Erste Schritte in eine neue Zeit

Endlich mündig, zumindest auf dem Papier

«Wir wollen unseren gerechten Teil vom Unabhängigkeitskuchen!» stand auf einem der vielen Plakate und Spruchbänder, die am 10. Dezember 1982 in der Stodart-Hall in Harare von den anwesenden Frauen Jubel und Beifall bekamen. Andere Parolen waren ebenso deutlich: «Die Rechte der Frau sind Teil der unvollendeten Revolution» oder «Nichts zu verlieren - alles zu gewinnen. »
An diesem 10. Dezember, der als «Tag der Frau» im ganzen Land, in Mutare ebenso wie in Bulawayo und Masvingo, gefeiert wurde, trat die «Age of Majority Bill», das neue Mündigkeitsgesetz in Kraft, nach dem jede Person, weiblich oder männlich, ab dem 18. Lebensjahr mündig, das heißt rechtsfähig und wahlberechtigt wird. Dieser Akt bedeutete einen ersten Schritt zur Befreiung der schwarzen Frau. Endlich kann sie Verträge selbständig unterschreiben, eine Wohnung mieten, ein Bankkonto unterhalten, Geschäfte abwickeln Handlungen, die bis dahin vom Vormund der Frau genehmigt werden mußten. In der Stodart-Hall erklärte die Frauenministerin Teurai Ropa Nhongo, das Gesetz basiere auf der Erklärung der Menschenrechte der UNO, nach der niemand wegen seines Geschlechts, seiner Rasse, Religion oder politischen Einstellung diskriminiert werden dürfe. Sie hoffe, das Gesetz sei geeignet, die Familienbande neu zu festigen. Die Frauen verließen schließlich die Festhalle und marschierten, nein tanzten in die Stadtmitte, wo sie auf den Stufen des Parlamentsgebäudes demonstrativ ihre Parolen hochhielten. 
Die Freude war nicht ungetrübt, denn das neue Gesetz bleibt bis auf weiteres flankiert von den alten kolonialen Gesetzen und traditionellen Gebräuchen, die die Fragen zum Beispiel des Erb- und Eigentumsrechts und des Brautpreises meist zuungunsten der Frau regeln. Viele Frauen glauben deshalb, daß ihnen mit einer Hand genommen wird, was ihnen mit der anderen gegeben wurde. Eine Beamtin des Frauenministeriums, Sarah Kachingwe, mischte sich in die heftige Diskussion ein, die in den Zeitungsspalten anhob: «Das neue Gesetz ist ein Schritt in die richtige Richtung. Doch damit es wirklich in Kraft treten kann, müssen erst andere Gesetze, darunter bestimmte traditionelle Gewohnheiten untersucht und verändert werden. » Mit 18, meint sie, sei die Frau nun zwar mündig, doch im Augenblick der Heirat würde ihr dieser Status wieder genommen. Da die meisten Frauen verheiratet seien, blieben sie also in der alten Abhängigkeit. In einem Gespräch mit Sarah Kachingwe - sie ist im übrigen die erste Afrikanerin, die 1957 am «University College of Rhodesia and Nyassaland» studieren durfte - erklärt sie mir: «Die Einschränkungen, die bestehen und es der Frau unmöglich machen, sich voll zu entwickeln, bedeuten einen schweren Verlust für die gesamte Nation, da dadurch die Hälfte der Bevölkerung benachteiligt ist. Es wird oft gesagt, daß sich Männer bedroht fühlten durch den Fortschritt, den Frauen machen. Ich meine, da irren sich die Männer. Wenn sich die Frauen entwickeln können, so wird das auch ihr Vorteil sein. » Der zuständige Minister für Rechtsfragen Eddison Zvobgo weiß, daß die Ungerechtigkeit zum Beispiel des geltenden Eherechts <African Marriage Act> soweit geht, daß einer Ehefrau außer ein paar mitgebrachten Töpfen nicht einmal die Kleider, die sie während der Ehe gekauft hat, gehören. «Das alte System ist ungerecht», sagt er. «Wenn ein Ehepaar zusammen etwas erarbeitet hat, dann ist es nicht richtig, daß der Witwe nichts bleibt. Dasselbe gilt für eine Scheidung, bei der es eine gerechte Teilung des gemeinsamen Eigentums geben muß, was noch nicht der Fall ist. 
Ich muß mir auch über die Vormundschaft der Kinder Gedanken machen. Nach traditionellem Recht gehören sie dem Mann und seiner Familie. Aber in unseren Städten entsteht eine moderne Gesellschaft, in der auch die Frau zu ihrem Recht kommen muß. » Zum Thema Erbrecht meint er: «Da die Mädchen unter dem Lobola-System in eine andere Familie einheiraten, können sie den Vater nicht beerben. Diese Regel muß geändert werden. Warum kann nur ein Junge den Vater oder die Eltern beerben? Das ist ungerecht. » Aus diesen Gründen sei sein Ministerium gegründet worden, sagt er und fügt hinzu: «Traditionen sind sehr stark und schwer zu verändern. Alle Auswüchse, alles was sich negativ auswirkt, möchte ich beseitigen. » Ob das auch für die Polygamie gelte? «Vielweiberei», sagt er, «ist, glaube ich, kein großes Problem. Wir müssen nur verhindern, daß eine Frau gezwungen wird, einen Mann zu heiraten, der bereits verheiratet ist, nur weil ihr Vater arm ist. Wir wollen auch nicht mehr, daß der Brautpreis mit Nahrung oder mit der Arbeitskraft abgegolten wird. Das ist Ausbeutung, entweder des Mannes oder des Mädchens. Aber wenn zwei Erwachsene sich entscheiden zu heiraten, wohlwissend, daß der Mann bereits verheiratet ist, dann ist das ihre Sache. Wir können auf der einen Seite nicht sagen, jeder ist erwachsen, und auf der anderen verbieten, wer wen heiraten darf. »
Auch mit der zwanzigjährigen Rose aus Masvingo komme ich sofort auf diese Themen. Die junge Frau, Mutter eines Kindes, arbeitet als Sekretärin. «Du hast ja über uns viel gehört und gelesen, weißt du auch, was sich abspielt, wenn ein Mann stirbt? Früher wartete seine Familie mit der Aufteilung des Eigentums, bis sein Geist gesäubert war. Das konnte ein ganzes Jahr lang dauern. Und heute? Man sieht nicht selten, daß hinter dem Leichenzug ein leerer Lastwagen fährt, in den die Habe des Toten eingepackt wird. Sofort. Die Frau bleibt mit vielleicht einer Decke im leeren Haus zurück. Manchmal mit den Kindern, manchmal allein. 
Man kann die Familie gar nicht verurteilen. Sie sind nicht einmal herzlos, sondern nur den neuen Normen angepaßt, nach denen sich alles ums Geld dreht. Hier in der Stadt werden die Dienstleistungen der Frau eben nicht mehr gebraucht, sie taugt nichts mehr. Nach dem Gesetz jetzt, das die Frau für mündig erklärt, muß sich vieles ändern: Gesetze, Traditionen und Gewohnheiten. 
Wie wir das machen werden? Zuerst müssen wir den Frauen langsam erklären, um was es geht. Viele Frauen auf dem Land können nicht lesen und kaum Englisch sprechen. Wenn die Jugendlichen in den Ferien aus der Schule zurückkamen, gab es immer ein großes Fest, erzählte mir meine Mutter. Es wurde getanzt und gesungen - und dann mußten die jugendlichen sprechen, Englisch sprechen! Sie mußten irgendetwas erzählen, ganz egal was, die Hauptsache war, es hörte sich englisch an. Es machte die Eltern stolz, daß die Kinder klug waren wie die Weißen und Englisch sprechen konnten. Eine derartige Einstellung läßt sich nicht über Nacht verändern. Außerdem kann man den Müttern nicht alles auf einmal beibringen - Lesen, Schreiben, neue Methoden in der Landwirtschaft. Unsere Mütter sind bereit zu lernen. Und wie. Nur, die Männer wollen nicht, daß sie es tun. Mein eigener Vater will nicht, daß meine Mutter zu dem neuen Frauenclub gehört. Ich habe ihr das Geld für den Beitritt gegeben, da schimpfte er, erlaubte es dann aber doch. Er weiß, daß ich, die ich im Krieg war, anders bin als die Tochter, die er sich wünscht - vielleicht. 

Wir gehen aufs Land, wir sprechen mit den Müttern. Wir sagen: <Eure Töchter sind, wenn sie nicht verheiratet sind, frei, sie können nicht gezwungen werden zu heiraten, sie können nicht gezwungen werden, auf dem Land zu arbeiten, sie dürfen in die Stadt gehen, wenn sie es wollen. > Es wird sehr, sehr lange dauern, bis wir ihnen klarmachen können, was das neue Gesetz bedeutet, abgesehen davon, daß wir die anderen Gesetze ändern müssen. 

Ein Gesetz zu machen, ist eine Sache. Aber es ist eine anderee die Haltung der Menschen zu ändern. Nimm meine Mutter: Sie wird immer tun, was mein Vater verlangt. Und mein Bruder wird versuchen, eine Frau wie meine Mutter zu heiraten, eine, die ihn bedient, ihm Kinder gebärt. Weißt du, ich habe Freundinnen hier in der Stadt, wenn die zur Familie ihrer Männer gehen, dann werden sie wieder zu Kindern, tun alles, was von ihnen verlangt wird, fegen den Hof, kochen, bieten den Männern das Essen auf Knien an. Sie sind älter als ich. Ich habe das nie gemacht, ich war im Krieg. Wie soll ich sie verstehen - und wie sollen sie mich verstehen? Da müssen Brücken gebaut werden, und das geht nur langsam. »

Es geht voran: Fortschritt auf dem Land



ZimbabweDer Jubel am «Tag der Frau» wurde nicht von jedermann geteilt oder verstanden - auch nicht von jeder Frau. Einige Männer, die die Demonstration der Frauen beobachteten, gaben mit Gestik und Worten klar zu verstehen, was sie davon hielten. 

«Tag der Frau?» meinte einer, von einem Journalisten nach seinem Eindruck gefragt. «Heißt das, daß die Frau heute einen Ferientag hat?» Auch von den Frauen am Straßenrand verstanden einige nicht, worum es ging, oder zeigten nur wenig Interesse. «Ich bin verheiratet. Mein Mann würde mir niemals erlauben, etwas zu tun, was er nicht entschieden hat», sagte eine ältere Frau und fügte hinzu: «Das muß so sein. » Das Interview mit einem Minister, der sich auf einem Frauenseminar für gleiches Recht von Mann und Frau ausgesprochen hatte, wurde in einer Zeitung mit der Schlagzeile «Gleichheit kann nur «Unglück bedeuten» kommentiert. 

Von solchen, noch weit verbreiteten Ansichten lassen sich die resoluten Frauen in der Regierung, in den Parteien und den Kooperativen nicht entmutigen. Sie arbeiten - oder wie sie selbst sagen: kämpfen - täglich für den Fortschritt der Frau. Daß es Fortschritt gibt, ist überall im Land spürbar und drückt sich auch im Bewußtsein der Frauen aus, die praktisch davon profitieren. «Es geht mir besser», sagte mir eine Frau in Buhera und erklärte warum: «Meine Tochter geht in die Schule, darauf bin ich stolz. Auch ich lerne viel. ich arbeite weiterhin auf dem Feld, aber ich habe in der Stadt einen Kurs be

sucht und kann jetzt nähen. Wenn ich eine Nähmaschine hätte, könnte ich damit Geld verdienen.
Wir Frauen aus dem Frauenclub treffen uns sehr gerne. Wir lernen viel Uber Gesundheit und Ernährung. Früher kümmerte sich niemand um uns. »

Ein Fortschritt ist auch die allmählich sich durchsetzende Erkenntnis, daß in den Communal Lands der Hauptteil der landwirtschaftlichen Produktion von den Frauen erwirtschaftet

 wird und daß sie deshalb nicht nur eine landwirtschaftliche Ausbildung brauchen, sondern auch das Recht haben müssen, eigenes Land zu besitzen und zu verwalten. Die enormen Gemeinschafts-, Gesundheits- und Schulentwicklungsprogramme der Regierung konzentrieren sich auf die ländlichen Gebiete und kommen vor allem den Frauen zugute, die den Großteil der Landbevölkerung ausmachen. 

Und sicher ist auch nicht zufällig, daß das Ministerium für Frauenangelegenheiten auch zuständig ist für Geineinschaftsentwicklung und Erwachsenenbildung. Von den zwei Millionen Menschen in Zimbabwe, die Analphabeten sind, sind die Mehrheit Frauen. 

Viele Frauen auf dem Land haben sich den Mut und die Motivation bewahrt, die nach der Unabhängigkeit überall herrschte. Sie drängen darauf, zu lernen und ihre Lage zu verbessern. Die noch nicht absehbaren Folgen der Dürre des Sommers 1982/83 vergrößern die zu bewältigenden Probleme. Die weisse Regierung hatte die Entwicklung der ehemaligen Stammesgebiete völlig vernachlässigt. Es wird Jahre dauern, bis die wichtigsten infrastrukturellen Einrichtungen, wie etwa ein ausreichendes Straßennetz, Schulen, Lebensmittel und medizinische Versorgung soweit aufgebaut sind, daß sie den heutigen Standard in den Stadtgebieten erreichen. 

Vieles beginnt erst: 1982 nahmen fast 40. 000 Frauen an ca. 950

 Kursen teil, organisiert vom Frauenministerium, den Parteien und verschiedenen Frauenorganisationen. Das Ministerium bildete 125 Helferinnen und Helfer aus. Sie beraten die Frauen in Landprojekten in Fragen der Hygiene, Gesundheit und Ernährung und unterweisen sie in der Aufzucht von Hasen und Hühnern, mit deren Hilfe die Landbevölkerung Nahrung und Einkommen aufbessern kann. 

Die Organisation für Erwachsenenbildung <Adult Literacy Organisation> berichtet, daß 1982 für den Unterricht mit Erwachsenen 128 Lehrer ausgebildet, 90. 000 Bücher gedruckt und 10 Kurse durchgeführt wurden, in denen Alphabetisierung und berufliche Bildung kombiniert waren- eine Bilanz, die vielversprechend ist, auch wenn sie im Hinblick auf den tatsächlichen Bedarf dürftig erscheint. 


ZimbabweZum Aufbauprogramm gehören die Gründung von Sparclubs sowie Einrichtungen zur Versorgung von Kleinkindern, um die auf dem Feld und im Haus arbeitenden Mütter zu entlasten, damit sie Zeit und Ruhe für sich selbst finden. 

Durch die Sparclubs können Frauen sich gemeinsam größere Anschaffungen leisten, etwa Geräte für den Landbau oder Dünger. 

Alle versuchen, sich neue Verdienstmöglichkeiten zu schaffendurch Nähen, Häkeln, Matten- und Körbeflechten oder Töpferei und, wo es möglich ist, durchverkaufen von landwirtschaftlichen Produkten, vor allem von Gemüse. Einige Frauen sind zu «Meisterfarmerinnen» ausgebildet worden, und überall sind Frauen an den Kooperativen und Bewässerungsprojekten beteiligt. 

Mancher Fortschritt aber geht auch zu Lasten der Frauen. So besuchen heute 2,2 Millionen Kinder die Schule, fast dreimal soviele wie 1980. Der bis dahin übliche Arbeitsanteil der Kinder muß nun von den Frauen übernommen werden. 




Große Probleme machen auch die ca. 1. 5 Millionen Rückwanderer aus den Flüchtlingslagern im Ausland und aus den Stadtrandslums, in die in der letzten Phase des Krieges die Landbevölkerung geflohen war. Diese große Anzahl von Menschen mußte wieder eingegliedert werden - in eine Gesellschaft, deren Landwirtschaft zum Teil zerstört oder einfach nicht ausreichend war: Vier Millionen lebten bereits auf schlechtem Boden. 

Es ist mittlerweile absehbar, daß der ehrgeizige Regierungsplan von 1982, innerhalb von drei Jahren 162. 000 Farfilierl auf ehemaliges ungenutztes oder untergenutztes «weißes» Farmland umzusiedeln, sich nicht verwirklichen läßt. Nach dem Lancaster-HouseAbkommen muß die Regierung für den Landerwerb die marktüblichen Preise zahlen. Abgesehen von diesem Kostenfaktor, der durch einen Sonderfonds genildert wird, ist die Wirtschaft Zimbabwes zur Zeit lebensnotwendig auf die Erzeugnisse der 5. 000 weißen Großfarmer angewiesen. Die ihrerseits verkaufen, wenn überhaupt, die schlechteren Böden; die guten bewirtschaften sie lieber selbst. Aber zur effektiven Nutzung karger Böden bedarf es erst recht landwirtschaftlicher Kenntnisse und Erfahrung, die bisher nur wenige Afrikaner besitzen. Das ist auch ein Grund dafür, daß bis Mitte 1983 erst ca. 20. 000 Familien um- bzw. angesiedelt werden konnten. 

Viele Menschen haben in der Zwischenzeit auf eigene Faust

gehandelt. Es wird inoffiziell geschätzt, daß an die 100. 000

Menschen ungenutztes Farmland besetzt haben. Zwar haben die «Squatter» nicht das früher befürchtete Ausmaß angenommen, dennoch verursachen sie mehr als organisatorische Probleme. Da sie oft unsachgemäß oder rücksichtslos vorgegangen sind, haben sie durch Abholzen und ungeeignete landwirtschaftliche Methoden zum Teil schwere ökologische Schäden angerichtet. 


Die Arbeit der Landfrau gilt nach wie vor nicht als Faktor der «Produktivwirtschaft», sondern wird dem sogenannten «informellen Sektor»* zugerechnet. Dies gilt zum Teil auch für die in der Stadt lebenden Frauen, die keine Lohnarbeit verrichten. Sie bestreiten ihren Lebensunterhalt «informell» durch den
 

Verkauf von Kleidern und anderen selbsthergestellten Produkten. Oder sie kochen Fleisch mit Sadza <Maisbrei> und bieten es auf offener Straße und auf Marktplätzen an. Sie sind erfindungsreiche <Über->Lebenskünstlerinnen. Vergessen darf man allerdings nicht, daß nach wie vor zu diesem Bereich auch die in hohem Maße auftretende Prostitution und das Shebeenköniginnentum gehören. 

Wem die verschiedenen «offiziellen» Berufe der Frau heute offenstehen, ist eine Frage des Alters und des Standes. Mädchen aus Oberschichtfamilien gehen in bessere Schulen, erhalten von zu Hause mehr Anregung und Unterstützung, haben die besseren Beziehungen. Der Zugang zur Universität und zu einem Medizin- oder jura-Studium beispielsweise ist für sie leichter. Allgemein ist die Berufswahl jedoch nicht mehr auf die beiden Laufbahnen Lehrerin oder Krankenschwester beschränkt, die für Afrikanerinnen schon immer relativ leicht zugänglich waren.
Zu Ende gehen auch die Zeiten, in denen Jungen bevorzugt werden, wenn es um Schulbesuch und Schulgeld geht. 

Auf dem Markt kochen die Frauen Sadza <Maisbrei> und Nyama <Fleisch> und verkaufen es. 


Schon vor der Unabhängigkeit arbeiteten einige schwarze Frauen in Büros. Weiße Verkäuferinnen sieht man heute kaum noch. Selbst in den Vorzimmern von weißen Chefs sitzen Afrikanerinnen. Die Ausbildungskurse zur Sekretärin oder Buchhalterin sind überfüllt, und unter den Bankangestellten finden sich viele schwarze Frauen. 

Der Anteil der Frauen an der Gesamtzahl der Beschäftigten ist jedoch gering. In höheren Positionen sind Frauen nicht anzutreffen. Auch im Staatsdienst gibt es bis auf wenige Ausnahmen keine Frauen In leitenden Stellungen. Und die Überlegungen der Frauenministerin Nhongo, man könnte doch wie im Fall der Behinderten die Firmen zwingen, eine bestimmte Quote Frauen einzustellen, rief in der Presse heftige Proteste hervor.

Abtreibung und andere Tabus



Vor allem die Frauen in der Stadt müssen sich mit neuen Problemen auseinandersetzen: Der Alkoholismus der Männer nimmt zu, die Scheidungsrate ist gestiegen, ebenso die Zahl der nichtehelichen oder unerwünschten Kinder. Die Berichte über Vergewaltigungen und schwere Mißhandlungen von Frauen häufen sich. Oft sind die Täter die Ehemänner der Opfer. 

Nicht wenige Männer tun sich schwer, wenigstens die partielle gesetzliche Gleichstellung der Frau anzuerkennen. So protestierte ein Leserbriefschreiber in der Sonntagszeitung «Sunday Mail» gegen das kommende «Unterrockregime» <petticoat government> und meinte, «eine Ehefrau sollte zu Hause bleiben das heißt, wenn sie weiterhin an der Ehe interessiert ist und nicht die Prostitution vorzieht. »

Noch geschieht wenig gegen die Gewalt, die Frauen angetan wird. Ich fragte Julia Zvobgo, was sie von der Idee halte, Frauenhäuser einzurichten, wie es mittlerweile fast überall in Westeuropa und den USA geschieht. 

«Nichts», sagt sie. «Wir hatten und haben zwar dasselbe Pro


blem. Zum Teil liegt das am Krieg; weiße Soldaten und ihre schwarzen Untergebenen fielen oft über die Frauen her, auch nach dem Krieg vergriffen sich Männer an Frauen. Und sicher ist es nicht nur ein Problem des Krieges - es passiert. Aber: Es wäre grausam, ein <Haus> einzurichten. Bei uns ist es Tradition, daß jeder eine Bezugsperson in der Familie hat, zu der er hingehen kann und die verpflichtet ist, ihm zu helfen. Eventuell werden andere Familienmitglieder hinzugezogen, jedenfalls wird das Problem innerhalb der Familie gelöst. Alles andere würde der Frau viel mehr schaden. Mit Fremden darüber zu sprechen, wäre eine Schande. Der beste Schutz der Frau liegt innerhalb der Familie. Nur so kann es gehen. » Doch faktisch bröckeln die alten traditionellen Strukturen. Zumindest in den Städten kann die Großfamilie nicht mehr existieren. Sie wird abgelöst von der «atomisierten» Kleinfamilie, die die traditionellen Funktionen nicht mehr erfüllen kann. So sieht es Elizabeth Moyo, mit der ich auch über Scheidung und Sexualität sprach. «Scheidung ist eigentlich etwas Neues», sagt Elizabeth. «Früher konnten Eheprobleme für den Mann durch Vielwelberei gelöst werden, oft war das auch eine akzeptable Lösung für die Frau. Bei dem heutigen Stadtleben ist das kaum noch möglich. Auf dem Land ein neues Haus zu bauen ist einfach, nicht aber in der Stadt. Hier ist die Ehe teuer, Kinder sind teuer. Männer können sich nicht mehr als eine Frau leisten, also lassen sie sich scheiden. »

In den Zeitungen liest man viel über die Veränderung der moralischen Werte, über eine «sexuelle» Revolution, die die Nachkriegszeit mit sich brachte. 

Diese «Revolution» wird auch in der Zunahme der Geschlechtskrankheiten sichtbar. Das wird gerne den «losen Frauen» in die Schuhe geschoben, so daß sich das Frauenministerium schon einmal veranlaßt sah, in einer Presseerklärung gegen diese Diskriminierung anzugehen. 

 Die Nachfrage von Frauen, die Verhütungsmittel anwenden wollen, ist gestiegen - einerseits. Andererseits gibt es so viele schwangere junge Mädchen wie nie zuvor. 

Elizabeth glaubt, daß das an mangelhafter Aufklärung liegt: «Wenn die jungen Leute geschlechtsreif wurden - und das
 
tritt mit besserer Ernährung jetzt früher ein -, dann wurden sie aufgeklärt, aber nicht von den Eltern, wie das bei euch üblich ist, sondern von Tanten und Onkeln. jetzt sind die Familien auseinandergerissen, für die Eltern aber besteht nach wie vor das Tabu, mit ihren Kindern über diese Dinge zu sprechen. Also bleiben vor allem die Mädchen unwissend, werden leicht verführt, werden schwanger. »

Eine der Folgen ist, daß häufiger Neugeborene ausgesetzt oder tot auf öffentlichen Toiletten aufgefunden werden. Die Zahl der illegalen Abtreibungen steigt ständig. Der Chefa rzt des Harare-Krankenhauses, Dr. Misheck Chlware, schätzt, daß die «Spontanen Fehlgeburten» seit 1979 pro Jahr um etwa 10 Prozent zunehmen und daß der Anteil von oft sehr jungen Frauen entsprechend steigt, die den Abort durch Selbsteingriff verursachen. Dr. Misheck Chiware fordert ein Gesetz, das legale Abtreibung ermöglicht, um zu verhindern, daß Frauen und Mädchen weiterhin unnötig sterben, schwer krank werden oder ihre Fruchtbarkeit verlieren. Aber allein eine öffentliche Debatte über dieses Thema zu führen, ist schwer; es werden zuviele Tabus verletzt. Nach dem bestehenden Gesetz ist der legale Eingriff nur möglich, wenn das Leben der Mutter durch die Schwangerschaft gefährdet ist, das Kind mit großer Wahrscheinlichkeit behindert sein würde oder aber eine Vergewaltigung die Ursache der Schwangerschaft ist. Zudem rnüssen von drei Ärzten Gutachten erstellt werden. Soziale oder psychische Gründe für eine Abtreibung finden keine Berücksichtigung. 

Gegen dieses Gesetz, das ebenfalls aus der Kolonialzeit stammt, gab es bis 1983 keine Kampagne: Es handelt sich, wie es scheint, um ei n zu heißes Eisen. Bleibt zu hoffen, daß sich der Aufklärungsunterricht in den Schulen bald durchsetzt, der bereits Anlaß zu großer Empörung war, vor allern bei den ~lteren Menschen. Und Urteil und Rat der alten Männer und Frauen werden noch geschätzt.




Ein Landprojekt:

neues Selbstbewußtsein und neue Methoden



ZimbabweZusammen mit Elizabeth Moyo besuchte ich ein landwirtschaftliches Projekt. Bei unserer Ankunft arbeiteten die Frauen auf den Feldern im Tal. Wir fuhren auf das Dorf am Berghang zu, das aus halbverfallenen Gebäuden einer ehemaligen Farm besteht. In dem kleinen Laden, an dem wir vorbeikamen, gab es außer Seife, Zucker, Tee und etwas Stoff nichts zu kaufen. Das Landleben ist noch ärmlich, verglichen mit dem relativen Wohlstand in der Stadt. 

«Zuerst kamen die Frauen hierher», erklärte Elizabeth, «besetzten das Land. Daß es ihnen später zugesprochen wurde, hatte nichts mit der Landverteilung zu tun. Der Eigentümer ist verschwunden. »

An dem Projekt sind mehrere Familien beteiligt; einige Familien bestehen nur aus Frauen und Kindern. 

«Es sind im ganzen etwa sechzig Menschen» sagt Elizabeth, die übersetzt. Sprecherin ist Beatrice, Vorsitzende des Frauenclubs. Sie hat einen Schnellkurs als medizinische Hilfskraft mitgemacht und bereits vorher als Hebamme im Dorf gearbeitet. «Nein, ich habe keinen Mann mehr, er ging zum Arbeiten in die Stadt. Ich erzog meine beiden Kinder allein und bin der Kopf der Familie. » Ich erinnere mich an einen Satz aus dem Bericht des Frauenbüros: « . . . ich bin Hausfrau, aber auch Kopf der Familie. Ich sehe also keinen Unterschied zwischen einem Mann und einer Frau. Ich kann alles tun, was ein Mann tut. Ich fühle mich als eine sehr wichtige Person und ich möchte, daß jede Frau versteht, daß der Mann nichts besseres ist. Ich sage, Gottseidank, daß ich als Frau geboren wurde. »

Ob Beatrice diese Ansicht teilt? Sie antwortet ohne zu zögern. »lch bestelle das Land. Ich koche und meine Kinder helfen mir dabei. Mein Mann war ein Spieler, wenn er etwas verdient hat so sah ich nichts davon. Außerdem trank er gerne Bier. Was nutzte mir mein Mann? Aber es war sein Land, das ich bestellte. Wenn er kam, mußte ich tun, was er wollte, anbauen was er wollte. »

Alle Frauen sind sich einig: Sie wollen das, was der Krieg dem

 Land Zimbabwe gebracht hat, nutzen, sie wollen auch etwas lernen wie die Männer. «Wenn wir lesen können, haben wir mehr Möglichkeiten. Hier in diesem Projekt wollen wir neue Methoden, das Land zu bebauen, lernen. Unsere Kinder gehen jetzt in die Schule, doch wir haben dadurch mehr Arbeit.
Erst gingen die Männer zu den Weißen zur Arbeit, jetzt gehen die Kinder in die Schule. Das ist gut, natürlich ist das gut, aber wir haben es dadurch nicht leichter. » Eine Frau wirft etwas dazwischen, die anderen Frauen lachen. 

Es wird übersetzt. «Sie sagt, sie würde nach der Ernte in die Stadt gehen» sonst kommt ihr Mann und will das Geld oder die Ernte verfressen. » Es sind nur Frauen in der Gruppe, die Männer haben sich zurückgezogen, es wird lebendiger. 

«Ist dieses Projekt eine registrierte Kooperative?» «Nein, jede von uns bearbeitet einen Garten, aber wir verkaufen gemeinsam. Im Dorf bleibt wenig zum Verkauf übrig, das muß besser werden, da das Land fruchtbar ist. Aber wir müs

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sen noch viel tun. Wir wollen noch so viel lernen, auch z. B. die Wasserleitungen zu reparieren. Das machen noch die Männer. »

Beatric~ weiß nicht, wie alt sie ist, sie wurde jung verheiratetDas Dorf, in dem sie lebte, wurde mehrere Male während des Krieges überfallen. «Wir wurden geschlagen, brutal geschlagen, zwei Frauen wurden von den Soldaten weggeschleppt u nd wir sahen sie nie wieder. Vielleicht sind sie tot, vielleicht gingen sie zur Befreiungsbewegung. ja, Frauen wurden vergewaltigt. Und dann kamen wir in ein Wehrdorf, was sehr schlimm war. Viele Kinder starben in unserem Wehrdorf. »

Der Sieg ist mit viel Leid erwämpft worden. Nun wollen die Dorfbewohner den Lohn dafür haben, daß sie die Guerillas untergebracht und in den Wehrdörfern ghungert haben. «Wir haben hart gekämpft, um Zimbabwe zu befreien», meint Beatrice. «Die Regierung weiß es, die Männer wissen es, wir werden kämpfen, bis wir alle Kurse besuchen, alle Quallfikationen erwerben können. »

Beatrice ist eine starke Persönlichkeit; andere alleinstehende Frauen haben nicht immer dasselbe Vertrauen in ihre eigene Kraft. Zwar verrichten sie alle Arbeiten, solange der Mann abwesend ist, das ist Tradition, aber sie tun es in seinem Namen; wenn er stirbt, fühlen sie sich wertlos, seiner Familie ausgeliefert. 

«Es ist gut, daß es Führerinnen wie Beatrice gibt», erklärt Elizabeth.
Das Projekt besitzt eine kleine Klinik, einige Medikamente, Verbandszeug, alles ist noch am Anfang. Der Mut der Mitglieder ist so groß wie ihre Hoffnung auf eine bessere Zukunft. 

In diesem Projekt halten die älteren Frauen, wenn sie unter sich sind, lange Versammlungen ab; sie sind anders organisiert als die der jungen ehemaligen Freiheitskämpferinnen, die Protokoll führen und abstimmen. Hier ist es so wie früher. 

Es gibt ein Palaver, eine lange Diskussion, die scheinbar ins Endlose führt. Früher waren nur die Männer aktiv bei derartigen Gesprächen; jetzt sagen auch die Frauen, was sie denken. Nur wenige sitzen stumm dabei. Ein junge kommt, verschwindet wieder. Frauen. Das ist nichts für ihn. 

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Es geht immer wieder um dieselben Fragen: Lobola, Kinderg Eigentum - und das Land. Elizabeth versucht die Argumente, so gut sie kann, zu erklären. 

«Sie haben immer alles gemacht, was der Mann sagte; er kommt aber nur manchmal, wenn er Urlaub hat, er will, daß sie nur Mais anpflanzen, aber das bringt nicht genug, vor allem kein Geld. Die Frauen wollen ihr eigenes Land. jetzt soll ihnen die Regierung dieses Land geben, sie wollen es selbst bearbeiten, selbst bestimmen, was sie tun wollen. Aber sie brauchen Saatgut und Traktoren, weil das Land so groß ist. Sie wollen einen modernen Wassertank haben, wie der Farmer einen besaß. Einige Frauen wollen Nähmaschinen haben, weil sie einen Kurs besucht haben, aber nun nichts damit anfangen können. Sie brauchen Geld und Stoffe zum Nähen. So gibt es immer neue Probleme und Sorgen. »

Und Lobola: «Keine Frau glaubt, Lobola solle abgeschafft werden, aber keine will, daß die Frauen dadurch verkauft und versklavt werden können. »

Diese Frauen hier verfügen über Besitz: Sie hatten sich Land angeeignet, erhielten die Erlaubnis, es zu bearbeiten und entscheiden, was sie machen wollen. Die Männer werden weiterhin den Vorsitz behalten, aber ein wichtiger Schritt ist gemacht worden, der den Frauen zu mehr Sicherheit verhilft. 

Ellzabeths Eindruck: «Im Dorf ist noch vieles beim Alten, aber auch dort werden sich die Dinge ändern. Nach der Unabhängigkeit kamen viele Männer nicht aufs Land zurück, und die Wirtschaft wird dort weiterhin von Frauen geführt. Allmählich ändern sich die Strukturen. Zwar sind die Haupterzeuger landwirtschaftlicher Produkte noch immer die weißen Farmer. Aber die Afrikanerinnen produzieren bereits über den eigenen Bedarf hinaus, so daß sie langsam stärker am Handel teilnehmen. Auch dieses Projekt erzeugt schon mehr als es zur Selbstversorgung braucht, und verkauft seine Überschüsse außerhalb. Mit der Zeit wird die alte Subsistenzwirtschaft überwunden, und die Lebensverhältnisse werden sich verbessern. »

«Und warum wollen die Frauen, daß das Lobola-System bestehen bleibt?»

 Elizabeth lächelt. «Weil sie klug sind. Frauen sind geduldig. Sie wissen, daß Männer sich nicht alles auf einmal nehmen lassen. Außerdem sitzt es tief, daß sie für den Mann immer die <zweite Person> waren. Lobola bedeutet viel für den Vater, für die ganze Familie, ver-leiht Status, auch der Frau, für die Lobola bezahlt wird. Es geht darum, daß es nicht mehr kommerziell zugeht und der Mann die Frau nicht als sein gekauftes Eigentum betrachtet. FrÜher garantierte der Lobola-Brauch den Frauen materielle Sicherheit und Schutz, vor allem nach dem Tod des Mannes. Sie wollen heute diese Vorteile, die während der Kolonialzeit verloren gegangen sind, wieder zur Geltung bringen. Das kann aber wohl nur auf dem Land geschehen, wo im Gegensatz zur Stadt die alten Familienstrukturen

noch intakt sind.

»

Vom Gewehr zur Nähmaschine:

Freiheitskämpferinnen in Kooperativen



Julia Zvobgo erzählt, wie schwer es die jungen Mädchen haben, die aus dem Krieg zurückgekornmen sind. «Sie haben am Anfang enorme Schwierigkeiten gehabt, zumal sie ihr Dorf und ihre Eltern bereits als Kinder verlassen hatten. Sie haben ein völlig anderes Leben geführt und fühlten sich den Männern ebenbürtig. Mit ihrer Erfahrung, dasselbe leisten zu können wie ein Mann, kamen sie in eine Gesellschaft zurück, in der die Frau dem Mann total untergeordnet und Hausarbeit und Kindererziehung allein 'ihre Sache ist. Schwer war es für diese jungen Frauen, sich darauf umzustellen. Der Lebensstil, den sie im Krieg gelernt hatten, wurde nicht akzeptiert. Auch die ehemaligen Kriegskameraden verhielten sich oft ablehnend. Sie wollten keine starken Partnerinnen, lieber Frauen, die ihnen gehorchen. Viele verließen ihre Frauen, ließen sie mit den Kindern allein und suchten sich Frauen, die nicht im Krieg gewesen waren- Nur wenige Kameradschaftsehen blieben bestehen. 

Etwa 1. 500 bis 2. 000 ausgebildete Soldatinnen sind zurückge

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kommen. Viele sind heute in der Nationalen Armee, andere arbeiten in den Ministerien, einige sind in einer alten oder neuen Ehe versorgt. Wir versuchen, denen zu helfen, die allein sind, wir bilden sie aus, organisieren Kurse für sie. Zum Beispiel gibt es ein Projekt in Wedza, in dem zwanzig Frauen angesiedelt sind, das ist recht erfolgreich. »

Die Kooperativen teilen ihre Erfahrungen in dem unregelmässig erscheinenden, vom Zimbabwe Project finanzierten Nachrichtenblatt «Vanguard» mit. In der zweiten Ausgabe vom Juli 1982 berichtet die Kooperative aus Wedza: 

«Unsere Kooperative besteht aus zwanzig ehemaligen Freiheitskämpferinnen, die von dem Melfort Ausbildungszentrum gehört und sich entschlossen hatten, einen Nähkurs mitzumachen. Der Kurs dauerte sechs Monate, vom Oktober 1981 bis März 1982, und wurde von der Nationalen Frauenorganisation unterstützt. 

Während der Ausbildung überlegten wir uns, was wir danach machen könnten. Erst wollten wir versuchen, in der Privatindustrie unterzukommen, stellten jedoch fest, daß wir wenig Chancen hatten. Dann kam uns die Idee, eine Kooperative zu gründen, aber wir wußten nicht wie. Glücklicherweise hörten wir vom Zimbabwe Project, das uns half, einen Platz auf der Mt-St-Mary's Mission zu finden. Die Leute dort waren sehr freundlich und halfen uns, Nähmaschinen und Stoffe zu besorgen, bauten einen Arbeitsraum, fertigten Tische, Stühle und andere Dinge an. 

Am 23. April zogen wir auf die Mission und fingen an, im Garten, der uns zugeteilt wurde, zu arbeiten. Zwei Wochen später begannen wir in unserer Fabrik, Schuluniformen für die Missionsschulen zu nähen. Es gibt so viele Schulen in der Wedzagegend, und die Nachfrage nach Schuluniformen ist so groß, daß wir viel arbeiten müssen, um den Bestellungen nachzukommen. Deswegen überlegen wir uns, ob wir mehr Mitglieder aufnehmen und eine zweite Fabrik errichten sollen. Unsere Fabrik machte am 24. Juli 1982 auf. » In der Nähe des Flughafens von Harare befindet sich die Simukal-Farm-Kooperative. Simukal heißt: «Steh auf!» Die Kooperative hat das Land von einem weißen Farmer gepachtet, dein

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in der Gegend noch drei weitere Großfarmen gehören. Von den über sechzig Mitgliedern sind die Mehrzahl Frauen. «Wir waren fast alle im Mkushi-Lager in Zambia», erklärt die Sprecherin Talent Nyathe, eine 22-jährige Frau mit kindlichem Gesicht, der man nicht ansieht, daß sie Mutter zweier Kinder ist. Ihr Mann ist Vorsitzender der Kooperative. Mkushi war ein Lager, das der ZIPRA gehörte, fast alle Frauen sind Ndebele. «Wir merken bei uns nichts von den Spannungen zwischen Ndebele und Schona», behauptet die Sprecherin. «Wir leben miteinander, Schona und Ndebele, denn wir haben das im Krieg gelernt, egal woher wir stammen. Die Schwierigkeiten kommen von den Politikern. »

Was die Probleme der Freiheitskämpferinnen angeht, so sind sich die Frauen einig. «Wir sind hier in der Mehrheit, wir fühlen uns den Männern gegenüber gleichwertig, und sie diskriminieren uns auch nicht. Wir arbeiten in allen Abteilungen. Die Sekretärin der Kooperative ist eine Frau, auch die Finanzen werden von einer Frau verwaltet. Ich selbst besuche einen Kurs, lerne Schreibmaschine schreiben, Buchführung und ähnliche Sachen; andere Frauen machen Gartenarbeit, Stallarbeit und Kunstgewerbearbeiten. 

Nur vier Frauen sind verheiratet, eine der Frauen mit einem Mann, der kein Mitglied der Kooperative ist und eine Stellung außerhalb hat. Nein, die Frauen verlassen die Farrn nichte wenn sie heiraten, warum auch? Dies ist unser Job, eine Möglichkeit, uns zu ernähren. Als wir noch in den Nachkriegslagern waren, erfuhren wir, daß nicht alle in die Nationale Armee übernommen werden konnten und daß es schwierig sein würde, Arbeit zu finden. Ein Problem war, daß viele nur eine militärische Ausbildung in der Befreiungsbewegung bekommen hatten. »

Diese Klage ist oft von Frauen und Männern zu hören: Sie haben ihr Leben und ihre Gesundheit aufs Spiel gesetzt, aber die guten Stellen sind von denen besetzt, die nicht am Krieg teilgenommen und stattdessen eine Berufsausbildung gemacht haben. Zudem ist eine Sekretärin oder Bankangestellte attraktiver als eine ehemalige Kämpferin. «Es ist verständlich, daß der Genosse, der selbst nichts hat, eine Frau heiratet, die Geld ver

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dient, denn dann hat er eine Chance, weiterzulernerl, weil er von dem Verdienst der Frau leben kann. Die Genossiri aus der Zeit des Kampfes wird vergessen. »

Einige der Frauen in dieser Kooperative haben ihre Männer im Krieg verloren. Alle Frauen sind jung und akzeptieren ihr Schicksal mit der Zuversicht und der Ausgeglichenheit der Afrikanerin. Außerdem sind sie zufrieden, daß sie eine Arbeit gefunden haben. 

Talent erzählt von sich: «Ich war noch ein junges Mädchen und damals auf einer Schule in der Nähe der Grenze zu Botswana, als wir beschlossen, über die Grenze zu Sehen. Die ganze Schule - einschließlich der Lehrer und des Direktors gingen zusammen mit einigen Vakumana. Zuerst wußte ich gar nicht, um was es ging. In Botswana war die Aufregung groß, denn die Reise war schlimm gewesen, und nun kamen Journalisten und alle möglichen Leute, die wissen wollten, ob wir freiwillig gekommen seien. Dann reisten unsere Eltern an, aber nur wenige Kinder gingen mit ihnen zurück. Einige Zeit später wurden wir nach Zambia ausgeflogen. 

Natürlich sind wir anders als die Frauen, die nicht irn Krieg waren, wir sind selbständig, können Verantwortung tragen. Wenn wir heiraten wollen, wissen wir, daß Lobola keine Ehe zusammenhalten kann. Aber um die Eltern nicht zu kränken, erlauben wir es, daß der Mann Lobola zahlt. Langsam wird sich das aber ändern. Es gibt Väter, die sagen, gebt mir nicht viel, nur etwas, um die Sitte aufrecht zu erhalten. »

Im «Vanguard» vom Juli 1982 wird von einm Versuch berichtet, das Problem der alleinstehenden Frauen aus dem Befreiungskampf zu lösen. Die Kusimudzira-Kooperative in Mutare berichtete: « . . . die Gruppe besteht aus sechs ehemaligen Freiheitskämpferinnen. Wir besuchten einen Sechs-Monats-Kurs in Melfort, in der Nähe von Harare, danach gründeten wir Kusimudzira. Wir wollten in Zimbabwe gefärbte Stoffe nach westafrikanischem Vorbild herstellen, um sie an Touristen und auch an Einheimische zu verkaufen. Während der Kurs lief, verkauften sich unsere Sachen sehr schnell. 

Wir wählten eine Vorsitzende. Das Fraueriministerium half uns während des Kurses, zahlte unser Schulgeld und unseren


Unterhalt. Weil wir das Projekt in einer kleinen Stadt ansiedeln wollten, wählten wir Mutare. Die Gemeinde brachte uns unter, und das Zimbabwe Project lieh uns Geld für den Kauf von Material. Wir fingen im Juni mit der Arbeit an. Es ist wichtig, daß wir bekannt werden. Schwierig ist auch, daß wir keine Nähmaschinen haben und es nur teure Farben gibt, die aus Holland importiert werden müssen. »

Ehemalige Freiheitskämpferinnen sind an den unterschiedlichsten Arbeitsplätzen anzutreffen, in den Vorzimmern der Minister, in der Presse, im Haushalt. Ihre Haltung hat sich zum Teil verändert. Diejenigen, die wie Tainie Mudondo noch mit dem Mann verheiratet sind, den sie während des Krieges kennenlernten, sind in der Minderheit. Aber auch Tainie meint, viele der Genossinnen seien enttäuscht, weil es für sie nicht genügend interessante und verantwortungsvolle Posten gebe. 

«Viele ältere Männer wollen keine Schwiegertochter, die im Krieg war, oft wollen sie nicht einmal einen Schwiegersohn, der gekämpft hat. Sicher, wir werden noch immer als etwas Besonderes angesehen, denn wir sind die Befreier, die dem volk die Unabhängigkeit erkämpft haben. Aber wenn eine Kämpferin mit einem Mann verheiratet ist, der kein Soldat war, dann versteht er sie nicht. Er wird eifersüchtig darauf, daß sie viele Menschen aus dem Krieg kennt und oft Bekannte trifft, wenn sie durch die Stadt geht. »

Mehrere Frauen meinen, es sei besser, alleine zu bleiben, selbst fÜr ein Kind zu sorgen5 als eine traditionelle Ehe einzugehen, nur um versorgt zu sein. Sie wollen nicht mehr kuschen, unterwürfig sein. «Selbst wenn der Mann das versteht, wenn er auch im Haushalt hilft, benimmt er sich in dem Augenblick, in dem Besuch kommt, vor allem seine Familie, als hätte er nie die Küche von innen gesehen», erzählt mir eine der Frauen. 

Über eines sind sich alle einig: Der Krieg hat ihnen geholfen. anders zu werden, sich zu entwickeln, selbständig zu denken. In dem Gedicht einer ehemaligen Freiheitskämpferin heißt es:



Frauen von Zimbabwe, wacht auf.
Ihr habt euer Land befreit,
habt bewiesen, was ihr könnt.
Laßt euch nicht unsicher machen;
was ein Mann kann, könnt ihr auch,
Blut habt ihr vergossen, getötet,
nun müßt ihr handeln wie ein Mann.


Wartet nicht auf einen Erlöser,
erlöst euch selbst. 


Wie eure Tapferkeit im Krieg,
beweist jetzt, daß der Kampf weitergeht,
zusammen mit anderen
für die Zukunft eurer Kinder. 

«

Wir kämpfen nicht gegen die Männer»

Teural Ropa Nhongo im Gespräch mit Brigtitte Kols
[2]

ZimbabweDie junge Frau in der hausbackenen Bluse und dem schlichten blauen Rock gähnt herzhaft und zieht sich den Strohhut ins Gesicht. «Entschuldigen Sie, aber ich bin totmüde», sagt Teural Ropa Nhongo und lehnt sich tiefer in den Rücksitz des Peugeot 404, so daß ihr das Redemanuskript, das sie gerade studiert, fast von den Knien rutscht. «Gestern abend ist es beim Ball zu den Unabhängigkeitsfeiern etwas spät geworden, und dann haben mich die Kinder den Rest der Nacht wachgehalten. Die schlaflosen Nächte teilt sie mit Tausenden von Müttern, deren Kinder Zähne bekommen oder krank sind. Mrs. Nhongo, die neben mir im Regierungswagen sitzt und keinen Hehl

 aus ihrer Erschöpfung macht, wird jedoch 
 nicht nur durch ihre Mutterpflichten am Schlafen gehindert, sondern auch von jener Aufgabe, die sie für alle Frauen Zimbabwes meistern soll

. Sie ist es, die von Amts wegen die Lage der Frauen in Zimbabwe grundlegend verändern soll als erste Frauenministerin «She's making sure equality becomes reality» («Sie sorgt dafür, daß Gleichberechtigung Wirklichkeit wird»), so verkündet es optimistisch die zimbabwische Zeitung «The Herald» in einem Bericht über die Ministerin und ihre Aktivitäten. Daß es im Kabinett Mugabe diesen Posten gibt, zeigt, welchen Stellenwert auch die führenden Männer des Landes den Frauen einräumen, die im Befreiungskampf eine so entscheidende Rolle spielten. 

Was ist das für eine Frau, der eine Schlüsselstellung zugefallen ist für die weitere Entwicklung der gesellschaftlichen und politischen Rolle der Frauen in Zimbabwe? Das wollte ich wissen, und so saß ich ihr an diesem Morgen gegenüber, an dem sie offensichtlich nicht die geringste Lust verspürte, die neugierigen Fragen einer Reporterin aus der fernen Bundesrepublik zu beantworten. 

Daß sie anders ist als Frauen, denen man hierzulande auf s01

chen Posten begegnet, stellte sich in unserem Gespräch schnell heraus. Die meisten Frauen, die sich bei uns an Kabinettstische vorgekämpft haben, müssen in die Männrwelt der Politik Respekt gebietende akademische Qualifikationen als Eintrittskarte mitbringen. So etwas hat Zimbabwes Frauenministerin nicht vorzuweisen. Den Respekt der Männer hat sie sich auf andere Weise erworben. Mit 18 entschied sie, daß «es für mich nichts Wichtigeres gibt, als mich an der Befreiung des Landes zu beteiligen. » Neun Jahre war sie im Krieg. «Ich habe sieben Jahre für die ZANLA gekämpft», sagt sie. Hatte sie keine Angst vor Waffen, Kampf und Tod? Die Antwort kommt schnell und ohne jedes Pathos: «Wir hatten keine andere Wahl, und ich hatte gar keine Zeit, an Angst zu denken. »

 Jetzt ist die ehemalige Kommandantin der Frauen-Brigade 27 Jahre alt, eine ungewöhnlich junge Ministerin also - eine Frau aber auch, die als Erwachsene noch einmal die Schulbank drücken muß. «Der Krieg hat mich um meine Chancen gebracht», sagt sie ohne Bitterkeit. Gemeint sind die Bildungschancen. Mrs. Nhongo ist überzeugt, daß erst die Teilnahme am Befreiungskampf den Frauen wirkliche Chancen eröffnet

 hat
.  Daß sie jetzt als Mutter von zwei Kindern und Politikerin versucht, das Versäumte in Sachen Bildung nachzuholen, Abitur zu machen, vielleicht noch zu studieren, darin sieht sie nichts besonderes. «Es gibt viele Frauen, die einen ähnlichen Weg gehen. » Die Dreifachbelastung durch Kinder, Job und Büffeln zerrt deutlich an ihren Kräften und Nerven. Sie ist klein, stämmig und zäh und wirkt dennoch stets ein wenig unsicher. Frauen, sagt sie, hätten schließlich immer als minderwertig gegolten und seien auf den Gebieten der Bildung, Ar

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beit und Gesetzgebung systematisch vernachlässigt worden, obwohl sie 51 Prozent der Bevölkerung ausmachten. 

Und dann folgt der Satz: «Wir schwarzen Frauen waren immer doppelt diskriminiert: Zuerst wegen der Hautfarbe und dann einfach, weil wir Frauen waren. » Es erstaunt nicht, daß dieser Ministerin die Alphabetisierungs-Karnpagne, vor allem auf dem Land, besonders am Herzen liegt. 60 Prozent aller Analphabeten in Zimbabwe sind Frauen. 

Sie möchte Schluß machen mit der Benachteiligung ihrer Geschlechtsgenossinnen, aber «Emanzipation, wie ihr Frauen es im Westen versteht, als Kampf gegen die Männer, das ist nicht unsere Sache. Wir wollen unsere Gesellschaft nicht gegen die Männer verändern, sondern wir wollen und rnüssen es mit ihnen. Sonst werden wir nichts erreichen. » So sind denn in fast alle Projekte des Ministeriums in den ländlichen Regionen auch Männer einbezogen. «Wenn die Männer wissen, was passiert, sind sie nicht mißtrauisch. » Möglicherweise ist sie auch deshalb nicht nur Ministerin für «Woman's Affairs», sondern auch für «Community Devellopment». 


Gesetze allein, darüber macht sich Teural Ropa Nhongo keine Illusionen, reichen nicht aus, wirklich

 etwas zu verändern. Wichtiger sei eine Veränderung des Bewußtseins. Für die Ministerin ist es keine Frage, «daß wir die Polygamie abschaffen und auf den Brautpreis <Lobola> als Voraussetzung für eitle Ehe verzichten wollen. » Nur mit Vorsicht und Fingerspitzengefühl könne jedoch an Traditionen gerührt werden, die tief verwurzelt seien und von vielen als Teil afrikanischer Kultur verstanden würden. 



Offensichtlich peinlich ist ihr die Frage nach einer möglichen 

Legalisierung des Schwangerschaftsabruchs. «Wir werden Abtreibungen nicht unterstützen», sagt sie. «Aber Kenntnisse über Verhütung müssen wir fördern. »

Manchmal zieht sich die 27-jährige auf Formeln zurück, wie die, daß es ihr Ziel sei, «die Menschenrechte von der Wiege bis zum Grab auch für Frauen zu sichern». Bohrt man tiefer, bekommt man jedoch auch konkrete Antworten. Für gleiche Bezahlung von Frauen und Männern gelte es zu kämpfen und für einen gesetzlich garantierten dreimonatigen Mutterschaftsur

laub. Auch über ein Quotensystem, das der Privatindustrie auferlege, einen bestimmten Prozentsatz von Frauen zu beschäftigen, müsse nachgedacht werden. 

Nach Erfolgen befragt, rattert sie Zahlen über die bereits bestehenden Frauenclubs herunter, verweist auf Kurse für Hauswirtschaft und «Woman's Leadership» auf dem Lande, auf selbst organisierte Vorschulen, Sparkassen-Clubs, die Förderung kleiner Handwerksbetriebe und Genossenschaften. Immer wieder stehen die Frauen auf dem Land dabei für sie im Vordergrund. 

Und wie steht es um die Gleichberechtigung in der Farmilie Nhongo? Statt einer abstrakten Antwort, schildert die Ministerin ihre augenblickliche häusliche Situation. Ihr Mann, Armee General Rex Nhongo, absolviere gerade einen achtmonatigen Studienaufenthalt in Pakistan. «Da hängt eben alles von mir ab. Der Haushalt. Die Kinder. Ich bin sicher, ein Mann in meiner Situation würde dafür jemanden einstellen. Aber das kann ich eben nicht. Ich fühle mich verantwortlich.» Inzwischen hat sie den Chauffeur halten lassen und Zuckerrohr eingekauft. Sie öffnet eine Stange, nimmt sie zwischen die Zähne und zeigt mir, wie man am besten an den süßen Inhalt herankommt. Dabei lacht sie, und es ist wohl nicht nur ironisch gemeint, als sie mit einem Seitenblick auf mich sagt: «Ihr werdet sehen, ihr Frauen aus dem Westen, es gibt vieles, was ihr auch von uns noch lernen könnt. »

Wenig später trifft der Regierungswagen in Chaminuka ein, wo die Ministerin vor tausenden von Menschen eine Rede halten soll. Sie steigt aus, begrüßt die anwesenden Offiziellen und geht an das Mikrophon. «Pamberi» - «Vorwärts», schallt es gleich darauf über den Platz und ich weiß nicht, ob Ministerin Nhongo damit nun die erwartungsvollen Zuhörer anfeuern will oder sich selbst.




Independence oder weibliche List auf afrikanisch

Kurzgeschichte von Anne Chifombo



Independence kletterte auf einen Felsblock. Das Fahrrad hatte sie am Straßenrand gelassen, weil sie allein sein wollte, nachdenken wollte. 

Sie war jung, 22 Jahre alt; mit 14 Jahren hatte sie sich dem bewaffneten Kampf angeschlossen. Nach dem Krieg meldete sie sich zu einem Weiterbildungskurs. Eigentlich hatte sie Ärztin werden wollen, hatte auch schon angefangen, in Jugoslawien Medizin zu studieren, doch dann bekam sie ein Kind und hatte keine Zeit mehr dazu. Nun war sie für das Gesundheitswesen in diesem Bezirk verantwortlich. Und hatte Probleme, viele Probleme: Kinder starben an Unterernährung, Mütter an Infektionen im Kindbett; viele Frauen glaubten fest, daß Krankheit eine Strafe der Vorfahren sei, deren Geister sie verärgert hatten, oder daß sie verhext worden seien.

Damit könnte ich fertig werden, sagte sich Independence. Oh ja. Aber mit dem Problem der Familie Zachariah Chipembe war es etwas anderes. Sie blickte über das schöne Land, sah den Stausee, in dem sich die Sonne spiegelte, die weißen Flocken an grünen Sträuchern Baumwolle. Independence arbeitete nicht in einem Stammesgeblet, sondern in einer jener Gegenden, in denen sich afrikanische Farmer während der Kolonia zeit Land hatten kaufen können.

Zachariah Chlpembe war ein Farrner, der auf sein Anwesen stolz sein konnte. Ein älterer Mann, der eine Landwirtschaftsprüfung gemacht und sich das Zeugnis an die Wand gehängt hatte. Er besaß ein eckiges Haus aus Stein, keine runde Hütte. Zachariah hatte zwei Frauen und drei Kinder. Seit einem Jahr hatte er sich nun eine dritte Frau geholt, Tirna. Wegen Tima saß Independence hier und machte sich Gedanken. 

Tima war weinend zu ihr gekommen, weil sie nicht schwanger wurde und Zachariah sie deswegen geschlagen hatte. Independence hatte Tima zur Untersuchung in die Stadt geschickt. Der ärztliche Befund war eindeutig: Tima konnte so gut Mutter gesunder Kinder werden wie Mary, die Zachariah zwei Töchter, und Bettie, die ihm einen Sohn geboren hatte.


Arme Tima. Es war noch immer so wichtig für eine Frau, Mutter zu werden.

 Seufzend erhob sich Independence und holte sich ihr Rad. Sie würde mit Zachariahs Frauen sprechen rnüssen. Aber wie? Sie waren stolz und spielten in dem Bezirk eine wichtige Rolle, vor allem Mary als älteste und erste Frau, mit der Zachariah schon lange verheiratet War.

Independence ging an dem Garten vorbei, der Mary gehörte. Die Bohnen rankten sich empor, alles war sauber, ordentlich und zwischen den Büschen lagen keine Steine. Mary war eine gute Gärtnerin, außerdem half ihr Hope, ihre jüngste Tochter, bei der Arbeit. Die älteste Tochter, Faith, war schon lange -erheiratet und Independence kannte sie nicht.

Independence blieb stehen. Sie hatte Mary gesehen, in einem grauen Kleid, eine Hacke in der Hand und gerade dabei, ihren Garten zu verlassen.

«Guten Morgen, Mbuya», sagte Independence und knickste. Sie hatte gelernt, daß sie sich am besten durchsetzen konntee wenn sie sich den alten Sitten beugte. «Wie geht es dir Mbuya?»

 Als Antwort die alte Formel: «Es geht mir gut, wenn es dir gut geht, meine Tochter.»

 Sie standen sich gegenüber, die alte, magere Frau und das junge Mädchen, das, um leichter Fahrrad zu fahren, Uniformhosen trug. 

«Vor zwei Wochen war ich mit dem Meisterfarmer Zachariah in der Hauptstadt», bemerkte Independence. «Es war schön für mich, meine Genossen zu sprechen.» Deswegen war sie allerdings nicht hingefahren. Sie hatte Zachariah dazu überreden müssen, sich im Krankenhaus von Harare untersuchen zu lassen, und hatte es auch geschafft. Schnell fügte sie hinzu: «Mein Vater arbeitet in der Stadt und er hat sich gefreut, mein Kind zu sehen.» Independence genoß Ansehen, nicht nur als Freiheitskämpferin und medizinische Assistentin, sondern auch weil sie ein Kind hatte. jeder wußte, daß ihr Mann im Krieg gefallen war.

«Für Väter ist es wichtig, Kinder zu haben», fuhr sie fort, «glaubst du nicht auch, Mbuya Mary?» 


Zu Mary hatte sich eine andere Frau gesellt, die so dick wie Mary dünn war, die so laut wie Mary leise sprach. Es war ßettie, Zachariahs jüngere Frau und Mutter seines Sohnes Pearc,Independence sah sich beiden gegenüber, wußte, daß es eine Konfrontation war, wie es auch die beiden Frauen wußten. Würde sie damit fertig werden?

Bettie mußte aus einem benachbarten Garten gekommer, sein, mußte die Stimmen gehört haben. Wieder Begrüßung, wieder Höflichkeitsfloskeln, die soviel zudeckten- Furcht vielleicht? Haß? Der Stoff von Betties Kleid war hellblau. Zachariah hatte seinen Frauen, den Müttern seiner Kinder, Kleider aus der Stadt mitgebracht. Für Tima hatte er einen kleinen Spiegel gekauft und die Stirne gerunzelt, als er ihn Independence gezeigt hatte. Ein Jahr lang war er mit Tirna verheiratet, und sie hatte noch kein Kind.

Wie auch, dachte Independence verzweifelt, da der Arzt ihr gesagt hatte, daß Zachariah niemals, nicht ein einziges Mal, ein Kind hatte zeugen können.

Sie standen ihr gegenüber, Mary und Bettie, die Mütter von Zachariahs Kindern, die unmöglich seine eigenen sein konnten.

«Wie geht es Pearce?», fragte Independence. Ein sonderbarer Name. Pearce. Es gab keine weißen Farmer in dieser Gegend, und obwohl Bettle niemals zur Schule gegangen war, hieß ihr Sohn Pearce.

«Ich war ein kleines Mädchen, als die Briten hier waren», meinte Independence. «Ich durfte schon zu den Missionaren. Ich hatte Glück, daß mein Vater uns alle zur Schule schickte, genau wie Zachariah jetzt Falth, Hope und nun auch Pearce.» Sie fügte schnell hinzu: «Meine Mutter hat natürlich nie lesen und schreiben gelernt, aber sie war froh, daß wir zu den Methodisten konnten, da mein Vater in der Stadt Geld verdiente. Ich war zwar noch ein kleines Mädchen von elf Jahren, aber ich erinnere mich, daß die Briten kamen und fragten, ob wir ihre Vorschläge annehmen würden. Die, die sie dem SmithRegime gemacht hatten.» Die Frauen sahen sich nicht an. Sie lächelten auch nicht. Independence ging langsam auf den Weg zu, der zu ihrer Klinik

 führte und sie wußte, die Frauen liefen hinter ihr her, erst Mary, dann Bettle.

 ln unserem Dorf gab es große Versammlungen! Es kamen Vakumana, die sagten, wir müßten mit <Nein> antworten, wenn die Briten uns wegen dieses Vorschlags fragten. Es war die Pearce-Kommission gewesen, die die Meinung der Afrikaner erfragen sollte, drei Jahre bevor ich über die Grenze gegangen bin, dachte Independence, <und die Lehrer hatten gesagt, das seien alles Lügen. Sie hatten recht gehabt, nur der bewaffnete Kampf hatte die Unabhängigkeit gebracht, nicht die Verhandlungen mit den Briten.> Sie waren an der Klinik angekommen. Independence drehte sich zu den Frauen um und lud sie ein, mit ihr Tee zu trinken, spürte, wie sie zögerten, Wußte, daß sie nicht ablehnen würden.

Independence arbeitete mit einem jungen Mädchen, einer Waise, zusammen, die gerade auf dem kleinen Parafinofen Wasser heiß machte.

«ja, ich erinnere mich an diese Versammlung», nahm sie den Faden wieder auf, «als wir den Briten mit Nein> antworteten> denn ich war Klassenbeste geworden nd deshalb sehr aufgeregt. Es gab Bier, die Frauen tanzten, und ich tanzte die ganze Nacht hindurch mit.» Sie hatte diese Geschichte soeben erfunden, denn sie konnte sich überhaupt nicht erinnern, wo sie damals war - in der Schule? Zu Hause? Nur später, bei der Ausbildung, da hatten die Genossen über die Pearce-Kommission gesprochen.

Es war Mary, die das Wort ergriff. Sie saßen auf den kleinen Stühlen, die Independence in Harare auf dem Markt gekauft hatte, während sich Zachariah im Krankenhaus untersuchen ließ.

«Wir hatten auch ein Fest. Es kamen Leute von der Partei, die sagten, die Weißen würden kommen.» Stolz sagte sie: «Zachariah kann schreiben, er hat geholfen, Plakate mit <Nein> zu machen, die hielten wir den Weißen entgegen. Als sie gegangen waren, feierten wir weiter.»

Ja, dachte Independence. So muß es gewesen sein. Ein Bierfest, Zachariah, der stolz war über seinen Erfolg, der mit anderen Männern getrunken hatte. Im Busch gibt es nachts viel Platz,


wo ein Mann sich neben eine Frau legen kann, ohne daß er sich am nächsten Tag daran erinnert, ohne daß es jemand merkt.

Faith: Vertrauen. Hope: Hoffnung. Pearce, der zehn Jahre alt war. Und - vor elf Jahren war die Pearce-Kommission durchs Land gezogen.

«Es ist schwer für eine Frau, keine Kinder zu haben», sagte Independence und schenkte Tee ein. Sie kniete auf dem Boden und bediente erst Mary, dann Bettie. «Wenn eine Frau kein Kind hat, sagte meine Mutter, lebt sie nicht.» Beide Frauen tranken ihren Tee und hörten zu.

Independence meinte: «Es ist auch für eine junge Frau heute noch schlimm. Schade, daß der Mann glaubt, es sei die Schuld der Frau. Was soll sie tun? Ihr Vater will den Brautpreis nicht zurückbezahlen, wo soll sie also hin, wenn der Mann sie wegschickt?» Wieder antwortete Bettie, die jüngere Frau und Mutter von Pearce.

«Frauen werden zum Dienen gebraucht und um Kinder zu gebären, denn auch die Kinder dienen der Familie. Auf einer Farm wie hier, kann kein Farmer Arbeitskräfte bezahlen.»

Independence nickte. »Hat Zachariah deswegen vielleicht nochmal geheiratet? Als Hilfe für die Farm, nachdem Faith geheiratet hat?» Bettie antwortete langsam. «Wir haben es geschafft, Mbuya Mary und ich, wir wissen, daß Zachariah mit seinem Traktor pflügt und wir genug ernten, um jedes Jahr zur Ernte Leute zu holen; Witwen, die für einen Dollar gerne helfen.»

So, jetzt war sie sich sicher. Die beiden wußten schon lange, daß Zachariah unfruchtbar war; sie teilten das Geheimnis, aber Tima, der Neuen, der jungen Konkurrentin, die sie als Arbeitskraft nicht brauchten, der hatten sie es nicht verraten. Independence goß Tee ein. «Bald wird es trotzdem nötig sein, daß die ganze Familie mitarbeitet. Alles wird so teuer! Auch die Witwen werden demnächst mehr als einen Dollar verlangen!» Beiden Frauen gaben das zu. Hatten sie nicht in den letzten Wochen für Zucker und Waschpulver mehr bezahlen müssen? 

Independence erinnerte sich, daß Zachariah Mühe gehabt hat




te, ihr gegenüber höflich zu bleiben, wie würde er sich erst zu Hause aufführen? «Ein neues Kind im Haus ist immer eine Freude, außerdem bleibt der Mann bei guter Laune, wenn er wieder Vater geworden ist.» Independence stand auf, räumte die Tassen weg und meinte zu den Frauen gewandt: «Nächste Woche ist der Unabhängigkeitstag, auf den freue Ich mich sehr wir werden im Frauenclub etwas organisieren5 vielleicht ein Tanzfest. Ich habe schon mit einigen jungen Genossen ausgemacht, daß sie zu zehnt kommen und etwas vorturnen! Wir müssen genau überlegen, wie wir das Fest gestalten.» Bettie, die Dicke, stand auf, Mary etwas langsamer. «Wir werden helfen», sagte sie, ohne Independence anzusehen. «ja.» Sie bedankten sich, klatschten in die Hände, Independence erwiderte den Gruß. «ja», sagte Mary, «Kinder sind immer ein Segen. Wir werden das Fest mit vorbereiten. Tima kann uns auch helfen - ist doch in Ordnung, oder?»