, daß man das in seinem Hause im Kleinen einführt, was im Staat im Großen gang und gebe ist; das Haus pflegt ein Minaturstück des Staates zu sein. Wenn aber gleich in despotischen Staaten der Despotismus auch in Priesterhäusern wütet, und um so mehr mit gutem Bedachte wüten zu müssen das Ansehen gewinnt, da größere Freiheit der Weiber dem Staate unüberwindliche Nachteile zuziehen, und dieses Geschlecht(...) alles jene unnatürliche Wesen der Despotie an die gehörige Stelle und den rechtmäßigen Ort bringen würde, so ist doch auch in Republiken das schöne Geschlecht noch nie zu einem anständigen Grade von Besitz seiner Rechte gediehen.(...) (S. 105)
In der Aristokratie sind die Herren Aristokraten zum Neide und zur Eifersucht so berufen, daß sie zu verlieren befürchten, wenn sie ihren Weibern einen Vorzug verstatteten; und da selbst die Französische Revolution ihren Zustand - obgleich Weiber die Fahne derselben geführt - nicht verbessert hat, so scheinen wohl die Verschiedenheiten der Regierungsformen nicht bestimmt zu sein, diesen Schaden Josephs zu heilen.(...)
»Es ist wider die Vernunft und wider die Natur«, sagt ein Philosoph der Welt, »daß die Weiber die Hausherrschaft führen; allein Reiche können sie regieren. - Im ersten Falle erlaubt ihnen ihre Schwäche diesen Vorzug nicht; im anderen stimmt diese sie zur Leutseligkeit und Mäßigung.« - Mich dünkt, diese Bemerkung ist Sophisterei. Wer will denn, daß Weiber das Hausregiment führen sollen? Nur da, wo nach dem altdeutschen Reim eines Reformators ein jeder seine Lektion lernt, wird es wohl im Hause stehen.(...) (S. 106)
Soll es denn aber immer mit dem andern Geschlechte so bleiben, wie es war und ist? Sollen ihm die Menschenrechte, die man ihm so schnöde entrissen hat, sollen ihm die Bürgerrechte, die ihm so ungebührlich vorenthalten werden - auf ewig verloren sein? Soll es im Staat und für den Staat nie einen absoluten Wert erhalten und immerdar beim relativen bleiben? Soll es nie an der Staatsgründung und Erhaltung einen unmittelbaren Anteil behaupten? Soll es nie für sich und durch sich denken und handeln? - Werden wir uns bei diesen Fragen mit einer wohlweisen Römischen Rechtsfiktion oder einem wohlhergebrachten Verjährungs- und Besitzrechte aushelfen können, um sie ab und zu zur unangenehmen Ruhe zu verweisen? Werden wir selbst unser männliches Gewissen mit Bedenklichkeiten über die möglichen Folgen, mit Mißbräuchen und was dergleichen Popanze mehr sind, wodurch man Kinder schreckt, beruhigen und diese Angelegenheit der Menschheit auf die lange Bank schieben können?(...) Mißbrauch des Rechtes verwirkt nicht das Recht. Menschenrechte können niemals, Bürgerrechte nur durch Felonie verloren werden; und was ist Felonie? Dies aus dem Lehnsrecht entlehnte Wort bezeichnet alles, was man der Lehnsverbindlichkeit zuwider tut oder unterläßt, und wird aus dem Lehns-Kontrakte beurteilt. Da es sowohl für den Lehnsherrn als für den Vasallen Rechte und Pflichten gibt, die sie einander schuldig sind, so kann nicht nur der Vasall, sondern auch der Lehnsherr der Felonie schuldig werden. Und wie? Geht denn wegen einer jeden Handlung oder Unterlassung, die dem Lehns-Kontrakte zuwider ist, schon das Lehen verloren?(...) Können die Handlungen eines Andern jemandem zugerechnet werden?(...) Kann je durch Felonie das Lehen aufhören? - und wer machte denn den Mann zum Lehnsherrn und das Weib zur Vasallin?(...) Soweit von den bürgerlichen Rechten! - Über Menschenrechte kann nur Gott richten; und in seine Hände zu fallen - wie wohl tut das, wenn wir die gehegten und ungehegten Banken (Gerichtsbänke, H. S.) der Menschen dagegen halten!(...) (S. 115)
Männer, würdet ihr die Furcht nicht barbarisch und unmenschlich finden, wenn man euch alles und jedes von Freiheit bloß darum entzöge, weil ihr es mißbrauchen könntet? Wie wollet ihr denn jene Furcht nennen, die euch abhält, dem andern Geschlechte seine Ehre wiederzugeben? Die Zeiten sind nicht mehr, um das andere Geschlecht überreden zu können, daß eine Vormundschaft wie bisher für dasselbe zuträglich sei, daß sie seinen Zustand behaglicher und sorgloser mache als eine Emanzipation, wodurch es sich mit Verantwortungen, Sorgen, Unruhen und tausend Unbequemlichkeiten des bürgerlichen Lebens belasten würde, die es jetzt kaum dem Namen nach zu kennen das Glück habe. Wahrlich, ein abgenutzter Kunstgriff des unmenschlichen Despoten, wodurch er seinen feigen Sklaven das Gewicht der Ketten erleichtem will! Als ob die Freiheit mit allen ihren Ungemächlichkeiten nicht der gemächlichsten Sklaverei vorzuziehen wäre!(...)
Und Männer! Wollt ihr glauben, eine halbe Welt wäre zu eurem bon plaisir, zu eurem eigentlichen Willen, das ist verdolmetscht: zu eurem Eigenwillen da? Tiere wirken; Menschen handeln. - Warum soll das Weib nicht Ich aussprechen können?(...) Ist es nicht der größte Menschenvorzug, sich selbst zu kennen? Unser Wert ist unsere Sache; unsere Würde ist die Sache Gottes und gerechter Menschen. Hat Gott bei dem anderen Geschlechte etwas versehen? Oder sind es die Männer, die sich an diesem Geschlechte wider den Willen des Schöpfers versündigen! Warum sollen die Weiber keine Person sein? Warum nicht wissen: das ist mir gut, und das ist gut, oder das ist vorteilhaft, und das ist recht?(...) (S. 119)
Gott! zu Ende des achtzehnten Jahrhunderts - wo kein Gespenst(...) mehr Wirkung tut - kann man mit Freiheit schrecken! Dahin war' es gekommen. Ach! auch selbst dem, der an der Kette erzogen ist, blitzt der Name Freiheit auf, dieser göttliche Funke, durch den wir sind, was wir sind, und der uns so wenig schrankenlos macht, daß er uns vielmehr fester als Alles an das Allerheiligste der Gesetze bindet. Das weibliche Geschlecht kam um die Menschenrechte ohne seine Schuld.(...) Bürgerrechte, die es leider! sehr zeitig und schon bei Entstehung kleinerer Familienstaaten verlor, hat es nie, weder durch Unterhandlungen noch mit Gewalt, zu erringen gesucht, und erwartet sie noch heute mit aller Selbstverleugnung von unserer Gerechtigkeit und Großmut. Und wir wollen es vergeblich warten lassen? Und das Gesuch, welches die Natur für die Weiber einreicht, zu einer Zeit, da Menschenrechte laut und auf den Dächern gepredigt werden, mit einem aufrichtigen und deutlichen Nein abweisen?(...) (S. 120)
Das Recht des Vernünftigeren ist ihnen (den Männern, H. S.), nach ihrer, zwar etwas freien, indes wie sie glauben, nicht unverständlichen Übersetzung, das Recht des Stärkeren, und freilich - wer darf es wagen, der Gewalt, solange sie am Ruder ist, den Verstand abzusprechen?(...) (27)

Kommentar

Zu diesem frühen Zeitpunkt konnte eine Schrift wie die Hippels noch nicht von einer Frau geschrieben werden, weil Kenntnis des geltenden Rechts, Vertrautheit mit der Naturrechtsphilosophie und allgemeine politische und historische Kenntnisse Frauen generell, nämlich auch Frauen von Bildungsbürgern, nicht zugängig waren. Zu Ende des 18. Jahrhunderts konnten sogar Göttinger Professoren-Töchter oft nicht schreiben. Das Räsonnieren, das gemeinsame Diskutieren sozialer und politischer Zustände, war ein männliches Privileg, wie das Studieren, die Bildungsreisen, das Auftreten in der Öffentlichkeit -und sei es nur mit der Publikation eines Artikels, einer Schrift. Parteiergreifung für die verachteten Frauen wurde hart sanktioniert, wenn ein angesehener Mann sie wagte, um wieviel mehr, wenn eine Frau selbst es tat. Sie war damit nicht nur eine große Herausforderung der bürgerlich-patriarachalen Öffentlichkeit, sondern auch ihres Vaters oder Ehemannes, dessen »guten« Namen sie in Verruf brachte, indem eine Publikation aus »seinem Hause« aller Welt signalisierte, daß er da nicht mehr der Herr über die Seinen war.
Hippel selbst war unverheiratet und offensichtlich ein scharfer Beobachter der Zustände in anderen »Häusern«. In seinem Buch »Über die Ehe« hat er ebenfalls die »Sklaverei« der Frauen abgehandelt, Sklaverei - nicht als Metapher, als dramatisch rhetorische Wendung, sondern als juristische Tatsache. Hippels für seine Zeit - und für die folgenden 150 Jahre nicht minder - überaus kühne Gesellschaftskritik beruht, außer auf der Anschauung des täglichen Unrechts, auf der Kritik des geltenden Eherechts, das durch die Rezeption des Römischen Rechts gekennzeichnet ist, und auf dem Widerspruch der Rechtsphilosophie, den Wissenschaft und Politik bis zur Gegenwart opportunistisch unterschlägt, daß nämlich der bürgerliche Rechtsstaat nicht die Menschenrechte aller vertreten sollte, sondern nur die der Männer, und daß selbst die »größten« Philosophen und die »aufgeklärtesten« politischen Geister der Zeit den Ausschluß der weiblichen Menschheit von Anbeginn im Konzept hatten.
Das römische Recht - das »Recht« einer Sklavenhalter-Gesellschaft, das mit seiner absoluten Gewalt des Hausherren, der patria potestas, erwachsene Frauen, Kinder und Sklaven ungeschützt der Willkür des »Oberhauptes« überläßt - hat durch seine Praktizierung in Deutschland die Ehefrauen völlig versklavt: sie haben wie Sklaven und Kinder ebenfalls lebenslang den Status eines Kindes unter der patriarchalen Gewalt: keine Person, keine Rechtsperson, kein Mensch.
Hippel geht davon aus, daß es einmal eine Zeit gegeben habe, in welcher das Verhältnis Mann-Frau ein auf Gleichheit beruhendes gewesen ist, und er verlegt diesen egalitären »Naturzustand« sogar in den Garten Eden, d. h. er interpretiert die Genesis im Sinne einer gottgewollten Gleichheit, bedient sich also einer »feministischen« Bibel-Exegese im Gegensatz zu der der Theologen (und die Naturrechtsphilosophen argumentierten im Hinblick auf die Frauen wie die Theologen). Damit beging er ein großes Sakrileg, das schon beinahe an Freidenkerei grenzte. Diese vernünftige, von Gott und Natur gewollte Gleichheit müsse wieder hergestellt werden, und zwar durch Gleichheit zwischen Mann und Frau im Hause, in der Ehe wie in der Gesellschaft und im Staat. Das sind damals wie heute äußerst radikale Ideen: radikal, weil die Gleichheit der Menschen auch in der Familie - und nicht erst jenseits der Hausherrschaft, die unangetastet bestehen bleibt - Grundprinzip sein muß, weil von dieser Basis ausgehend allein eine gleiche Gesellschaft und ein gleiche Rechte dekretierender Staat denkbar und praktizierbar sind. Solange Frauen von »Bürgern« als Sklaven gehalten werden können, ist das gesamte Gesellschaftssystem korrupt, solange werden Gesetze von Männern gegen die Frauen gemacht, die sich gebärden wie »Männer von Gottesgnaden«, die Gesetzgeber, »Kläger und Richter in einer und selbsteigener Person sind«.
Hippel bedient sich hier politischer Begriffe und Vorstellungen, wie sie in der Diskussion der Zeit eine große Rolle spielen: Das »Gottesgnadentum« der Fürsten, als Legitimierung ihrer unbeschränkten Macht, war von den Bürgern verpönt, aber sie selbst führen sich »ihren« Frauen gegenüber wie die Fürsten auf. Die »Teilung der Gewalten« wurde von bürgerlichen Kritikern und Politikern als das Mittel gegen Machtmißbrauch, Willkür des Gesetzgebers, der Beamten und der Justiz gefordert, um absolutistische Herrschergewalt abzulösen.
Aber gegenüber den Frauen wollten die Bürger fortfahren, ungeteilte, d. h. unkontrollierte öffentliche Gewalt auszuüben.
Ein politisch wirkungsvolles Ideologem war damals - wie noch heute - der Verweis auf die »Güte«, die Gnade, die es unnötig mache, daß die Frauen um ihr Recht kämpfen. Das Bürgertum war es müde, die absolutistischen Herrscher auf dem Gnadenwege um etwas zu bitten, was ihnen von Rechtswegen zustand: daher die Forderung nach einem Staatswesen, in welchem das Recht eines Bürgers kraft Gesetz und Staatsgewalt durchgesetzt wird und nicht länger abhängig ist von Laune, Willkür und »Gnade« eines anderen Menschen. Aber die Frauen sollen weiter um »Gnade« betteln - und zwar bei eben diesen Bürgern, die für sich selbst diese Zumutung ablehnen.
Die Hausherrschaft über die versklavten Ehefrauen trägt alle Zeichen der absolutistischen Herrschaft, wie sie die Bürger für sich abschaffen, aber für die Frauen erhalten wollen. Die Furcht vor den unterdrückten Frauen führt zur Verleugnung der eigenen laut verkündeten bürgerrechtlichen Prinzipien. Die Revolutionierung zur »Republik«, der Wechsel von der absolutistischen zur bürgerlichen, angeblich egalitären Regierungsform - wie in Frankreich geschehen - ist von Anbeginn verraten: das Besitzrecht der Bürgerpatriarchen an ihren Ehefrauen soll unangetastet bleiben.
Aber wie will man das noch rechtfertigen, fragt Hippel. Wie ist diese Maßnahme mit dem Anspruch auf »Vernunft«, den die Bürger für sich erheben, vereinbar? Das ist eine ideologische, aber auch eine machtpolitische und moralische Frage. Wie steht es da mit dem männlichen Gewissen? Die Ideologie, die patriarchale frauenfeindliche Rechts- und Staatsphilosophie treibt feudalherrliche Blüten wie: wegen eines eventuellen Mißbrauchs der Freiheit darf man den Frauen keine Freiheit geben; weil die Frauen keine Menschenrechte haben, können sie auch in Zukunft keine haben, als ob die Menschenrechte nicht »unveräußerlich« wären, das heißt, auch durch historische Perioden der Beraubung können sie nicht verloren gehen, weil alles, was Menschenantlitz trägt, Anspruch auf Menschenrechte hat. (Es muß freilich ein Antlitz mit Bart sein, denn, so spottet Hippel, sie berufen sich auf das Verdienst, daß sie Barte wachsen lassen.)
Hippels Einschätzung der deutschen Männergesellschaft ist ambivalent: Er appelliert an ihre Vernunft, an ihren Sinn für Gerechtigkeit und Billigkeit - im Sinne des Gedankens: was mir recht ist, ist dem andern billig -, an ihre politische Redlichkeit und Konsequenz: Ist es legitim, daß sie die Abschaffung der Herrschaft über sich fordern, so ist es auch legitim, daß die Herrschaft über die Frauen beendet wird. Hippel weiß jedoch auch sehr genau, daß das »Recht des Stärkeren« Vernunft und Wahrheit pervertiert, eben Kraft der Macht. So hat auch im Verhältnis Frauen-Männer der Gewalt innehabende Mann in Familie und Staat die Machtmittel, seiner unvernünftigen irrationalen Machtausübung die »Vernunft«, den Verstand zuzusprechen. Und welche Frau unter seiner Gewalt darf es wagen, ihm den Verstand abzusprechen, ohne von ihm vernichtet zu werden. Hippel hat damit offen ausgesprochen, daß der bürgerliche Männerstaat das Faustrecht über die weiblichen Menschen nicht abschafft, sondern perpetuiert - im Namen von Vernunft und Natur.

Amalia Holst

Über die Bestimmung des Weibes zur höhern Geistesbildung, 1802

Der folgenden Auswahl liegt die Ausgabe von 1802 (Berlin) zugrunde. Rechtschreibung und Zeichensetzung wurden den heutigen Normen angepaßt.
 

Über die Bestimmung des Weibes zur höhern Geistesbildung

Die Parteilichkeit der Männer
Nein, es schien mir Bedürfnis der Zeit, daß diese wichtige Materie, über welche fast Männer allein bereits so viel geschrieben haben, auch einmal von andern, von der weiblichen Partei zur Sprache käme. Männer, wenn sie unser Geschlecht beurteilen, sind immer parteiisch für das ihrige und lassen dem unsrigen selten die gehörige Gerechtigkeit widerfahren.(...) Nur ein Weib also kann die individuelle Lage des Weibes in allen ihren Zweigen und Abstufungen gehörig beurteilen.(...) So viel es mir möglich war, ließ ich den Männern volle Gerechtigkeit widerfahren; aber mein Geist empörte sich auch gegen die Ungerechtigkeiten mehrerer Männer. Möchte ich sie überzeugen, möchte ich vorzüglich mein Geschlecht von der Wichtigkeit und dem Umfange ihres Berufs als Mensch und als Weib überzeugt haben, dann wären meine Bemühungen hinlänglich belohnt.(...)
Was übrigens die Darstellung anbetrifft, so fühle ich die Un-vollkommenheit(...). Wenn man aber erwägt, daß diese Arbeit bloß das Geschäft meiner Muße ist und daß diese Muße mir bei meinem Lokal (Gouvernantenarbeit, H. S.) sehr sparsam zugeteilt worden ist, so wird man mir einige Nachsicht bewilligen. Ich fühle selbst die Unvollkommenheit meiner Arbeit, habe lange das Ideal nicht erreicht, welches mir vorschwebte. Nützlich zu sein, war mein höchster Zweck; und dies wird mir gelingen, wenn man unparteiisch genug ist, mich nach meiner Lage zu beurteilen. (Vorrede)
»Steht die höhere Ausbildung des Geistes mit dem näheren Beruf des Weibes als Gattin, Mutter und Hausfrau im Widerspruch?
Seit kurzem ward so viel über die weibliche Bestimmung geschrieben. Männer wagten es, unserem Geiste die Linie vorzuziehen, über welche im Felde des Wissens er nicht hinüberschreiten dürfe; es stehe, wähnen sie, eine höhere Ausbildung unseres Verstandes mit unseren individuellen Pflichten im Widerspruch. Bis jetzt trat noch kein Weib dagegen auf.(...) Dies bisherige Schweigen ist mir unerklärbar.(...) Oder hätten sie es nicht gefühlt, wie beschämend es sei, sich von Männern, von ihnen allein, den Standpunkt einseitig anweisen zu lassen, auf welchen wir hintreten dürfen.
Auch dies mag ich nicht behaupten, so viele edle Weiber widerlegen dies, durch ihren hohen Sinn, durch den oft in vertrautem Gespräch geäußerten Unwillen über jene Ansprüche der Männer.(...)
Es sei denn! Im Namen unsers ganzen Geschlechts fordere ich die Männer auf, uns die Rechte zu beweisen, deren sie sich anmaßen, die eine ganze Hälfte des Menschengeschlechts zurückzusetzen, ihnen die Quelle der Wissenschaften zu versagen, nur höchstens von ihrer Oberfläche abzuschöpfen erlauben zu wollen.(...)
Zwei Gründe stellen jene Schriftsteller als Hauptmomente gegen die höhere Ausbildung des Weibes auf. Unsere physischen und geistigen Anlagen machen uns unfähig, mit den Männern einen gleich hohen Hug in die Regionen des Wissens zu nehmen, und zweitens, dieser hohe Grad der Geisteskultur stehe ganz im Widerspruch mit unsern individuellen Pflichten
Wären beide Behauptungen begründet, so wäre es töricht, dagegen auftreten zu wollen. Im ersten Falle könnten und im zweiten dürften wir jenem höhern Schwünge des Denkens nicht folgen. Es wäre für uns eine verbotene Frucht, von der zu kosten uns nicht erlaubt sein würde.(...)
Sind wir auf der Wesensleiter den Männern an physischen und intellektuellen Kräften untergeordnet? An physischen Kräften der Stärke ja!(...) Wenn wir aber zugeben müssen, daß die Weiber am Körper schwächer als die Männer sind, folgt hieraus denn schon die notwendige Schwäche des Geistes? Mehr noch, ist denn eins die Folge des andern? Ist denn unser Gehirn anders als das der Männer organisiert?(...) Denkt etwa unser Geist damit nach andern logischen Gesetzen, nimmt er die Dinge der Außenwelt anders auf als die Männer? Wer wäre der, der dies zu behaupten wagen möchte?(...) (S. 7)
Da nun der Satz nicht bewiesen werden kann, daß Körperkräfte und Geisteskräfte im gleichen Verhältnis stehen, und so umgekehrt, vielmehr, da es vom Gegenteile zahllose Beispiele gibt, so kann ich nicht begreifen, wie gleichwohl fast alle Schriftsteller, welche über die Bestimmung des Weibes geschrieben haben, so sehr auf diesen unbewiesenen Satz sich berufen und aus ihm die Folgerung unserer untergeordneten intellektuellen Kraft haben ziehen können. Noch weniger, wie gebildete Männer der Körperkraft einen so hohen Wert beilegen mögen, da sie doch, sobald der Mensch aus dem Stande der Natur in den Stand der Kultur übergeht, ihren Wert verliert und gar nicht mehr als Basis irgend eines Gesetzes gebildeter Völker gelten kann.(...) (S. 9)
Gleichwohl gehen alle Schriftsteller, die über die weibliche Bestimmung geschrieben haben, von diesem Gesetze des Stärkeren aus. Alle machen dasselbe zur Basis ihrer Behauptung, zur Zurücksetzung und Abhängigkeit des Weibes und zur Folgerung ihrer mindern Geisteskräfte.
Man lese die Schriften sämtlich nach, welche über diese Materie von Männern geschrieben sind, und sie gehen, mit wenigen Ausnahmen, alle von jenem Grundsatze aus.(...) Offenbar gehen aber diese Schriftsteller(...) nur deswegen von einem falschen Ansatz aus, weil sie die Linie, welche zwischen Natur und Sittengesetz als Codex der kultivierten Nationen so scharf gezogen ist, übersehen. J. J. Rousseau hat den ersten Ansatz dazu gegeben. Dieser Schwärmer, der überall Natur- und Kulturstand durcheinander wirft, der bei seinem unangemessenen Ehrgeiz mit der Huldigung, die man ihm über Verdienst erweist, noch nicht zufrieden war und daher in seinen Handlungen und Schriften überall als Egoist erscheint, dieser mußte natürlich von anderen gleich egoistischen Gelehrten, wie von Voltaire, einige Kränkungen erfahren; dies konnte seine beleidigte Eigenliebe nicht ertragen; daher goß er, wie das Sprichwort zu sagen pflegt, das Kind mit dem Bade aus und verwarf die Gelehrsamkeit überall, trug darauf an, den Menschen in den Stand der Natur zurückzuführen, ohne zu überlegen, daß in diesem Naturzustande zu verharren gerade gegen die Absicht der Natur sei, die nur daher so viel Anlagen und Kräfte in uns legte, damit wir sie ausbilden, damit wir zur Kultur übergehen möchten. (. ..) (S. 14)
Nun verfuhr er dann ebenso rasch gegen die Gelehrsamkeit der Weiber, als er vorher gegen dieselbe im allgemeinen verfahren war, und beschränkte daher ihre Bildung bloß auf die Kenntnisse zur Erfüllung ihrer Pflichten in ihrem dreifachen Beruf, wobei er nicht überlegte, daß dieser Erfüllung der weitumfassenden Pflichten des Weibes wegen durch eine höhere Bildung erst aufgeholfen werden müsse.
Es ist merkwürdig, die theoretische Darstellung solcher Männer mit ihrer eigenen Ausübung ihrer Maximen zu vergleichen. Dieser Rousseau, der in seinen Schriften so sehr auf die liebenswürdigen häuslichen Tugenden hält, erfüllte sie selbst in seinem Kreise nicht, er war ein schlechter Gatte und ein unnatürlicher Vater. Es ist bekannt, daß er seine Kinder ins Findelhaus steckte, und sie darin umkommen ließ.(...) Er heiratete in der Folge seine Haushälterin, die Mutter dieser unglücklichen Kinder. Sie war so, wie er die Weiber haben will, völlig ungebildet.(...) Ein sehr geschätzter, geistreicher Schriftsteller (von Hippel, H. S.) sagt: »Nicht Rousseau der Philosoph, sondern Rousseau der Sonderling, dem hier, wie oft, seine Therese zur Muße diente, erklärt den Mann für den natürlichen Despoten des Weibes ...« (Über die Ehe, pag. 85).
Dieser Rousseau nun(...) hat so viele Schriftsteller in denselben Irrtum mit sich fortgerissen; so wie er übersahen sie die Linie, welche Naturzustand und bürgerliche Gesellschaft voneinander scheidet.
Im rohen Naturzustande entscheidet bloß das Recht des Stärkeren, Kraft gegen Kraft, und als Folge davon das Wiedervergeltungsrecht: wie du mir, so ich dir. Wer dies einzige Gesetz des Naturmenschen nicht ausüben und seinen Gegner dadurch zügeln kann, wer der Schwächere ist, der muß nachgeben, oder seine Zuflucht zur List nehmen.(...) In diesem Stande der Natur war es also ein notwendiger Erfolg, daß dem körperlich schwächeren Weibe die zweite Stelle ward, daß es der Gewalt wich und duldete. Lange konnten die Menschen sich aber nicht in diesem Zustand der Wildheit erhalten.(...) Sie fühlten dies bald und lernten die Vorteile einsehen, welche ihnen der gesellschaftliche Vertrag gewähren würde.(...) Hätten bei dieser Entstehung des gesellschaftlichen Vertrags die Menschen durch einen Zauberschlag mit einmal zu philosophischen Köpfen umgeformt werden können, so wäre das ganze Recht des Stärkeren auf einmal verwischt worden und der bürgerliche Vertrag allein auf sittliche Gesetze der Billigkeit und des Vernunftrechts gegründet worden.(...) Da aber der erste Ansatz, so wie die nachherige Entwicklung des gesetzlichen Vertrages, nur immer das Werk des Bedürfnisses war,(...) so behielten die Menschen immer so viel von dem Naturzustand bei, als mit den gegenwärtigen Bedürfnissen vereinbar war, bis neue Schwierigkeiten entstanden und man so immer einen Schritt weiter vorrückte.
Dabei sorgten die Machthaber im Volke nur zuerst für sich, der Schwächere erhielt keine Stimme, weil er sie vorher nicht gehabt hatte; und so mußten die Weiber noch immer stillschweigend zurücktreten und durften ihre Rechte als Menschen nicht geltend machen.
Wenn nun aber endlich die Blüte des menschlichen Verstandes zur Frucht gereift, wenn er zu der schönen Epoche gekommen ist, sich die Gründe bestimmt anzugeben, warum dies und jenes so eingerichtet ward,(...) wenn er die innige Überzeugung erreicht hat, daß die Vernunft das einzige Vorrecht sei, welches uns über das Tier erhebt, dann schwindet alles Recht des Stärkeren, die Körperkraft wird zu dem untergeordneten Range verwiesen, wohin sie gehört;(...) der Mensch, welcher sich zu einer hohen Stufe der Kultur hinaufschwang, kennt einen besseren Wert, seine Richtschnur ist Billigkeit, sein Wert ist Verstand und Vernunft.
Wenn Rousseau und mehrere Schriftsteller so viel von der physischen Schwäche des Weibes sprechen und daraus ihren untergeordneten Rang folgern wollen,(...) so tragen sie das Naturrecht des rohen ungebildeten Menschen in den gesellschaftlichen Vertrag des sittlich gebildeten Menschen über, und daher allein ihr Irrtum, der von dem Verkennen der gleichen Möglichkeit einer und derselben Organisation zum Denken unterstützt wird. Woher kommt aber jener Irrtum verständiger, gebildeter Männer, wenn sie über Menschenrechte im bürgerlichen Verhältnisse philosophieren? Nur aus dem Hange des Menschen, vermöge dessen wir nicht gern Rechte teilen, welche wir so lange ungeteilt und ausschließend genossen haben.(...) Man blicke nur auf unsere gewalttätigen Machthaber,(...) zu was für Sophismen eines Machiavell nahmen sie nicht ihre Zuflucht, um Rechte zu behaupten.(...) (S. 21)
Sollten aber körperliche Kräfte noch jetzt den Rang behaupten, den sie vormals hatten, so hätte der erste beste Lastträger den großen Friedrich vom Thron jagen können(...) und der Tagelöhner manchem Philosophen vorgezogen werden.
Dies möchten manche Majestäten, die wohl schwerlich alle, so wie der große Friedrich, ihre Rechte zum Throne durch gleiche Geistesfähigkeiten beweisen können, und auch die sämtlichen Herren Philosophen und Gelehrten nicht gern einräumen, und doch schämen diese Herren sich nicht, dieses verjährte Recht der Barbaren noch geltend gegen uns zu machen. (...) (S. 23)
Die bisher angeführten Beispiele (aus Kunst und Literatur, Medizin und Geschichtsschreibung, H. S.) geben mithin einen redenden Beweis, daß die Weiber in allen Fächern des Wissens, ungeachtet ihrer vernachlässigten Erziehung, etwas geleistet haben; nur, lautet der Einwurf, haben sie sich nicht bis zu der Region des höheren Wissens, zur kritischen Philosophie und der höheren Mathematik, emporschwingen können; und hieraus will man ihre untergeordneten Seelenkräfte folgern. Sollte dieser Schluß denn so ganz richtig sein, sollte er als ein Beweis allgemeine Gültigkeit haben?
Unter den vielen Tausenden von Männern, die sich von Jugend auf der Gelehrsamkeit widmen, wie viele haben wir denn, die in diesem Fache wirklich groß sind? Denn nur die originellen Köpfe, die als Stifter neuer fruchtbarer Systeme aufgetreten sind, können hier in Anschlag kommen, und zählen wir bloß diese, wie unendlich klein ist dann die Zahl! Und wäre dieser Vorwurf auch wirklich gegründet, liegt nicht in der Zurücksetzung, in der Erziehung und in der Lebensweise des Weibes der Hauptgrund hievon? Von Jugend auf mit Kleinigkeiten umringt, von Tand gefesselt, durch Zwang zurückgeschreckt, von Trägheit, die es sich bequemer machen kann, zurückgehalten, wie kann, wie soll der Geist eines Weibes sich durch diesen vierfachen Nebel hindurchdringen und Licht schaffen? Und wenn es ihm dennoch gelingt, wenn es auf dem Felde des höheren Wissens sich bis zur eigenen Überzeugung hinaufschwingt, welch ein Beweis von der Geisteskraft des Weibes liegt unter diesen Umständen schon hierin!
Man wende mir hier nicht ein, das Genie überwinde alle Hindernisse, es strahle durch jeden Nebel hell hindurch.(...) Diese höchste aller Wissenschaften erfordert in ihrem ganzen, großen und wichtigen Umfange so viel Vorkenntnisse, daß die Natur es bloß anlegen, eine gelehrte Erziehung aber und ein fortgesetztes ununterbrochenes Studium dasselbe zur Reife bringen kann, wenn es wirklich in diesem Fache etwas Großes leisten soll. Wie mancher philosophische Kopf, dem es bloß an Gelegenheit zur Ausbildung fehlte und der mit einem Kant und Leibniz gewetteifert hätte, mag wohl hinter dem Pfluge unbemerkt und unbenutzt dahinschlummern!(...) (S. 91)
Da nun aber die Weiber bei der so sehr vernachlässigten Erziehung, bei allem Zurückweisen von der Quelle der Weisheit dennoch etwas geleistet haben (zum Beweis führt die Autorin u. a. »die Schriften der Madame de Stael« an, H. S.), so wird über die Streitfrage, ob die Weiber im Fache der spekulativen Philosophie wirklich etwas Ersprießliches zu leisten fähig sind, nicht eher entschieden werden können, bis eine beträchtliche Anzahl von eben so viel jungen Mädchen als Knaben mit gleich großen Anlagen völlig auf die gleiche Weise erzogen sind; dann entscheide die Erfahrung.
Eine spekulative Philosophin, und zwar groß in diesem Fache, wie wird es dann um die Erfüllung ihrer Pflichten als Gattin, Mutter und Hausfrau stehen, ruft man mir zu! Da diese ernste und tiefe Wissenschaft das ganze Leben des Denkers beschäftigt und oft auch seine Nachtwachen erfordert! Wenn ein Weib sich so hoch, bis zur Schöpferin eines eigenen philosophischen Systems emporhöbe, so bliebe ihr freilich keine Zeit zur Erfüllung dieser teuren Pflichten übrig; dies gebe ich auch nur in diesem einzigen Falle zu: da aber die Köpfe unter den Männern so selten sind und es immer sein werden, so würden diese Köpfe ebenfalls unter den Weibern selten sein. Wenn sich nur eine unter ihnen ganz dem Studium dieser ernsten Wissenschaft überließe, wenn sie in diesen hohen Regionen die Befriedigung ihres ganzen Strebens nach Glückseligkeit fände und dadurch der Welt nützlich würde, wer könnte es ihr untersagen, unverehelicht zu bleiben, wie Kant es ist, wie Leibniz es war. Sind die Weiber, als Menschen betrachtet, minder frei als die Männer, mit dem ihnen anvertrauten Pfunde zu wuchern, wo ihr Genius sie hintreibt; und würden sie so nicht eben so wohltätig zum Wohl der Menschen wirken als durch die Fortpflanzung des Geschlechts? Würde die Bevölkerung dadurch so sehr verlieren? Nicht mehr als sie durch Kant und Leibniz im Zölibat verlor(...). Was aber die angewandte Philosophie betrifft, um über die Untersuchungen der wichtigsten Wahrheiten, über das Wie, Woher und Warum zur Beruhigung und Überzeugung zu kommen, so behaupte ich, daß diese Untersuchungen, als höchste Pflicht denkender Wesen und also auch der Weiber, mit ihren individuellen Pflichten nicht kollidieren können; die Natur müßte sich denn selbst widersprechen.(...)
Aber den Weibern wird die Zeit dazu fehlen.(...) Ich werde daselbst das Weib als Gattin, Mutter und Hausfrau schildern und zu beweisen suchen, daß eine höhere Bildung des Weibes mit dem dreifachen Beruf desselben nicht im Widerspruch stehe, sondern ihn erhöhe und veredle.(...) (S. 96)
 

Das Weib als Gattin betrachtet

Macht die höhere Ausbildung ihres Geistes sie zur Erfüllung der Pflichten dieses Standes unfähig?
Sind wir bloß um der Männer willen da? Diese Frage scheint lächerlich, wenn man sie vor den Richterstuhl der gesunden Vernunft bringt. Diese lehrt uns, daß beide Geschlechter da sind, eines des andern Glückseligkeit zu befördern, um im schönsten Bunde vereint sich zum höchsten Ideal der Menschheit auszubilden und zum Besten des Ganzen zu wirken.
Gleichwohl scheinen die Männer, mit wenigen Ausnahmen, unser Geschlecht aus diesem falschen Gesichtspunkte zu betrachten, wenn von den Pflichten der Gattin die Rede ist. Und da eine gesunde Philosophie sie bei der Behauptung solcher Ansprüche verläßt, so nehmen sie ihre Zuflucht zur Bibel, die schon so manchem Unsinn zum Gewährleisten dienen mußte. (Die Autorin meint hier die Schöpfungsgeschichte mit der ,,Gehilfin«-Ideologie, H. S.)(...) Daß Menschen - Kinder am Verstände, wie die Verfasser dieser und ähnlicher Traditionen waren - dergleichen Fabeln erdachten, liegt ganz in ihren damals so sehr beschränkten Einsichten; wenn aber Menschen, deren Blüte des Verstandes zur Frucht gereift ist, sie zur Basis der Pflichten gebildeter Nationen machen wollen, so bleibt es dem Denker eine schwere Aufgabe, sich diesen Widerspruch zu erklären.(...)
Das Tier hat seine Bestimmung ganz erfüllt, indem es bloß diesem Reize (dem Sexualtrieb, H. S.) folgt; nicht so der Mensch. Er sollte fühlen lernen, daß er bei den Sinnen auch Herz und Geist habe. Der hohe erhabene Mensch sollte nicht bloß Lückenbüßer der Natur sein, um ihre Absicht (die Erhaltung der Gattung, H. S.) zu erfüllen. Die Ehe sollte für ihn die reinste Quelle harmonischer Gefühle, das schönste Band zum Ideal der höchsten Vollkommenheit sein. Nur im Verein dieses harmonischen Bundes kann und wird der Mensch ganz das sein, wozu die Natur ihn bestimmte; glücklich im Streben nach der höchsten Ausbildung aller seiner Kräfte. Mithin müßten Pflichten und Glückseligkeit für beide Geschlechter völlig gegenseitig sein.
Das Weib ist also nicht des Mannes, der Mann nicht des Weibes wegen da, sie sind eins um des andern willen erschaffen im völlig gleichen Verhältnis.(...) (S. 102)

»...die Meinung von der Oberherrschaft der Männer über ihre Gattinnen«

Ist dies, so folgt, daß ihre Rechte in der Ehe völlig gleich sind. Die Ehe ist ein Kontrakt, den zwei gleich freie Wesen mit einander schließen, in dem vertrautesten und zärtlichsten Bunde die Vorzüge der Gesellschaft auf das allerinnigste zu genießen.(...)
In einem solchen zärtlichen innigen Bunde fällt jeder Gedanke irgend einer auf positiven Gesetzen gegründeten Autorität weg. Bei Autorität und Herrschaft gedeihet die Liebe nie, ich kann meinen Herrn achten und verehren, lieben im eigentlichen Sinne des Worts kann ich ihn nie. Die Liebe macht alles gleich.(...) (S. 112)
Das Weib kann und soll nicht allein immer der nachgebende Teil sein, sie müßte denn ein Engel oder eine Sklavin sein; in beiden Fällen wäre keine Glückseligkeit für sie. Ein Engel kann mit einem gebrechlichen Menschen nicht harmonieren, und eine Sklavin, die über ihren Zustand nachdenkt, nicht glücklich sein.(...) (S. 114)
Wenn nun aber die Männer, welche über die weibliche Bestimmung geschrieben haben, uns nur einen gewissen Grad der Bildung, nur so viel, als zur Unterhaltung geistreicher Männer, zur Erziehung der Kinder und zur Führung des Hauswesens nötig ist, erlauben und unsem Geist, wenn er die Kräfte in sich fühlt, weiter zu gehen, zurückweisen wollen: so frage ich, wo ist der Richterstuhl, vor welchem dies entschieden werden muß, und wo sind die Grenzen der Wissenschaften, welche diese, nur diese hierzu erforderlichen Kenntnisse bestimmen? Es gibt ja nur eine Wissenschaft, so wie es nur eine Wahrheit, nur eine Tugend gibt, und wann werden wir denn einmal aufhören, jene elenden Klassifikationen und jene ärmlichen Absonderungen zu machen, die uns in der Tat nicht den kürzesten Weg zur endlichen Aufklärung und Veredlung der Menschheit führen. Wenn die Weiber einmal angefangen haben, ihren Geist zu bilden(...), wer kann, wer darf bestimmen, wie weit sie gehen sollen?(...) Soll und darf ein jeder von den Wissenschaften sich nur so viel zu eigen machen, als er zu seinem besonderen Beruf bedarf, so haben die Weiber, als gleich freigeborene Menschen, dasselbe Recht, die Männer nur auf die Wissenschaften und Kenntnisse hinzuweisen, welche zu dem von ihnen sich gewidmeten Fache erfordert werden,(...) das Übrige ist schädlich für ihn und hindert ihn nur in der genauen und gewissenhaften Ausübung dieser Verbindlichkeiten. Wenn die Weiber diese Ansprüche sich erlaubten, die Männer so beschränken wollten, würde das nicht sehr kühn sein? Und ist es minder kühn von Seiten der Männer, uns so beschränken zu wollen?(...) Warum läßt man aber den Weibern nicht gleiche Gerechtigkeit widerfahren? Warum eifert man so sehr über die Gelehrsamkeit der Weiber? Warum spöttelt der Dichter und Prosaiker mit so vieler Bitterkeit über dieselbe, ist die Gelehrsamkeit denn ein Monopol der Männer?(...) (S. 116)
(...) Und eben erwähnte Schriftsteller eifern lange so sehr nicht gegen dies Übel (die Moden, H. S.), nur die höhere Bildung der Weiber erregt ihren ganzen Zorn. Beinahe sollte man glauben, daß es einen Wissenschaftsneid gäbe, wie es einen Brotneid gibt.(...) (240)

Die Ehe »das Werk des niedrigsten Eigennutzes«

Das erste Motiv in der Wahl einer Gattin ist jetzt nach der herrschenden Sitte das Geld.(...) Im Terenz fragt der geizige Alt den verliebten Sohn, welcher mit Entzücken von den Reizen und Vollkommenheiten seiner Geliebten spricht, immer: und - was kriegt sie mit? Er hört die hochtrabende Lobeserhebung, welche sein Sohn dem Mädchen seines Herzens macht, nicht, und schlägt seinen Enthusiasmus immer mit dem kalten: und was kriegt sie mit? nieder. Wir scheinen aber noch um einen Grad weiter als die Römer zu Terenz Zeiten in dieser Art von Aufklärung gekommen zu sein. Was dort der sorgliche Alte tat, bedarf jetzt bei vielen von unseren jungen Leuten keiner solchen Erinnerung. Die Mitgabe ist bei ihnen immer der erste Beweggrund bei der Wahl einer Gattin.
Ein Mädchen oder eine Witwe sei noch so verkrüppelt an Geist und Körper, ist sie die Besitzerin großer Reichtümer, die Erbin ansehnlichen Vermögens, so hat sie die Wahl unter sehr vielen sich hinzudrängenden Männern.(...) Man strebt ja nur nach ihrem Gelde; und da man dies ohne ihre Person nicht erhalten kann, so nimmt man sie zur Gattin und täuscht so die Natur, die bürgerliche Gesellschaft, das Weib und sich selbst aus niederm Eigennutz und aus Mangel an Selbstschätzung.
Oft kann der Denker sich des mitleidigen Lächelns nicht erwehren, wenn er die Spekulationen der heiratslustigen Männer anhört, wie sie streben, durch wenig delikate Mittel zum Besitz des Geldes und der Frau zu kommen. Sie fühlen es nicht, daß sie sich dadurch herabwürdigen, indem sie den Reichtum zu ihrem Abgott machen und zugleich ihre Ungeschicklichkeit gestehen, sich selbst ein hinlängliches Vermögen zu erwerben, um nach ihrer freien Wahl eine liebenswürdige Gattin zu beglücken(...)
Selbst Männer, die schon ein hinlängliches Vermögen besitzen, streben durch eine reiche Heirat dasselbe noch zu vermehren, weil alles sich nach einem sinnlichen Genuß des Lebens ohne Mühe sehnt.
Nach dem Reichtum folgt, als Beweggrund bei der Wahl einer Gattin, die Schönheit der Weiber.(...)
Ist die Schönheit mit Bildung des Geistes und mit liebenswürdigen humanen Tugenden begleitet, - dann sehen wir in einem schönen Weibe das Meisterstück der irdischen Schöpfung.(...)
Wenn aber die Schönheit allein da steht, wenn die Besitzerin derselben sich durch diesen Vorzug der Mühe überhoben glaubt, nach sittlicher und geistiger Ausbildung zu streben,(...) wenn sie durch ihren Besitz stolz, eitel und buhlerisch wird,(...) dann darf er (der Mann, H. S.) freilich sich nicht beklagen, wenn er diesen kurzen Sinnentaumel mit der langen Qual eines mißratenen und unglücklichen Ehestandes büßen muß. Denn das Weib, welches nichts als schön ist, kann ihren Einfluß über das Herz des Mannes nicht lange behaupten. Gewohnheit stumpft alles ab.(...) (S. 288)
Ein liebenswürdiges Mädchen, welches keine glänzende Schönheit und kein Geld besitzt, das zu lebhaft ihre Würde als Weib fühlt, um sich zu buhlerischen Künsten zu erniedrigen,(...) sie bleibt ledig.(...)
Was wird alsdann die Schutzwehr der Weiber gegen das Ridikül sein, welches man so gern über diesen Stand (der unverheirateten, alternden Frauen, H. S.) verbreitet? Was wird sie fähig machen, auch in dieser Lage wohltätig auf die Menschheit zu wirken? Nichts als die Wissenschaften in der höchsten vollendeten Bildung des Menschen.
Hat das Weib ihre Bildung aus dem einzig wahren Gesichtspunkt zur vollendeten schönen Humanität erreicht, so ist sie für kein Verhältnis des Lebens verloren, dann schmiegt sie sich jedem Wirkungskreise an. Kann sie der Welt auf die eine Weise nicht nützlich werden, so geschieht es auf eine andere.(...)
Nach der jetzigen Lage der Dinge, wo die Männer alle einträglichen Ämter und Gewerbe für sich genommen, bleiben dem unverehelichten und unbegüterten Weibe nur wenige Nahrungszweige übrig. Diese sind die Erziehung der Jugend; der männlichen nur bis zu einem gewissen Alter, der weiblichen bis zu ihrer Vollendung. Dann als Haushälterinnen oder Gesellschafterinnen sich fortzuhelfen und endlich durch Handarbeit, besonders im Fache der Moden und des Luxus, zu nähren.(...) (S. 292)
Laßt uns als den nützlichsten und ehrenvollsten besonders den zahlreichen Stand der Erzieherinnen betrachten.(...) Wenn je ein Weib den höchsten Grad der Bildung bedarf, so ist es in dieser Lage. Sie, die mit dem schönen Bande der Gatten-und Mutterpflicht nicht mit der Menschheit vereint ist, muß ganz Weltbürgerin sein. Dies kann sie nur durch Kenntnisse werden. Sie betrachte die gesamte Menschheit als ihre Familie.(...) Und wenn sie dann an der Hand der Wissenschaften und des eigenen Nachdenkens sich Schätze der Weisheit gesammelt hat, wird man es ihr alsdann zu einem Verbrechen der beleidigten Majestät der Männer anrechnen wollen, wenn sie die Früchte ihres Nachdenkens der Welt noch zum späten Segen hinterläßt?(...) (296)

Aufruf

Nein, meine Freundinnen, so hart konnte diese weise und gütige Mutter (die Natur) mit uns nicht verfahren (»unserm Geschlechte allein die Gabe dieser höheren Tätigkeit« versagen), vielmehr fordert sie uns recht eigentlich auf, alle unsere Kräfte in der schönsten Harmonie auszubilden, und wenn wir diesem ihrem Winke folgen, dann werden wir erst alle unsere Pflichten in ihrem ganzen Umfange erfüllen. Laßt uns denn alle einander freundschaftlich die Hand bieten, alle mit Eifer und Ernst an unserer Ausbildung arbeiten, sie ist nicht mit unserer vollendeten Erziehung in der Jugend geendigt, wir selbst müssen uns noch immerfort erziehen, müssen unablässig nach unserer ferneren Ausbildung streben, immer wach und munter sein, damit wir stets vorwärts, nie zurück gehen.(...) (S. 243)
An Sie, meine gebildeten Freundinnen, wende ich mich. Widerlegen Sie in allen Ihren Handlungen die Schriftsteller, welche wähnen, die höhere Ausbildung unseres Geistes und die Erfüllung unserer individuellen Pflichten können nicht miteinander bestehen. Seien Sie rastlos in der Ausbildung ihres Geistes; aber je mehr Sie diesem großen Zweck nachstreben, um so mehr beeifern Sie sich, alle Pflichten Ihres dreifachen Berufes (Ehefrau, Mutter, Hausmutter, H. S.) auf das strengste zu erfüllen. Dies ist die beste Art, jene Vorurteile zum Schweigen zu bringen.
Und Sie, meine Freundinnen, die Sie noch bisher Ihre Verhältnisse aus einem beschränkten Gesichtspunkt betrachtet haben, sehen Sie sich im Gebiete aller ihrer Pflichten um.(...) Werden Sie Menschen in der eigentlichsten Bedeutung des Wortes, und zugleich edle, gebildete Weiber und retten Sie so die Ehre unseres Geschlechts.(...) (S. 280)
 

Kommentar

 
Zehn Jahre nach T. G. von Hippels Plädoyer für Menschen- und Bürgerrechte für die Frauen veröffentlichte Amalia Holst ihr umfangreiches, wohlbegründetes und scharfsinnig argumentierendes Werk zur Frauenfrage: Damit ist sie wahrscheinlich eine der ersten feministischen Autorinnen in einem deutschen Land, in Preußen. Ihre Schrift ist gekennzeichnet durch ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl, kritischen Verstand und den Mut, unbequeme Wahrheiten über die Frauen Verachtung der bürgerlichen Männer öffentlich auszusprechen. Im Jahre 1802 in Deutschland für eine Frau eine ungewöhnlich mutige Leistung und Zeugnis intellektueller Emanzipation, da Gedankenfreiheit und deren öffentliche Artikulation noch viel weniger toleriert wurden, als wenn Männer sich äußerten. Holst ist, wie alle weiblichen Autoren (vor ihr und nach ihr für weitere hundert Jahre) gezwungenermaßen Autodidaktin, allerdings von großer Belesenheit: sie verfügt über Kenntnisse in Geschichte und Literatur, auch im Hinblick auf hervorragende Frauen, und sie kennt die gängigen Denkfiguren der Naturrechtsphilosophie, deren progressive Vorstellungen wie deren reaktionäre und widersprüchliche Argumentation im Hinblick auf die soziale Stellung der Frauen.
Während ihre Gegner, Bildungsbürger mit ökonomischen Privilegien, die keiner Frau offenstanden, aus der patriarchalen Ideologieproduktion einen Beruf machen (Beamte, Kirchenmänner, Privatgelehrte), muß Holst ohne diese Privilegien nach ihrer täglichen Arbeit, ihrem Broterwerb, Zeit und Kraft finden, um der Übermacht der frauenfeindlichen Bildungsbürger entgegen zu treten. Das tut sie mit Engagement und kritischer Intelligenz, aber unter diesen schlechten materiellen Voraussetzungen ist sie selbstredend nicht imstande, eine vollständige Rechtsphilosophie der Frauen zu entwickeln: sie hat als Frau nicht ein Leben lang Muße zu philosophischer Reflexion wie Kant, Fichte, Hegel, wie auch die kleineren Geister der Zeit, die Reaktionäres über »die Bestimmung des Weibes« produzieren, ohne daß die Frauen selbst in der Lage wären, sich auch nur verbal zu wehren: ihre intellektuellen Möglichkeiten verkommen im »Haus«, in Kindbetten, Küchen und bestenfalls bei Handarbeiten und Klavierspiel.
Die »Bestimmung« der Frau zum Gebären und Arbeiten im »Haus« war unter Berufung auf die Autorität Gottes, vertreten durch seine irdischen, männlichen Vertreter, religiöse Propaganda von mächtiger Gewalt. Daß diese »Bestimmung« nicht von Gott, sondern von Männern getroffen war, blieb mystisch-dunkel. Die meisten Philosophen des »Vernunft«-Rechts benutzten denn bequemer Weise die biblisch begründete Ideologie auch weiterhin, ergänzt und vermischt mit säkularen Ideologemen von der »natürlichen« Bestimmung der Frau zu eben den gleichen Diensten und unter Verweigerung all dessen, was der bürgerliche Mann für sich fordert, wenn er es nicht längst besaß: Bildungsfreiheit, Meinungsfreiheit, Berufsfreiheit, Freiheit und Schutz seines Privateigentums, worunter auch sein »Haus«, seine Frau und Kinder fallen, und Anteil am Staat. Gegen diese Definition von »Bestimmung« der Frau, d. h. auch der Definition ihrer »Natur« durch bürgerliche Männer, wendet sich A. Holst. Sie erkennt bereits sehr deutlich, daß eben nicht die »Natur«, sondern die »Kultur« den Frauen weiterhin niedere Arbeiten auferlegt, und diese Kultur wird von ungerechten, parteiischen, willkürlichen Männern gemacht: Holst identifiziert und entmystifiziert damit diejenigen, die »bestimmen«, und das sind eben die, die ein doppeltes Interesse daran haben, daß Frauen unter ihrer Herrschaft bleiben: einmal, um ihr Monopol auf Wissenschaft (und die damit verbundenen Vorteile) gegen die Frauen zu sichern, zum zweiten aber vor allen Dingen, um die Frauen weiterhin zu ihrem »Beruf« als Ehefrau, Mutter und Hausfrau als einzige Existenzmöglichkeit zu zwingen: durch Verbot und Verweigerung höherer Schulbildung und akademischer Ausbildung. Ein weiteres Mittel ist die haß- und neiderfüllte Diffamierung der intellektuellen Frau als »abartig«, »widernatürlich« usf.
In dieser Auseinandersetzung geht es allerdings noch um viel mehr als gleiches Bürgerrecht auf Bildung für Frauen, es geht um die Erhaltung der Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtem: geistige Arbeit für den Mann, Hausarbeit für die Frau, wobei das erstere erst durch das zweite möglich wird. Daher die »Notwendigkeit« der »Gehilfin«-Ideologie aus der Bibel, von den klerikalen Autoren bis zu den modernen Philosophen, die wie Rousseau und viele andere diese Ideologie nur ein wenig modernisieren: die Frauen haben überhaupt nur eine Existenzberechtigung, wenn sie den Zwecken des Mannes dienstbar und nutzbar gemacht werden können.
Diese Zwecksetzung der Frauen durch bürgerliche, vermeintliche Revolutionäre geschieht zu einem historischen Zeitpunkt, da man keinen Autor unverurteilt ließe, wenn er behauptete: Es sei die »Bestimmung«, der einzige »Zweck«, gar der »Beruf« des Sklaven, die niedere Arbeit für seinen Herrn zu tun. Und damit diese naturgegebene »Ordnung« nicht gefährdet werde, müsse man dem Sklaven verbieten, lesen und schreiben zu lernen, und nur wenn es für den Hausherren nützlich ist, dürfte er etwas lernen, - aber nur soviel, als es dem Zwecke, dem Profit und Vergnügen des Hausherren dient. Man würde einen solchen Autor als Feind der Aufklärung, als freiheits- und gleichheitsfeindlich bezeichnen und ächten. Da die »aufgeklärten« männlichen Vertreter der bürgerlichen Öffentlichkeit meist selbst keine Sklaven hielten, kostete sie diese aufgeklärte Meinung materiell nichts; aber da sie sich alle eine Frau hielten, würde die konsequente Einhaltung ihrer naturrechtlichen Prinzipien die Aufgabe ihrer Herrschaft und Ausnutzung von Frauen bedeuten.
Diese intellektuelle und politische Unredlichkeit und Doppelzüngigkeit in Bezug auf die Frauen wirft A. Holst den männlichen Autoren vor: die männlichen »Aufklärer« wollen aus Egoismus und Herrschsucht das Vertragsrecht - die friedliche Regelung unter Gleichen - nur für sich gelten lassen. Über Frauen wollen sie weiterhin das rohe Faustrecht, das Recht des Stärkeren aufrechterhalten, unter Mißachtung ihrer Menschen- und Bürgerrechte, die nach Holsts Auffassung selbstverständlich den Frauen in gleicher Weise zustehen wie den Männern, da auch die Frauen intelligente und vernunftbegabte Menschen sind.
Die Verweigerung der Bildung der Frauen hat auch noch eine andere politische Funktion: den so Ausgeschlossenen und gewaltsam Benachteiligten kann dann leichter geistige Minderwertigkeit »nachgewiesen« werden. Dieser Nachweis dient der »Begründung« ihres weiteren Ausschlusses, weil es ihnen an Vernunft mangelt. Aber nur wer »Vernunft« besitzt, ist ein Mensch und Bürger. Um die Frauen vom Prinzip des Rechtsstaates auszuschließen, ist es für die Bürgerpatriarchen »notwendig«, sie zu nicht-vernünftigen, unvernünftigen Wesen zu erklären. Das ist leicht möglich, wenn man sich selbst alle Bildungs- und Entfaltungsmöglichkeiten sichert und der beherrschten Klasse alle diese Möglichkeiten vorenthält. Übrigens ein altes Verfahren zur Herrschaftssicherung, das aber gegenüber Frauen, die auf Grund ihres Geschlechts explizit ausgeschlossen werden und nicht etwa nur, weil ihnen das Geld für alle Bildungsmittel fehlte, besonders rigoros und dauerhaft ist.
Diesen Begründungszusammenhang und seine sozialen Auswirkungen will Holst argumentativ durchbrechen. Sie kann im Jahre 1802 noch nicht die der Frau auferlegten »Pflichten« selbst in Frage stellen, aber sie kann die sehr geschickte Gegenthese aufstellen, daß erst eine gebildete Frau die ihr auferlegten Pflichten als Ehefrau, Mutter und Hausmutter gut erfüllen kann; lediglich der unverheirateten Frau muß erlaubt sein, ihre höhere Bildung zur Berufsausübung zu nutzen.
Wie schon Olympe de Gouges, wie viele feministische Autorinnen, die nach ihr kommen -u.a. Louise Otto und Helene Lange - kritisiert Holst das patriarchale Verdikt Rousseaus, das die Frau nicht als denkenden Menschen, sondern höchstens als Belustigungs- und Unterhaltsobjekt des Mannes behandelt.
Sie ist wahrscheinlich die erste deutsche Rousseau-Kritikerin. Viele Frauen werden ihr folgen, besonders die Pädagoginnen, die Kämpferinnen für Schul-, Berufs- und Universitätsausbildung der Frauen, alle, die für eine nichtpatriarchale neue Mädchenerziehung kämpfen. Rousseau, der mit seiner Ideologie versklavter «Weiblichkeit der patriarchal-bürgerlichen Gesellschaft so nützlich und vielen Milliarden Frauen so schädlich war und ist, genießt noch in der Gegenwart Autorität, ungeachtet seines Antifeminismus. Fast zweihundert Jahre Kritik von Seiten der Frauen an seiner angemaßten Autorität und seinem Größenwahn hat seine hohe Wertschätzung unter Pädagogen und anderen Ideologie-Produzenten noch immer nicht zerstört.
Viele Schreiberlinge ihrer Zeit, aber auch »klassiche« Autoren, deren Autorität und Ruhm bis in die Gegenwart nicht durch ihren Antifeminismus eingeschränkt werden, lassen sich aus Brot- und Wissenschaftsneid und ungezügeltem Egoismus gegenüber den Frauen zu Äußerungen hinreißen, so daß Holst sie als »Weiberhasser« bezeichnet, eine politische Kategorie wie Judenhaß und Rassenhaß.
Scharf kritisiert sie die Praxis der patriarchalen Ehe ihrer Zeit. Da nach geltendem Recht - dem Allgemeinen Preußischen Landrecht -alles Eigentum der Ehefrau (wie sie selbst, ihre Person) in die Hand des Mannes fällt, ist die Heirat für den Mann ein Akt des Eigentumserwerbs. Die Frau selbst ist ein Eigentumsobjekt, was notgedrungen mit in Kauf genommen wird: von ihrem Geld kann der Mann sich ein Haus halten und sich der Prostitution bedienen. »Seine« Ehefrau kann er als Mensch und als Rechtssubjekt völlig ignorieren, ja er kann ihren Gehorsam fordern und sie körperlich züchtigen. Ist die Frau jung und schön, ist sie kurze Zeit noch das Renomierobjekt des Bürger-Patriarchen. Als Individuum, als gebildeter Mensch mit Würde und Selbstrespekt, als dem Manne gleiche Gefährtin, ist sie unerwünscht.
Holst entwirft die Utopie einer völlig egalitären Ehe als Vertrag zwischen zwei gleichen vernunftbegabten Menschen, die ihre Intelligenz, ihr Menschentum frei entfalten könnten. Diese Gleichheit und Selbstentfaltung soll nicht allein den Individuen zu höchstem Glück, sondern auch der ganzen Menschheit dienen. »Autorität und Herrschaft« des Mannes über die Frau in der Ehe, erteilt sie eine selbstbewußte Absage, und die Konservierung seiner irrationalen Machtansprüche erachtet sie als Verrat der Aufklärung.
Die Maximen, die Argumente dieser »Aufklärung« greift sie auf, nimmt sie beim Wort und wendet sie gegen ihre Verkünder: Gleichheit, Freiheit, Bildung für alle Menschen (d.h. nicht nur für alle männlichen). A. Holst läßt an der Wahrheit des Menschseins der Frauen nichts abhandeln, nichts sophistisch pervertieren. Frauen sind ohne allen Zweifel Menschen, folglich liegt das Vergehen auf Seiten der Männer, die die Frauen gewaltsam von Entfaltungsmöglichkeiten, wie geistige Arbeit es ist, ausschließen. Holst ist damit die erste Frau in deutschen Ländern, die schon im Entstehungsprozeß des »Rechtsstaates«, lange vor der politischen Realisierung, die politischen Theoretiker und ihre Anhänger des Verrats am weiblichen Volk überführt: allein Mannesrecht, nicht Menschenrecht wird verfochten. Die vermeintlich progressiven Sozialphilosophien tragen in sich den unversöhnlichen Widerspruch von bevorrechteten Männern und rechtlosen Frauen. Die »Theorie« hat bereits den Doppelcharakter von bürgerlicher Revolution (für sich) und patriarchaler Reaktion (gegen die Frauen, und zwar gegen alle Frauen ohne Ausnahme). Die Propaganda von der »Gleichheit aller Menschen« hat sie schon im Jahre 1802 der Lüge überführt. Daher »mußte« diese scharfe Gesellschaftskritikerin von der herrschenden Kultur totgeschwiegen werden.
Amalia Holst, die weibliche Sozialphilosophin aus Liebe zur Weisheit, aus Liebe zu den unterdrückten Frauen, ist in ihrer Gesellschaftskritik radikaler, scharfsichtiger und in ihren Erkenntnissen wahrheitsliebender und weiser als die »klassischen« großen bürgerlichen Philosophen des Naturrechts.
 

Ernestine

Welches sind die natürlichen Vertreter der Rechte der Frauen?, 1840

Der Artikel erschien im Frauen-Spiegel, Vierteljahresschrift für Frauen, herausgegeben von Louise Marezoll, Leipzig 1840, Band I, S. 213-232. (Wahrscheinlich sind nur drei Jahrgänge erschienen.)
Dem folgenden, leicht gekürzten Text liegt die oben genannte Ausgabe zugrunde. Rechtschreibung und Zeichensetzung wurden den heutigen Normen angepaßt.
 

Welches sind die natürlichen Vertreter der Rechte der Frauen?

In dieser notwendig gewordenen Frage liegt eine Anklage verborgen. Daß sie in einer Periode der vielfach gepriesenen Zivilisation, in welcher alle Spuren vorzeitlicher Barbarei längst verschwunden sind, alle Lebensverhältnisse, durch das Feuer der Verfeinerung gegangen, die höchste Läuterung erhalten haben, doch noch aufgeworfen werden kann und muß, zeugt freilich von der Unvollkommenheit menschlicher Einrichtungen in Bezug auf das weibliche Geschlecht, von der Ungerechtigkeit, mit welcher die irdischen Güter, Macht und Gewalt verteilt sind, von der mangelnden Gleichheit zwischen Mann und Weib. Gott, der Vater des ganzen Menschengeschlechts, beabsichtigte bei der Erschaffung seiner «Welt keinen Unterschied, keine Begünstigung des einen Geschlechts vor dem andern. Er wollte nicht, daß der eine Teil stärker, beglückter, besser, geeigneter sein göttliches Ebenbild zu erreichen, als der andere sein sollte. Mit gleichen Anlagen, Vorzügen, Fähigkeiten, Fehlern und Schwächen bildete er Mann und Weib; aber auch mit gleichen Rechten und Ansprüchen an die Genüsse und Herrlichkeiten seiner reichen Schöpfung. Gemeinschaftlich sollten sie Freud' und Leid, Mühe und Sorge, die Arbeiten und Lasten des Lebens tragen; abnehmen sollte der stärkere dem schwächeren Teil die beschwerlichsten Bürden, ihm sie tragen und erleichtern helfen, wo kein Abnehmen möglich. Schützen und beschirmen sollte der kräftigere Mann das schwächere Weib; aber nicht unterdrücken, seine Gewalt nicht mißbrauchen.
Der Beruf des Weibes ist schon wegen dieses geringeren Maßes von Körperkraft ein anderer als der des Mannes, deshalb jedoch kein geringerer, unwürdigerer, kein so beschränkter, als man ihm glauben machen will. Er ist auch von Gott eingesetzt und deshalb ein göttlicher.
Hätten dies die Männer von jeher erkannt, hätten sie dem Weibe immer die ihm gebührende Achtung, Liebe, Nachsicht und Teilnahme bewiesen, es nicht durch Dienstbarkeit unterdrückt, durch Herrschsucht, Egoismus und Übermut herabgewürdigt; hätten sie es Teil nehmen lassen an allem, wo ihm Stimme und Ausspruch zukommt, es als Gefährtin, als gleichstehend betrachtet; nimmermehr wüide der trostlose Zustand eingetreten sein, der schon oft Selbsthilfe nötig gemacht, das Weib nicht selten gezwungen hat, seine ursprünglichen Rechte selbst zu verteidigen. Denn wo Beeinträchtigung und Beschränkung der Privilegien stattfinden, tritt auch bei kräftigen, energischen Gemütern notwendig das Verlangen (wohl auch der Versuch) zur Selbsthilfe oder Gegenwehr ein.(...)
Minder selbständige Naturen aber (und aus diesen besteht unser Geschlecht hauptsächlich) schlagen fast nie diesen kräftigen Weg der Selbsthilfe ein; sie lassen sich unterdrücken, verdrängen, in immer engere Grenzen verweisen, geistig in Fesseln schlagen. In diesen Armen entsteht dann das natürliche Verlangen nach Schutz und Schirm, sie sehen sich nach einem Verteidiger um. Und da Gottlob nicht alle Männer vom Geiste des Hochmuts beseelt sind, nicht alle einstimmig die Unterdrückung des Weibes heischen, so läge die Antwort auf die oben aufgeworfene Frage: welches sind die natürlichen Vertreter der Rechte der Frauen? ganz nahe.
Sollte nicht jeder billig denkende, jeder bessere Mann sich berufen fühlen, der täglich mehr überhandnehmenden Ungerechtigkeit, der immer wachsenden Geringschätzung des großen Haufens gegen das weibliche Geschlecht entgegenzuarbeiten, die geschmälerten, verkümmerten Rechte der Frauen zu vertreten, ihnen als Schutz und Beistand zur Seite zu stehen!(...)
Aber nur zu oft sehen wir selbst die besseren Männer, wenn auch nicht gleichgültig und unempfindlich bei dem Mißbrauch ihrer Kollegen, doch untätig dabei verharren. Nur einzelne Stimmen erheben sich, die gekränkten Rechte der Frauen zu verteidigen, Hand, Mund und Feder zu ihrem Beistand zu gebrauchen, und diese Ausnahmen werden meistens, eben wegen ihrer Seltenheit, teils verlacht, teils überschrien und erreichen deshalb ihren lobenswerten Zweck nur selten oder doch nur halb.
Haben denn aber die Frauen der jetzigen Zeit durch ihre Stellung, durch ihr Benehmen, durch ihre Ansprüche den Männern Veranlassung, hinreichenden Grund gegeben, sie fast in allen Stücken niederzudrücken, ihnen durch Machtgebote, oder wo solche nicht gewagt werden, durch die selten ihr Ziel verfehlenden Pfeile des Spotts, jeden Schritt aus dem häuslichen Gleise zu verwehren, ihnen Urteil, Entscheidung, Wort und Stimme in allen Dingen abzusprechen - kurz sie zu Maschinen herabzuwürdigen? Diese Frage verdient eine genauere Untersuchung.
Halten wir die Idee fest, daß Gott Mann und Weib mit gleichen Gaben und Anlagen ausgestattet, beide zur Aufrechterhaltung des großen Ganzen, zu nützlicher Anwendung der verliehenen Kräfte, zur Beförderung des allgemeinen und einzelnen Wohles - mit einem Wort, zu gemeinsamer Erhaltung der Lebensordnungen erschaffen hat: so müssen wir auch annehmen, daß den Frauen ein größerer Spielraum zur Anwendung ihrer Gaben angewiesen worden ist als Küche und Kinderstube, in welche man von neuem bemüht ist, das weibliche Geschlecht, wie im Mittelalter, ohne Unterschied des Standes, der Fähigkeiten, Neigungen und Kräfte zu verweisen. Abgesehen davon, daß diese beiden beschränkten Wirkungskreise nicht allen Gliedern des weiblichen Geschlechts hinlängliche Beschäftigung bieten, daß nicht alle Frauen und Mädchen in gleichen häuslichen Verhältnissen leben, eine verschiedene Erziehung erhalten und vor allem nicht dieselben Neigungen haben: so ist doch auch nicht wahrscheinlich, daß der weise Schöpfer ihnen so manche Kraft, so viele Gaben, Fähigkeiten und Talente umsonst verliehen haben sollte. Denn was nicht ausgeübt wird, sich selbst und anderen keinen Nutzen gewährt, ist ein totes Kapital. Und wir sollen nach dem göttlichen Gebot mit jedem uns anvertrauten Pfund wuchern, so viel Gutes damit stiften als in unseren Kräften steht. Also nicht allein für Küche und Kinderstube sind wir bestimmt. Dies geht ferner daraus hervor, daß nicht allen Frauen ein eigner Herd und eigene Kinder gegeben sind, Wirtschaft, Haushalt und Kinderzucht oft gar nicht von ihnen verlangt werden; daß die Vorsehung sie mitunter in Lagen versetzt, in welchen Sorge für die eigene und fremde Erhaltung Pflicht ist, Ausübung der erlangten Kenntnisse und Fertigkeiten notwendig werden, daß sie in Verhältnisse kommen, in denen sie zu anderen Beschäftigungen greifen müssen, um dem leeren Dasein Gehalt und Interesse zu geben, um für irgend einen Zweck zu leben, irgend einen nützlichen Beruf auszufüllen. Und wenn den Männern die größte Mannigfaltigkeit in der Wahl ihres Berufs gestattet wird, wenn es ihnen freisteht, nach Maßgabe ihrer geistigen und körperlichen Kräfte, nach eigener Neigung eine das Leben ausfüllende Beschäftigung zu erwählen: warum sollte uns Frauen eine so enge Grenze gezogen, wir darauf beschränkt sein, unseren Beruf blindlings zu ergreifen und nicht nach dem eigenen Gefallen, nach Maßgabe unserer Fähigkeiten zu erwählen? — Eine solche Ungerechtigkeit, eine solche Bevorzugung gleichausgestatteter Wesen äußert sich nirgends in der Natur, findet also auch hier nicht statt, wird nur durch Menschensinn und Menschenwillkür eingeführt. Mannigfaltig sind die Gaben, die uns der Schöpfer verliehen hat; mannigfaltig muß daher auch die Anwendung derselben sein. Wir verlangen ja nicht, uns den Männern in allen Punkten gleich zu stellen, ihre Ämter und Würden zu teilen. Wir wollen keine Alleinherrschaft, weder im Hause, noch auf dem Throne, keine uns nicht zukommenden Rechte: aber wir wollen freie Menschen sein; wir wollen unseren Beruf, wenn ihn die Verhältnisse nicht gebieterisch vorschreiben, wie unsere Ehemänner selbst wählen; wir wollen in einem gewissen Alter mündig werden, ohne Vormund und Kurator handeln, nicht bis ans Grab am Gängelbande geleitet, wie Blinde an der Hand geführt werden. Und diese Forderung wird und muß jeder Billigdenkende gerecht finden, diese Forderung sollten die Männer als die natürlichen Vertreter der Rechte der Frauen unterstützen; und wenn sie es nicht tun, versündigen sie sich an der Natur, versäumen sie die schönste Anwendung ihrer überwiegenden Kraft, vernachlässigen sie ihre heiligste Pflicht.
Werfen wir nun einen prüfenden Blick auf die Verhältnisse und Beschäftigungen der verschiedenen Stände unseres Geschlechts, so ergibt sich auch hier ein Unterschied, der zum Nachteil der mittleren und höheren Stände ausfällt. Wir sehen die Frauen und Töchter der niederen Klassen offenbar vor uns bevorzugt; hier beschäftigt, den Gatten und Vater bei Kunst und Gewerbe zu unterstützen, ihm beim Handel und Verkauf zu helfen; dort bei der Ausübung eines leichten Handwerkes tätig zur Seite zu stehen.
Der Handarbeiter, Tagelöhner, Fischer, Gärtner, Ackersmann u. a. m. nimmt die Hilfe der Seinen nicht allein dankbar an, sondern fordert sogar in den meisten Fällen als Recht, daß sie nach vollbrachten Haushaltungsgeschäften ihre Kräfte dem Haupterwerb widmen und dem Hausvater die leichteren Arbeiten abnehmen. Er verliert deshalb nichts von seiner Würde, bleibt Ernährer und Versorger der Seinigen, Oberhaupt des Hauses; aber er erkennt den Fleiß und die Geschicklichkeit seiner treuen Gehilfinnen an, läßt sie an den Freuden und Leiden seines Berufes Teil nehmen, betrachtet sie als Seinesgleichen und stellt sich in der eigenen Meinung nicht tausend Klafter über sie. Es entsteht eine gewisse Gleichheit, die zum Glück und Frieden des Hauses dient, die gegenseitige Achtung erhält.
Den Töchtern eröffnen sich außerdem noch die verschiedenen Zweige des dienenden Standes als Haus-, Küchen-, Kinder-und Kammermädchen, sie können sich zu Wäscherinnen, Plätterinnen, Näherinnen, Schneiderinnen und zu einer Menge anderer Beschäftigungen vorbereiten und sind gewiß, in jedem der erwählten Stände eine einstige Versorgung zu finden, ihre Zukunft gesichert zu sehen.
Weshalb sollen nun die mittleren und höheren Stände nicht auch nach ihren verschiedenen Gaben und Fähigkeiten sich auszubilden und zu wirken suchen, da doch auch ihnen so manches Feld des Wirkens offen steht, auch sie nach der inneren Befriedigung eines nützlichen Berufes verlangen? Sollten denn hier allein unübersteigliche Hindernisse dem natürlichen Drang entgegenstehen, für sie kein Ausweg zu finden sein?(...) (213-220)
Lassen wir aber auch Vorsteherinnen eines Haushalts, Versorgerinnen einer Familie ganz aus dem Spiel, so gibt es doch so viele einzeln stehende Frauen, Kinderlose, Witwen, Unverheiratete, deren Zeit kein bestimmter Beruf in Anspruch nimmt. Diese sind nicht in Küche und Kinderstube, an den Strickstrumpf und das Nähzeug zu verweisen; ihnen muß gestattet sein, von ihren Fähigkeiten, Talenten und Kenntnissen Gebrauch zu machen, sich gemeinnützig zu beschäftigen. Und hierzu stehen ihnen manche Wege offen, würden sich ihnen noch mehrere eröffnen, wenn die Männer, die natürlichen Vertreter der Rechte der Frauen, sie mit Rat und Tat unterstützten, sie über die geeignetste Art, das Erlernte wieder zum Nutzen anderer anzuwenden; unterrichteten, sie aufmerksam auf das Mangelnde machten und ihre Leistungen mit Unparteilichkeit richteten.(...)
Hören wir aber die Männer mit Geringschätzung von allen Arten weiblicher Leistungen (außer in dem häuslichen Bereich) sprechen, sie für unfähig zum ersten Unterricht der Kinder, zum Lehren fremder Sprachen, zu Unterweisungen in Musik und Zeichnen, zum Ausüben der Künste, zu allen schriftstellerischen Arbeiten erklären; so entsteht daraus natürlich nur Bitterkeit und bei einigen wohl gar die gewiß oft irrige Ansicht, daß die strengen Richter, von Neid und Eifersucht entbrannt, keine weiblichen Nebenbuhler in ihren verschiedenen Sphären dulden wollen, sie deshalb für unfähig erklären, dieselbe Bahn mit ihnen zu betreten. Sei nun der Grund der Geringschätzung, welcher er wolle, Vorurteil, Irrtum oder Neid; stamme er aus dieser oder jener Quelle - die Geringschätzung an und für sich bleibt immer eine Ungerechtigkeit.
Zugestanden, daß unser Jahrhundert überreich an weiblichen Produktionen ist, daß es viele Stümperinnen in der Kunst, viele seichte Schriftstellerinnen und oberflächliche Lehrerinnen aufzuweisen hat; aber gibt es denn nicht ebensoviele männliche Stümper und Pfuscher in dieser und jener Kunst, seichte Schriftsteller, oberflächliche Lehrer? Und wem kommt es zu, dieser Sucht zu steuern, die falschen Propheten von den wirklichen zu scheiden, den wahren, innern Beruf zu befördern, den eingebildeten als solchen darzustellen; mit einem Worte, das Unkraut vom Weizen zu sichten?(...) (220-222)
Eitel und verblendet, durch falsches Lob der Schmeichler irregeleitet können die Frauen manchmal sein, und deshalb wohl nicht immer gleich von ihrer Unfähigkeit zu dieser oder jener Lieblingsbeschäftigung zu überzeugen; aber selten sind sie doch ganz unzugänglich, verstockt. Und wenn ihnen wohlmeinend, ohne Bitterkeit, ohne verletzenden Spott bewiesen wird, daß sie einen falschen Pfad eingeschlagen, daß sie auf eine andere Weise die innere Befriedigung einer nützlichen, das Ganze fördernden Beschäftigung erreichen können: so wird zum öftesten die richtige Erkenntnis folgen und heilsame Früchte tragen. Doch wo wirklich Talente und Fähigkeiten vorhanden, sollen und müssen dieselben auch anerkannt, erwähnt, durch Lob aufgemuntert werden, damit man sehe, daß sie Würdigung gefunden. Dies gereicht nicht allein denen, die eine solche Anerkennung verdienen, sondern auch denen, deren Leistungen und Fertigkeiten verworfen werden, zum Nutzen, spornt die Fähigen zum Weiterschreiten an und beweist den Unfähigen, daß ihre Leistungen nicht als weibliche Leistungen, sondern als schwaches Machwerk verdammt worden sind. - Möchten doch diejenigen unter den Männern, deren Stimmen Eingang finden, die durch ihre Stellung in der Welt, durch ihren Charakter und ihre Gesinnungen als unparteiische, kompetente Richter anerkannt sind, sich der Mühe unterziehen, Frauenwerke mit strenger Gerechtigkeit zu beurteilen, deren Schöpferinnen auf das Mangelhafte darin aufmerksam zu machen, sie zur Fortsetzung aufzumuntern, oder ihnen zum Abtreten von diesem Schauplatze zu raten - kurz redlich, ohne Parteigeist mit ihnen zu verfahren. Dann würde es sich zeigen, daß auch die geistigen und künstlerischen Gaben beiden Geschlechtern von der Natur mit gleicher Waage aufgeteilt, daß die Frau in der ihr erreichbaren Sphäre ebensoviel Kunst- und Scharfsinn, ebensoviel Talent und Geist, ebensoviel Tiefe und Geschmack, ebensoviel Kraft und Energie entwickeln kann als der Mann.(...)
Diejenigen Frauen aber, die sich dem Lehrfache widmen, ihre Kenntnisse und Talente zum Unterricht der Jugend benutzen wollen, sollten sich vorher der Prüfung sachverständiger Männer unterwerfen. Wie jeder in ein Amt tretende Mann erst Proben seiner Fähigkeiten ablegen muß, ehe er reif dafür erklärt wird, sollten auch die Frauen erst durch die Tat beweisen, daß sie fähig für das erwählte Fach sind. Dann würden und müßten die so häufig ausgesprochenen Klagen über das Einseitige, Unvollständige des weiblichen Unterrichts aufhören, oder der Vorwurf auf die Männer zurückfallen, die das Mittelmäßige oder gar Schlechte durchgehen lassen. Dann würde aber auch die Vorbereitung zum Lehrfach bei den Frauen gewiß gründlicher betrieben werden und die minder Befähigten sich durch die Aussicht auf strenge Prüfung und mögliche oder wahrscheinliche Verwerfung abschrecken lassen. Es würde mehr Ernst in die Sache kommen, und dieser tut unserm Geschlecht oft not.(...)
Man raube den Töchtern der mittleren und höheren Stände nicht die Mittel, sich gleich denen der dienenden und arbeitenden Klasse zu einem bestimmten Berufe vorzubereiten, eine gewisse Selbständigkeit zu verschaffen; denn dadurch wird einem der größten und dauerndsten Übel, den häufigen unglücklichen Ehen vorgebeugt. Manches Mädchen sieht sich in die schreckliche Notwendigkeit versetzt, entweder ein ungewisses Los der Dienstbarkeit, des Gnadenbrotes bei Verwandten oder ein ohne Liebe und Achtung geknüpftes eheliches Band zu erwählen, weil ihm die Gaben, Talente oder Fertigkeiten fehlen, sich einen selbständigen ehrenvollen Beruf zu verschaffen, sich ohne fremde Hilfe in der Welt zu behaupten. Es ergreift in der bitteren Not die dargebotene Hand des ungekannten, ungeliebten oder unleidlichen Mannes und bereut ein langes Leben hindurch, nichts Tüchtiges gelernt zu haben, um sich eine unabhängige Existenz sichern zu können, oder durch falsche Scham verleitet worden zu sein, das früher Erlernte öffentlich in Anwendung zu bringen - eine falsche Scham, die nur zu oft Folge früh eingeprägter Vorurteile, verkehrter, engherziger Lebensansichten ist.
Leider ist die schwankende Stellung, der unrichtige Gesichtspunkt, aus welchem der Stand der unverheirateten Frauen in der Welt betrachtet wird, noch eine sehr große und gefährliche Klippe für unser Geschlecht, das unverdiente Ridicül, das auf dem ganzen Stande ohne Ansehen der Person haftet, ein schwerer Stein des Anstoßes, den hinwegzuräumen nicht alle Mädchen Kraft und Einsicht genug besitzen. Und forschen wir nach dem Ursprünge dieses grundlosen Ridicüls, nach der Veranlassung dieses Vorurteils, so erfahren wir, daß die Männer, die natürlichen Vertreter der Rechte der Frauen, es in der Regel sind, welche einen von Natur ehrenwerten, oft durch wundersame Verkettungen, durch fremde Schuld und Einwirkung, durch Tod und Untreue oder durch unbekannte, aber edle Motive hervorgebrachten Stand lächerlich machen, ihm in den Augen der Welt eine falsche, unverdiente Bedeutung geben, ihn dem Spotte der Unvernünftigen aussetzen. Anstatt solchen von der Hand der Menschen und des Schicksals zuweilen hart berührten Geschöpfen durch vermehrte Achtung zu beweisen, daß sie ihnen die Ungerechtigkeit des Geschicks, die Entbehrung mancher Vorteile und Auszeichnungen, das einsame Los zu versüßen, ihnen durch kleine Hilfeleistungen, durch Beistand in dem selbstgewählten Wirkungskreise das Leben zu erleichtern bemüht sind, tragen sie durch ihre laut ausgesprochenen Urteile sehr oft selbst durch ihr rücksichtsloses Betragen dazu bei, den Stachel noch schärfer zu machen, der Verlassenen, Alleinstehenden den Mangel männlichen Schutzes noch schmerzlicher fühlen zu lassen. Und was ist die Folge dieser unverdienten Härte und Vernachlässigung? Daß selbst solche Mädchen, deren Zukunft durch Vermögen, Klosterstellen oder Rentenanstalten gesichert ist, nur um diesem schrecklichen Schicksal zu entgehen, eine sogenannte Versorgung zu finden und vor allen Dingen den bevorzugten Frauentitel zu erlangen, ohne Liebe und Achtung, ja selbst ohne reifliche Überlegung des wichtigsten Schrittes mit frevelhaftem Leichtsinn ein eheliches Bündnis schließen und höchst unglücklich werden.
Werfen wir einen prüfenden Blick in so manche aus solchen Rücksichten geschlossene Ehe, und es wird sich zeigen, wie unheilbringend, wie trostlos sie sich gestaltet hat, wie viel bittere Reue, wie viel Schmerz und Gram sie hervorgebracht, zu wie manchen anderen unbesonnenen Schritten sie verleitet, wie verderblich ihr Beispiel auf die nächsten Umgebungen gewirkt hat. Darum laßt Euch warnen, sowohl Ihr, die Ihr in dem Vorurteil erzogen, daß nur der Ehestand Anspruch auf Achtung der Welt gibt, als auch Ihr Armen, denen das Schicksal keine gesicherte Zukunft bietet, die Ihr einem einsamen und verlassenen Lose entgegengeht - laßt Euch warnen vor dem unbesonnenen Schritt einer solchen Heirat. Und geht auch nicht immer Unglück aus dergleichen Verbindungen hervor, sehen wir, daß Vernunft, Klugheit und Nachgiebigkeit manchmal hinreichend sind, das Leben anfangs erträglich, später aus Gewohnheit sogar angenehm zu machen; ist selbst der Fall nicht unerhört, daß das Wagstück gut ausfällt, eine solche Ehe eine glückliche genannt zu werden verdient; so rächt sich doch leider weit häufiger der Leichtsinn, die bloße Berücksichtigung der äußeren Lage auf vielfache Weise, und die Zahl der unglücklichen, aus diesem Grunde unglücklich gewordenen Ehen ist Legion.
Törichte Eltern, die, nur das eine Ziel der Versorgung im Auge, durch Wort und Tat solche Verbindungen befördern, statt die an sich und anderen gemachten Erfahrungen zum Glück ihrer Kinder zu benutzen, sie mit allen ihrer harrenden Gefahren bekannt zu machen, sie ungewarnt, ja wohl noch durch Überredung verleitet, in die Welt hinausstoßen. - Wie viel besser würdet Ihr für Eure unbemittelten Töchter sorgen, wenn Ihr sie einfach, ohne Ansprüche, ohne viele Bedürfnisse, fähig, auch einen Mann in beschränkten Umständen zu beglücken, für das Haus und das Leben erzöget.(...) (224-228)
Wenige Eltern sind so weit gekommen, mit Ruhe das Schicksal ihrer Töchter abzuwarten, sich keine Sorge darüber zu machen, es dem Lenker aller irdischen Dinge anheimzustellen, keine befördernden Schritte zu ihrer Versorgung zu tun, es ihrem eigenen Herzen, ihrer eigenen Wahl zu überlassen, ob sie frei bleiben oder sich binden wollen; es nicht als ein Unglück zu betrachten, wenn das rechte Begegnen nicht stattgefunden, wenn der Wunsch, in ein anderes Verhältnis zu treten, nicht erwacht, der Freiheitssinn zu mächtig ist, wenn Gottes unerforschter Wille es anders beschlossen hat. Seid auf diesen Fall bedacht, stellt Euren Töchtern eine glückliche, auf Neigung und Achtung gegründete Ehe als das schönste Los auf Erden vor, das aber nicht allen beschieden ist; zeigt ihnen das Elend einer Verbindung ohne solche Grundpfeiler, die schrecklichen Folgen des unverantwortlichen Leichtsinns, das heiligste Band aus kleinlichen Rücksichten zu knüpfen. Aber eröffnet ihnen zugleich einen andern Wirkungskreis, damit sie nicht glauben müssen, ihren Lebenszweck verfehlt zu haben, wenn Schicksal, Verhältnisse, eigner Wille oder Treulosigkeit sie vom Ehestand ausschließt. Stellt sie auf einen Platz, wo sie nützen und wirken können; gebt ihnen Gelegenheit, das Erlernte wieder zum Besten ihrer Mitmenschen anzuwenden. Niemand ist so arm an Kenntnissen und Geschicklichkeiten, so gänzlich verwahrlost, um nirgends tätig eingreifen zu können. Eine vorzüglich ausgebildete Seite ist fast immer da, und diese muß hervorgesucht, vervollkommnet, gemeinnützig gemacht werden. Dann fällt das Drückendste, das Schwerste des unverheirateten Standes hinweg - das Gefühl, unnütz, überflüssig zu sein. Und ist das Mädchen früh gewöhnt worden, sich auf diesen allgemeinen Beruf ebenso sorgfältig vorzubereiten, wie auf den der Gattin, Hausfrau und Mutter; ist ihm kein falsches Bild, kein ungerechtes Vorurteil, kein lächerlicher Nebenbegriff von dem ledigen Stande eingeflößt worden: so werden die leichtsinnigen Verbindungen aus Furcht vor dem Übrigbleiben immer seltner werden; dahingegen die Zahl der sich würdig benehmenden, zweckmäßig beschäftigenden, mit Achtung behandelten Unverheirateten die der pedantischen, verhärteten, bitteren, langweiligen und der Welt nicht nützenden alten Jungfern weit übertreffen. Die Männer aber, diese natürlichen Vertreter der Rechte der Frauen, sollten bedenken, daß nicht immer eigene Schuld, nicht immer jugendlicher Hoch- und Übermut selbst bei äußeren Vorzügen und Reichtum) als Hindernis ehelicher Bündnisse zu betrachten sind; daß die im Leben gespielten Romane oft einen ganz anderen, unerwarteten Ausgang nehmen, als zu vermuten stand, daß Verhältnisse, Menschen und Leidenschaften, Tod und Untreue häufig als Schicksal auftreten und früh geknüpfte Bande wieder zerreißen; daß sie selbst durch übertriebene Ansprüche und Forderungen das Heiraten erschweren, durch Egoismus, Laune und Herrschsucht das zartere Geschlecht einscheuchen und ängstlich machen, sich in die offenbare Gefahr der Sklaverei zu begeben. Sie sollten ferner bedenken, daß das Gefühl, unbeachtet zu bleiben, unverlangt durchs Leben zu gehen, schon an und für sich ein drückendes, demütigendes ist, nicht noch durch Spott oder gar Geringschätzung erhöht werden darf. Stellten sich die Männer vor, daß in manchen Mädchenherzen ein schwerer Kampf dem Entschlüsse, unverheiratet zu bleiben, vorausgegangen, daß die anscheinend freiwillige Entsagung oft mit großen Opfern verbunden gewesen, tiefer, unauslöschlicher Schmerz aber nicht selten der Lohn jahrelanger Treue, der Begleiter für das übrige Leben geblieben ist - es würde ihnen nicht schwer werden, denen, die das Schicksal dazu erkoren, einsam und ohne Anhalt im Leben zu stehen, durch vermehrte Achtung, durch aufmerksames Entgegenkommen, durch bereitwillig gewährten Schutz und Beistand zu beweisen, daß sie die natürlichen Vertreter der Rechte der Frauen sind.
Möchten doch diejenigen, deren richtiges Gefühl ihnen schon längst diese Rolle angewiesen, auch den Mut haben, sich der so oft gekränkten und geschmälerten Rechte der Frauen tätig anzunehmen, ihnen zur Erfüllung aller bescheidenen Forderungen zu verhelfen, sie auf den Punkt zu stellen und zu befestigen, den ihnen Gottes weise Fürsorge bestimmt, ihre Freiheit zu beschützen, ihre Fähigkeit zu größerer Wirksamkeit anzuerkennen, sie als rechtmäßige Miterben der Herrlichkeiten dieser Welt zu betrachten. Dann würde das gute Beispiel nicht ohne Nachfolge bleiben und sich unserem vielfach hart bedrängten Geschlechte eine Aussicht zu größerer Glückseligkeit eröffnen. Gern will ich das Fragezeichen beim Titel dieses Aufsatzes streichen, sobald es sich erwiesen, daß die Männer wirklich geworden sind, wozu sie Gott in Bezug auf uns bestimmt, zu welchem Zweck ihnen die größere Gewalt gegeben: die natürlichen Vertreter der Rechte der Frauen. Damit sie aber diese Pflicht freudig erfüllen, laßt uns auch unsrerseits nicht versäumen, sie dazu aufzumuntern durch Anerkennung der ihnen über uns verliehenen Gewalt, durch Nachgiebigkeit, Anspruchslosigkeit, Bereitwilligkeit, uns von ihnen leiten zu lassen. Wir wollen es zu verdienen suchen, daß sie als Verfechter unserer Rechte auftreten. Um aber unsere Klagen so wie unsere guten Vorsätze vor ihr Ohr zu bringen, fordere ich hiermit alle Leserinnen dieser Zeilen auf, ihren männlichen Angehörigen den Inhalt derselben mitzuteilen. (228-232)
Ernestine
 

Kommentar

Die Frage im Titel dieses politischen Essays kann traditionell oder aufrührerisch gelesen und beantwortet werden. In der Frage, öffentlich von einer Frau gestellt, liegt aber bereits Zweifel an den »Vertretern«, mehr noch, eine »Anklage«.
Es muß an dieser Stelle erläutert werden, daß die Familienoberhäupter nach außen, also jenseits des Hauses, als Vertreter der Menschen galten, die in ihrem Haus lebten und unter ihrer Gewalt standen. Der Mann war als ,,Haupt« gewohnheitsrechtlich und gesetzlich Vertreter von Frauen, Kindern und Hausgesinde. Er allein war juristischer Vertreter der Frau, die unter seiner »Ehevogtei« oder Geschlechtsvormundschaft stand. Diese Vertreter-Stellung des Familienpatriarchen ■wurde als von Gott selbst eingesetzt erachtet und weitere Legitimierung nicht für notwendig gehalten. Eine rationale Begründung dafür gibt es nicht. Vertreter der sogenannten Aufklärung übernahmen das religiöse Ideologem oder ersetzten es durch das pseudo-religiöse des Naturrechts: die patriarchale Vormundschaft über Frauen gilt nun als »natürlich« und natumotwendig. - Die dem Hausvater unterstellten Familienangehörigen standen also unter seiner Gewalt. Das Verhältnis zwischen ihnen, den »Vertretern« und den Frauen, war rechtlich nicht geregelt: Übergriffe gegen Familienmitglieder, besonders die Frauen, konnten rechtlich nicht geahndet werden, da die Betroffenen ohne »Stellvertreter« nicht bürgerlich handlungsfähig waren. Der Hausvater galt zudem, war er doch zugleich auch Inhaber allen Familieneigentums, in der Gesellschaft und im Staat als politischer Vertreter seines »Hauses«. Seine Gewalt gegenüber seiner Frau und den weiblichen Familienangehörigen war rechtlich fast unbeschränkt.
Diese unkontrollierte und folglich unbeschränkte Gewalt des Mannes im Hause bedeutet beispiellose »Ungerechtigkeit, mit welcher die irdischen Güter, Macht und Gewalt verteilt sind«, und zwar »z-wischen Mann und Weib«. Damit hat die Autorin das Verhältnis als ökonomisches, soziales und politisches bezeichnet, ein Verhältnis, in welchem die Verteilung von Eigentum und Macht zu Gunsten der Männer und zu Ungunsten der Frauen, also höchst ungleich und ungerecht ist. Diese Erkenntnis ist ebenso scharfsinnig wie provokant, galt doch die Unterordnung der Frau und die Abtretung allen Eigentums an den Mann, die Verfügung über ihre Person eingeschlossen, als selbstverständlich, weil angeblich »natürlich«.
Die Autorin erklärt diese ungleiche Verteilung für illegitim, indem sie sich auf die Autorität Gottes beruft, der alle Menschen gleich geschaffen »keine Begünstigung des einen Geschlechts vor dem andern« beabsichtigt habe. Die männlichen Verfechter der Unterwerfung der Frau berufen sich zur Rechtfertigung stets auf Gott, aber man kann Aussagen der Bibel auch anders deuten, und die Autorin benutzt nun die biblische Autorität für ihre legitimen Zwecke. Die Familienväter betreiben hingegen die Exegese von Bibelstellen stets zu Ungunsten der Frauen. Selbstbewußt stellt die Autorin die These auf, Gott habe Mann und Frau mit gleichen Anlagen und Fähigkeiten ausgestattet, daraus folge der Anspruch auf gleiche Rechte an den Genüssen und Gütern der Welt. Der physisch stärkere Mann habe zudem die Christenpflicht, der schwächeren Frau zu helfen, keineswegs dürfe er seine größeren Körperkräfte zur Unterdrückung der Frau mißbrauchen. Die Männer haben die Gebote des egalitären Christentums mißachtet und die Frauen durch »Herrschsucht, Egoismus und Übermut herabgewürdigt«, so daß sie nun zu »Selbsthilfe« greifen müssen, um ihre gleichen Rechte zu verteidigen. Die Autorin spricht sogar von »Gegenwehr«. - Man kann in diesen Äußerungen durchaus die Begründung eines Widerstandsrechtes der Frauen gegen den Patriarchalismus sehen: das Recht auf Widerstand, auf Gegenwehr gegen tyrannische Unterdrückung war seit 1789 öffentlich proklamiert, vorher von politischen Autoren mehrfach begründet. Daß auch Frauen es für sich -gegen die patriarchalen »Vertreter« und Tyrannen - mit Recht - beanspruchen können, war selbstredend niemals beabsichtigt, sondern nur für die Bürger im Verhältnis zum absolutistischen Herrscher gedacht.
Das politische Problembewußtsein dieser Frau und ihre äußerst kritische Einschätzung der Lage der Frauen ihrer Zeit steht in starkem Gegensatz zum Frauenbild, das männliche Romantiker entworfen haben. Sie erkennt folglich auch sehr realistisch, daß nur die starken und selbständigen Charaktere unter den Frauen den Weg der Selbsthilfe gehen können. Die weniger Couragierten werden immer mehr eingeengt und brauchen daher dringend »Verteidiger«' ihrer Rechte durch gerechtdenkende Männer. Doch diese sehen untätig der Erniedrigung der Frau zu; nur in seltenen Fällen geschieht es, daß sie sich auf die Seite der Frauen stellen, wo sie dann - wie die Frauen selbst - verlacht und überschrien werden.
Die Autorin ist eine der Frauen, die zur Selbsthilfe schreiten: wie fast alle Frauen in diesen Jahrzehnten - und irn Laufe des gesamten Jahrhunderts - protestiert sie dagegen, daß den Frauen jeder Schritt aus dem Hause verwehrt wird. Sie protestiert gegen den Zwang zu »Küche und Kinderstube« und fordert freie Berufswahl nach Fähigkeit und Neigung: die Ausübung jeglichen Berufes durch die unverheiratete Frau.
Sie fordert die Abschaffung der Vormundschaft über die Frauen, und da diese Forderungen nur recht und billig sind, verlangt sie, daß die Männer sie unterstützen. Wenn sie es nicht tun, versündigen sie sich gegen das christliche Gleichheitsgebot.
Die Autorin prüft die »verschiedenen Stände unseres Geschlechts«. Es ist in diesem Zusammenhang wichtig, sich den Begriff »Stand« etwas zu verdeutlichen: die gebräuchlichste Definition beinhaltet die Hierarchie der vier Stände Geistlichkeit, Adel, Bürgertum und den »vierten« Stand, die Arbeiterschaft (Sie beinhaltet aber oft auch lediglich die Berufsstände - etwa in der Tradition der Zünfte.) Kriterien des Standes im erstgenannten Sinne sind adlige Geburt, Lehen oder Eigentum an Land und Kapital, Bildungs-Monopole, und daraus fließend das Recht auf Staatsdienst, Handwerke oder zumindest Lohnarbeit. Die Stände bezeichnen den sozio-ökonomischen und politischen Status ihrer Inhaber. Eigentum aller Art und Privilegien werden von Mann zu Mann vererbt oder weitergegeben. Das primäre und allen gemeinsame Kriterium, selbstverständlich, und daher nicht explizit genannt, ist die »männliche Geburt«. Frauen sind nicht Mitglieder dieser Stände. Sie gehören zum »Haus« eines Mannes aus einem dieser Stände der außerhäuslichen Ständeordnung.
Es gibt nun aber noch die »Stände« der Frauen: Jungfrauenstand, Ehestand, Witwenstand und der elendste, der der unverheiratet gebliebenen Frau. Das entscheidende Kriterium dieser »Frauenstände« ist ihre jeweilige Relation zu einem Familienoberhaupt und damit ihre sozio-ökonomische Stellung, ihre Arbeit in seiner Hauswirtschaft. Je reicher ein Familienvater ist, umso unproblematischer ist es für ihn, »seine« Frau und Töchter im Hause zu halten. Die Hausväter der niederen Stände lassen ihre Frauen eher aus dem ,,Haus«, lassen sie im eigenen kleinbürgerlichen Betrieb (ohne Lohn) arbeiten oder als Lohnarbeiterinnen selbständig, wenn auch niederer Arbeit nachgehen. Solange sie im »Hause« leben, sind sie selbstredend nicht frei vom Familienoberhaupt, der ihren Lohn verlangen kann. Die Autorin meint, sie entkommen eher der väterlichen Gewalt als die Töchter ökonomisch starker Väter oder werden in der Familie mehr geachtet. Sie verlangt nun für die Töchter der reicheren Familienoberhäupter ebenfalls den Ausgang aus dem Vaterhaus und den freien Zugang zu Berufen, wovon »Vorurteil, Irrtum oder Neid« der bürgerlichen Männer sie zurückhalten wollen. Sie fordert damit das Recht der Frauen auf Erwerb, auf Lohnarbeit.
Sie verlangt gerechte, unparteiische und kompetente Beurteilung der Leistungen von Frauen und protestiert gegen die von vornherein negative »Beurteilung«, lediglich weil es Leistungen von Frauen sind. Während die bürgerlichen Männer das Monopol auf Kapitalbesitz, akademische Berufe und Staatsdienst um jeden Preis verteidigen, die Kleinbürger entweder zu dieser Klasse gehören oder zu Lohnarbeitern werden (und zwar zu gelernten Arbeitern, die um diese Zeit beginnen, sich zu organisieren, um bessere Arbeitsbedingungen und mehr Lohn zu erkämpfen), werden von ihnen allen die Frauen im Hause gehalten: sie müssen erst um Zugang zu bezahlter Arbeit und entsprechender Vorbildung kämpfen. Dieser Kampf der Frauen ist während des gesamten 19. Jahrhunderts das wichtigste ökonomische Ziel der Frauen und auch in der Gegenwart noch unvermindert hart. Weibliche Arbeitskräfte haben generell die ,,Pflicht« zu unbezahlter Hausarbeit, aber kein Recht auf Lohnarbeit. Die Frauenbewegung, deren wichtigste Ziele diese Autorin schon vorformuliert, hat notwendigerweise völlig andere Ziele als die Arbeiterbewegung: es geht um das Recht der Frauen auf Erwerb, auf Lohn, Berufsausbildung und Öffnung aller Berufe. Der »Stand der Unverheirateten« wird im politischen Kampf wie in der täglichen Praxis vorangehen, weil diese Frauen vom Hungertod bedroht sind, wenn sie nicht in die Prostitution absinken wollen. Diese unbekannte Autorin stellt sich schützend vor diese Frauen, die schuldlos verelenden und noch obendrein verhöhnt werden. Sie warnt zugleich vor dem Eingehen einer Ehe aus ökonomischer Not und sozialem Zwang. Denn die Ehe, besonders die ohne Liebe, bedeutet für die Frau Unfreiheit und Abhängigkeit, und die Autorin ist so kühn, die Frauen, deren ,,Freiheitssinn zu mächtig ist«, zu ermutigen, ehelos zu bleiben, sich nicht in die offenbare Gefahr der Sklaverei zu begeben. Die Männer, die eigentlich die »natürlichen Vertreter« der Frauen in diesem Elend sein müßten, wenigstens die gerechten, haben noch nicht bewiesen, daß die den Frauen beistehen. Durch eine Ergebenheitserklärung - aber auch einen Aufruf an die Frauen, ihren männlichen Familienangehörigen die von ihr kritisierten Probleme vorzutragen, endet die Autorin. - Die Frauenbewegung hat in der Tat auch in den folgenden Jahrzehnten kein anderes Mittel, als immer wieder an Männer um Hilfe zu appellieren, um minimale Rechte zu betteln. Aber auch der Weg zur »Selbsthilfe« wird beschritten - durch eigene Organisation und Selbsthilfeeinrichtungen für Frauen.
 

Fanny Lewald

Osterbriefe für die Frauen, 1863

Fanny Lewald (verheiratete Stahr), geboren am 24. März 1811 in Königsberg, gestorben am 5. August 1889 in Dresden, wurde zunächst bekannt durch ihre Romane, in denen der Einfluß George Sands und Rahel Varnhagens maßgebend war. Sie behandelte darin Ehe-Konflikte, die Frage der Frauen- und der Judenemanzipation.
Als Roman-Autorin anerkannt, schrieb die Fünfzigjährige ihre politischen Schriften zur Frauenfrage, die, wie ihre Romane, für die politische Aufklärung der Frauen in Deutschland höchst bedeutsam gewesen sind. Der beginnenden Organisation der Frauen 1865 sind viele Jahrzehnte der geistigen Auseinandersetzung, der Reflexion und Diskussion unter Frauen vorausgegangen. F. Lewald ist sicher eine der einflußreichsten Autorinnen gewesen.
Der folgenden Auswahl, die von der Herausgeberin nach systematischen Gesichtspunkten zusammengestellt und mit Zwischenüberschriften (aus dem Vokabular der Autorin) versehen wurde, liegt die Ausgabe von 1863 (Berlin) zugrunde. Rechtschreibung und Zeichensetzung wurden den heutigen Normen angepaßt.
 

Osterbriefe für die Frauen

 
Alleinherrschaft des Landesvaters im Staat — 
Alleinherrschaft des Familienvaters im Haus
 
Der Autoritätsglaube war die Religion der großen Masse, des guten Bürgers. Man war es wieder so gewohnt worden, nicht weit über sich und seine nächste Umgebung hinauszusehen und nichts zu begehren als den lieben Frieden, daß man es bequem fand, beherrscht zu werden und einen Landesvater über sich zu haben, den man lobpries, wenn dem Volke nichts Übles angetan wurde, und über den man im stillen unter guten Freunden schmälte und schalt, wenn die landes väterliche Hand gelegentlich einem schwerer als gewöhnlich auflag. Dennoch war alles, wie man meinte, wohlgefügt. Der König gab Gesetze nach seinem Ermessen und Wohlgefallen, er stellte Beamte an, die das Land nach diesen Gesetzen regierten, und die übrigen Männer hatten nichts zu tun, als diesen Gesetzen zu gehorchen und ihren Studien, Geschäften und Vergnügungen nachzugehen. Sie behielten dabei vollauf Zeit, in ihren Familien nun ihrerseits Gesetze zu geben, ja sie waren in denselben gesetzgebende und exekutive Macht zugleich. Die Frau und die Kinder hatten ihnen natürlich ebenso unbedingt und fraglos zu gehorchen als sie selbst den Gesetzen ihres Landesherrn. Der König dachte und sorgte und regierte für die Männer, der Mann beherrschte die Frau, er leitete die Erziehung der Kinder, die gesellschaftliche Stellung der Familie war ausschließlich sein Werk, er allein stand für das Glück, die Ehre, den Fortschritt, das Emporkommen seiner Familie ein, und der Frau blieb somit fast nur die Sorge für das körperliche Wohlbefinden der Ihren und für den Haushalt überlassen(...) Das waren die sogenannten Zeiten des sogenannten väterlichen Regimentes (...) (S.5f.)
 

Patriarchales »Recht«: Vormundschaft über alle Frauen

Man liebt es sehr, und wir lieben es alle, es uns vorzusagen, daß in den modernen Staaten, daß bei uns zu Lande die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz die Grundlage des Staates sei.(...) Für die Frauen aber von Gleichberechtigung vor dem Gesetze zu sprechen, ist eine Torheit und eine Lüge, so lange alle unsere Gesittung, Bildung, Einsicht und Reife uns Frauen nicht der männlichen Vormundschaft entziehen. Man erklärt jede Frau für unselbständig, wie hoch ihr Charakter und wie bedeutend ihr Geist auch sein mag, und man erklärt jeden, selbst den einfältigsten und rohesten Mann für rechtlich selbständig, bis seine völlige sittliche Verkommenheit, bis sein Wahnsinn gerichtlich festgestellt worden sind. Wie darf man aber Wesen, denen man ihre Selbständigkeit gesetzlich sogar genommen hat, wo sie mit ruhiger Überlegung auch nur über ihr Eigentum verfügen wollen, für Verbrechen verantwortlich machen, die sie begehen? Frau und Mann sind, wie mir scheint, unter uns nur vor dem Strafrichter gleichberechtigt. (...) (S.135f.)

Arbeitsteilung nach Geschlecht: Lehrzeit für Knaben -

häuslicher Dienst für Mädchen

 

Mit sechs, sieben Jahren treten die Kinder in die Schule,(...) mit vierzehn, fünfzehn Jahren werden sie konfirmiert, und nun beginnt für den Knaben seine Lehrzeit. - Das Mädchen aber hat keine solche. Es soll, sofern es nicht im Hause der Eltern gebraucht und beschäftigt wird, anfangen, sein Brot zu erwerben, soll unter Fremde gehen, dienen, in irgend ein kontraktliches Verhältnis treten, in welchem es Leistung gegen Leistung einzusetzen hat. Welches Kapital hat das Mädchen, eine Leistung zu übernehmen?(...) Es ist in die Schule gegangen, hat dort Lesen, Schreiben, Rechnen, die Anfänge der Geographie, notdürftig Stricken, vielleicht ein wenig Nähen gelernt und den Konfirmanden-Unterricht genossen. Es hat, rechnet man nur die Zahl der Jahre nach, sieben, acht Jahre Unterricht gehabt, genau so viel als die Töchter der Wohlhabenden. Aber dem Unterricht in den überfüllten Schulen ist zu Hause nicht der nötige Nachdruck gegeben worden.(...) Alle klagten, daß sie ihre Schulzeit nicht benutzt, daß die Eltern »nicht genug auf die Schule gegeben« hätten, und ich habe in meinem ganzen Bekanntenkreis unter den Dienstmädchen, welche jetzt etwa zwanzig bis achtundzwanzig Jahre alt sind, nur ein einziges Mädchen gefunden, das geläufig und orthographisch schreiben konnte. (...)

Der Knabe der arbeitenden Stände bleibt von seinem fünfzehnten bis zu seinem achtzehnten oder neunzehnten Jahre in der Lehre bei demselben Meister. (...) Mag sein Herr auch Fehler haben, eines versteht er, er versteht seine Arbeit und sein Fach. Der Knabe hat an ihm ein Vorbild, ein Ziel vor Augen, er hat selber einen bestimmten festen Zweck. Er kann von Woche zu Woche rechnen, um wieviel er demselben näher gekommen ist, er kann sehen, was er lernt. Er arbeitet unter Aufsicht, mit anderen zusammen, die den gleichen Weg gegangen sind, und unter denen er jetzt schon seit einer Reihe von Jahren Gesittung und verhältnismäßige Bildung findet. (...) Meister, Bürger werden, steht als Ehrensache vor seinem Auge; und selbst den Knaben, die nicht gleich bestimmte Gewerbe erlernen, die vielleicht als Boten, als Gehilfen eintreten, ist eben, weil die Bildung und Einsicht der Männer durchweg eine vorgeschrittene ist, eine mehr oder weniger verständige Beaufsichtigung, Behandlung und Förderung gewiß.(...) So gut wird es den Mädchen nicht. Von der Schule kommend, wissen sie etwas von Norden, Süden, Osten, Westen, von verschiedener Herren Länder und Residenzen, und sehr viel von den Hethitern und Amalekitern, von Potiphars Weib(...). Von all diesen Dingen kann das Mädchen für seine nächsten Zwecke absolut gar nichts brauchen.(...) Der Knabe, wenn er in die Lehre tritt, soll lernen, was er nicht versteht; das Mädchen, das unter Fremde geht, soll etwas verstehen können, was es nicht gelernt hat, und was es niemand ordentlich lehrt. In der Regel sind es kleine Handwerkerfamilien, die geringsten Subalternbeamten, arme Leute, bei denen das Mädchen seinen Dienst verrichtet, und er ist fast immer hart. Die gröbste Arbeit, die Arbeit, welche der erwachsenen Frau zu schwer fällt, wird dem kaum ausgewachsenen Kinde zugemutet. Es schleppt und läuft sich müde im Hause, es läuft in Schnee und Regen, in Hitze und Kälte mit der fertigen Arbeit seiner Herrschaft in der Stadt umher. Ob es von dem Wetter leidet, ob es naß wird, das ist Nebensache; der Karton, den es trägt, und dessen Inhalt sind die Hauptsache. Der Kunde, dem die Arbeit nicht gefällt, richtet seinen ersten Tadel gegen die Botin aus; der Verfertiger, dem sie den Tadel zu bestellen hat, läßt seinen Ärger ebenfalls gegen sie aus. Das begegnet dem Lehrburschen alles auch, aber, wie gesagt, er weiß, daß und wann dies aufhört, sobald er nur etwas lernt, und er weiß, was er zu lernen hat. 
Mit dem Mädchen ist es abermals anders. Für sie ist kein Ende abzusehen. Sie hat keine bestimmte Aufgabe. Sie soll kochen, waschen, Kinder pflegen.(...) Viel Arbeit, große Anstrengung, schlechte Behandlung, wenig Erholung und noch weniger Lohn, das sind für die Frauen die ersten Früchte des Lebens unter Fremden, und sie müßten keine Menschen sein, wenn sie dieselben nicht bitter finden sollten. Nach sechs Monaten, nach einem Jahr verlassen sie den ersten Dienst und treten in einen neuen(...). Aber von dem, was ihre neue Hausfrau in dem wohlhabenderen Haushalt von ihnen fordert, verstehen sie abermals nichts. Sie werden entlassen(...), Dienstwechsel folgt auf Dienstwechsel(...), und während der männliche Lehrling immer ruhig an derselben Stelle seiner Zukunft entgegenwächst, wird das Mädchen in drei, vier, sechs und mehr Häusern und Verhältnissen umhergestoßen(...).
(...) Jene fördernde Gemeinschaft zwischen Lehrling, Gesell und Meister fehlt ihnen auch jetzt.(...) Das Verhältnis zwischen Arbeit und Lohn, zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, das streng kontraktliche Verhältnis macht sich zwischen den Dienstboten und den Familien nicht in jedem Augenblicke geltend.(...) Geht nun sogar alles gut, so sind die jungen Mädchen »im Dienste« doch noch übler dran als die Männer. Der Mann ist abends frei, sein eigner Herr. Er kann, wenn er Feierabend gemacht hat, für sich leben, tun, machen, lernen, was er will. Das Mädchen »im Dienste« aber ist »im Dienste« Tag und Nacht. Werkeltags und feiertags, zu jeder Stunde hat die Herrschaft ein Recht an dasselbe. Es ist ans Haus gebannt.(...) (S. 26-12)

Der Hausherr - Nutznießer weiblicher Hausarbeit

 

Ihr verlangt ehrerbietige Dienstboten. - Seid ehrerbietig gegen Eure Männer und duldet keinen Mangel an Ehrerbietung von Euren Kindern!
Ihr verlangt Vorsorge für Euch, freundliche Hingebung eines fremden Willen an den Euren. Stellt die Vorsorge für den Hausherrn als erste Angelegenheit des Hauses dar, ordnet seinem Bedürfnis, seinem Wunsche, seinem Willen, Eure Bedürfnisse und Euren Willen ehrlich unter. Wie viel von seiner Zeit dem Familienleben dann auch entzogen werden muß, er wird als das erziehende Prinzip im Hause tätig sein, sobald er der Gegenstand einer gemeinschaftlichen Sorgfalt für Euch, für Eure Dienstboten und für Euere Kinder ist. Euer freiwilliger und bewußter Gehorsam, Eure selbstlose Ergebenheit für einen andern, für Euren Mann, erzieht Euch um so gehorsamere und ergebenere Kinder, je freier und je bedeutender, je selbständiger Ihr seid, und lehrt Eure Dienstboten, was sie einst in ihrem Hause für Mann und Kind an Zucht und Fügsamkeit zu leisten haben. Denn freie Unterordnung eines freien Willens unter ein anerkannt Gutes, ist Unterordnung unter ein selbstgegebenes Gesetz - ist Tugend!(...) (S. 73f.)
Ihr wollt keine verdrossenen Dienstboten haben! Seid selber nicht verdrießlich(...), wenn plötzlich ein ganz Unerwartetes geleistet werden muß. Klagt nicht darüber, sondern sagt Euch selbst: das ist eben nicht anders! Und Ihr werdet »das ist eben nicht anders!« auch Euren Kindern und Euren Leuten sagen und bald bemerken können, wie sie die Verdrossenheit bei Störnissen oder unerwarteten Anforderungen, die fast allen Dienenden anhaftet, ablegen lernen. Das eine aber steht unwandelbar fest: was Ihr nicht seid, was Eure Töchter nicht leisten, das werdet Ihr auf die Dauer niemals von Euren Dienenden erlangen können.(...) (S. 80f.)
Stellt so weit als immer möglich eine starke Gemeinschaft zwischen Euch und Euren Leuten her; macht sie, das ist die Hauptsache, zu Hausgenossen und zu Familienmitgliedern.(...)(S.83)
(...) Hausfrauen also, die für ihren Mann, für unerwachsene und unerzogene Kinder zu sorgen haben, sind bei dem jetzigen Bildungsgrade der dienenden Klassen sicherlich nicht dazu berufen, für die Allgemeinheit zu wirken, und es ist fern von mir, sie ihren nächsten Pflichten entziehen zu wollen.(...) Wer unter uns einen Hausstand, einen Mann und kleine Kinder hat, der hat nach meiner Überzeugung seine zugewiesene Arbeit und seinen Wirkungskreis innerhalb seines Hauses.(...) Aber es gibt gebildete Frauen, deren Kinder erzogen sind, Witwen, ältere Mädchen und junge Mädchen von ernstern Sinne mit Lehrtalent begabt, die oft genug sich über Mangel an Beschäftigung beklagen; diesen ist, wie mich dünkt, die Aufgabe, um die es sich handelt, eine heilige Pflicht, und diesen kann und wird sie zu einem neuen Lebensinhalt, zu jener eigenen Befriedigung werden, welcher sie bisher ermangelt.(...) (S. 105)
Es gibt hier (in Berlin, H. S.), wenn wir eine oder ein paar Stufen höher hinauf blicken, Töchter von verhältnismäßig wohlhabenden Bürgern, welche in ihrer Eltern Hause für die Wäschemagazine, für die Mäntel- und Mantillenfabriken und für ähnliche Geschäftszweige eine Arbeit liefern, die Geschick und Sauberkeit verlangt. Diese(...) verheiraten sich ehrbar innerhalb des väterlichen Lebenskreises.(...) (S. 112)

»Ein Werk der Selbsthilfe«

Die Zahl derjenigen, welche sich berechtigt fühlen, über sich selbst und über die Welt, in der sie leben, nachzudenken, so weit die Kraft ihres Verstandes trägt, und die Stufe der Bildung zu erreichen, auf welcher sie befähigt sind, je nach ihrer Kraft, mit zu raten und zu taten über ihr und ihrer Mitmenschen Wohl und Wehe, ist so mächtig angewachsen, daß jetzt unter Verständigen kaum noch die Rede davon sein kann, dem Einzelnen und seinem Bildungsstreben in der Gesellschaft eine Schranke stellen, oder gar einzelne Volksklassen von der freien Mitbeteiligung an dem Gesamtleben, wie es sich in der staatlichen Gemeinschaft entwickelt hat, ausschließen zu wollen.(...) (S.3f.)
Nun denn, Ihr Wohlhabenden und Reichen unter den Frauen,(...) die Verwertung Eurer geistigen Güter ist es, um die es sich hier handelt. Ihr habt Gelegenheit und Zeit gehabt, Eure Herzen und Euren Geist zu bilden, Kenntnisse mancher Art zu sammeln. Macht diese Eure Bildung, Eure Einsicht, Eure Kenntnisse nutzbar, indem Ihr anfangt, sie den Armen unter Euren Schwestern mitzuteilen.(...) Und Ihr habt auch Zeit dazu, Zeit vollauf, die Ihr oft mit den elendesten Gesprächen über die kleinlichsten Interessen, mit den nutzlosesten kostspieligen Handarbeiten hinbringt, eine Muße, die Euch selber oft genug zur Last wird. Nicht einmal, nein immer und immer wieder höre ich Frauen und Mädchen darüber klagen, daß sie sich »übrig in der Welt«, daß sie sich ,,nicht ausgefüllt« fühlen. Hunderte von Euch entbehren einer »innern Befriedigung«(...), glaubt es mir nur, dieses Himmelreich der Befriedigung des eigenen innern Menschen wird nur erworben durch Tätigkeit, durch Selbstverleugnung, durch hingebendes Wirken für Andere.
Ihr könnt(...) diese Lehrtätigkeit gegen Eure ärmeren Mitschwestern in Euren Häusern alltäglich durch Selbstkontrolle und durch den eingehenden Verkehr mit Euren Leuten üben.(...) Ihr könnt aber auch noch anderes, könnt auch für diejenigen Mädchen und Frauen, die nicht wie die weiblichen Dienstboten in Euren Häusern leben, Wesentliches leisten, wenn Ihr Euch vorläufig zusammen tut, eine Art von Fortbildungs-Schulen, oder nennt es auch für's erste nur Erholungsstunden, für solche Frauen und Mädchen einzurichten, welche geneigt sind, ein paar Abendstunden nach ihrer Tagesarbeit, ein paar Nachmittagsstunden ihres freien Sonntages mit Eurer Hilfe an ihre Belehrung zu verwenden. Fangt die Sache nur versuchsweise ganz im kleinen an. Wir brauchen keine besonderen Lokale, keine besonderen Lehrer für das Beginnen.(...) Weiht vorläufig zwei Stunden, weiht die Zeit von vier bis sechs Uhr der Beschäftigung mit denjenigen Dienstboten, Näherinnen, Arbeiterinnen Eurer Bekanntschaft, welche Neigung dafür haben, oder welche Ihr dafür gewinnen könnt, sich unterrichten, sich von Euch unterhalten zu lassen. Jedes Zimmer reicht dafür aus, sechs, acht Mädchen darin zu versammeln. Jede von Euch ist imstande, sie zu beschäftigen und zu fördern, und tut Ihr Euch gar mit Euren Freundinnen zusammen, so wird die Sache vollends leicht.
Schafft Schreibebücher an, und laßt die Mädchen, die es nötig haben, eine halbe Stunde schreiben. Diktiert ihnen das fast täglich sind wiederholende Register der Wirtschaftsauslagen, laßt sie die Worte buchstabieren, die sie schreiben, die Zahlen richtig untereinanderstellen, die Summen zusammenrechnen. Sind sie weiter entwickelt, so diktiert in gleicher Weise einen Brief an Vater oder Mutter; laßt sie anfangs nur dasjenige unter Euren Augen üben, wovon der praktische Nutzen ihnen augenblicklich fühlbar wird. - Lehrt sie die römischen Zahlen einer Uhr kennen, den Thermometer beobachten, die Himmelsgegenden sich wieder in das Gedächtnis rufen; bringt sie vorläufig nur in einer Stunde der Woche auf dasjenige zurück, was sie in den Schulen einst gelernt, getrieben und nur zu sehr vergessen haben.
Die zweite Stunde aber amüsiert sie. Leset ihnen vor, und laßt sie dabei stricken; denn das Sonntagsstrickzeug gehört bei vielen zum Vergnügen. Bietet ihnen das, was man Euch geboten hat, als Ihr dreizehn, vierzehn Jahre alt gewesen seid, das Erhabenste was wir besitzen: die Balladen und die Dramen Schillers und Goethes. Leset ihnen die ersteren einzeln, die letzteren mit verteilten Rollen vor; findet Ihr allmählich Mädchen, die geläufig lesen, so teilt ihnen die kleineren Partien zu, bis sie alle fähig sind, sich durch Lesen eines solchen Stückes selbst zu unterhalten und zu erheben.
Habt Ihr Mädchen vor Euch, die des Lese- und Schreibunterrichts entbehren können, so bringt ihnen die ersten Begriffe der Physik bei; sie haben praktische Beschäftigung genug, an welche Ihr anknüpfen könnt.
Erzählt Ihnen die Geschichte der Stadt, in der sie leben, des Volkes, unter dem sie geboren sind.
Merkt Ihr, daß sie Freude an Musik haben, so singt ihnen an Euren Instrumenten Lieder vor, die sich ihnen leicht einprägen(...) und laßt sie mit Euch singen.
Lehrt sie Spiele, spielt mit ihnen(...) Lehrt sie Netze schneiden, Decken flechten.(...) Gebt ihnen kleine Freuden, kleine Unterhaltungen.(...)
Habt Ihr verständige Mädchen, Bräute, Frauen, Mütter um Euch, so bringt ihnen jene ersten Begriffe der Körperpflege bei(...) oder unterrichtet Euch selbst über die Krankenpflege und unterrichtet sie darüber. Florence Nigltingale hat in ihren kleinen Büchern treffliche Anleitungen dazu gegeben. Geht in gut geleitete Krippenanstalten, seht und lernt, wie man Kinder in ihren ersten Lebenstagen und Jahren zweckmäßig bettet, nährt, erzieht und kleidet, und teilt es ihnen mit.(...)
Teilt ihnen mit, was Ihr aus Moleschotts Lehre von den Nahrungsmitteln zweckmäßig für die Art und Weise glaubt, in welcher die arbeitenden Stände sich ernähren.
Bringt ihnen richtige Begriffe, sofern Ihr selber solche habt, über Feuerung, Heizung, Lüftung der Zimmer bei.
Erklärt ihnen, wie unser Staatswesen zusammengesetzt, was die Kammern, die Wahlen, der Magistrat, die Stadtverordneten zu bedeuten und zu leisten haben.
Erklärt ihnen, was die Genossenschaften, Feuerversicherungen, Lebensversicherungen, Altersversicherungen bezwecken, und wie ihre Wirksamkeit ermöglicht wird.
Erklärt ihnen, was Zinsen, was Staatspapiere, was Eisenbahnaktien sind.
Bedenkt das eine - sie brauchen alles, und sie haben nichts! Sie leben wie Blinde, wie Fremde in der sie umgebenden Welt und Zeit, und es ist nicht ihr Wille, nicht ihre Schuld, daß dem so ist.(...)
Und es ist nicht das Wissen allein, das ihnen nottut, das Ihr ihnen gönnen und bereiten sollt. Es ist das Gefühl ihrer Bedeutung, ihrer menschlichen Berechtigung, das Gefühl, daß Ihr an sie denkt, daß Ihr ihnen helfen wollt, daß Ihr ein Herz für sie habt, welches ihnen fehlt und gegeben werden muß. (S. 87-94)
Es gibt unter uns Leute genug, welche jeden, der an die Möglichkeit glaubt, soziale Übelstände mildern oder gar allmählich beseitigen zu können, für einen Phantasten halten. Sie nennen die Welt, wie sie ist, die beste Welt. Weil es ihnen wohl genug in derselben ist, kümmern sie sich nicht darum, auf welchem Boden ihr Wohlbefinden erwächst, und fragen sich auch nicht, wie lange der Zustand währen könne, in welchem sie und ihresgleichen ihre einseitige Zufriedenheit genießen.(...) Andere wieder lassen sich durch die ungeheure Verbreitung der vorhandenen Übel bis zur Untätigkeit erschrecken; und wie die Ersten sich damit beruhigen, daß die Welt, wie sie ist, die beste sei, so trösten die Zweiten sich mit der UnVollkommenheit alles Erschaffenen und Bestehenden.(...)
Die Selbstzufriedenen werden lächeln über die Vorschläge, die ich in dem vorigen Briefe getan, und mich fragen, ob ich so töricht sei, mir einzubilden, daß man mit zwei Lehr- und Erholungsstunden wöchentlich die Menschheit reformiere. - Die anderen werden finden, daß mit diesen Anfängen nichts, gar nichts getan sei, und daß, wenn etwas geschehen solle, es gleich groß und im ganzen angegriffen werden müsse.
Für beide habe ich nur die eine Antwort:(...) Es ist aber(...) nichts Kleines und nichts Vereinzeltes, wenn man in tausenden von Familien es gleichzeitig unternimmt, wöchentlich einige Stunden für denselben Zweck zu verwenden; und es ist ein nicht hoch genug anzuschlagender Vorteil errungen, wenn die Töchter und Frauen der arbeitenden Stände nur erst zu der Überzeugung gebracht werden, was ihnen fehlt, um sich besser vorwärtszuhelfen.(...)
Was im Mittelalter auf weltlichem Gebiet die Stände-Einteilung und die Zünfte leisteten,(...) das muß in unseren Tagen durch das Bewußtsein von einer freien Zusammengehörigkeit und durch die Assoziation ersetzt werden. Den Mädchen der arbeitenden und dienenden Klasse fehlt aber nicht nur ein Standesbewußtsein oder ein Bewußtsein von irgend einer Zusammengehörigkeit mit einem großen Ganzen, sondern jeder Gedanke über sich selbst. (S. 97f.)

Fabrikarbeit - Heirat oder Prostitution

Die Mädchen haben in den Fabriken nur einerlei, nur eine bestimmte Verrichtung zu erlernen, welche ihnen dort gelehrt wird, sie erhalten früh den Tagelohn von Erwachsenen (Frauen, nicht Männern, H. S.), werden also früh selbständig, und können mit dem wöchentlich bar ausgezahlten Arbeitslohn den Eltern vielfach hilfreich an die Hand gehen, ja sie sind oft in der Lage, wesentlich zum Unterhalt der Familie beitragen zu müssen.(...) Die Kinder der Armen, die weniger geschickten Mädchen, die bei Schneidern oder bei andern Gewerbetreibenden auf Arbeit gehen, sei es, daß sie sich »auf Stück« oder um Tagelohn verdingen, bringen es, selbst wenn sie die frühen Morgen- und die Stunden der Nacht mit dazu nehmen, selten über eine Wocheneinnahme von zwei Talern (ca. 6 Mark, H. S.). Sie gewinnen also, wenn die Arbeit das ganze Jahr gleichmäßig lohnend fortgeht, kaum über hundert Taler jährlich (ca. 300 Mark; ein Kanzleidiener verdiente 720-1350 Mark H. S.).(...) Sie gehen früh in ihre Werkstätten, nehmen ein Butterbrot mit, und halten mit diesem und mit einer Tasse Kaffee bis zum späten Abend aus. (.. .) Sind die Mädchen ehrbar, was leider selten genug sein soll, so geht das mühselige Leben Jahr aus Jahr ein im besten Falle ohne eine Erhöhung des Tagelohnes so fort; feiern die Fabriken, so ist gleich das Elend vor der Türe, und die Not vollendet dann nur zu häufig und zu schnell, was der Leichtsinn begonnen: die gänzliche Entsittlichung der Arbeiterinnen. Wie sollte das auch anders sein, da ja für sie noch so gut wie gar nichts geschehen ist?(...) (S. 111) Sie (eine kirchliche Institution, H. S.) hat sich seit Jahren eines Teils des Volkes, der dienenden und arbeitenden Mädchen angenommen, über deren Verwahrlosung wir alle reichlich klagen, und die wir trotzdem ihrem Schicksal, das heißt: der Unwissenheit, der Unsittlichkeit, der Prostitution, dem Elend überlassen haben. Wir haben also nachzuholen, und müssen eilen, eilen es zu tun.
Freilich kann man gegen die Gesamtheit so wenig als gegen den einzelnen Menschen getanes Unrecht und geschehenes Übel ungetan und ungeschehen machen.(...) Aber man kann verhindern, daß neues Übel, daß neues Unrecht begangen werde.(...) (S. 120)
Für mich steht so viel fest, daß bei der materiellen Größe der nötigen Hilfeleistung die Macht der Wohltätigkeit auf die Länge immer nicht ausreichend sein wird. Es ist auch gar nicht nötig, ja, es ist nach meiner Meinung sogar ein Fehler und ein Unrecht, Menschen, die sich selber helfen können, zu Almosenempfängern zu machen.(...) (S. 121)
Tut Euch also zusammen, Ihr Frauen und Mädchen, die Ihr ein Herz für das Elend Eurer Mitschwestern und Sinn für die Größe und Würde des Volkes habt, in dem Ihr geboren seid! Helft den Frauen der Armen, damit Euch geholfen werde!(...) Tretet zusammen, organisiert Euch, denn Organisation allein kann helfen.
Seid Ihr beisammen, so beginnt damit, auch für die andern zu organisieren.(...)
Glaubt es fest und zuversichtlich: die arbeitenden Klassen nehmen die Schmach ihrer Töchter nicht als ein Glück, nicht als ein Vergnügen auf! Sie ertragen nur, wer weiß wie schwer, was sie bisher nicht ändern konnten. Sie, und wir mit ihnen, büßen die Sünden unserer Väter.(...) Und wie gering sind die Gefahren, die dem jungen Manne drohen, neben denen, welchen das Mädchen preisgegeben ist!(...) (S. 122-124)

Das »Sittengericht des bürgerlichen Bewußtseins«
Ich habe Männer, welche eine Liebelei ihrer Töchter oder Schwestern mit einem Manne, den zu heiraten sie nicht bestimmt sind, als einen Schimpf und eine Schande ansehen, Männer, welche die Verführung der ihnen durch Verwandtschaftsbande angehörenden Frauenzimmer als einen nicht zu sühnenden Frevel betrachten, mit unerschüttertem Gleichmut von der Verführung eines Dienst- oder Nähmädchens sprechen hören.
Wie viele Männer wird es denn auch geben, die nicht ihr eigenes Gewissen dadurch zu erleichtem haben, daß sie leicht hinweggehen über die Erniedrigung des Weibes? Wie viele, die sich nicht gewöhnt haben, in den Töchtern der Armen vor allen Dingen nichts weiter zu sehen als ein Material für die Befriedigung ihrer Wollust? Wer verargt unter uns dem Manne die Verführung eines Mädchens der handarbeitenden Klassen, wie man es müßte? Ist man es ja sogar gewohnt, die Folgen derselben den armen, unerzogenen, ohne rechten Sitten- und Ehrbegriffe, ohne Aufsicht und ohne Anhalt aufgewachsenen Frauenzimmern aufzuladen! - Mögen sie sehen, wie sie mit ihrem Kinde, mit ihrer Not, mit ihrer Verzweiflung fertig werden! Es sind ja Ammen nötig in der Welt; es sind Findelhäuser und Armenhäuser, es sind ja auch Teiche und Ströme genug in der Welt, ihrem Unglück, ihrem Elend, wenn es ihnen unerträglich wird, ein Ende zu machen! Und Mephistos »Sie ist die Erste nicht!« ist nicht nur ein teuflischer, es ist ein so billiger, ein so landläufig gewordener Trost.(...) Aber das ist's, was sie vergessen, die Männer, durch alle Stände vergessen, daß sie selber Töchter und Schwestern haben.(...) (S. 137)

Frauenassoziationen in Stadt und Land
Überlegen Sie mit den Mädchen selber, oder suchen Sie wenigstens von ihnen zu erfahren, was sie am liebsten gelehrt haben möchten, und bestimmen Sie danach, was Sie mit Ihren Schülerinnen beginnen, was Sie ihnen lehren und welche Art von fördernder Erholung und Unterhaltung neben dem eigentlichen Lernen vorgenommen werden soll.
Gelingen kann und wird Ihr Unternehmen sicherlich, und ausführbar ist es in großen wie in kleinen Städten, in reichen wie in unbemittelten Häusern. Ein wahrhafter Segen aber würde es vollends werden, wenn die Töchter der Gutsbesitzer, selbständig oder unter Mithilfe ihrer eigenen Erzieherinnen, auf den Gütern und in den Dörfern Hand an diese Arbeit legten.
Die Hauptsache, die für die Schüler immer wieder in den Vordergrund zu stellen ist, ist die Zusammengehörigkeit aller Frauen aller Stände, die Idee der brüderlich einigen Menschheit, und der Gedanke an die Zusammengehörigkeit der arbeitenden und dienenden Frauen als ein achtbarer Stand in der bürgerlichen Gesellschaft, in dem Volke, in dem Staate.
Sind erst eine Anzahl von solchen Familienassoziationen tätig, dann kann man sie zusammenziehen in größere Vereine, dann kann man vielleicht in den Schulen des Bezirkes eine Klasse zum Zusammenkunftsorte wählen, die Stunde des Beisammenseins allmählich verlängern.(...) (S. 108)
An's Werk also! Jeder in seinem Hause, jeder nach seiner Kraft, und alle zusammen! Wir brauchen für die Töchter der Armen: Lehre und Fortbildung, Speisehäuser und Herbergen, Kranken- und Altersversorgungskassen, Vereine zur Unterhaltung für die Sonntage.(...) An's Werk also! und nicht müde werden! Es ist nichts Kleines, um das es sich handelt. Es ist ein erhabenes Werk, es ist eine Auferstehung aus tiefer Erniedrigung, die wir möglich machen sollen, möglich machen können.(...) (S. 139)

Hilferuf an die organisierten Männer, Väter, Brüder

Eine Assoziation, welche sich die Aufgabe stellt, die Erhebung irgendeiner Klasse von Menschen zu fördern, wird immer nur eine Wohltätigkeitsgesellschaft und immer nur mit beschränkten Mitteln innerhalb eines beschränkten Kreises wirksam sein können. (. ..) Wir haben uns also nach Mitarbeitern umzusehen, und mich dünkt, wir haben nach dieser glücklicher Weise nicht weit zu suchen. Wir dürfen sicher darauf rechnen, sie unter den zahlreichen, den verschiedensten Berufskreisen angehörenden Männern zu finden, welche sich seit Jahren zu Lehrern und Beratern der Hand werker vereine gemacht haben, denn diese müssen es billigen, wenn wir für die Frauen und Mädchen langsam anzubahnen beginnen, was sie selber den Vätern, Männern, Brüdern unserer Mitschwestern bereits geleistet haben und noch leisten. In den Handwerkervereinen müßte es besprochen und erklärt werden, wie zuchtlos die weibliche Jugend der handarbeitenden Stände zum großen Teil bis jetzt unter uns herangewachsen ist. Von den Vätern, den Brüdern, von den künftigen Gatten der Mädchen müßte man es fordern, mit uns an der Erhebung, an der Erziehung ihrer Angehörigen zu arbeiten; und es ist, wie mich dünkt, keine ungerechte Forderung, wenn man von den Vätern verlangt, daß sie ihren Töchtern angedeihen lassen, was sie ihren Söhnen gewähren, daß sie ihnen eine ordentliche Lehrzeit zugestehen, daß sie die Mädchen zu deren Ausbildung einer Lehrerschaft anvertrauen, wie sie ihre Söhne einem Lehrherrn übergeben.(...)
Und Sie, meine Freunde und meine Herren! die Sie uns als Lehrer und Leiter in den Handwerker-Vereinen schon lange ein Vorbild gewesen sind, bereiten Sie dort den Boden für dasjenige vor, was von uns geleistet werden kann für die Frauen der handarbeitenden Stände. Gewinnen Sie uns die Mitwirkung der Ihnen bekannten Väter und Brüder.(...) (S. 129)

Kommentar

 

Fanny Lewald, Tochter aus kleinbürgerlich-jüdischem Hause, hatte, wie üblich für Mädchen, nur eine kurze und schlechte Schulbildung und keine Möglichkeit einer Berufsausbildung. Die bewußt erlebte Diskriminierung der Juden scheint ihr Räsonnieren über die Erniedrigung der Frauen in der Ehe und den Zwang zur Ehe gefördert zu haben. Die Armut und Rechtlosigkeit der Frauen, ganz besonders der Dienstmädchen und Fabrikarbeiterinnen, sieht sie als eine soziale Misere, die zum Ehe-Elend dieser Frauen noch hinzukommt. Sie und eine erhebliche Zahl namhafter Frauen sehen schon früh die doppelte Verelendung dieser ärmsten Frauen und fühlen sich dadurch zum politischen Handeln - nicht so sehr für sich selbst - für ihre Mitschwestern verpflichtet.
Zweifellos hat F. Lewald selbst unter der autoritären Herrschaft ihres Vaters, in dessen Haus sie noch als dreißigjährige Frau lebte, sehr gelitten. Es sind mehrere Faktoren, die dazubeitrugen, daß sie mit sensibilisierter Wahrnehmung den politischen Zusammenhang zwischen absoluter, unkontrollierter patriarchaler Herrschaft des Königs im Staat und der der Familienväter über ihre Untertanen bzw. Familienangehörigen erkannte: beide, der König und der Familienvater, sind »gesetzgebende und exekutive Macht zugleich«. Die von ihnen Regierten sind rechtlos, und an eine Gewaltenteilung denkt niemand. Im Verhältnis König-Bürger (d. h. nur der Familienväter) soll das nun in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts geändert werden. Doch daß die Frauen von diesen Veränderungen ausgeschlossen werden, ist noch ganz selbstverständlich. Sie unterstehen weiterhin dem »väterlichen Regiment«, und auch Fanny Lewald wagt noch nicht, dagegen zu protestieren oder sogar Beteiligung der Frauen am Staatsleben zu fordern, wie es Louise Otto früher - im Jahre 1848 - schon einmal gewagt hatte. Und diejenigen, die für sich Mitbestimmung im Staat einklagen, fordern dieses demokratische Recht nur für sich selbst und wollen sogar die absolute patriarchale Herrschaft im Hause über ihre Ehefrauen, Töchter - und auch Dienstmädchen - unangetastet lassen: in ihrem Herrschaftsgebiet, im »Hause«, verlangen sie wie eh und je Gehorsam und Dienste der Frau.
Frauen sind alle auf Grund ihrer Geschlechtszugehörigkeit der Vormundschaft eines Mannes unterstellt: weder Arbeit, Verdienste oder Bildung verhelfen ihnen zu einem Status als bürgerlich handlungsfähiger Mensch, ein Status, der hingegen jedem Mann zufällt - ohne Verdienst, allein weil er dem männlichen Geschlecht angehört, wie ihm auch selbstverständlich die Ausübung der Vormundschaft über eine oder mehrere Frauen zukommt. Frauen können keinerlei Vertrag, Mietvertrag, Arbeitsvertrag usf., rechtsgültig unterzeichnen. Denn auch im bürgerlichen Rechtsstaat besteht die Geschlechtsvormundschaft, die völlige Rechtsungleichheit zwischen Familienvätern und Frauen fort - unter dem modernen Etikett der »Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz«. Diese Gleichberechtigungs-Ideologie stand schon damals in so krassem Widerspruch zum geltenden Vormundschafts- und Eherecht und zur Lebensrealität der Frauen, daß F. Lewald sie mit Recht eine Lüge nennt.

Welche Funktion hat die Ausschaltung aller Frauen von den Prinzipien des bürgerlichen »Rechtsstaates«? — Die Funktion, jedes Eigentum der Frau, selbst ihren Lohn, in die Hand des Mannes und Familienvaters zu legen.
Die politische und bürgerrechtliche Ungleichheit der Frauen hat ihre Ursache zudem in der Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen. Lewald beschreibt sie zunächst eindrucksvoll am Beispiel der »arbeitenden Klassen«: Die weibliche Arbeitskraft ist auch in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts noch völlig der Arbeit im Haus zugeordnet; unausgebildet, schlecht bezahlt, arbeitsrechtlich völlig unzureichend gesichert, ohne Sicherung des Existenzminimums.
Die jungen Mädchen müssen im väterlichen Hause Hausarbeit verrichten oder sie werden lediglich (bis zu ihrer Heirat) zu häuslichen Diensten in ein anderes Haus geschickt. Heiraten sie, so haben sie nun als Ehefrau weiterhin Hausarbeit zu leisten. Ihre Arbeitskraft kann sich nicht aus dem »Haus« emanzipieren und zur freien Lohnarbeit hocharbeiten. Zu den handwerklichen Berufen wird sie nicht zugelassen, Berufsausbildung für Mädchen gibt es nicht. Diese sind - in der Tradition der Zünfte - den Knaben und Männern vorbehalten, die sich auch Handwerker- und Gewerkvereine - ohne Frauen - geschaffen haben, Organisationen zu ihrer allgemeinen und politischen Bildung, zur Durchsetzung ihrer Interessen gegenüber den Fabrikbesitzern, aber auch gegen die Frauen. Die Mädchen und jungen Frauen haben alle diese Vorteile nicht: sie sind keine freien und gleichen Arbeitskräfte. Die Männer haben damit ein Monopol auf qualifizierte Arbeit und ein relativ hohes Einkommen, dadurch das Monopol auf Organisation, politische Aktivität, ja auf bürgerlichen Status. Die Frauen aus ihren Familien sind ihnen an Ausbildung, Einkommen und sozialem Status weit unterlegen. In der »Welt« jenseits des Hauses arbeitet der Mann geschützt durch Arbeitstraditionen und Assoziationen. Im Verhältnis zu den lohnarbeitenden Frauen genießt er Privilegien, die die Frauen nicht haben: sie bleiben prinzipiell ans »Haus« gefesselt, wo sie die gehorsam dienenden Ehefrauen eben jener Lohnarbeiter werden sollen.
Auch den Töchtern der »höheren Stände«, wie man damals sagte, geht es grundsätzlich nicht besser: sie sind noch strikter ans Haus gebunden, haben die gleiche kurze und minderwertige Schulbildung aller Mädchen, auch ihnen ist höhere Schulbildung und Berufsausbildung versperrt. (Wenn der Vater finanziell großmütig ist, dann können sie vielleicht noch kurze Zeit auf eine private »höhere Töchterschule« gehen, die in Wahrheit niedere Töchterschule heißen muß, denn das äußerst niedere Niveau des Unterrichts wurde den Söhnen nicht zugemutet; für sie standen öffentliche Schulen mit weit besserem Unterricht zur Verfügung, wozu auch Söhne aus armen Familien prinzipiell Zugang hatten.)
Was arbeiten die Töchter bürgerlicher Väter? »Sie müssen selbst mit Hand anlegen«, sie machen Hausarbeit irn väterlichen Hause, zusammen mit ihren Müttern und den Dienstmädchen. Und mitunter machen sie Heimarbeit! Näharbeit für geringen Lohn!
Fanny Lewald weiß das aus eigener Erfahrung aus dem Hause ihres Vaters. Erst als über Dreißigjährige hat sie sein Haus verlassen dürfen. Sie selbst war Ehefrau und Hausfrau - neben ihrer schriftstellerischen Arbeit - und hat die geforderte Dienstmoral der deutschen Ehefrauen hier in einem Textstück ganz unkritisch reproduziert. Es braucht nicht verschwiegen zu werden, daß sie in ihrem Buch zum Teil noch erheblichen Ballast strikt patriarchaler Herrschaftsideologie mitschleppt: über die Arbeits- und Herrschaftsverhältnisse im Haus gibt gerade ihre unreflektiert wiedergegebene Forderung nach Ehrerbietung, Hingebung an fremden Willen, Gehorsam, alleinige Bedürfnisbefriedigung des Hausherren als oberstes Gesetz des Hauses, Ergebenheit, Zucht und Fügsamkeit für sich selbst (!), die Dienstmädchen und die Kinder gegenüber dem »Haupt« in aller Deutlichkeit Auskunft. Das Haus ist der Ort, wo dem Familienvater der Genuß, den Frauen aber die Arbeit, Selbstverleugnung und Entbehrung zufällt: die klassische Herr-und-Knecht, hier Herr-und-Magd-Situation.
Und in dieser Situation ist nicht nur der Bürger, sondern auch der Kleinbürger und der Lohnarbeiter: alle haben eine dienende Ehefrau im Hause, dazu Töchter und sehr oft auch Dienstmädchen.
Diese Forderung F. Lewalds nach Unterwerfung im Haus steht im Widerspruch zu ihren progressiven Forderungen nach Selbsthilfe, Selbstbildung, Organisierung. Für sich - Ehefrauen und Töchter bürgerlicher Häuser - wagt sie nichts zu fordern. Zu Forderungen fühlt sie sich nur berechtigt im Namen der Frauen, denen es noch viel schlechter geht; nur so kann sie ihre Initiative rechtfertigen. Dieser erzwungene Altruismus ist typisch für die politische Aktivität der Frauen: die Männer dürfen politisch egoistisch sein - die Frauen nicht! Sie dürfen nicht wagen, für sich das Gleiche zu fordern, was die Männer als »ihr Recht« betrachten. Im Vergleich mit den allerärmsten Frauen läßt sich dann der eigenen verelendeten Situation noch etwas Positives abgewinnen: F. Lewald schätzt sich »reich«. Sie und andere Frauen aus kleinbürgerlichen und bürgerlichen Häusern (sie gehören zum Haus, aber nicht zur Klasse der Männer!) konnten sich wenigstens durch Selbststudium etwas Kenntnisse aneignen, etwas informieren über die gesellschaftlichen und politischen Zustände. Als Haustöchter und Ehefrauen haben sie keine Einkünfte, keinen. Lohn, aber sie müssen auch nicht vom Lohn einer Fabrikarbeiterin vegetieren. Im scheinbaren »Schutz« des Hauses sind sie noch nicht dem Arbeitsmarkt preisgegeben. Das ist keineswegs ein sozialer Vorteil, sondern liegt in der Gesetzlichkeit der patriarchalen Hausherrschaft, die den bürgerlichen Männern historisch länger erlaubt, »ihre« Frauen im Haus zu halten, über ihre Arbeitskraft und Person zu verfügen.
Wenn noch nicht verheiratet, oder wenn die Kinder schon großgezogen sind, zwischen, nach und neben den häuslichen Diensten für den Mann und seine Kinder, sollen sie - das ist Lewaids Plan - für die Ausbildung und Organisierung der Frauen tätig werden. Man muß die Scharfsichtigkeit bewundern, mit welcher sie eine Schwachstelle in der patriarchalen Ordnung und Verplanung der Frauenleben entdeckt hat, eine Lücke, die zu politischer Arbeit von Frauen für Frauen - caritativ getarnt - genutzt werden soll, um für die ärmsten Frauen - und für sie zuerst! - das zu schaffen, was sich die Lohnarbeiter längst geschaffen haben: Erwachsenenbildung, berufliche Bildung, Selbstbewußtsein und Selbstrespekt. Ihr hier wiedergegebenes »Ausbildungsprogramm« zeugt von der geistigen, ökonomischen und sozialen Verelendung der Dienstmädchen und Fabrikarbeiterinnen, von denen eine große Zahl in das furchtbarste Prostitutionselend absinkt, dessen ökonomische Ursachen von F. Lewald schon erkannt werden.
Erst dreißig (!) Jahre später, auf der Internationale, Zürich 1893, wird von den sozialistischen Arbeitern und ihr«n Anhängerinnen die Organisierung der weiblichen und kindlichen Lohnarbeiter gefordert. Die Frage ist berechtigt, wie sich die Arbeiterbewegung je anheischig machen konnte, die Partei aller Unterdrückten und Ausgebeuteten zu sein, da sie so offensichtlich nur die Interessen der männlichen Arbeiter vertrat und erst Jahrzehnte nach der viel beschimpften Frauenbewegung die Organisierung der elendesten, der weiblichen Lohnarbeiter, als Aufgabe in Erwägung zog. Und das geschah nun wiederum nur aus Eigennutz, nicht um der betroffenen Frauen willen, nicht um ihnen nun endlich solidarisch beizustehen, sondern im Interesse der Männer, nämlich um durch Integration der Lohnarbeiterin die Höhe der eigenen Löhne zu sichern (Protokoll des ISA, Zürich 1893).
Außerordentlich bemerkenswert ist der Gedanke der Selbsthilfe der Frauen. Herablassung, Bevormundung oder moralische Überheblichkeit liegen Lewald völlig fern. Weite Teile dieser Schrift sind ein sehr verständnisvolles und solidarisches Plädoyer für den »Bodensatz« der Gesellschaft: Dienstmädchen, Fabrikarbeiterinnen und Prostituierte. Die bestehenden Handwerkerassoziationen und die Arbeitervereine haben hingegen kein Interesse darin, die miserable Lage dieser Frauen zu verändern oder solidarisch für sie tätig zu werden. F. Lewald, wie vor ihr Louise Otto, wie viele Frauen nach ihr, unterliegt noch der politischen Illusion, daß es zwischen den extrem verelendeten Frauen und den Handwerkern und Arbeitern doch eine Interessenidentität geben müsse. Deshalb appelliert sie an die Handwerker- und Arbeitervereine und bittet um Hilfe -für die Frauen.
Diese Schrift Lewaids ist ein Dokument dafür, wie kritische Reflexion der Frauensituation zu Solidarität zwischen Frauen führt, die sich scheinbar feindlich gegenüberstehen, nämlich die Hausfrau und das Dienstmädchen. Es sind dies die Töchter von Handwerkern und Arbeitern, die keine andere Wahl haben, als Dienstmädchen in fremden Häusern zu sein, bis sie eheliches Dienstmädchen eben jener gutbezahlten, weil ausgebildeten und schon politisch organisierten und aufgeklärten Facharbeiter werden. Sie werden, weil sie Frauen sind, Zeit ihres Lebens im Geiste des Dienens für den Mann erzogen, den Mann, dessen Selbstbewußtsein als freier Lohnarbeiter und Bürger noch durch den traditionellen chauvinistischen Männerstolz gegenüber Frauen verstärkt wird: ihre materielle Existenz wie ihr Bewußtsein sind sehr ungleich.
Die Arbeitsverhältnisse im Haus unterliegen den »Gesetzen« der Hausherrschaft und nicht vertragsrechtlichen Regelungen, die diesem Prinzip entgegengesetzt sind. Aber in dem Umfang, da sie sich außer Haus durchsetzen - als Arbeitsrecht - unterminieren sie die Dienstund Gehorsamspflicht, der Hausfrauen, Töchter und Dienstmädchen unterstellt sind. Das Dienstmädchen kann sich der Hausherrschaft durch Fabrikarbeit allmählich entziehen. Ehefrauen und Töchter in bürgerlichen Häusern bleiben dort gefesselt - ohne Lohn und Erwerb. Ihnen bleibt die (unbezahlte) Hausarbeit und Unterhaltung für das Familienoberhaupt. Die Einstellung der Hausfrau zum »Hausherrn« und zum Hausmädchen ist notwendigerweise eine höchst ambivalente: selbst eine Dienende im Haus, ist ihr »stellvertretend« für den Hausherrn das Dienstmädchen unterstellt, das er allein einstellt, bezahlt und entläßt, und das er ungestraft auch als Sexualobjekt ausbeuten kann, dadurch die Hausfrau sexuell ausbootend. Aus diesen zwei Gründen sind sich diese beiden Frauen scheinbar notwendigerweise feindlich gesonnen, aber nur so lange, als sie nicht erkennen, daß sie beide Ausgebeutete eines Urhebers sind. Lewald will die im neunzehnten Jahrhundert offenbar große Feindseligkeit zwischen diesen beiden Gruppen von Frauen beenden, und sie tut es, indem sie deren Partei ergreift. Sie spricht von der Ausbeutung der Kräfte der Mädchen im Haus, ohne allerdings den Nutznießer, den Hausvater, zu benennen. Sie kritisiert, daß man das Los der Sklaven in den USA höchst beklagenswert findet, aber nicht das der Dienstmädchen, die »nicht viel weniger bedürftig sind als Oncle Tom und seinesgleichen«. Sie wendet sich gegen die politische Heuchelei aus Eigeninteresse, eine Kritik und Selbstkritik, die den Demokraten und Sozialisten, den führenden Männern der Arbeitervereinigungen fremd ist: keiner macht sich Gedanken darüber, ob es rechtens und mit eigenen politischen Prinzipien zu vereinbaren ist, Ehefrauen, Töchter, Schwestern und Dienstmädchen für sich arbeiten zu lassen.
Lewald hingegen fordert Erleichterung der Arbeitsbedingungen der Dienstmädchen, obwohl das bedeutet, daß sie selbst um so mehr Hausarbeit machen muß. Und sie verlangt, soweit das überhaupt im Bereich des Möglichen der Hausfrauen selbst liegt, »reformatorisch (zu) wirken«. Sie sieht noch nicht, daß Veränderungen in der Hauswirtschaft gegen das Familienoberhaupt durchgesetzt werden müssen - für die Dienstmädchen undiür die Ehefrauen und Töchter der Bürger. Die Dienstmädchen als Menschen behandeln, ist eine sehr humane, aber unrealistische Forderung an andere Hausfrauen, Ehefrauen, die selbst nicht als Menschen betrachtet werden - von ihren Männern, von den Bürgern, vom Staat. Der Unterschied zwischen den weiblichen Familienangehörigen und dem Dienstmädchen ist graduell, müssen doch die ersteren »selbst mit Hand anlegen« und stehen »in ihrer Bildung nicht allzufern von ihren Arbeiterinnen«. Die Ehefrau ist die erste Dienerin und Arbeiterin des Hauses. Selbst Lewald reproduziert die Ideologie vom »Beruf« der guten Hausfrau, statt die Hierarchie im Hause aufzudecken und zu kritisieren, selbst sie fordert »Unterwerfung« unter den Hausvater. Das gilt für alle Stände, für alle Familienhäupter, ja sie gibt selbst die patriarchale Dienstethik an die Dienstmädchen weiter, die ebenfalls ihren Ehemännern dienen sollen, wenn sie später heiraten. Die sozialökonomische Differenz zwischen Ehefrauen und Dienstmädchen ist nicht groß, wenn man ihre Arbeit und ihren »Lohn« betrachtet, groß ist die sozialökonomische Differenz zwischen den Männern, denen sie angehören: deren ökonomische Macht entscheidet darüber, ob und unter welchen Bedingungen sie das Haus verlassen dürfen. Der Großbürger und Landbesitzer ist ökonomisch so stark, daß er »seine« Frauen im Haus halten kann, das ist sein Luxus. Während der Kleinbürger, der selbständige Handwerker, die weibliche Arbeitskraft (unentgeltlich) in seinem Kleinbetrieb ausbeutet, schickt der Lohnarbeiter »seine« Tochter und Ehefrau in anderer Bürger Häuser oder in die (weibliche) Fabrikarbeit. Der ökonomisch mehr oder weniger mächtige Status des Familienvaters entscheidet über die Verwertung der weiblichen Arbeitskraft, und ihm fließt zu, was die Frau erarbeitet, solange die patriarchale Familie bestehen bleibt. Des »Mannes Vermögensverhältnisse« bestimmen Wohl und Wehe der Frauen im Hause, und er allein entscheidet, welche Geldmittel ausgegeben werden: die Männer verlangen Kontrolle des Staatshaushaltes, die Frauen haben noch nicht einmal Einsicht in den Haushalts-Etat - was Lewald fordert, allerdings mehr des Mannes als der Frauen wegen.
Unter den unwissend gehaltenen Frauen aller Stände wissen doch einige - dank Selbststudium - etwas mehr, und diese werden aufgerufen »den Armen unter Euren Schwestern«, die nur schlecht lesen und schreiben können, ihr Wissen weiterzugeben, in Selbsthilfe unter Frauen zu leisten, was die Arbeiterbildungsvereine für sich tun. Die Idee der Fortbildungsschulen für ungelernte weibliche Lohnarbeiterinnen kommt also von Frauen und ist besonders dringend, weil es für die Töchter aus niederen Ständen keine Berufsausbildung, kaum Schulbildung und keine Erwachsenenbildung gibt. Daß Wissen Macht, Unwissenheit Ohnmacht ist und daß die Mädchen aus den Arbeiterhäusern davon am härtesten betroffen sind, erkennt F. Lewald bereits 1863; eine Erkenntnis, die selbst in der Gegenwart noch unverändert wahr ist.
Die Ernährer-Ideologie der Lassalleaner, die tätlichen Aggressionen und die Entrüstung darüber, daß auch Frauen für Lohn arbeiten wollen, ein Privileg, das sie als absolut männliches betrachten, weist auf ein Denken, das sich noch immer am Zunftwesen orientiert. Diese geschlossene »Zunft« der Lohnarbeiter, die ihr Monopol gegen Frauen verteidigen, bleibt, was qualifizierte und gutbezahlte Arbeit anbetrifft, das gesamte 19. Jahrhundert unaufgebrochen: die Arbeitsteilung in privilegierte, hochbezahlte Männer-Industrien und schlechtestbezahlte Frauen-Industrien dauert bis in die Gegenwart fort. Die enorme geschlechtsspezifische Ungleichheit in den arbeitenden »Ständen« ist von Lewald sehr früh und außerordentlich klar erkannt worden. Daß der Kapitalismus die weibliche Arbeitskraft befreit und der männlichen gleich macht, entspricht nicht den historischen Tatsachen, ist »Theorie« zwecks Herstellung einer einheitlichen »Arbeiterklasse«.
Das Verhältnis von Hausfrauen (bürgerlicher und kleinbürgerlicher Männer) zu den Dienstmädchen ist notwendigerweise auch deswegen so prekär, weil die Hausfrau, je menschlicher sie zu dem Dienstmädchen sein will, desto mehr Hausarbeit selbst leisten muß, solange es nicht um die Abschaffung der patriarchalen Hauswirtschaft, um die Aufhebung der ehelichen Dienstbarkeit geht.
Trotz der eigenen prekären Lage fordert Lewald Hilfe für die Schwestern, um sie zu befähigen, »sich besser vorwärts zu helfen«. Da sie als Frauen keinen Zugang zur Öffentlichkeit und in die männlichen Institutionen haben, sollen sie kleine »Familienassoziationen« gründen - zunächst im Haus, das Terrain, wo sie zwangsweise gehalten werden, wo ihr Arbeitsplatz ist.
Lewald hofft noch, daß es zwischen den Männern und Frauen der »arbeitenden Stände« eine partielle Interessenidentität gibt; darauf gründet sie ihren Hilferuf an die Handwerker- und Arbeitervereine. Die Männer, die zugleich die Väter, Brüder und zukünftigen Ehemänner der jungen Dienstmädchen und Fabrikarbeiterinnen sind, müßten doch ein Interesse daran haben, daß diese Frauen nicht in völlige Unwissenheit, Armut und Prostitution absinken, daß sie als Arbeiterinnen etwas lernen und ihr Leben verdienen können.
Lewald erkennt noch nicht den vielfachen Interessen-Antagonismus der hier besteht:
 
  1. Die männlichen Arbeiter haben kein Interesse an ausgebildeten Lohnarbeiterinnen, weil sie sie als Konkurrentinnen ausschalten wollen. Das geschieht, indem sie ungelernt, ungebildet und unorganisiert bleiben.
  2. Als Väter, Brüder, Ehemänner haben sie ein egoistisches Interesse an der Hausarbeit der Mädchen und Frauen für sich selbst, nicht an ihrer Ausbildung, finanziellen und sonstigen Selbständigkeit, d. h. Unabhängigkeit von ihnen, den Männern. Sie wünschen, wie der Bürger und Großbürger, die häuslichen Dienste der Frauen für sich, deshalb sollen sie unausgebildet und politisch unorganisiert, also hilflos bleiben.
  3. Schließlich interessiert sie auch das Prostitutionselend einer großen Zahl der Frauen aus »ihren« Familien nicht, denn sie selbst gehören zu den Prostituierern, die Geld haben für die Prostitution, da sie weit höhere Löhne beziehen als die Lohnarbeiterinnen, die völlig dem Elend preisgegeben sind, wenn sie allein leben und womöglich ein Kind haben.
 

Louise Otto 

 

Das Recht der Frauen auf Erwerb, 1866

 
Louise Otto, geboren am 26. März 1819 in Meißen, Sachsen, gestorben am 13. März 1895 in Leipzig, schrieb unter dem Pseudonym Otto Stern. Kurze Ehe mit August Peters.
Otto ist Deutschlands erste und bedeutendste Vorkämpferin für ökonomische, bürgerliche und politische Rechte der Frauen. Sie wurde bekannt und berühmt zuerst durch politische Lyrik um das Revolutionsjahr 1848. Sie schrieb sozialkritische Romane und viele politische Schriften zur Frauenfrage. Sie gründete die erste politische Frauen-Zeitung und 1865 einen Frauenbildungsverein in Leipzig, aus dem der Allgemeine Deutsche Frauenverein, verbreitet in ganz Deutschland, hervorging. 1869 gründete sie den ersten Arbeiterinnen-Verein in Berlin. Sie war dreißig Jahre Vorsitzende des ADF und verantwortliche Redakteurin der Zeitschrift »Neue Bahnen«. Motto: »Alles durch die Frauen selbst.« Die Frauenbewegung setzte ihr in Leipzig ein Denkmal mit der Inschrift: »Der Führerin auf neuen Bahnen. In Dankbarkeit und Verehrung. Die deutschen Frauen.«
Der folgenden Auswahl liegt die Ausgabe von 1866 (Hamburg) zugrunde. Rechtschreibung und Zeichensetzung wurden den heutigen Normen angepaßt.
 

Das Recht der Frauen auf Erwerb

 

Die Unzulänglichkeit der gegenwärtigen weiblichen Erwerbszweige
(...) Die Frauen, welche für den Tagelohn die gröbsten Arbeiten verrichten, bekommen einen geringeren Tagelohn als die Männer, welahe ebenfalls auf Tagelohn arbeiten. Man erklärt dies für angemessen, weil in vielen Fällen die naturgemäß geringeren Kräfte der Frauen auch nur zu geringeren Leistungen ausreichen und da der männliche Körper ein größeres Quantum von Nahrungsmitteln erfordern mag als der weibliche. Aber man kann gerade nicht behaupten, daß Holzspalten, Wassertragen und Scheuern, Waschen und Kehren, ja das schon in ein höheres Fach gehörende Plätten leichte Arbeiten wären, sie sind bekanntlich sämtlich sehr anstrengend - aber die Redensart vom »zarten Geschlecht« wendet man solchen Frauen gegenüber nicht an - man besinnt sich nur noch darauf, wenn man die Frauen von irgend einem Handwerk zurückschrecken oder die Unmöglichkeit dartun will, daß sie etwas, was Kraft und Ausdauer erfordert, üben könnten. Aber diese Frauen, welche die schwersten Arbeiten verrichten, sind noch lange nicht die beklagenswertesten. Gegenwärtig sind sogar ihre Löhne ziemlich gestiegen, in den meisten Fällen bekommen sie gut zu essen, und ihre Arbeiten sind zwar anstrengend, aber, wenn sie nicht ein gewisses Maß überschreiten, nicht gerade ungesund; der Tagelohn reicht in der Regel für den notdürftigsten Lebensunterhalt aus. Diejenigen aber, welche nicht gelernt haben, sich diesen gröbsten Arbeiten zu unterziehen, oder deren Kräfte dazu nicht ausreichen, oder die durch ihre Kinder oder hilfsbedürftigen Eltern ans Haus gefesselt sind, sich auch nicht vermieten können, müssen solche Arbeiten verrichten, die als speziell weibliche überall verzeichnet werden: Stricken, Nähen, Sticken. — Welche Konkurrenz hierin, welches Angebot der Arbeitskräfte in Bezug auf ihren Verbrauch und dafür welch geringer Lohn!
Eine Strickerin bekommt für ein Paar Strümpfe zu stricken in der Regel 5 Neugroschen (ca. 50 Pfg., H. S.) oder 17 Kreuzer Rheinisch - zwei bis drei Tage muß sie darüber stricken.(...) Die armen Strickerinnen schätzen sich daher oft glücklich, wenn sie für die »StrumpfStricker«, die damit handeln, stricken können, sie dürfen da doch immer auf Arbeit und den Absatz derselben rechnen, wenn sie gleich dieselbe noch schlechter bezahlt bekommen. Derselbe Grund ist es, welcher die Weißstickerinnen antreibt, für die Fabriken, die mit Seide und Wolle Stickenden, für größere Handlungen zu arbeiten. Sie werden auch schlechter bezahlt, aber sie haben wenigstens keine Auslagen, da sie das Material, Stoffe wie Zeichnungen, geliefert bekommen und, außer wenn eine Handelskrisis eintritt, doch sichere Beschäftigung haben. - Eine solche Stickerin - und gewiß kennt jedermann die kunstreichen Arbeiten des modischen Weißzeugs — verdient den Tag etwa 2 bis 3 Neugroschen (ca. 20 bis 30 Pfg., H. S.), wenn sie von früh bis zum späten Abend arbeitet. Man glaube nicht, in den großen Städten und für Private würden diese Dinge viel besser bezahlt - ich habe gestickte Namenszüge in Taschentüchern gesehen, welche mit 8 bis 10 Neugroschen (1 Neugroschen = 10 Pfg.; 10 Neugroschen = 'A Taler, H. S.) oder V2 Gulden rheinisch (das Garn nimmt die Stickerin noch dazu) bezahlt wurden. Es war nicht möglich, ein solches Tuch unter zwei Tagen anhaltender Arbeit zu vollenden. Ist nun die Stickerin im Zeichnen nicht geübt, so muß sie für das Zeichnen erst noch ein Viertel ihres Verdienstes abgeben. Auch die Arbeiterinnen der großen Städte schätzen sich glücklich, wenn sie für eine Handlung arbeiten können - sie haben dann doch immer zu tun - aber wenn sie von früh 6 bis Abends 9 Uhr mit der geringen Unterbrechung der Mittagszeit arbeiten, können sie etwa 5 bis 10 Neugroschen verdienen, mehr gewiß nicht. Vielleicht nur um die Weihnachtszeit, wo die Arbeit drängt und viele dieser Arbeiterinnen ganze Nächte durchwachen, gewiß aber nie vor Mitternacht die Arbeit wegzulegen wagen. Und welche augenanstrengende Arbeit- die noch dazu zur Hälfte unter Licht getan werden muß - und die, wenn die Arbeiterin allein wohnt, kaum ausreicht, Kleidung und Nahrung, Holz und Licht zu verdienen. Es geht eben nur, wenn das Letztere von einer Familie bestritten wird. Dies sind die am besten gestellten Arbeiterinnen. Aber eine gute Nähmaschine kostet noch immer 70 bis 80 Taler, und es ist wohl auch bei der Konstruktion derselben nicht anzunehmen, daß der Preis derselben sehr falle, und so sind Tausende der armen Näherinnen in der Lage, in welcher die Handspinner den Maschinenspinnern gegenüber einst waren, ja zum Teil noch sind: in der Maschine, die der Menschengeist zur Erlösung der Menschen von geisttötender Arbeit erfand, erblicken sie ihre Feindin. Die Nähmaschine wird als Feindin der armen Näherinnen betrachtet, sie macht ihnen Konkurrenz, denn sie sollen nun auch so billig und so akkurat arbeiten, wie es die Maschine tut, und der dann und wann noch gerühmte Vorzug der größeren Haltbarkeit der Handarbeit vor der Maschinenarbeit wird nicht sehr gewichtig in die Waagschale fallen - es ist auch hier derselbe Gang der Dinge zu erwarten, wie bei der Spinnerei: das Vorurteil wird allmählich überwunden, die Maschinen werden noch verbessert, und endlich wird es nur wie eine Sage betrachtet werden, daß man sich allein mit seinen Fingern ohne andere Beihilfe abmühte, ein Kleidungsstück zu fertigen. Und selbst wenn das neue Fabrikat weniger lange hält als das alte: - was tut es? es kostet dafür auch weniger, und die daraus gezogenen Konsequenzen sind einmal die herrschenden in unsrer industriellen Zeit. Es heißt eben darum mit ihr fortschreiten - was ist es denn für ein Unglück, wenn so und so viel tausend Mädchen durch die Nähmaschinen von ihrem alten Nähtisch vertrieben werden, an dem sie engbrüstig und hektisch werden und Zeit haben zu nichtigen Träumereien oder zum Jammern über ihr Schicksal? Die Hauptsache ist nur eben, daß man, wo ein Arbeitszweig aufhört lohnend zu sein, sich nach einem andern umsieht.
Und wenn ich das Los der Näherinnen und ihr Festhalten an einem Erwerbszweig beklage, der eben niemanden mehr ernährt - was soll ich da z. B. von den Klöpplerinnen im sächsischen Erzgebirge sagen? Hier zählt der Verdienst eines Tages oft nur nach Pfennigen! Ich fand einst eine Klöpplerin an einer äußerst mühevollen schwarzseidenen Spitze arbeiten; sie sagte mir, daß es ihre Augen kaum aushielten, die dünnen dunklen Seidenfädchen um die blitzenden Nädelchen zu schlingen -abends sei sie gar nicht im Stande daran zu arbeiten, aber sie schätze sich doch glücklich, diese Arbeit zu haben, da die schwarzen Spitzen besser bezahlt würden, denn sie könne den Tag eine halbe Elle arbeiten und so 1V2 Neugroschen verdienen, ohne die Abendstunden, wo sie zu einer gröberen Arbeit greife! Der Arbeitgeber gab ihr also 3 Neugroschen für die Elle, die Seide dazu kostete ungefähr eben so viel - und im Handel gibt man für die Elle solcher Spitzen 20 Neugroschen - nun mache man selbst die weitere Anwendung davon! Hättet Ihr diese Mädchen und Frauen des oberen Erzgebirges gesehen! Die Kinder, welche in den dumpfen Stuben aufwachsen, sehen gespenstisch aus, bleich, mit abgemagerten Armen und Beinen und aufgetriebenen Leibern - von der einzigen Nahrung, welche sie haben: der Kartoffel. Der Vater hat sich im Blaufarbenwerk einen frühen Tod geholt oder er zieht mit Rußbutten oder Holzwaren durch das Land, Weib und Kinder müssen daheim arbeiten, er kann nicht auch für sie mit sorgen! Die kleinen Mädchen müssen klöppeln, sobald sie die Händchen regelrecht regen können - da verkümmern sie am Klöppelkissen, an dem die Mutter schon verkümmerte, daß sie nur schwächlichen Kindern das Leben geben konnte, am Klöppelkissen, an dem die Großmutter erblindete! Denn das unverwandte Sehen auf die feinen Fädchen, Nadeln und Klöppelchen raubt den Augen früh die Sehkraft, und die spielende Bewegung der kleinen Klöppel - oft gegen 50 bis 100 - mit den Fingern macht diese fein und zart, die Arme schwach und mager und untauglich zu jeder anderen Beschäftigung. Und da kommen die klugen Leute und sagen: die Frauen können etwas anderes tun als klöppeln, es sei Wahnsinn, daß sie darauf bestünden. Nein, sie können es nicht, wenn sie einmal von Kindheit auf nichts andres getan haben, denn sie haben sich niemals kräftigen können und sind ganz und gar unfähig, eine schwerere Arbeit zu verrichten - wenn man sie ihnen auch verschaffen könnte.
Ich habe schon die Preise angegeben, welche für einige weibliche Arbeiten bezahlt werden. Ja, wenn sie nur wirklich immer bezahlt würden! - aber auch die armen Näherinnen müssen Kredit geben und werden oft spät, zuweilen auch gar nicht bezahlt.(...) (S. 19-24)
Glücklich sind diejenigen Mädchen, welche, indem sie von weiblichen Handarbeiten leben, noch einer Familie angehören, so daß sie wohl, was sie verdienen, den Eltern oder Geschwistern mit zum Haushalt geben, aber doch nicht speziell dafür zu sorgen haben. Dann sitzen sie wenigstens in einer warmen Stube und haben ein warmes Mittagsessen. Aber welches Glück ist eine solche Existenz! Eine fleißige Arbeiterin steht früh 5 Uhr auf und setzt sich gegen 6 Uhr an ihren Arbeitstisch dann steht sie nicht eher auf als um 12 Uhr zum Mittagsessen in längstens einer halben Stunde ist dies beendigt, und sie setzt sich gleich wieder hin - hat sie viel zu tun, so macht kaum die Dämmerung, noch weniger das Abendessen eine Unterbrechung, ein Butterbrot kann bei der Arbeit genossen werden -und darin besteht allein ihre Abendmahlzeit; gegen 10 Uhr, oder - je nachdem die Arbeit treibt - früher oder später, geht sie schlafen. Und so Tag für Tag, Stich für Stich - kein Feierabend, wie ihn andere Arbeiter haben, kaum Sonntags ein Kirchenbesuch, ein Spaziergang. Die Gedanken stumpfen entweder ganz ab oder bleiben an den Sorgen hängen: wo wieder Arbeit herzubekommen, wenn diese fertig? und wird diese auch bezahlt werden? - Aber keine Träne darf in ihr Auge treten, dann möchte sie zu große Stiche machen - auch kein Blick auf die Straße irren - das ist schon eine Arbeits Versäumnis. Wie gesagt, eine Näherin, die noch nicht ganz verlassen ist, kann das schon aushalten aus den Ersparungsgründen, die wir vorhin erwähnten und auch weil sie sich nicht so verlassen fühlt, weil ja die langweiligste Arbeit dadurch Wert bekommt, wenn man sich sagt, daß man nicht nur für sich arbeitet, und wenn überhaupt mehrere zusammen arbeiten oder doch ein Gespräch stattfinden kann — aber wenn sie nun ganz allein steht oder noch einen alten Vater, eine stumpfe Mutter, kleine Geschwister, vielleicht ein eigenes Kind mit zu ernähren hat? Im ersteren Falle ist sie noch besser daran, dann kann sie als Näherin zum Ausbessern auf die Stube zu den Leuten gehen, da bekommt sie 2V2 bis 5 Neugroschen und das Mittagsessen - so hat sie wenigstens dies und doch meist ein kräftiges, erspart Holz und Licht zu Hause, kann auch bis Tagesanbruch schlafen und ist Abends von sieben Uhr an frei. Ist sie so glücklich, Schneidern oder Putzmachen gelernt zu haben, bekommt sie 8 bis 12 V2 Neugroschen den Tag. Solche Mädchen haben unter den Arbeiterinnen noch das glücklichste Los gezogen, aber sie haben auch in der Regel sich erst das Erlernen des Schneiderns und Putzmachens etwas kosten lassen müssen.(...) (24-26)
Diese »weiblichen Arbeiten«, wie Sticken, Häkeln, Nähen usw. werden auch von allen denen vorgezogen, welche es nicht wollen wissen lassen, daß sie einen Verdienst brauchen können.(...) Die Hausväter fürchten ihren Kredit zu verlieren, wenn man erfährt, daß ihre Töchter für Geld arbeiten, und geben das nicht zu, die Mütter fürchten aus gleichem Grunde, daß sie dann keinen Mann bekommen, und lassen das Arbeiten heimlich geschehen - und um dies alles noch zu unterstützen, versuchte jüngst eine deutsche Schriftstellerin in einer deutschen Residenz die Gründung eines »Bazars«, für welchen »Beamtentöchter« unter der Garantie, daß niemand ihre Beteiligung daran erführe, arbeiten sollten! -(...) (S. 27)
Zum Glück sind nicht alle Eltern so verblendet, nicht alle Mädchen so töricht. Aber wie wenig Gelegenheit finden sie zum Erwerb, auch wenn sie denselben suchen wollen mit Aufgabe ihrer häuslichen Existenz!
Die meisten Mädchen, die eine oberflächliche Erziehung genossen haben und nicht so weit vorgebildet sind, um eine Stelle als »Gouvernante« ausfüllen zu können, suchen eine solche als »Bonne« oder »Erzieherin« oder »Mamsell«, wie der andere Kunstausdruck lautet. Kommt ein solches Mädchen, das von allem etwas und meist nichts ordentlich gelernt hat, in eine Familie, so weiß man dann oft nicht, ob man mehr die Familie bedauern soll, welche einem so dilettantenhaft gebildeten Mädchen die Aufsicht über ihre Kinder, wohl gar deren Erziehung anvertraut, - oder das Mädchen, das tausend Ansprüche an sich gemacht sieht, die alle zugleich zu befriedigen fast eine Unmöglichkeit ist! Wie fast immer im planlosen Frauenleben, entscheidet auch hier nur der Zufall, natürliche Begabung und der gute Wille, ob in irgend einer Weise ein günstiges Resultat erreicht wird.
Betrachten wir uns doch einmal diese Verhältnisse ein wenig näher! Wer eine »Bonne« engagiert, wünscht gewöhnlich Gouvernante, Kammerjungfer und Kindermädchen in einer Person zu vereinigen. Es sind einige kleine Kinder im Hause, die noch nicht oder nur zum Teil das schulpflichtige Alter erreicht haben. Die Mutter ist abgehalten, sich ihnen ganz zu widmen -im schlimmeren Falle durch Bequemlichkeit und gesellige Bedürfnisse, in besseren durch einen mit dem Geschäft des Mannes verknüpften großen Hausstand, durch Kränklichkeit oder ein kleines, vielleicht auch kränkliches Kind. Wir verdenken ihr dann nicht, daß sie sich nach einer Gehilfin umsieht; es ist sogar ihre Pflicht, es zu tun, sobald es die Verhältnisse erlauben.(...) (S. 28)
Was wird nun von der Bonne alles verlangt? Sie muß bei den größeren Kindern schlafen, früh sie wecken, ankleiden helfen und den ganzen Tag über beaufsichtigen. Sie muß Französisch verstehen, um es den Kindern »spielend« - wie der Kunstausdruck lautet - mit zu lehren, außerdem aber Schneidern, Putzmachen, Gardinen aufstecken, plätten, nähen und alle weiblichen Handarbeiten verrichten, alles besorgen, was zur Kleidung der Kinder und zur Haustoilette der Hausfrau gehört; vielleicht muß sie diese auch frisieren und ankleiden, wenn nicht täglich, doch für die Gesellschaft. Vielleicht muß sie auch mit bei der Wäsche helfen, stärken und mit auf die Rolle gehen, in der Küche jedenfalls, wenn es etwas mehr als gewöhnlich zu tun gibt. Außerdem muß sie mit den Kindern spazieren gehen und immer bereit sein »spielend« ihre Anliegen und Einfälle zu befriedigen: ihre Puppensachen nähen, ihre Spiele leiten, alles aufräumen, was sie herumwerfen, für alles stehen, was sie zerreißen oder sonst umbringen, womöglich jeden Schaden wieder heilen, den sie anrichten und das alles mit der liebevollsten und freundlichsten Miene - denn dazu hat man sie ja! Selten darf sie den Kindern etwas verbieten, abschlagen, noch weniger sie bestrafen, dazu haben die Eltern allein das Recht. Sind aber die Kinder unartig, so fällt die Hauptschuld allein auf die Bonne. Dies letztere bezeichnet schon den Standpunkt, den sie im Hause einnimmt. Wenn die Kinder mit am Tische essen, so hat sie das gleiche Recht - gewiß aber verschwindet sie mit ihnen, wenn Besuch kommt. Diesem gegenüber wird sie nicht besser als jeder Dienstbote behandelt; sie darf nur im Zimmer erscheinen, wenn sie zum Servieren, zur Teebereitung usw. gebraucht wird, und dann sitzt sie nicht mit am Tische, sondern hält sich abseits in einer dunklen Ecke oder am Büffettisch auf.(...)(S.29)
Nehmen wir nun auch an, daß ein geschicktes Mädchen schon in der eigenen Familie sich die meisten Fertigkeiten aneignen kann, die als Mamsell von ihr gefordert werden, so muß sie doch wenigstens Frarizösisch, Klavierspiel, vielleicht auch Schneidern und Putzmachen erst durch bezahlten Unterricht gelernt haben und überhaupt einen Grad der Bildung besitzen, der sich entweder nur durch Erziehung im Schöße einer gebildeten Familie oder sehr schwer in anderen wechselnden Verhältnissen erreichen läßt. Keineswegs also ist jedes Mädchen zu einer solchen Stellung befähigt, und wenn es auch keiner allzugroßen Vorbereitung dazu bedarf, so ist doch immer für die einzelnen Zweige Lehr- und Stundengeld aufgewendet worden, das sich nun verinteressieren muß. Es sind die Töchter von Beamten, Pastoren, Advokaten, Künstlern, Privatgelehrten und kleinen Kaufleuten, die nach einem solchen Lebensunterhalt streben, entweder weil das Einkommen der Väter nicht ausreicht, sie zu ernähren, oder weil sie denselben verloren haben.
Und was ist nun bei Bildungsgrad, Leistungsfähigkeit und Behandlung, wie geschildert, meist der Lohn für solche Mühsal? - Die Feder sträubt sich es zu sagen!
Sechzig bis achtzig, höchstens hundert Taler jährlich - dazu kommen im besten Falle noch Weihnachtsgeschenke, aber fast nie wird das Gesamteinkommen viel über hundert Taler betragen. Dafür wird nicht nur die ganze Freiheit - es gibt keine Ferien und Feiertag, von den letzteren gestattet vielleicht einer um den andern einen Kirch- und freien Ausgang - und die ganze Arbeitskraft eines Mädchens verkauft, sondern es wird auch »anständige« Kleidung gefordert, deren Verbrauch bei den vielen wirtschaftlichen Leistungen und der Kindernähe kein geringer ist, indes meist die Zeit fehlt, für sich selbst zu nähen und auszubessern.
Und wenn irgendwo eine solche Stelle angekündigt wird, findet leicht eine Konkurrenz von hundert Bewerberinnen statt!
Daraus kann man schließen, wie viele Mädchen es gibt, die zu einem solchen Erwerb genötigt sind, genötigt, sich für den schlechtesten Gehalt auch noch der schlechtesten Behandlung Preis zu geben!
Fast gibt es kein Verhältnis, in dem die Arbeitskraft des Mannes in gleichem Grade ununterbrochen in Anspruch genommen würde, als es in der geschilderten Stellung im Frauenleben geschieht — freilich immer wieder sanktioniert durch das Herkommen, nach welchem die musterhafte deutsche Hausfrau und danach auch jede, welche ihr beisteht, sei es die Tochter oder die Dienerin - keine Ruhestunden kennen darf.(...) Die Zeit ist ein Kapital, das man am allersorgfältigsten hüten sollte. Es gilt darum doppelt für das weibliche Geschlecht, dieselbe nicht allein zusammenzunehmen, sondern sie auch für sich selbst höher zu verwerten, d.h. etwas zu lernen und zu treiben, das für die Zukunft diese höhere Verwertung sichert. Die Sitte, die meiste Frauenarbeit und alle weiblichen Leistungen so schlecht, wie es geschieht, zu bezahlen, entsteht einmal aus der übergroßen Konkurrenz in den wenigen ihr bisher zugänglichen Fächern, andererseits aus dem Pochen auf die Mäßigkeit und Anspruchslosigkeit des weiblichen Geschlechts, das mit Wenigem zufrieden ist, weil - es dies sein muß.(...) (S. 30 f.)
Ich rief die Arbeiter auf, abzulassen von der Verblendung, mit der einige von ihnen die Mädchen aus den Fabriken und Gewerben und damit in die Schande jagten und fügte hinzu: »Und wenn man überall vergessen sollte, an die armen Arbeiterinnen zu denken - ich werde sie nicht vergessen!«
Immerhin war es ein harter Kampf, zumal in Sachsen, wo von Gewerbefreiheit noch keine Spur war und der Zunftzwang überall hemmend entgegentrat. Wie viel Tinte hab' ich nicht allein im Interesse der Schneiderinnen verschrieben, die vorerst von den Schneidern angelernt wurden, und bei denen dann alle Augenblicke die Schneider einmal Haussuchung hielten und die vorgefundene Arbeit konfiszierten, weil jene nur auf Arbeit in die Häuser gehen durften! Die Schneider, obwohl sonst immer nur dem Fortschritt huldigend, ja oft die enr agier testen Demokraten - in diesem Punkt waren sie die schrecklichsten Reaktionäre. Und so ging es in vielen Zweigen der Arbeit: in der Theorie führten die Leute immer das große Wort des Fortschritts, wenn aber einer in seinem Gewerbe sich beeinträchtigt glaubte, so wehrte er sich mit Händen und Füßen dagegen(...)(S.78f.)

Die Geschlechtsvormundschaft

Die Geschlechtsvormundschaft bestellt noch in einigen deutschen Staaten - in andern ist sie abgeschafft. Auch als dies geschah - Sachsen war bekanntlich einer der ersten deutschen Staaten, der sie aufhob, schon in den dreißiger Jahren - ward erst lange darüber debattiert, ob dies nützlich sei oder nicht - ob man die Frauen als mündig vor dem Gericht erklären könne -und es war dies in der Tat beinahe der wichtigste Schritt nach vorwärts, den die Geschichte der Frauen aufzuzeigen hat, nur daß er eben von den Frauen selbst in seiner ganzen Größe kaum genug gewürdigt ward.
Die Sache war nämlich die: Der Vater ist der natürliche Vormund seiner Tochter, und wenn dieselbe heiratete, so ging diese Vormundschaft auf ihren Mann über. War nun die Frau Witwe geworden, so mußte sie sich einen Kurator wählen, ohne dessen Bewilligung und Unterschrift sie keine Kontrakte eingehen noch sonst eine gerichtliche ^Verfügung treffen konnte - ihre Unterschrift allein hatte keine Gültigkeit. (...) (S. 65)

Selbsthilfe

Wer sich nicht selbst helfen will, dem ist auch nicht zu helfen, ja er verdient nicht einmal, daß ihm geholfen werde! -Nur was man durch eigene Kraft erringt, hat einen Wert. -Die Geschichte aller Zeiten und die unsrige ganz besonders lehrt es, daß diejenigen auch vergessen wurden, welche an sich selbst zu denken vergaßen! welche nicht entschieden eintraten für ihre Rechte, welche untätig stehen blieben, indes die anderen um sie her rüstig arbeitend im Dienst des Fortschrittes weiter und weiter schritten. Unzählige Male ist es schon gesagt worden, daß die Lage der Arbeiter nur verbessert werden kann durch den Willen der Arbeiter selbst, durch ihre eigene Kraft, daß alle unterdrückten Völker nur frei werden können, wenn sie in ihrer Bildung und Entwicklung so weit vorgeschritten sind, daß sie wirklich frei werden wollen - und ganz dasselbe muß man auch in Bezug auf die Frauen wiederholen.(...) (S. 67)

Frauen organisieren Frauen: Die Gründung des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins 1865

Nach weiteren lebhaften Debatten lautet die einstimmig angenommene Resolution:
  1. Wir halten es für ein unabweisbares Bedürfnis, die weibliche Arbeit von den Fesseln des Vorurteils, die sich von den verschiedensten Seiten gegen sie geltend machten, zu befreien. Wir halten in dieser Hinsicht neben der Agitation durch Frauenbildungsvereine und die Presse, die Begründung von Produktiv-Assoziationen, welche den Frauen vorzugsweise empfohlen werden, die Errichtung von Industrie-Ausstellungen für weibliche Arbeitserzeugnisse, die Gründung von Industrieschulen für Mädchen, die Errichtung von Mädchenherbergen, endlich aber auch die Pflege höherer wissenschaftlicher Bildung für geeignete Mittel, dem Ziele näher zu kommen.
  2. Die Konferenz beauftragt den ständigen Ausschuß des Frauen Vereins, sich mit diesen Punkten eingehend zu beschäftigen, die nötigen Vorbereitungen zu treffen und der nächsten Frauen-Versammlung das Material vorzuführen, auf Grund dessen definitive Beschlüsse zur Ausübung der gedachten Maßnahmen erfolgen können.
In der zweiten Sitzung am folgenden Tage ward das vom Redaktionskommittee redigierte Statut des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins beraten und angenommen. Es lautet:
  • § 1. Der »allgemeine deutsche Frauen verein« hat die Aufgabe, für die erhöhte Bildung des weiblichen Geschlechts und die Befreiung der weiblichen Arbeit von allen ihrer Entfaltung entgegenstehenden Hindernissen mit vereinten Kräften zu wirken.
  • § 2. Frauen und Mädchen, welche die Großjährigkeit erreicht, erlangen die Mitgliedschaft durch Eintrittserklärung, eine einmalige Eintrittsgebühr von V2 Taler und einen jährlichen Beitrag von 2 Talern. Jüngere Mädchen können gegen einen Jahresbeitrag von 1 Taler als Zuhörerinnen ohne Stimmrecht zugelassen werden und an allen Vorteilen der Vereinigung teilnehmen. Männer, die sich für die Zwecke des Vereins interessieren und dies betätigen, können als Ehrenmitglieder mit beratender Stimme aufgenommen werden, ebenso solche Frauen im Auslande, die für die Frauensache in rühmlicher Weise tätig waren.
  • § 3. Die Einnahmen bestehen a) aus den Jahresbeiträgen der Mitglieder, b) aus den freiwilligen Beiträgen der Männer, c) aus den Erträgen von Abendunterhaltungen, Konzerten, Lotterien usw.
  • § 4. Die Mitglieder, welche in einzelnen Orten in größerer Zahl wohnen, sind dringend eingeladen, Lokalvereine zu bilden, welche mit dem Vorstande in regem Verkehr zu bleiben haben.
  • § 5. Mit der Leitung wird ein Vorort beauftragt, der jedes Jahr wieder ernannt werden kann. Am Vororte wird ein Vorstand, der die laufenden Geschäfte zu besorgen hat, aus fünf Mitgliedern bestehend, bestellt. Der Vorstand kann auch männliche Ehrenmitglieder beiziehen; sie haben beratende Stimme. Der Vorstand bildet mit zehn auswärtigen Mitgliedern den weiteren Ausschuß, der in wichtigen Fragen zusammenberufen wird und sich andere Mitglieder kooptieren kann. Der Vorstand und Ausschuß wird jedes Jahr neu gewählt.
  • § 6. Womöglich tritt jedes Jahr ein vom Vororte einberufener Frauentag zusammen; der Sitz desselben wechselt jährlich. Die Lokal vereine sind gehalten, zu dem Frauentag Vertreter zu schicken. Doch steht die Teilnahme jedem einzelnen Mitgliede des allgemeinen deutschen Frauen Vereins frei.
  • § 7. Eine Revision der Statuten kann, wenn sie wünschenswert erscheint, an jedem Frauentage vorgenommen werden, jedoch sind zu jeder Änderung 3/4 der Stimmen der Anwesenden erforderlich.
Zum Vorstand wurden bei der Gründung erwählt:
Louise Otto-Peters, Auguste Schmidt, Ottilie v. Steyber, Alwine Winter, Anna Voigt.(...) (S. 86-88)
 

Der Antifeminismus der Arbeiter

Wir erwähnten schon einmal vorübergehend, wie unter den Fabrikarbeitern teilweise die Angst herrsche vor der Konkurrenz der Frauen, wie es schon 1848 an manchen Orten geschehen, daß die Arbeiter die Frauen aus den Fabriken vertrieben. Neuerer Zeit hegt man da und dort ähnliche Gedanken, ja es ist - von den Lassalleanern - der Grundsatz aufgestellt worden: »Die Lage der Frau kann nur verbessert werden durch die Lage des Mannes.« Dies ist der aller Gesittung und Humanität Hohn sprechende Grundsatz, den unsere ganze Anschauung und diese Schrift bekämpft. Gerade die Partei, die von »Staatshilfe« sich so viel verspricht, die das allgemeine Stimmrecht fordert (nur für Männer, H. S.), schließt von allen ihren Bestrebungen die Frauen aus — dadurch beweist sie, daß sie ihr Reich der Freiheit, d. h. »die Herrschaft des vierten Standes« gründen will auf die Sklaverei der Frauen -denn wer nicht frei für sich erwerben darf, ist Skiaue. Aber das ist Gott sei Dank nur der eine, der kleinere Teil der Arbeiter; der größere hat in der Arbeiterversammlung zu Stuttgart auch der Frauenarbeit das Wort geredet und später der Frauenkonferenz zugestimmt; auch seine Organe wie Arbeitgeber, Arbeiterzeitung usw., sind auf der Seite der Frauenarbeit.
Und es ist unbegreiflich, wie jemand mit sehenden Augen nicht auf dieser Seite sein kann! Selbst wenn man annehmen wollte: es entstände eine Konkurrenz, es würden manche Männer weniger Arbeit und Verdienst haben als jetzt durch das Angebot weiblicher Arbeitskräfte - nun so bleibt es ja ganz gleich, ob Männer oder Frauen feiern und hungern: die Anforderung auf Brot haben sie doch mit einander unbestreitbar gemein! Und wenn die Männer nicht mehr nötig haben, für ihre Frauen, Töchter und Mütter Brot zu verschaffen, so haben ja gerade sie von der Einführung der Frauenarbeit den größten Vorteil - wie denn alle unsere Frauenbestrebungen ja gar nicht geschehen, wie auch ein Teil unsrer Gegner lächerlich behaupten will: in Feindschaft und als Kriegserklärung gegen die Männer, sondern umgekehrt: weil es jetzt nicht mehr möglich ist, daß zwei Hände allein genug arbeiten und verdienen können, um ein ganzes Leben lang eine ganze Familie zu ernähren. Von diesem Druck, dem härtesten, den es gibt, dem der Nahrungssorgen, von Verhältnissen, in denen es zum Verbrechen wird, einmal Zeit und Kraft einem Unternehmen zu widmen, das vielleicht der ganzen Menschheit zu Gute kommt, gewiß aber der Familie nichts oder doch vielleicht nichts einbringt - von diesem Drucke wollen wir die Männer so gut dadurch erlösen, wie wir uns selbst von dem Druck der Abhängigkeit erlösen wollen, indem wir eine naturgemäße Teilung der Arbeit fordern für Mann und Frau.
Der Mann, der arbeiten will, findet immer und überall eine Gelegenheit zu Arbeit und Verdienst - nur die Faulen, die Leichtsinnigen, Hochmütigen und Lasterhaften sind es, die arbeitslos werden und dadurch in Schande und Elend versinken, im »Kampf um das Dasein« unterliegen. Es tritt auch niemand zu ihnen und sagt: komm, du brauchst nicht zu arbeiten und sollst es besser haben und mehr verdienen, als wenn du arbeitest und dein Leben hinbringst in Opfer und Entbehrung! So sagt niemand zu dem Manne: aber zu dem Mädchen wird es tausendmal gesagt in feiner und roher Form, wird es gesagt von Männern, die nur unter der Herrschaft ihrer Sinnlichkeit stehen, wird es gesagt von alten Frauen, die selbst längst in den Abgrund der Schande versunken und verhärtet sind, und von jungen Frauen, die eben noch im Rausch der Sünde lustig dahin leben - wird es gesagt vielleicht von den eigenen Eltern!
Und so hören Tausende und aber Tausende auf diese Stimme und ergreifen das Mittel, das ja so leicht ergriffen ist! so geben sich die einen dem Manne hin, der sie mit Geschenken und Versprechungen kirrt und aus ihrer verlassenen Lage in eine freundliche versetzt, so werfen sich die anderen dem scheußlichsten Gewerbe in die Arme, weil es das einzige war, das ihnen offen stand - und dann entsetzt man sich über den Verfall des weiblichen Geschlechts und macht es für ein verbrecherisches Leben verantwortlich, das alle heiligsten Naturgesetze mit Füßen tritt, die Heiligkeit der Familie untergräbt, für die Gesetzgeber selbst zu einem Problem wird, das noch keine befriedigende Lösung gefunden!
Und wen trifft die Schuld von diesem Verbrechen? - Die Sittenlosigkeit der Männer und der Frauen! antwortet man schnell und denkt damit wohl noch ein gerechtes Urteil zu sprechen, weil man die Männer nicht ganz frei davon spricht.
Aber wen trifft die Schuld dieser Sittenlosigkeit? Nicht allein die Einzelnen, die ihr erliegen - diese Schuld haben alle die Männer und Frauen, auch die sittenreinsten, auf ihrem Gewissen, welche den Grundsatz festhalten: das Weib ist nur da um des Mannes willen, - alle die Männer und Frauen, welche ihre Töchter nicht so erziehen, daß sie sich selbst erhalten können, alle die Männer, welche den Frauen das Recht auf Erwerb durch ihre eigene Arbeit streitig machen, - alle die, welche sie zum Müßiggang verdammen, ihnen nicht die Mittel zur Bildung, zur Arbeit, zu einer selbständigen Stellung im Leben gewähren! Jene Schuld trifft auch den Staat, wenn er es zuläßt, daß den Frauen das Recht auf Erwerb verkümmert werde - und um von dieser großen Schuld der Zeiten wenigstens ein Sandkorn zu tilgen, habe ich diese Schrift geschrieben! (S. 103-105)

Kommentar

 

Louise Otto hat das historische und politische Verdienst, zuerst in der deutschen Öffentlichkeit in Aufmerksamkeit erzwingender Weise auf das extreme Elend der Arbeiterinnen hingewesen zu haben: bereits im Jahre 1848 mit der Adresse eines deutschen Mädchens. Daß eine Frau öffentlich sprach und für Frauen sprach, war ein Ereignis von ungewöhnlicher Courage auf Seiten der Frau und ungewöhnlicher Verblüffung der männerbeherrschten Öffentlichkeit.

Die Adressaten waren der Minister Oberländer, eine nur aus Männern bestehende Arbeiterkommision, die offiziell über die »Organisation der Arbeit« mit der Obrigkeit verhandelte, und die männlichen Lohnarbeiter selbst, an ihren Arbeitsplätzen, in Vereinen und Publikationen.
Sie wandte sich an »alle Arbeiter«, die zugleich die Arbeitskollegen, die Brüder, Väter und Ehemänner der Arbeiterinnen waren. Sie alle, die die Lage »der« Arbeiter verhandeln wollten, hatten die elendsten Arbeiter, die Arbeiterinnen, die Frauen, die Minorität auf dem Arbeitsmarkt, das weibliche Subproletariat, das sich selbst noch nicht artikulieren und organisieren konnte, völlig vergessen. Die Frauenbewegung war von Anfang an also auch die Bewegung der Arbeiterin, und die in den vierziger Jahren beginnende Arbeiterbewegung war von Beginn eine Männerbewegung, die Bewegung von Arbeitern, die sich als Familienväter verstanden und keineswegs die niederen, verachteten weiblichen Lohnarbeiterinnen, die sie oft mit Gewalt aus der Lohnarbeit vertrieben, als Ihresgleichen betrachteten und mit in ihre Solidarität, Überlegungen und Organisation einbezogen. Die »Arbeiterklasse« wurde als »brüderlicher« Männerbund aufgefaßt, war und blieb es in der Folge-
L. Otto hat schon 1848 erkannt, daß die weibliche Arbeitskraft nicht frei ist, nicht frei von »Familienpflichten« und nicht frei auf dem Arbeitsmarkt, »weil die Frauen nur zu wenig Arten von Arbeiten zugelassen sind«, zu denjenigen, die jeglichem Mann zu niedrig waren.
Sie hat schon damals erkannt, daß Frauen in der Lohnarbeit keineswegsgleich sind, sondern daß man in den wenigen Frauen-Arbeitszweigen »die Löhne so herabgedrückt hat, daß ... das Los der Arbeiterinnen noch ein viel elenderes ist als das der Arbeiter« (Adresse eines deutschen Mädchens, 1848).
Das Jahr 1848 ist auch das Jahr des »Kommunistischen Manifestes«; das Programm des »Bundes der Kommunisten« wurde verfaßt von K. Marx und F. Engels. Es findet sich darin kein Wort zur Lage der am meisten Verelendeten, der Lohnarbeiterinnen. »Unter Proletariat (wird) die Klasse der modernen Lohnarbeiter« verstanden, so Engels. Das weibliche Subproletariat, die Lohnarbeiterinnen, werden nicht beachtet. Sie sind ausgeschlossen, sonst müßte ihre Verelendung in der Theorie und politischen Aktion Priorität haben. Die Rede ist nur von Männern und an »die Männer ... die diese Waffen führen werden (gegen die Bourgeoisie, H. S.), die modernen Arbeiter, die Proletarier«, so Marx im Kommunistischen Manifest. Um die in Lohnarbeit stehenden Frauen dennoch unter die »Arbeiterklasse« subsumieren zu können, behaupten Marx und Engels, Geschlechtsunterschiede hätten »keine gesellschaftliche Geltung mehr für die Arbeiterklasse«. Das entspricht keineswegs der historischen Realität. Die Aussagen von Frauen über die äußerst schwerwiegende Relevanz des Geschlechtsunterschiedes und ihre Erfahrungen auf dem Arbeitsmarkt wie die Geschichte der Frauen und die Frauenbewegung im 19. Jahrhundert sprechen dagegen. Frauen arbeiten länger, schmutziger, schwerer und werden viel schlechter bezahlt. Zu einträglicher Arbeit werden sie nicht zugelassen, sie ist verschlossen wie die Zünfte. Louise Otto hat Denkfehler in der Marxschen Theorie - seine patriarchale Ideologie - schon 1848 aufgezeigt. - Das antagonistische Verhältnis zwischen Frauen und Männern in der patriarchalen Familie, wo auch die Lohnarbeiter die Herren über ihre Frauen sind, wird zudem von Marx und Engels unterschlagen, während L. Otto radikaler ist, tiefer geht, indem sie auch die Verelendung der Frauen in der Ehe aufzeigt. Vor allem zerreißt sie nicht den Zusammenhang zwischen innerhäuslichem und außerhäuslichem Elend der Frauen. Wie die bürgerlichen Gesellschaftstheoretiker überschreiten auch die kommunistischen und sozialistischen die Tabugrenze des »Privatbereiches« nicht. Ihre Gesellschafts- und Ökonomietheorie beschränkt sich - wie die von ihnen kritisierte bürgerliche - auf den männlichen Teil der Bevölkerung und deren ökonomisch relevantes Agieren. Die unterste Schicht, die Basis der menschlichen Gesellschaft - die Subproletarierinnen, die Heimarbeiterinnen und Frauen in der Hauswirtschaft sehen sie nicht. L. Otto wendet sich diesen zu, sieht die ökonomischen Ursachen und Folgen für alle Frauen, die die weibliche Menschheit, die Mehrheit des Volkes darstellen.
Weder das Kommunistische Manifest noch die »Erwägungsgründe der Statuten der Internationalen Arbeiter-Association« (entworfen von K. Marx 1864) noch das »Programm der sozialdemokratischen Arbeiterpartei« (beschlossen in Eisenach 1869) erwähnen auch nur in einem Satz das extreme, mehrfache ökonomische Elend der Frauen, sondern sind im Gegenteil Dokumente männerbündischer, patriarchaler Borniertheit; die Sozialdemokratische Arbeiterpartei fordert das Männerwahlrecht und eine noch größere »Einschränkung der Frauenarbeit«, d. h. ihrer bezahlten Arbeit. Geplant ist »die politische und ökonomische Befreiung der Arbeiterklasse« auf dem Rücken aller Frauen. -L. Otto hat 1848 schon und 1866 ausführlich die mehrfachen Aspekte der Verelendung der Frauen aufgezeigt und versucht zu analysieren -als Autodidaktin. Ohne Kenntnisse der Nationalökonomie, der Rechtsphilosophien und anderer Gesellschaftstheorien, ohne das Privileg jahrzehntelanger Forschungsarbeit als Privatgelehrte wie alle männlichen Theoretiker auf bürgerlicher und auch auf sozialistischer und kommunistischer Seite. Sie hat dennoch die unerträglichen Mißstände, unter denen die Frauen leiden, weil sie nicht einmal ihre Arbeitskraft für ihr eigenes Wohl einsetzen können, nicht einmal über ihre Arbeitskraft selbst verfügen, benannt: ein Katalog von Forderungen gegen die Frauenverelendung, wie er noch hundert Jahre später Gültigkeit hat:
  1. Das Recht der Frauen auf Erwerb, nicht auf Arbeit schlechthin, sondern auf Lohnarbeit in allen Berufen und Erwerbszweigen.
  2. Die Befreiung der weiblichen Arbeitskraft aus dem patriarchalen »Haus«: statt Fremdbestimmung über die Frau durch den Vater bzw. Ehemann, Selbstbestimmung (und Selbständigkeit) im Hinblick auf ihre Arbeitskraft.
  3. Recht auf jegliche Schul- und Berufsausbildung, einschließlich akademischer.
  4. Die Abschaffung des Berufs- und Erwerbsmonopols der Männer, seien es gelernte Lohnarbeiter, Handwerker oder Bürger.
  5. Protest gegen die extreme Ausbeutung der weiblichen Lohnarbeiterin durch die Vorarbeiter, Meister, Zwischenhändler, Verleger und Kapitaleigner.
  6. Protest gegen die Weiblichkeitsideologie und pädagogische Abrichtung der Mädchen, mit dem Ziel, sie allein als Dienst- und Sexualobjekt des Mannes leben zu lassen.
  7. Protest gegen die Prostitution als Folge der Verweigerung existenzsichernder Lohnarbeit.
  8. Protest gegen die ökonomische Zwangsehe - als Folge des gesetzlichen und ideologischen Erwerbsverbots für Frauen, ihrer erzwungenen Berufslosigkeit und damit Erwerbslosigkeit.
  9. Protest gegen den extrem geringen Lohn, die Schwere der Arbeit, die Länge des Arbeitstages der Frauen.
  10. Protest gegen die Heimarbeit, verknüpft mit Hausarbeit, Kindergebären und -aufziehen und die daraus folgende physische und psychische wie geistige Depravierung: die Verknüpfung des Elends der weiblichen Lohnarbeit mit dem Elend der patriarchalen Ehe.
  11. Protest gegen die Geschlechtsvormundschaft, unter die jede Frau in deutschen Ländern gestellt war, ihre damit verbundene bürgerliche Handlungsunfähigkeit; das bedeutet Protest gegen das herrschende Recht.
Hatte Louise Otto 1848, selbst noch politisch unerfahren und als Frau auf politischem Terrain besonders gehandicapt, die Arbeiter um Hilfe gerufen, so hat sie jetzt diese Hoffnung auf Hilfe aufgegeben und verspricht sich nur noch Veränderung durch die Frauen selbst. Selbst eigenständiger, selbstbewußter, illusionsloser und mutiger geworden, nach Durchstehen der Reaktionsperiode, sind Selbständigkeit, Selbsthilfe und Organisation der Frauen durch sich selbst und für sich selbst nun ihre politische Alternative zu vergeblicher Anrufung der Arbeiter, die im Vergleich zu den Frauen politisch-organisatorisch stets fortgeschrittener waren und als Männer viele Privilegien hatten: Lohn, qualifiziertere Arbeit, Zugang zu allen Berufen, Organisationsmöglichkeit, politische Beratung durch bürgerliche Intellektuelle und ihre Frauen zu Haus.
L. Otto setzt als erstes und wichtiges Ziel ein ökonomisches: die »Emanzipation der weiblichen Arbeit«, das heißt, Befreiung der Frau und ihrer Arbeitskraft von den Fesseln der Familienväter im Haus und Befreiung der weiblichen Arbeitskraft vom zunftartigen Monopol der Männer auf dem Arbeitsmarkt außer Haus. Denn noch gilt in der patriarchalen Gesellschaftsordnung jede Frau als geboren allein für »Dienste« im Haus, jeder Mann geboren als Nachfolger des Vaters mit alleinigem Anspruch auf Lohnarbeit, Handwerk, Gewerbe oder Land- und Kapitalbesitz und im Haus als Nachfolger des Familienoberhauptes.
Louise Otto entwickelt in diesem Werk eine Gesellschaftskritik (vom Standpunkt der betroffenen Frauen), die bereits fast alle politischen Forderungen der darauffolgenden hundert Jahre begründet und entfaltet: Kritik an der Ehe, eine noch gemäßigte Kritik an der Liebes-Ideologie, an der Verteilung des Eigentums in der Familie, an der systematischen Privilegierung der Söhne und entsprechende Aufopferung der Töchter und Ehefrauen, an der Erziehung der Mädchen allein für fremde Zwecke, für Dienste für den Mann und »seine« Kinder, an der herrschenden doppelten Moral, am Egoismus und an der Herrschsucht der Ehemänner, der Brüder, Väter, der Lohnarbeiter (die Frauen mit physischer Gewalt von Lohnarbeit vertrieben), der Bürger, die »auf der Universität das flotteste und faulste Leben führen«, von der Mitgift ,,ihrer« Frau die eigenen Schulden bezahlten und sich dann »soviel auf Moral und patriarchales Familienleben zu gute« halten, die »in den Frauen nichts sehen als Spielzeuge für ihre Sinnlichkeit«.
Haben die Bürger-Patriarchen ihre Frauen zu Sexual-, Unterhaltungs- und Prestigeobjekten degradiert, die selbst ihr persönliches Eigentum sind und ihnen ihr Eigentum (Mitgift, Erbanteil) abtreten müssen, so ist der Lohnarbeiter-Patriarch an der Ausnutzung ihrer Arbeitskraft doppelt interessiert, im Haus zur Arbeit in seiner Wirtschaft, außer Haus zum Erwerb, der ihm zufällt. Während die Ersteren ihre Frauen von sinnvoller Arbeit und Erwerb gewaltsam abhalten - ihre ökonomische Macht erlaubt ihnen das -, so führt die ökonomische Schwäche der Lohnarbeiter - und auch der Kleinbürger - dazu, aus ihren Frauen das Äußerste herauszuholen, ohne ihrer weiblichen Arbeitskraft wenigstens das Existenzminimum zu geben, ihr Leben zu erhalten. In jedem Falle braucht der Mann, stirbt die Frau an Erschöpfung oder an vielen Kindbetten, nur eine »neue« zu erheiraten. Das kostet ihn nichts. Das extreme Elend der Frauen ist daher kein politisches Thema derjenigen, die die Verursacher dieses Elends sind.
Es braucht nicht geleugnet zu werden, daß L. Otto bei allem politisch-feministischen Engagement, bei aller kritischen Erkenntnis und Mut zur Öffentlichkeit noch einige Relikte patriarchalens Denkens mit sich schleppt. So z. B. das Ideologem vom »Ewig-Weiblichen« (das es zu bewahren, eben zu konservieren(I) gelte) - bekanntlich von Goethe und daher mit ungeheuerlicher pseudoreligiöser Autorität behaftet, gegen die die Frauen Mitte des vorigen Jahrhunderts noch nicht aufzubegehren wagten. Darin und in einigen anderen Einschätzungen ist sie das Opfer der herrschenden Gedanken ihrer Zeit. - Wie weit Vorsicht in der Kritik allgemein, besonders an dem Normensystem des Patriarchalismus, an den Vorurteilen, die von den Opfern selbst stark verinner-licht waren, an dem komplexen System irrationaler Anschauungen über »echte« Männlichkeit und »echte« Weiblichkeit, wie weit also Vorsicht bei der Formulierung in einigen Teilbereichen möglicherweise bewußte politische Taktik waren, notwendig, aufgezwungen durch den extrem patriarchalen, militaristischen und autoritären Charakter gerade der deutschen Männer (und als Folge notwendig im Hinblick auf die eingeschüchterten, angstvollen, überaus unterdrückten Frauen und ihrer intellektuellen Unselbständigkeit), ist heute schwer zu entscheiden.
1866, als L. Otto ihr programmatisches Werk schrieb, lag die Erfahrung der Reaktionszeit, der politischen Verfolgung hinter ihr. Sie hat gelernt, die reaktionären Kräfte und ihre Machtmittel zu fürchten und realistisch einzuschätzen. Daher ihre teilweise vorsichtige Sprache -wenn man sie mit Dokumenten amerikanischer und englischer Frauen vergleicht, wofür nicht sie, sondern die deutschen sozialen und politischen Zustände verantwortlich sind. Ihr praktischer jahrzehntelanger Einsatz für die Bewegung ist noch heute bewundernswert: trotz schwerster Bedingungen - politisches Versammlungsverbot und Genehmigung des Ehemannes als Voraussetzung der Mitgliedschaft von Ehefrauen - gelang es ihr, in wenigen Jahren fünftausend Mitglieder zu gewinnen.

Texttyp

Frauenstudien