Danach

Der König von Frankreich und England verkündet der ganzen Welt die Verurteilung und Hinrichtung der Pucelle, von der so großes Aufhebens gemacht worden war. Er schreibt am 8.Juni an den Kaiser, die Könige, die anderen Fürsten der Christenheit und am 18. Juni an die Prälaten, Herzöge, Grafen, Edlen sowie an die Städte seines Königreichs Frankreich. Die Briefe zählen Johannas Verbrechen und Irrtümer auf; sie berichten von der Abschwärung, dem Rückfall. Und fügen hinzu:

Und als sie ihr Ende nahen sah, gestand sie, daß die Geister, die ihr, wie sie sagte, oft erschienen sind, böse und lügnerisch waren, und daß das Versprechen, das die Geister ihr mehrmals gegeben hatten, nämlich sie zu befreien, falsch war; und so gestand sie, von diesen Geistern irregeführt und getäuscht worden zu sein.
Ebenso präzisieren die Botschaften der Universität an den Papst und die Kardinäle, daß Johanna angesichts des Todes bereut hat und zugab, daß die Geister, die ihr erschienen waren, sie betrogen und getäuscht hatten. Darauf kam es an.

Die posthume Ermittlung

Denn auch wenn Johannas >Rückfall< es ermöglicht hatte, sie zu verurteilen, brachte er nichts in Ordnung. Die Engländer hätten sie trotzdem verbrannt. Als Rückfällige starb sie ihren Stimmen treu, als Märtyrerin, all jene tröstend, die an ihre Mission und die Legitimität Karls VII. glaubten. Daher hatte Pierre Cauchon am 7.Juni angeordnet, die >posthume Ermittlung< anzufertigen, den Bericht über einen letzten Besuch, den er Johanna in ihrem Gefängnis am Morgen des 30. Mai vor dem Aufbruch zum Altmarkt abgestattet haben will, in Begleitung des Inquisitors und einiger Beisitzer. Diese bezeugten unter Eid:

Als erstes wurde am genannten Tag Magister Nicolas de Venderès, Lizentiat im kanonischen Recht, Archidiakon von Eu und der Kirche von Rouen, etwa zweiundftinfzig Jahre alt, als Zeuge vorgeführt, vereidigt, angenommen und verhört. Er sagte bei seinem Eid aus, daß am Mittwoch, dem vorletzten Tag des Monats Mai, der Vigil des Festes der Eucharistie, besagte Jeanne, als sie noch im Gefängnis im Schloß von Rouen war, erklärte, in Anbetracht dessen, daß die Stimmen, die zu ihr kamen, ihr versprochen hätten, sie würde aus dem Gefängnis befreit, und sie jetzt das Gegenteil sähe, sie wohl erkenne, daß sie von ihnen getäuscht worden sei. Ferner sagte und gestand sie, daß sie mit eigenen Augen und Ohren die im Prozeß erwähnten Stimmen und Erscheinungen gesehen und gehört habe. Als Zeugen waren zugegen: wir, die genannten Richter, Magister Pierre Maurice, Thomas de Courcelles, Nicolas Loiseleur, Bruder Martin Ladvenu, Jean Toutmouillé, Herr Jacques le Camus und mehrere andere.
Bruder Martin Ladvenu, vom Orden der Predigerbrüder, etwa zweiunddreißig Jahre alt, als Zeuge vorgeführt, vereidigt und angenommen wie der vorhergehende, sagt aus, daß Jeanne an dem Tag, an dem das Urteil gegen sie gefällt wurde, bevor man sie vor Gericht führte, in Gegenwart von Magister Pierre Maurice, Nicole Loiseleur und des genannten Toutmouillé, Kollege des Sprechenden, bekannte, sie wisse und erkenne, daß sie von den Stimmen und Erscheinungen, die zu ihr kamen und von denen im Prozeß die Rede war, getäuscht worden sei, weil sie ihr versprochen hätten, sie würde aus dem Gefängnis befreit, und jetzt müsse sie das gerade Gegenteil sehen. Gefragt, was besagte Jeanne bewogen habe, solches zu sagen, sagte der Sprechende, daß er, Magister Pierre Maurice und Nicolas Loiseleur, die sie an ihr Seelenheil erinnerten, sie fragten, ob sie die oben genannten Stimmen und Erscheinungen gesehen hätte. Was sie bejahte. Sie sagte nicht, in welcher Gestalt sie erschienen, aber ihm scheint, sie habe gesagt, daß sie in großer Zahl kamen. Er hörte, wie sie gestand, daß sie glaube, die Geister, die zu ihr kämen, kämen von bösen Geistern her, und sie wolle ihnen keinen Glauben mehr schenken. Weiter sagte der Sprechende, sie habe an jenem Tag gestanden, daß sie sich in ihren Geständnissen und Antworten zwar gebrüstet hätte, der Engel Gottes habe jenem, den sie ihren König nennt, eine Krone gebracht, und der Engel habe sie, Jeanne, begleitet, um besagte Krone zu überbringen, nebst vielem anderen, was im Prozeß enthalten ist; dennoch sagte und bekannte sie nun von sich aus und ohne Zwang, was immer sie gesagt haben möge, es sei keiner dagewesen, der ihrem König die Krone gebracht habe; sie selber versprach ihm, sie würde ihn in Reims krönen lassen, und es hat keine andere Krone gegeben, was immer sie in ihrem Prozeß darüber gesagt und behauptet habe.
Magister Pierre Maurice, Doktor der Theologie, Domherr von Rouen, etwa achtunddreißigjahre alt, vorgeführt, vereidigt und angenommen wie die obengenannten Zeugen, sagt aus, daß er am Tag, da der Stellvertreter das Urteil gegen besagte Jeanne fällte und sie noch im Gefängnis war, zu ihr hingegangen sei, um sie an ihr Seelenheil zu erinnern, und sie sagen hörte, der Engel, von dem sie gesagt hatte, er habe ihrem König die Krone gebracht, sei sie selber gewesen. Nach der Krone gefragt, die sie ihrem König versprach, und den vielen Engeln, die sie begleiteten antwortete sie, sie seien ihr in Gestalt ganz kleiner Dinge erschienen. Als der Sprechende sie schließlich fragte, ob jene Erscheinung wirklich war, antwortete sie, sie sei ihr wirklich erschienen: »Seien es gute oder seien es böse Geister, sie sind mir erschienen.« Sie sagte auch, daß sie die Stimmen beim Glockenläuten um die Stunde der Komplet gehört habe, ebenso frühmorgens. Als der Sprechende ihr nun vorhielt, es zeige sich klar, daß böse Geister ihr die Befreiung versprochen hätten, antwortete sie, das sei wahr, und sie sei getäuscht worden; und daß sie es dem Urteil der Kirchenmänner überlasse, ob es gute oder böse Geister seien. Und wie ihm scheint, war besagte Jeanne damals in ihrem Verstand nicht verwirrt.
Bruder Jean Toutmouillé, Priester des Ordens der Predigerbrüder, etwa vierunddreißig Jahre alt, als Zeuge vorgeführt und vereidigt (bestätigt die Aussage von Magister Pierre Maurice). Weiter sagte er, daß an jenem Tag der Bischof und der Vikar des Inquisitors kamen und jener Jeanne sagten: »Nun, Ihr habt uns immer erklärt, Eure Stimmen hätten Euch gesagt, Ihr würdet befreit werden, jetzt seht Ihr gut, daß sie Euch getäuscht haben. Sagt uns in allem die Wahrheit!« Worauf jene Frau antwortete: »Ich sehe jetzt wirklich, daß sie mich getäuscht haben.«
Herr Jacques le Camus, Priester, Domherr von Reims, etwa vierundfünfzig Jahre alt, als Zeuge vorgeführt und vereidigt, etc., sagte bei seinem Eid aus, daß (...) er gehört hat, wie besagte Jeanne dem Bischof und den anderen Richtern öffentlich und mit lauter Stimme, so daß alle Anwesenden es deutlich hören konnten, sagte, sie habe die Erscheinungen gesehen, die zu ihr kamen, und die Stimmen gehört, die ihr versprachen, sie würde aus dem Gefängnis befreit. Daran erkenne sie gut, daß sie sie getäuscht hätten, und sie glaube, daß sie nichts Gutes seien. Kurz darauf beichtete sie einem Predigerbruder namens Martin. Nach dem Sakrament der Beichte und Buße, als besagter Bruder ihr das Sakrament der Eucharistie spenden wollte und die Hostie in Händen hielt, fragte er sie, ob sie glaube, daß dies der Leib Unseres Herrn sei. Worauf sie antwortete: ja, und daß sie glaube, er allein könne sie befreien. Daraufhin fragte der Bruder sie, ob sie nicht mehr an ihre Stimmen glaube. Sie antwortete, sie glaube an einen alleinigen Gott, und sie wolle den Stimmen keinen Glauben mehr schenken, weil sie sie derart getäuscht hätten.
Magister Thomas de Courcelles, Magister der Künste, Bakkalaureus der Theologie, als Zeuge vorgeführt und vereidigt, etc. (bestätigt die Aussage von Bruder Jean Toutmouillé).
Magister Nicole Loiseleur, Magister der Künste, Domherr von Rouen und Chartres, etwa fünfzig Jahre alt, vereidigt, etc., sagt bei seinem Eid aus, daß (...) er sie gebeten habe, die Wahrheit zu sagen über jenen Engel, von dem sie in ihrem Prozeß erklärt hatte, er habe jenem, den sie ihren König nennt, eine kostbare Krone aus purem Gold überbracht, und die Wahrheit nicht weiter zu verbergen, da sie nur noch an das Heil ihrer Seele denken müsse. Da hörte der Sprechende jene Jeanne sagen, sie selber sei der Engel gewesen. Gefragt, ob jenem, den sie ihren König nennt, wirklich eine Krone überreicht worden sei, antwortete sie, es habe nichts anderes gegeben als ihr Versprechen, er würde zum König gekrönt werden.
(...) Der Sprechende sagte weiter, er habe jene Jeanne ermahnt, sie solle doch, um den Irrtum abzulegen, den sie im Volk ausgesät hatte, öffentlich gestehen, daß sie getäuscht worden sei und das Volk getäuscht habe, indem sie den genannten Offenbarungen Glauben schenkte, und sie solle für das Vergehen, das sie begangen hat, demütig um Vergebung bitten. Worauf besagte jeanrie antwortete, daß sie es gern tun wolle, aber sie fürchte, daß sie, wenn sie vor Gericht stünde und es tun müsse, sich nicht daran erinnern werde. Und sie bat ihren Beichtvater, er möge ihr dies und anderes, was zu ihrem Heil beitrage, in Erinnerung rufen, wenn sie öffentlich vor Gericht stehen werde. Ihm scheint, daß sie damals bei Sinnen und Verstand war und große Zeichen der Reue und Buße über die von ihr begangenen Vergehen an den Tag legte. Er sah, wie sie, sowohl im Gefängnis als auch öffentlich vor Gericht, mit großer Zerknirschung die Engländer und Burgunder um Verzeihung bat, indem sie gestand, daß sie viele von ihnen haue töten, velagen und ihnen mannigfachen Schaden hatte zufügen lassen.

Dieses Dokument stellt ein Problem. Die Notare, die am 7.Juni nicht dabei waren, weigerten sich, es gegenzuzeichnen. Es steht in Widerspruch zu dem kurz nach der Sitzung im Gefängnis ausgesprochenen endgültigen Urteil, dessen Wortlaut und Begründung das lateinische Protokoll wiedergibt und in dem es heißt, Johanna sei verstockt, unverbesserlich häretisch, in Ketzerei rückfällig, jeder Gnade und Kommunion unwürdig, die wir im vorausgegangenen Urteil aus Barmherzigkeit gewährt haben, besonders zu seinem letzten Satz: Und wenn Zeichen echter Reue sich bei dir zeigen, soll dir das Sakrament der Buße gespendet werden. Auch die Urkunde der Urteile erwähnt mit keinem Wort einen letzten Widerruf. Offiziell ist Johanna also im Vertrauen auf ihre falschen Tollheiten gestorben. Daher das Geschrei und Murren, das in der Stadt war und dessen man zu spät gewahr wurde.

Das Echo

Das burgundische Paris erfuhr die Nachricht sofort. Mit großer Objektivität veröffentlicht von den Angehörigen der Universität. Entstellt für das gemeine Volk verteufelt von den Predigern, die, als Dominikaner und Inquisitoren, Johanna von ihren Irrtümern überzeugt sterben lassen. Der >Bürger< von Paris hat diese beiden Nachrufe gesammelt.

Am Tag vor Fronleichnam, der in diesem Jahr auf den 30. Mai fiel, hielt man Jeanne, die vor Compiègne gefangen worden war und die man die Pucelle nannte, zu Rouen die Predigt. Sie stand hoch auf einem Gerüst, wo jeder sie deutlich in ihren Männerkleidern sehen konnte. Dort hielt man ihr all die üblen und schmerzlichen Dinge vor, die durch ihre Schuld der Christenheit und besonders dem Königreich Frankreich widerfahren waren, wie jeder weiß: sie hatte Paris am Geburtsfest Unserer Lieben Frau angegriffen und geplant, es in Feuer und Blut zu tauchen, sie hatte mehrere schwere Sünden begangen und begehen lassen; in Senlis und anderswo hat sie sich scheinheilig vom Volk vergöttern lassen, das ihr in seiner Einfalt wie einer heiligen Jungfrau folgte, weil sie ihm zu verstehen gegeben hatte, daß der glorreiche Erzengel, der heilige Michael, die heilige Katharina und die heilige Margareta sowie mehrere andere Heilige ihr oft erschienen und freundlich zu ihr sprachen, nicht wie Gott sich manchmal offenbart, sondern körperlich und von Mund zu Mund. Sie behauptete, sie sei etwa siebzehn Jahre alte gewesen und ohne Scham und ihren Eltern, Verwandten und Freunden zum Trotz oft nach Lothringen zu einem schönen Brunnen gegangen, den die Bewohner aufsuchten, um ihr Fieber zu heilen. Unter einem großen Baum, der diesem Brunnen Schatten spendete, waren Jeanne der Pucelle die heilige Katharina und die Heilige Margareta erschienen und hatten ihr gesagt, sie solle sich zu einem Hauptmann begeben, dessen Namen sie nannten. Jeanne ging zu ihm, ohne sich von ihren Eltern zu verabschieden, und jener Hauptmann kleidete sie als Mann, gürtete sie mit dem Schwert, gab ihr einen Knappen und vier Diener und hob sie auf ein großes Pferd.
So gelangte sie zum König von Frankreich, dem sie sagte, sie sei auf Befehl Gottes gekommen, sie werde ihn zum mächtigsten Fürsten der Welt machen, aber er solle Befehl geben, schonungslos all jene zu töten, die ihr nicht gehorchen würden. Der heilige Michael und mehrere andere Engel hatten ihr, wie sie sagte, eine sehr reiche Krone f'ür den König und ein Schwert gegeben, aber sie wollte sie ihm erst am Ende des Kriegs übergeben. Und alle Tage ritt sie mit dem König, als einzige Frau unter Kriegsvolk, gekleidet und bewaffnet wie ein Mann, einen großen Knüppel in der Hand. Wenn einer der Leute sich versah, schlug sie ihn mit dem Knüppel wie ein sehr grausames Weib. Sie sagte, sie sei sicher, am Ende ihrer Tage ins Paradies einzugehen, und nicht weniger sicher, sooft sie es wollte, mit dem heiligen Michael, der heiligen Katharina und der heiligen Margareta gesprochen und sie mit einer goldenen Krone auf dem Haupt gesehen zu haben. Alles, was sie tut, geschieht auf Befehl Gottes, und sie sagt sogar, daß sie einen großen Teil der Zukunft kenne.
(...) Sie sagte auch, wenn sie wolle, könnte sie es donnern lassen und andere Wunder tun, und einmal, als man sie vergewaltigen wollte, war sie von einem Turm gesprungen, ohne sich zu verletzen. An mehreren Orten ließ sie Männer und Frauen töten, entweder in einer Schlacht oder von sich aus, aus Rache, denn wenn sie es konnte, ließ sie all jene erbarmungslos töten, die ihren Briefen nicht gehorchten. Und sie wiederholte und beteuerte, nur auf Befehl Gottes zu handeln ...
Dies sind die Irrtümer, deren man Johanna anklagt und die ihr vor allem Volk in Erinnerung gerufen wurden, das sich beim Bericht all dieser Vergehen gegen den Glauben entsetzte. Doch als man Jeanne ihre großen Übeltaten und Irrtümer vorhielt, erschrak und verwunderte sie sich nicht darüber, sondern antwortete beherzt Punkt für Punkt, als wäre sie vom Dämon besessen. Und das schien sie auch zu sein, denn die Kleriker der Universität baten sie demütig, zu bereuen und diesem bösen Irrtum abzuschwören, dann würde ihr alles verziehen; sonst aber würde sie verbrannt, und ihre verdammte Seele würde auf den Grund der Hölle fahren. Sodann zeigte man ihr den Platz und den Scheiterhaufen, auf dem sie bald verbrannt würde, wenn sie nicht abschwöre.
Als sie sah, daß diese Strafe ihr sicher bevorstand, schrie sie um Gnade und schwor mündlich ab. Ihr Kleid wurde ihr ausgezogen, und man kleidete sie wie eine Frau, aber sobald sie sich in solchem Gewand sah, fiel sie in ihren Irrtum zurück und bat um ihre Männerkleider. Da wurde sie von ihren Richtern zum Tode verurteilt und an einen Pfahl des Gerüsts aus Gips gebunden, das man anzündete. Bald darauf starb sie, und ihr Kleid wurde ganz verbrannt. Dann zog man das Feuer zurück, damit das Volk keinen Zweifel mehr habe, und es sah sie ganz nackt mit allen Geheimnissen, die eine Frau haben kann und muß. Als man sie lange genug so gesehen hatte, schob der Henker wieder ein großes Feuer unter ihren armen Leichnam, der bald in Asche fiel. Viele sagten, dort und anderswo, daß es ein Martyrium war und daß sie sich für ihren wahren Fürsten geopfert habe; andere verneinten dies und sagten, daß jener, der sie so lange beschützt hatte, übel getan habe. So sprach das Volk, aber ob sie nun gut oder schlecht getan hat, sie wurde an jenem Tag verbrannt.
(...) Am Martinstag fand eine Prozession in Saint-Martin-des Champs statt, und ein Bruder vom Orden der Predigerbrüder, der Inquisitor und Magister der Theologie war (Jean Graverent), hielt eine Predigt. Abermals erzählte er das Leben der Jungfrau Johanna: sie hatte gesagt, sie sei die Tochter sehr armer Leute; mit vierzehn Jahren habe sie Männerkleider angelegt, und ihre Eltern hätten sie damals gern umgebracht, wenn sie es hätten tun können, ohne ihr Gewissen zu belasten. Deshalb verließ sie sie in Begleitung des Teufels. Seither lebte sie voll Feuer und Blut und mordete Christen, bis sie verbrannt wurde. Der Prediger sagte ferner, sie habe abgeschworen, und man habe ihr als Buße vierjahre Gefängnis bei Wasser und Brot auferlegt, von denen sie keinen einzigen Tag gbgebüßt habe. Sie ließ sich bedienen wie eine Dame, und der Teufel erschien ihr in Gestalt des heiligen Michael, der heiligen Katharina und der heiligen Margareta, wie sie sagte. Er hatte große Angst, sie zu verlieren, und sagte :zu ihr: »Böse Kreatur, die du aus Angst vor dem Tod dein Gewand abgelegt hast, hab keine Angst, wir werden dich beschützen.« Und sogleich zog sie es aus und legte wieder das Gewand an, das sie beim Reiten trug und das sie in ihren Strohsack gesteckt hatte. Sie hatte so großes Vertrauen zu dem Dämon, daß sie sagte, sie bereue, ihr Gewand einen Augenblick abgelegt zu haben. Als die Universität sie so verstockt sah, übergab sie sie dem weltlichen Arm, damit sie stürbe. Da rief sie die Dämonen, die ihr in Gestalt der Heiligen erschienen, aber seit ihrer Verurteilung antwortete keiner von ihnen mehr auf ihre Rufe. Sie erkannte ihren Irrtum,
jedoch zu spät. (...)[18]

Das Ereignis hinterließ tatsächlich tiefe Spuren. Ganz Europa hatte von dem Abenteuer erfahren. Es erf u hr auch seinen Ausgang. Der empfindlichste Ort war natürlich Orléans: die erste Prozession vom 8. Mai 1 4 29 zur Feier des Abzugs der Engländer wurde dort alljährlich wiederholt; dort lebten Johannas Mutter und einer ihrer Brüder; dort errichtete man der Pucelle ein Denkmal, das von der Revolution zerstört und vom Konsulat wieder aufgestellt wurde. Doch das Echo drang viel weiter. Es erreichte Deutschland, da es in der Universität viele deutsche Studenten gab: schon 1430 trat Johanna in einem Mysterienspiel über den Hussitenkrieg auf, das in Regensburg aufgeführt wurde; ihre Geschichte füllt ein ganzes Kapitel in dem Bericht über die Herrschaft des Kaisers Sigismund von Eberhard von Windecken. Die Erfindungen des Gedächtnisses und Vergessens räumten sehr bald mit der Hexerei auf. Übrig blieb die Erinnerung an das Martyrium.