Das Anklagebegehren

Zwischen dem 17. und dem 27. März hat Pierre Cauchon Rat eingeholt, wie weiter zu verfahren sei. In ihrem Gefängnis werden Johanna in französischer Sprache die Fragen und ihre Antworten vorgelesen. Sie glaubt, so gesprochen zu haben, wie es im Register steht, und fügt hinzu: Gebt mir ein Frauenkleid, damit ich zu meiner Mutter gehe, und ich werde es anlegen, nur um aus dem Gefängnis zu sein.
Der Promotor, Jean d'Estivet, hat eine Anklageschrift mit 70 Artikeln verfaßt, von denen jeder einzelne die während des Vorbereitungsprozesses von der Angeklagten vertretene Meinung Zusammenzufassen behauptet. Zu Beginn des gewöhnlichen Prozesses wird am 27. und 28. März Johanna dieses >Libell< Artikel für Artikel vorgelesen; sie soll nur antworten: >ich glaube es< oder >ich glaube es nicht<. Doch die Mehrheit der Beisitzer meinte, daß ihr Aufschub zur Antwort gewährt werden solle, falls sie darum ersuche. Einer von ihnen erklärt sogar, daß sie auf Dinge, die sie nicht zu beantworten weiß, nicht genötigt werden darf mit >glauben< oder >nicht glauben< zu antworten. Der Text der Anklageschrift, so wie das lateinische Protokoll ihn wiedergibt, ist wahnwitzig. Wir fügen Auszüge oder Zusammenfassungen davon in den Text der franzisischen Minute ein, die lediglich Johannas Antworten festhält.

Anklageakte

(...) Anschließend schwor der Promotor den Reinigungseid, daß er nämlich nicht aus Gunst, Scham oder Furcht, sondern aus Glaubenseifer gegen besagte Jeanne vorgehe. Dieser wurde gesagt, auf die Dinge, die ihren Prozeß berühren, zu antworten und die Wahrheit zu sagen: sie müsse es tun, da die Doktoren zu dieser Auffassung gekommen seien und der Promotor den Reinigungseid geleistet habe. Der Bischof von Beauvais hielt ihr vor, die genannten Doktoren seien allesamt Kirchenleute, Geistliche und im göttlichen wie im menschlichen Recht kundige Männer, die in aller Güte und Milde in dieser Sache vorgehen möchten, ohne Rache oder Körperstrafe zu verlangen. Ihr einziges Streben sei, sie zu unterweisen und auf den Weg der Wahrheit und des Heils zurückzuführen, wenn in ihrem Glauben irgendein Makel wäre. Und da sie in den Wissenschaften und dieser schwierigen Materie nicht genügend unterrichtet sei, um mit sich zu Rate gehen zu können, was sie tun möchte, boten der Bischof von Beauvais und der Vikar des Inquisitors besagter Jeanne an, aus den Beisitzern einen oder mehrere auszuwählen; oder wenn sie das nicht wolle oder könne, so werde man ihr einige beigeben, die sie beraten sollten, was sie zu antworten habe. Worauf Jeanne antwortete: »Zum ersten danke ich Euch und der ganzen Versammlung für das, was Ihr zu meinem Besten und im Namen unseres Glaubens sagt. Was den Berater angeht, den Ihr mir anbietet, so habe ich nicht im Sinne, mich vom Rat Unseres Herrn zu trennen. Was den Eid angeht, den Ihr von mir verlangt, so bin ich bereit zu schwören, in allem, was Euren Prozeß berührt, die Wahrheit zu sagen.« Und sie schwor auf die heiligen Evangelien. Daraufhin begann auf Anordnung des Bischofs und der anderen Richter Magister Thomas de Courcelles die in der Anklageschrift enthaltenen Artikel darzulegen.

Auf den ersten Artikel antwortet sie, sie glaube wohl, daß unser heiliger Vater, der Papst in Rom, und die Bischöfe und die anderen Geistlichen dazu da sind, den christlichen Glauben zu hüten und jene zu strafen, die fehlen. Aber was sie betrifft, so unterwirft sie sich in ihren Taten allein der Kirche des Himmels, das heißt Gott, der Heiligen Jungfrau und den Heiligen des Paradieses. Und sie glaubt fest, daß sie nicht im christlichen Glauben gefehlt hat und auch nicht darin fehlen möchte.

Auf den II. Artikel, über Zauberei, Aberglauben und Wahrsagerei, deren sie angeklagt ist, so leugnet sie dergleichen. Bezüglich der Verehrung, die ihr zuteil geworden sein soll, sagt sie, wenn einige ihre Hände und Kleider geküßt haben, so geschah dies ohne ihren Willen, und sie hat sich davor bewahrt, so gut sie konnte.

Den III. Artikel leugnet sie und beteuert, daß sie nach bestem Können die Kirche unterstützt hat.

Was den IV Artikel betrifft, gibt sie das über ihren Vater, ihre Mutter und ihren Geburtsort zu. Den zweiten Teil dagegen leugnet sie. Was die Feen angeht, die in besagtem Artikel erwähnt sind, sagt sie, daß sie nicht weiß, was das ist. Und was ihre Unterrichtung betrifft, sagt sie, daß sie ihren Glauben gelernt hat und gut unterrichtet wurde, wie ein braves Kind sein muß. Und wegen ihrer Patin verweist sie auf das, was sie früher gesagt hat. Aufgefordert, ihr Credo aufzusagen, antwortet sie: »Fragt meinen Beichtvater, dem ich es aufgesagt habe.«

Johanna leugnet die folgenden Artikel, die, wie man sehen kann, stark von ihren Aussagen abweichen, auf die sie verweist:

VI. Besagte Jeanne pflegte oft zu der Quelle und zu dem Baum zu gehen, mit Vorliebe nachts, zuweilen auch tagsüber, besonders gern zur Stunde des Gottesdienstes in der Kirche, um allein zu sein; tanzend ging sie um die Quelle und den Baum herum; dann hing sie in die Äste des Baums viele Kränze (...), wobei sie vorher und nachher gewisse Lieder sang und Zauberformeln sprach, mit bestimmten Anrufungen, Zaubereien und Hexenkünsten; am nächsten Morgen befanden sich die Kränze nicht mehr dort.

VII. Besagte Jeanne pflegte zuweilen auf ihrer Brust eine Alraune zu tragen, in der Hoffnung, sie werde ihr in Geldsachen und irdischen Dingen Glück bringen, denn sie behauptete, eine Alraune hätte diese Kraft und Wirkung.[12]

Die Anklageschrift erzählt sodann (VIII. und IX.), daß Johanna in Neufchâteau bei der Rousse, wo sich liederliche Weiber und Kriegsleute aufhielten, reiten und mit Waffen umgehen lernte, daß sie einen jungen Mann wegen Eheversprechens vor den Amtsrichter in Toul zog, weil der Bursche sie wegen ihres schlechten Umgangs zu heiraten sich weigerte.

XI. Johanna hatte vor Robert de Baudricourt geprahlt, sie würde, wenn der Befehl ausgeführt wäre, drei Söhne bekommen: der eine werde Papst, der zweite Kaiser und der dritte König werden.
Worauf jener Kommandant sagte: »Ich möchte dir auch gern einen machen; da es so bedeutende Männer sein werden, würde auch ich bedeutender sein.« Worauf sie antwortete: »Liebster Robert, nein, nein, noch ist es nicht an der Zeit, zuerst wird der Heilige Geist drankommen« (...)

(...) Auf den XIII. Artikel,[13] der Gotteslästerungen erwähnt, antwortet sie: »Ich habe weder Gott noch seine Heiligen gelästert.« Und als ihr vorgehalten wurde, daß die heiligen Satzungen und die heiligen Schriften sagen, daß Weiber, die Männergewand tragen, und Männer, die Weiberkleidung antun, Gott ein Greuel sind, und man sie fragte, ob sie diese Kleider auf Befehl Gottes angelegt hat, sagte sie: »Darauf habe ich Euch genug geantwortet, und wenn Ihr wollt, daß ich noch mehr antworte, so gebt mir Aufschub, und ich werde Euch antworten.« Ferner wurde sie gefragt, ob sie Frauenkleider anlegen würde, um an Ostern ihren Erlöser empfangen zu können, und sie antwortet: daß sie von ihren Kleidern jetzt noch nicht lassen wird, weder um den Erlöser zu empfangen noch wegen sonst etwas. Und sie sagt, daß sie keinen Unterschied macht zwischen Männerkleidern und Frauenkleidern, um ihren Erlöser zu empfangen, und daß man ihn ihr wegen dieser Kleider nicht zu verweigern braucht. Gefragt, ob sie eine Offenbarung oder einen Befehl von Gott hat, diese Kleider zu tragen, sagt sie, daß sie daraufgeantwortet hat und aufdas verweist, was niedergeschrieben ist, und daß sie morgen Antwort geben wird. Ferner sagt sie, daß sie wohl weiß, wer sie diese Kleider tragen hieß, aber sie weiß nicht, ob sie es verraten darf.

Auf den XIV. sagt sie: »Ich tue nichts Böses, wenn ich Gott diene. Morgen werde ich darauf antworten.«

Auf den XV Artikel antwortet sie, daß sie lieber sterben will als zurücknehmen, was sie auf Befehl Unseres Herrn getan hat. Gefragt, ob sie von den Männerkleidern lassen will, um die Messe hören zu können, antwortet sie, daß sie von den Kleidern, die sie trägt, noch nicht lassen will, und daß es nicht an ihr ist, den Zeitpunkt zu nennen, an dem sie davon ablassen wird. Ferner sagt sie: wenn die Richter sie die Messe nicht hören lassen, so wird unser Herr dafür sorgen, daß sie sie hören kann, wenn es ihm gefällt, auch ohne die Richter. Ferner sagt sie zu dem anderen Teil des Artikels, der Folgerung, daß sie wohl ermahnt worden ist, von den Männerkleidern zu lassen. Aber die Unehrerbietung und das andere leugnet sie.

Auf den XVI. sagt sie, daß sie in Arras und Beaurevoir wohl ermahnt worden ist, Frauenkleider anzulegen; was sie zurückgewiesen hat und noch heute zurückweist.

Auf den XVII. Artikel gibt sie zu, daß sie ihrem König im Namen Gottes die Nachricht überbrachte; und daß Unser Herr ihm sein Reich zurückgeben, ihn zu Reims krönen lassen und seine Feinde vertreiben werde. Das tat sie als Botin Gottes und sagte ihm, er solle sie beherzt ans Werk lassen, und sie werde die Belagerung von Orl~ans aufheben. Und wenn Mgr. von Burgund und die anderen Untertanen des Reichs nicht gehorchen würden, so werde der König sie mit Gewalt dazu bringen. Auf den Schluß dieses Artikels, daß sie nämlich Robert und ihren König erkannt habe, antwortet sie: »Ich halte mich an das, was ich früher darüber gesagt habe.«

Artikel XVIII beschuldigt Johann, sie habe Karl VII. davon abgehalten, Frieden zu schließen, ihn zum Blutvergießen aufgestachelt und gesagt, Friede sei nur mit Lanze und Schwert zu haben.

(...) Sie sagt, daß sie den Herzog von Burgund brieflich und durch seine Abgesandten aufgefordert hat, Frieden zu schließen. Was aber die Engländer angeht, so müssen sie in ihre Heimat abziehen, nach England.

Auf den XIX. und XX., in denen von dem Zauber die Rede ist, den sie auf ihr Schwert, ihren Ring, ihre Fahne gesprochen hat, verweist sie auf das, was sie früher darüber gesagt hat. Außerdem sagt sie, daß in dem, was sie tat, weder Zauberei noch böse Künste waren. Und wenn ihre Fahne ihr Glück brachte, so führt sie es auf das Glück zurück, das Unser Herr ihr geschickt hat.

Auf den XXI. sagt sie, daß sie den Brief (an den König von England) nicht aus Hochmut und Vermessenheit schrieb, sondern auf Befehl Unseres Herrn; den Inhalt des Briefes gibt sie zu, drei Worte ausgenommen.

Auf den XXII. sagt sie, wenn die Engländer ihrem Brief Glauben geschenkt hätten, so hätten sie weise gehandelt; noch ehe sieben Jahre um sind, werden sie es schon merken ...

Auf den XXV. sagt sie, daß sie zuerst um Frieden nachgesucht hat. Aber für den Fall, daß er nicht zustande käme, war sie zum Kampf bereit.

Auf den XXVI., XXVII., XXVIII., XXIX. (der Brief des Grafen von Armagnac) verweist sie auf das, was sie früher geantwortet hat.

Am Mittwoch, dem XVIII. März vierzehnhundertdreißig, wurde sie aufgefordert, den Eid zu leisten, worauf sie antwortete, daß sie in dem, was ihren Prozeß berühre, gern die Wahrheit sagen wolle, und sie schwor.
Bezüglich des Artikels über Kleider und Waffen, die sie getragen hat, sagt sie, daß es mit Erlaubnis Gottes geschah. Auf die Frage nach dem Ablegen ihrer Kleider antwortet sie, sie werde nicht ohne die Erlaubnis Unseres Herrn von ihnen lassen, und sollte man ihr den Kopf abschlagen. Aber wenn es ihm gefällt, wird sie sie sogleich ablegen.

(...) Auf den XXXI. antwortet sie, daß sie wohl gesagt haben könnte, sie werde das Zeichen nicht verraten. Und daß sie in ihrem Geständnis, das sie früher ablegte, gesagt hat, daß sie ohne die Erlaubnis Unseres Herrn nichts verraten werde.

Auf den XXXII. (Johannas Offenbarungen kommen von lügnerischen Geistern, angesichts ihres Hochmuts und ihrer Härte) antwortet sie: was sie getan hat, hat sie durch Offenbarung der heiligen Katharina und der heiligen Margareta getan. Und dabei wird sie bleiben bis zum Tode. Ferner sagt sie, einige von ihrer Partei hätten ihr geraten, auf ihre Briefe JESUS MARIA ZU setzen, was sie in einigen getan hat, in anderen nicht. Sie sagt, daß dort, wo es heißt: »Alles, was sie getan hat, geschah auf den Rat Unseres Herrn«, es heißen muß: »Alles, was ich Gutes getan habe.« Gefragt, ob sie gut oder schlecht gehandelt hat, als sie vor La Charité zog, antwortet sie, daß, wenn sie schlecht gehandelt hat, sie es beichten wird. Gefragt, ob sie gut daran tat, vor Paris zu ziehen, antwortet sie, daß die Edelleute Frankreichs vor Paris ziehen wollten. Ihr scheint, daß sie gut daran taten, gegen ihre Feinde zu ziehen.

Auf den XXXIII., wegen der Offenbarung des Schwerts, sagt sie, daß es bei Unserm Herrn liegt zu offenbaren, wem er will. Und was sie über das Schwert sagte, geschah auf Offenbarung.

Auf den XXXIV. (wie sie sagte, konnte sie die Stimme der Engel unterscheiden), was den Schluß des Artikels betrifft, der von Vermessenheit und Hochmut spricht, beruft sie sich auf Gott, ihren Richter.

Auf den XXXV., bezüglich ihrer Behauptungen über den König und den Herzog von Orléans, sagt sie, daß sie wohl weiß, daß Gott ihren König und den Herzog von Orléans mehr liebt als irgend jemand anderen, und daß sie es durch Offenbarung weiß.

Auf den XXXVI. (sie hat damit geprahlt, daß sie, und andere Leute auf ihre Fürbitte, wirklich von einer Stimme Kenntnis hatte, die sie ihre Stimme nennt, obgleich eine solche Stimme ihrer Natur nach den Menschen unsichtbar ist) hat sie schon geantwortet,

Auf den XXXVII. (sie hat zugegeben, daß sie dem Befehl ihrer Offenbarungen häufig nicht gehorchte) sagt sie, daß sie zu ihrem Abzug von Saint Denis Erlaubnis hatte. Gefragt, ob sie schwer zu sündigen glaubt, wenn sie gegen den Befehl ihrer Stimmen handelt, antwortet sie: »Darauf habe ich früher geantwortet. Und ich verweise auf diese Antwort.« Und wegen des Endes des Artikels (sie hat gesagt, sie sei deshalb vom Turm gesprungen, weil sie der großen Versuchung nicht widerstehen konnte) verläßt sie sich auf Unsern Herrn.

XXXVIII. bis XLVII: Johanna sagt, daß alles was sie getan hat, auf Befehl Gottes geschah. Sie glaubt, nie eine Todsünde begangen zu haben, obwohl sie Krieg führte. Sie hat den Leib Christi in Männerkleidern empfangen. Als sie vom Turm sprang, wurde sie vom Teufel getrieben. Sie sagt, daß der heilige Michael und die beiden Heiligen Körper haben, die sie umarmte. Die Heiligen und die Engel sprechen angeblich französisch und halten nicht zu den Engländern. Sie brüstet sich, ins Paradies zu kommen, wenn sie ihre Jungfräulichkeit bewahre. Sie hat gewagt, sich über Gott und die Heiligen zu beklagen, als sie sagte: Wie kann Gott die von Compiègne so elendiglich umkommen lassen, die so treu ergeben sind? Als sie sich bei dem Sturz vom Turm in Beaurevoir verletzte, lästerte sie Gott und die Heiligen, und auch seit sie im Schloß von Rouen ist, lästerte sie mehrmals, weil sie es nur mit Ungeduld erträgt, vor ein Gericht von Geistlichen geführt zu werden.

Auf diese Artikel und mehrere Fragen, die man ihr stellte, hat sie geantwortet, daß sie auf das verweist, was sie früher geantwortet hat. Und auf Unsern Herrn.

Auf den XLVII., zu den Zeichen befragt, antwortet sie: »Ich habe schon darauf geantwortet und verweise auf das, was niedergeschrieben ist.« Und was die Zeichen angeht, so kann sie nichts dafür, wenn jene, die danach verlangen, ihrer nicht würdig sind. Mehrmals hat sie gebeten, Gott möge es einigen von dieser Partei offenbaren. Und sie sagt ferner, daß sie weder Bischöfe noch Pfarrer, noch andere um Rat fragt, ob sie ihren Offenbarungen glauben soll. Ferner sagt sie, sie glaube, daß es der heilige Michael war, wegen der guten Lehre, die er ihr zeigte. Gefragt, ob der heilige Michael ihr sagte: »Ich bin der heilige Michael«, antwortet sie: »Darauf habe ich früher geantwortet.« Und auf den Schluß des Artikels antwortet sie: »Ich habe früher geantwortet und verlasse mich auf Unsern Herrn.« Ferner sagt sie: ebenso fest, wie sie glaubt, daß Unser Herr Tod und Leiden erduldet hat, um uns von den Qualen der Hölle loszukaufen, so fest glaubt sie, daß es der heilige Michael, der heilige Gabriel, die heilige Katharina und die heilige Margareta sind, die Unser Herr ihr schickt, um sie zu trösten und zu beraten.

Auf XLIX. und L. (einzig ihrer Vision vertrauend, hat sie die Geister verehrt, die ihr erschienen, statt sie als böse zu erkennen; sie hat also Abgötterei getrieben und einen Bund mit den Dämonen geschlossen; sie beschwört diese Geister täglich und fragt sie um Rat, wie sie ihren Richtern antworten soll) und auf zwei weitere Fragen, antwortet sie auf die erste: »Darauf habe ich schon geantwortet.« Und wegen des Schlußsatzes verläßt sie sich auf Unsern Herrn. Auf die zweite antwortet sie ebenfalls, daß sie schon geantwortet hat. Und sie wird sie zu Hilfe rufen, solange sie lebt.
Gefragt, auf welche Weise sie sie anruft, antwortet sie: »Ich bitte Unsern Herrn und Unsere Liebe Frau, sie mögen mir Rat und Trost schicken. Und dann schickt er ihn mir.« Gefragt, mit welchen Worten sie bittet, antwortet sie: »Lieber Gott, zu Ehren deines heiligen Leidens bitte ich dich, wenn du mich liebst, mir zu offenbaren, was ich den Geistlichen antworten soll. Ich weiß zwar, auf welchen Befehl ich die Kleider angelegt habe; aber ich weiß nicht, wann ich davon lassen soll. Darum bitte ich dich, mich darüber zu belehren.« Dann kommen sie sogleich. Ferner sagt sie, daß sie durch ihre Stimmen oft Nachricht von Mgr. de Beauvais bekommt. Gefragt, was sie über ihn sagen, antwortet sie: »Das werde ich nur Euch allein sagen.« Ferner sagt sie, daß sie heute dreimal gekommen sind. Gefragt, ob sie in ihrer Kammer waren, antwortet sie: »Ich habe Euch schon geantwortet. Aber ich verstehe sie gut.« Ferner, daß die heilige Katharina und die heilige Margareta ihr gesagt haben, was sie wegen ihrer Kleider antworten soll.

Auf den LI. antwortet sie, daß sie über den Engel, der das Zeichen brachte, schon geantwortet hat. Und was die tausend Millionen Engel betrifft, von denen der Promotor spricht, antwortet sie, daß sie sich nicht erinnert, eine Zahl genannt zu haben. Aber sie sagt, daß sie nicht verletzt wurde, ohne von Unserm Herrn, der heiligen Katharina und der heiligen Margareta großen Trost und große Hilfe zu erhalten. Und in der Frage, wo die Krone gemacht und geschmiedet wurde, beruft sie sich auf Unsern Herrn.

LII.: »So sehr hat diese Johanna mit ihren Erfindungen das katholische Volk verf-ührt, daß in ihrer Gegenwart viele sie wie eine Heilige verehrten, und sie auchjetzt noch in ihre Abwesenheit verehren, indem sie zu ihrer Ehrung Messen und Kollekten in den Kirchen anordnen; sie behaupten sogar, nach der seligen Jungfrau sei sie größer als alle Heiligen Gottes; in den Basiliken der Heiligen richten sie Bilder und Darstellungen von ihr auf und tragen Abbildungen von ihr in Blei oder anderm Metall auf sich, wie man es mit Andenken und Darstellungen kirchlich kanonisierter Heiliger zu tun pflegt, und in aller Öffentlichkeit verkünden sie, sie sei von Gott gesandt und mehr Engel als Frau.«
(...) Sie antwortet auf den Eingang des Artikels: »Darauf habe ich früher geantwortet«. Und was den Schluß angeht, beruft sie sich auf Unsern Herrn.

Auf den LIII., nach der Tatsache gefragt, daß sie Kriegsherr war, antwortet sie, daß sie früher darauf geantwortet hat, und wenn sie Kriegsherr war, so geschah es, um die Engländer zu schlagen.

Auf den LIV., gefragt, wer sie lenkte, antwortet sie, daß es Männer waren. Aber in der Herberge hatte sie meist eine Frau bei sich. Und wenn sie im Krieg war, so schlief sie in den Kleidern und in der Rüstung, wenn sie keine Frau finden konnte.

LV: (»Besagte Jeanne hat die Offenbarungen und Prophezeiungen, die sie von Gott zu haben vorgibt, dazu mißbraucht, zeitlichen Gewinn und Nutzen aus ihnen zu ziehen«) und wegen der Geschenke an ihre Brüder, antwortet sie: was der König ihnen gab, geschah aus seiner Gunst, ohne ihr Ersuchen. Wegen der Beschuldigung, die der Promotor ihr aufbürdet, beruft sie sich auf Unsern Herrn.

Auf den LVI. (»Besagte Jeanne hat mehrmals damit geprahlt, sie habe zwei Ratgeber, die sie Ratgeber von der Quelle nennt. Und daß diese nach ihrer Gefangennahme zu ihr karnen, wie aus dem Geständnis der Catherine de La Rochelle vor dem Amtmann von Paris hervorgeht; diese Catherine sagte, daß Jeanne mit Hilfe des Teufels aus dem Gefängnis ausbrechen würde, wenn man sie nicht gut verwahre«), sagt sie, daß sie sich an das hält, was sie schon darauf geantwortet hat. Was die Ratgeber von der Quelle angeht, so weiß sie nicht, was das ist. Aber sie weiß wohl und glaubt, daß sie dort einmal die heilige Katharina und die heilige Margareta hörte. Den Schluß des Artikels leugnet sie. Und sie versichert bei ihrem Eid, daß sie nicht möchte, daß der Teufel sie aus dem Gefängnis hole.

Auf den LVII. (sie hat am Geburtsfest Unserer Lieben Frau Paris angegriffen und den Soldaten versprochen, daß sie noch am Abend dort einziehen würden. Sie hat häufigfalsche Voraussagen gemacht. Nach der Niederlage hat sie gesagt, Jesus habe ihr sein Versprechen nicht gehalten), was den Eingang des Artikels betrifft, hat sie früher geantwortet. Und wenn sie genauere Weisung hat, wird sie gern antworten. Und den Schluß des Artikels, wo es heißt, Gott hätte ihr sein Versprechen nicht gehalten, leugnet sie.
Auf den LVII. (über die Wappen, die sie aus Eitelkeit genommen hat) hat sie schon geantwortet. Wegen des vom Promotor erhobenen Vorwurfs beruft sie sich auf Unsern Herrn.

Auf den LIX., wegen der Waffen (die sie in Saint-Denis »an erhöhter Stelle ... anbringen ließ, damit sie vom Volk wie Reliquien verehrt werden«), hat sie schon geantwortet. Und das mit den brennenden Kerzen (deren Wachs sie auf den Kopf der kleinen Kinder tropfen ließ und dabei allerlei Weissagungen sprach) leugnet sie.

Auf den LX., warum sie Aufschub verlangt hat, antwortet sie, daß sie ihn deshalb verlangt hat, um sicherer auf die Fragen antworten zu können. Auch um zu erfahren, ob sie sagen solle, wonach man sie fragen werde. Und was den Rat des Königs angeht, so wolle sie ihn nicht verraten, weil es den Prozeß nicht berührt. Und das Zeichen, das dem König überreicht wurde, hat sie deswegen gesagt, weil die Geistlichen sie dazu verurteilten.

Auf den LXI., gefragt, ob sie sich der streitbaren Kirche unterwerfen möchte, antwortet sie, daß sie ihr nach bestem Können Ehrerbietung erweisen möchte. Doch wegen ihrer Taten beruft sie sich auf Gott, der sie so handeln ließ. Gefragt, ob sie sich bezüglich ihrer Taten der streitbaren Kirche unterwerfen will, antwortet sie: »Schickt mir nächsten Samstag den Geistlichen, und ich werde Euch antworten.«

Auf den LXII. (so wie die falschen Propheten hat sich Johanna über jede kirchliche Macht erhoben und damit versucht, die Einheit der Kirche Zu untergraben; überall werden Männer und Frauen aufstehen, die vorgeben, Offenbarungen von Gott und den Engeln zu haben, wie es schon viele Male vorgekommen ist, seit jene Frau angefangen hat, dem christlichen Volk Ärgernis zu geben), auf den

LXIII. (sie hat vor Gericht gelogen, indem sie sich in bezug auf ihre Offenbarungen widersprach; sie hat Verwünschungen gegen bedeutende Persönlichkeiten und eine ganze Nation ausgestoßen; sie scheint wirklich von bösen Geistern gelenkt Zu sein, und Christus sagte von denfalschen Propheten: »An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen) und wegen des Schlusses dieses Artikels beruft sie sich auf Unsern Herrn.

(...) Auf den LXVI., nach dem Glauben gefragt, sagt sie, daß sie eine gute Christin ist und die Vergehen, die der Promotor ihr zur Last legt, nicht begangen hat.

(...) Auf den LXIX., gefragt, ob sie sich, wenn sie etwas gegen den christlichen Glauben getan hat, der Kirche und denen unterwerfen will, denen die Zurechtweisung obliegt, antwortet sie, daß sie Samstag nach dem Essen darauf antworten wird.

Am Samstag, dem letzten Tag im März des Jahres vierzehnhundertdreißig, gefragt, (Im Gefängnis sind an diesem Tag nur noch zugegen: die beiden Richter, die sechs Doktoren aus Paris, ein englischer Geistlicher, William Haiton, sowie ein Wärter) ob sie sich dem Urteil der Kirche auf Erden unterwerfen will in allem, was sie getan hat, sei es gut oder schlecht, namentlich in den Verbrechen und Vergehen, die man ihr zur Last legt, und in allem, was den Prozeß betrifft, antwortet sie, daß sie sich in allem, was man von ihr verlangt, der streitbaren Kirche unterwerfen will, vorausgesetzt, man verlange von ihr nichts Unmögliches zu tun. Gefragt, was sie Unmögliches nennt, antwortet sie, daß sie das, was sie in ihrem Prozeß über die Visionen und Offenbarungen gesagt hat, um keinen Preis widerrufen wird. Von dem, was Unser Herr sie tun hieß, ihr befahl und befehlen wird, wird sie um keines lebenden Menschen willen ablassen. Es wäre ihr unmöglich, es zu widerrufen. (Dem Urfé-Manuskript zufolge fügt sie hinzu: »Und wollte die Kirche sie etwas anderes heißen was gegen den Befehl ist, den Gott ihr angeblich gegeben hat, so würde sie es um keinen Preis tun.«) Gefragt, ob sie, wenn die streitbare Kirche ihr sagte, daß ihre Offenbarungen Trugbilder und Teufelswerk sind, sich ihr dann unterwerfen wird, antwortet ig daß sie sich Gott unterwirft und sein Gebot immer befolgen wird. Und sie weiß wohl, daß alles, was in ihrem Prozeß enthalten ist, auf Befehl Gottes kam, und das Gegenteil zu tun, wäre ihr unmöglich. Falls die streitbare Kirche ihr befehlen sollte, das Gegenteil zu tun, so würde sie sich auf keinen Menschen in der Welt berufen, sondern allein auf Unsern Herrn, dessen Befehl sie immer ausgeftihrt hat. Gefragt, ob sie nicht glaubt, daß sie der Kirche auf Erden untertan ist, das heißt unserm heiligen Vater, dem Papst, den Kardinälen, Erzbischöfen und anderen Prälaten der Kirche, antwortet sie: ja, aber zuerst Unserm Herrn. Gefragt, ob sie Befehl von ihren Stimmen hat, sich der streitbaren Kirche auf Erden und ihrem Urteil nicht zu unterwerfen, antwortet sie, daß sie ihre Antworten nicht aus ihrem eigenen Kopf hat, sondern was sie antwortet, geschieht auf Befehl ihrer Stimmen. Und sie befehlen ihr nicht, daß sie der Kirche nicht gehorchen soll, aber zuerst muß sie Gott gehorchen. Gefragt, ob sie in Beaurevoir und in - Arras oder sonstwo Feilen hatte, antwortet sie: »Wenn man welche bei mir gefunden hat, so muß ich Euch nichts weiter antworten.«

Die XII Artikel

Es ist jetzt der Abend des Karsamstags. Der Prozeß wird bis Ostermontag unterbrochen. An diesem Tag, dem 2. April, vergleichen die Richter die Minute der Verhandlungen mit der Anklageschrift. Diese, auf die Ermittlung sowie auf die Verhöre gegründet, ist sehr gut aufgebaut, da sie mit der unwiderruflichen Hauptanklage endet, dem Ungehorsam. Dennoch kürzt das Gericht, dem vielleicht die Übertreibungen dieses Texts peinlich sind, das Anklagebegehren auf XII Artikel. Beisitzer des Prozesses, in Rouen anwesende Sachkundige, prüfen sie. Johannas Offenbarungen werden als Trugbilder und Lügen, ihre Behauptungen als anmaßend und blasphemisch bezeichnet; sie wird in Sachen des Glaubens für verdächtig erklärt. jedoch nicht einstimmig. Drei Bakkalaureaten der Theologie gestehen ihre Unsicherheit:

sollten die angeblichen Offenbarungen von Gott oder einem guten Geist kommen, was uns freilich nicht offenkundig erscheint, so wäre es uns nicht erlaubt, sie übel zu deuten. Ein anderer, Magister Raoul Le Sauvage, ist noch zurückhaltender. Auf den ersten Blick sowie in der Form, wie sie wiedergegeben sind, hält er die Behauptungen Zwarfür ärgerniserregend, da sie Irrtürner hervorbringen und ein schlechtes Beispiel geben. Doch in Anbetracht der Schwachheit des weiblichen Geschlechts möchte er, daß man Johanna alles in französischer Sprache wiederhole und zu Ehren der königlichen Majestät - und der Euren, sagte er zu den Richtern - und um der Gewissensruhe einiger willen, Johannas Behauptungen dem Papst vorlege. Das Domkapitel zu Rouen äußert sich erst am 3. Mai. Elf Advokaten des Gerichts von Rouen wollen das Gutachten der Universität abwarten.
Auch um unserer Mutter, der Universität Paris, Ehre und Achtung zu erweisen, um zu noch klarerer Aufhellung der Angelegenheit zu gelangen, zur größeren Beruhigung der Gewissen und zu aller Erbauung wird beschlossen, die XII Artikel den Pariser Fakultäten der Theologie und Dekrete zu unterbreiten.
Bis die Antwort eintrifft, geht der Prozeß weiter. Am 18. April, in der Kammer, in der besagte Jeanne gefangengehalten wurde, bietet der Bischof ihr abermals als Ratgeber an:

(...) die anwesenden Doktoren der Theologie und Rechtskundigen. (Das lateinische Protokoll fügt hinzu: »Und wenn Johanna andere kennen sollte, die dafür geeignet sind, so geben wir sie ihr gern zur Seite, damit sie ihr Rat und Belehrung geben in dem, was sie tun und glauben soll.) Und es wurde ihr erklärt, daß, wenn sie keinen Rat wolle und dem Rat der Kirche nicht folgen wolle, sie in großer Gefahr für ihr Leben schwebe. Darauf antwortet sie: »Es scheint mir, daß ich angesichts meiner Krankheit in großer Todesgefahr bin. Und wenn dem so ist, daß Gott nach seinem Gefallen mit mir so verfahren will, so ersuche ich Euch, beichten und meinen Erlöser empfangen zu dürfen, und mir ein Begräbnis in heiliger Erde zu gewähren.« Darauf wurde ihr gesagt: »Wenn Ihr die Sakramente der Kirche empfangen wollt, so müßt Ihr Euch wie eine gute Katholikin der heiligen Kirche unterwerfen. Sie antwortet: »Im Augenblick weiß ich Euch nichts weiter darauf zu sagen.« Ferner wurde ihr gesagt, je mehr sie wegen ihrer Krankheit um ihr Leben bange, um so mehr müsse sie ihr Leben bessern, und die Rechte der Kirche würden ihr nur dann gewährt, wenn sie sich wie eine Katholikin der Kirche unterwerfe. Sie antwortet: »Wenn der Leib im Gefängnis stirbt, verlasse ich mich auf Euch, daß ihr ihn in geweihte Erde legen laßt. Wenn Ihr es nicht tut, verlasse ich mich auf Unsern Herrn.«
Ferner wurde ihr gesagt, sie habe früher in ihrem Prozeß ausgesagt, daß, wenn sie etwas gesagt oder getan hätte, was gegen unseren von Gott gebotenen Glauben verstoße, sie es nicht aufrechterhalten wolle. Sie antwortet: »Ich verweise auf die Antwort, die ich gegeben habe, und berufe mich auf Unsern Herrn.«
Gefragt weil sie sagt, sie habe mehrere Offenbarungen von Gott, dem heiligen Michael, der heiligen Katharina und der heiligen Margareta gehabt, ob, wenn eine gute Person käme, die behaupte, Offenbarungen von Gott zu haben, die sie angingen, sie ihr dann glauben würde, antwortet sie, es gebe keinen Christen auf der Welt, der zu ihr käme und eine Offenbarung zu haben behauptet, ohne daß sie wüßte, ob er wahr spräche. Das würde sie von der heiligen Katharina und der heiligen Margareta erfahren.

Gefragt, ob sie sich nicht vorstellen kann, daß Gott einer guten Person etwas offenbare, was ihr selbst unbekannt sei, antwortet sie: »Selbstverständlich. Aber ich würde keinem Mann und keiner Frau glauben, wenn ich nicht ein Zeichen hätte.«
Gefragt, ob sie glaubt, daß die Heilige Schrift von Gott offenbart sei, antwortet sie: »Das wißt Ihr recht gut. Selbstverständlich.« Ferner wurde sie aufgefordert, ermahnt und ersucht, den guten Rat der Geistlichen und ehrenwerten Doktoren anzunehmen und demselben um ihres Seelenheils willen Glauben zu schenken. Und die letzte Antwort, die sie auf die Frage gab, ob sie sich in ihren Taten unserer Mutter, der heiligen Kirche, unterwerfen wolle, lautete: »Was immer mir deswegen geschehen mag, ich werde nichts anderes sagen, als was ich früher im Prozeß gesagt habe.« Anschließend wurde ihr von Magister Guillaume Le Boucher, Maurice de Chesne, jacques de Touraine, Guillaume Adelys und Gérard Feuillet erklärt, daß sie sich unserer heiligen Mutter Kirche unterwerfen müsse. Sie ermahnten sie im Namen mehrerer Autoritäten und Stellen aus der Heiligen Schrift, daß sie ihr gehorchen müsse. Unter anderen Ermahnungen hielt Magister Nicolas Midi ihr vor, was bei Matthäus 18 steht: »Sündigt aber dein Bruder, so gehe hin und halte es ihm vor zwischen dir und ihm allein. Hört er dich nicht, so sage es der Gemeinde. Hört er die Gemeinde nicht, so sei er wie ein Heide oder ein Zöllner.« Zum Schluß sagte er ihr, wenn sie der Kirche nicht gehorchen wolle, werde sie fallengelassen wie eine Sarazenin. Worauf besagte Jeanne antwortete, daß sie eine gute Christin und richtig getauft sei. Und daß sie als gute Christin sterben werde.
Gefragt, ob, da sie verlangt, daß die Kirche ihr ihren Schöpfer reiche, sie sich der streitbaren Kirche unterwerfen wolle, wenn man ihr verspräche, ihn ihr zu reichen, antwortet sie, daß sie darauf keine andere Antwort geben wird, und daß sie Gott liebt und der heiligen Kirche helfen und sie nach bestem Können stützen möchte.
Gefragt, ob sie nicht möchte, daß man eine schöne und große Bittprozession anordne, um sie in den rechten Seelenzustand zurückzuführen, wenn sie nicht darin ist, antwortet sie, sie möchte gern, daß die guten Katholiken für sie beten.

Die Ermahnung

Am 2. Mai kommt Cauchon zum Schluß. Die meisten Sachverständigen haben Johanna für schuldig erklärt; dennoch ist damit die Entscheidung noch nicht gefällt.- viele hielten es für notwendig, Johanna noch einmal zu belehren, um sie, wenn möglich, auf den Weg der Wahrheit zurückzuführen. Alle Ermahnungen in geheimer Sitzung waren bis zu diesem Tag erfolglos, die List des Teufels überwog. Deshalb wird sie in der Öffentlichkeit, in Gegenwart der versammelten dreiundsechzig Beisitzer, liebevoll und feierlich ermahnt von Jean de Châtillon, Magister der Theologie, Domherr von Evreux. Eine Rede in sechs Punkten über die schweren Gefahren, denen die Sünderin sich aussetzt: wegen ihres Hochmuts, weil sie behauptet, sich auf Glaubensdinge besser zu verstehen als die Gelehrten; wegen ihres Ungehorsams gegenüber der Kirche, die, vom Heiligen Geist geleitet, unfehlbar ist; wegen der Unzüchtigkeit ihrer Männerkleider; wegen ihrer Vermessenheit, ihre Fehler den Befehlen Gottes zuzuschreiben; wegen ihrer hartnäckigen Lügen, die neue Sekten erwecken und zur Unterwühlung der Kirche und des katholischen Volksführen können, schließlich wegen ihrer Frechheit, die Zukunft vorauszusagen, und ihrer Anmaßung, ungewöhnliche Erscheinungen Zu verehren, ohne den Rat ihres Pfarrers einzuholen in einem Fall, wo die Gefahr der Abgötterei droht.

(...) Und er fragte sie, ob sie sich nach diesem Rat bessern wolle. Worauf sie antwortete: »Verlest Euer Buch«, das heißt das Schriftstück, das der Bischofin der Hand hielt, »und ich werde Euch antworten. Ich verlasse mich in allem auf Gott, meinen Schöpfer. Ich liebe ihn von ganzem Herzen.« Und gefragt, ob sie auf diese allgemeine Ermahnung nicht antworten will, antwortet sie: »Ich verlasse mich auf meinen Richter. Das ist der König des Himmels und der Erde.«
Ferner wurde ihr gesagt: »Ihr habt früher gesagt, Eure Taten sollten gesehen und geprüft werden, wie es in diesem Schriftstück enthalten ist. Sie antwortet, daß sie jetzt dieselbe Antwort gibt.
Ferner wurde ihr erklärt, was die streitbare Kirche ist, etc. Und sie wurde ermahnt, den Artikel Unam Sanctam Ecclesiam etc. einzuhalten und sich der streitbaren Kirche zu unterwerfen. Sie antwortet: »Ich glaube wohl an die Kirche hier auf Erden, aber für meine Taten und meine Worte verlasse und berufe ich mich auf Gott, wie ich früher gesagt habe.« Ferner sagt sie: »Ich glaube wohl, daß die streitbare Kirche nicht irren oder fehlen kann. Aber meine Worte und Taten übergebe und überlasse ich allein Gott, der mich tun hieß, was ich getan habe.«
Ferner gefragt, ob sie damit sagen will, daß es keinen Richter auf Erden gibt, und ob unser heiliger Vater, der Papst, nicht ihr Richter ist, antwortet sie: »Ich werde Euch nichts weiter darüber sagen. Ich habe einen guten Meister, Unsern Herrn, auf den ich mich in allem verlasse, und keinen anderen.«
Ferner wurde ihr gesagt, daß, wenn sie nicht an die Kirche und den Artikel Ecclesiam Sanctam Catholicam glauben wolle, sie eine Ketzerin sei und durch den Spruch anderer Richter mit dem Feuertod bestraft werde. Sie antwortet: »Ich werde Euch nichts anderes sagen. Und wenn ich das Feuer sähe, so würde ich Euch doch das gleiche sagen und nichts anderes tun.«
Gefragt, ob, wenn das Allgemeine Konzil, nämlich unser heiliger Vater, die Kardinäle, hier wären, sie sich ihnen unterwerfen würde, antwortet sie: »Ihr werdet nichts anderes aus mir herausbringen.«
Gefragt, ob sie sich unserm heiligen Vater, dem Papst, unterwerfen will, antwortet sie: »Führt mich zu ihm, und ich werde ihm antworten.« Ferner, wegen der Kleider etc., antwortet sie: sie wolle gern ein langes Kleid und eine Frauenhaube anlegen, um in die Kirche zu gehen und ihren Erlöser zu empfangen, wie sie früher gesagt hat; vorausgesetzt, daß sie es gleich danach wieder ablegt und jenes anzieht, das sie trägt. Auf die weitere Bemerkung, daß sie ohne Notwendigkeit Männerkleider trägt, besonders jetzt, da sie im Gefängnis ist, etc., antwortet sie: »Sobald ich getan haben werde, wofür ich von Gott geschickt bin, werde ich Frauenkleider anlegen.
(...) Gefragt, ob sie in dem, wovon sie sagt, es sei gut getan, und sie sündige nicht, wenn sie dieses Kleid trägt, und in dem, wovon sie sagt, daß Gott und die Heiligen sie es tun hießen, nicht Gott lästert, antwortet sie, daß sie weder Gott noch seine Heiligen gelästert hat.
Ferner ermahnt, sich der Männerkleider zu entledigen und nicht weiter zu glauben, daß sie gut daran tut, sie zu tragen, und Frauenkleider anzulegen, antwortet sie, daß sie nichts anderes tun wird.
Gefragt, ob sie sich jedesmals bekreuzigt, wenn die heilige Katharina und die heilige Margareta kommen, antwortet sie, daß sie es manchmal tut und manchmal nicht.
Ferner nach den Offenbarungen gefragt, antwortet sie, daß sie sich darin auf ihren Richter beruft, das heißt auf Gott. Und sie sagt, daß ihre Offenbarungen unmittelbar von Gott kommen.
Gefragt, ob sie sich wegen des Zeichens, das ihrem König überbracht wurde, auf den Erzbischof von Reims, den Ältesten von Boussac, (Marschall von Frankreich, der Johanna in all ihren Schlachten begleitet hat) die Ritter von Bourbon, la Trimouille und La Hire (Etienne de Vignolles, genannt La Hire, »tapferer Feldherr aus der Gascogne« (Journal du siége d'Orléans), »der schon während Johannas Kindheit in Lothringen und der Champagne für den Dauphin kämpfte«). berufen will, denen sie, wenigstens einigen von ihnen, die Krone gezeigt zu haben behauptete und die dabei gewesen sein sollen, als der Engel jene Krone brachte und dem Erzbischof übergab, oder ob sie sich auf andere von ihrer Partei berufen will, die dann unter ihrem Siegel schreiben, wie es sich damit verhält, antwortet sie: »Überlaßt mir einen Boten, und ich werde ihnen über diesen ganzen Prozeß schreiben.« Andernfalls wollte sie daran nicht glauben, noch sich auf sie berufen. (...)
Gefragt, ob sie, wenn man zwei, drei oder vier Ritter von ihrer Partei unter sicherem Geleit hierher brächte, ihnen ihre Erscheinungen und die in diesem Prozeß enthaltenen Dinge anvertrauen will, antwortet sie, man solle sie kommen lassen, dann werde sie antworten. Sonst nicht.
Gefragt, ob sie sich auf die Kirche von Poitiers, wo man sie geprüft hatte, berufen und ihr unterwerfen will, antwortet sie: »Glaubt Ihr, mich auf diese Art zu fangen und zu Euch zu ziehen?«
Zum Schluß wurde sie erneut und eingehend allgemein ermahnt, sich der Kirche zu unterwerfen, unter Strafe, von der Kirche fallengelassen zu werden. Und wenn die Kirche sie fallenließe, wäre sie in großer Gefahr für Leib und Seele und könnte sich der Gefahr aussetzen, durch Urteilsspruch anderer Richter die Strafe des ewigen Feuers flir die Seele und des zeitlichen Feuers für den Leib zu verwirken. Sie antwortet: »Ihr werdet mir nicht antun, was Ihr sagt, ohne daß es Euch übel bekäme an Leib und Seele.« Auf die Frage nach dem Grund, warum sie sich nicht der Kirche unterwirft, will sie weiter keine Antwort geben. Daraufhin ermahnten mehrere Doktoren verschiedener Wissenschaften und Fakultäten sie liebevoll, sich der universellen streitbaren Kirche und dem Allgemeinen Konzil (Dem Konzil von Basel, das zusammenzutreten begann.) zu unterwerfen, indem sie ihr die Gefahren darlegten, denen sie sich für Seele und Leib aussetze, wenn sie sich der streitbaren Kirche nicht unterwerfe. Worauf sie antwortete wie zuvor. Schließlich sagte der Bischof zu ihr, sie möge auf die vorausgegangenen Mahnungen wohl achten, sich darauf besinnen und umdenken. Worauf besagte Jeanne antwortete: »Innerhalb welcher Zeit soll ich mich besinnen?« Worauf der Bischof ihr sagte, sie müsse sich jetzt gleich besinnen und antworten, was sie wolle.

Am Mittwoch, dem IX. März, wurde besagte Jeanne in den dicken Turm des Schlosses von Rouen geführt, in Anwesenheit ihrer Richter und der Magister Jean de Châtillon, Guillaume Erard, des Abts von Saint-Corneille, Guillaume Haiton, Andr6 Marguerie, Nicolas de Venderés, Aubert Morel, Nicolas Loiseleur und des Herrn Jean Massieu, Dekan der Christenheit von Rouen (...) Und es wurden ihr viele Dinge über die obengenannten Punkte vorgelesen und dargelegt, und es wurde ihr gesagt, wenn sie darauf nicht die Wahrheit sage, würde man sie der Folter übergeben, die im Turm bereitstand und ihr sodann gezeigt wurde (...) Nach diesen Warnungen und Ermahnungen antwortete Jeanne den Richtern und Beisitzern: »Wahrhaftig, selbst wenn Ihr mir die Glieder brechen und die Seele vom Körper trennen solltet, würde ich Euch nichts anderes sagen. Und sollte ich etwas sagen, so würde ich danach immer sagen, daß Ihr mich mit Gewalt zum Reden gebracht habt.« Weiter sagt sie, daß sie am Heiligkreuztag Trost vom heiligen Gabriel erhalten hat, und ihre Stimmen hätten ihr gesagt, daß es der heilige Gabriel ist. Weiter sagt sie: sie hat Rat erbeten, ob sie sich der Kirche unterwerfen soll, weil die Geistlichen heftig in sie drangen; die Stimmen haben ihr gesagt, wenn sie wolle, daß Unser Herr ihr helfe, solle sie sich auf Unsern Herrn verlassen. Ferner weiß sie wohl, daß Unser Herr immer der Herr ihrer Handlungen war und daß der Böse ...

Johanna spricht zum zweiten und letzten Mal vom Teufel vor ihren Richtern, die nur ihn im Kopf haben. ...

...niemals Macht über ihre Handlungen gehabt hat. Ferner sagt sie, daß sie den heiligen Michael und ihre anderen Stimmen gefragt hat, ob sie verbrannt würde. Die Stimmen haben ihr geantwortet, sie solle sich auf Unsern Herrn verlassen, und er werde ihr helfen.
Ferner gefragt, ob sie wegen des Zeichens der Krone, die angeblich dem Erzbischof von Reims überreicht wurde, sich auf diesen berufen will, antwortet sie: »Laßt ihn kommen, daß ich ihn sprechen höre, und ich werde Euch antworten. Er wird nicht wagen, mir das Gegenteil dessen zu sagen, was ich Euch gesagt habe.«
(Daraufhin [14] angesichts der Verstocktheit ihrer Seele und der Art ihrer Antworten, haben wir, die obengenannten Richter, befürchtend, daß die Qualen der Folter ihr nur von schwachem Nutzen seien, beschlossen, ihre Anwendung auszusetzen, bis wir uns eingehender darüber beraten haben.)
Am 12. Mai, im Haus meines Herrn Bischofs von Beauvais, werden zwölf Beisitzer gefragt: ... was weiter zu geschehen habe und ob es ratsam sei, besagte Jeanne der Folter zu unterziehen. Sie antworteten wie folgt:
Als erstes sagte Magister Roussel: nein, damit man den geführten Prozeß nicht verleumden könne ...

Die anderen folgten dieser Meinung, außer dreien: Aubert Morel, Nicolas Loiseleur, der meint, es wäre eine Arznei für ihre Seele, und Thomas de Courcelles, der sich in seinem Protokoll hütet, die Einzelheiten der Abstimmung wiederzugeben. Bruder Jean Le Maistre ist der Ansicht, man solle sie erneut fragen, ob sie sich der streitbaren Kirche unterwerfen wolle.

Die Gutachten der Universität

Am 14. Mai hat die gesamte Universität von Paris, feierlich in Saint-Bernard versammelt, die Gutachten der Fakultäten der Theologie und des kanonischen Rechts gebilligt. Die Theologen befanden auf Abgötterei, Schisma und Abtrünnigkeit; ebenso die Juristen. Sie erklärten die Angeklagte der Häresie für äußerst verdächtig. Magister Jean Beaupère, Jacques de Touraine und Nicolas Midi brachten drei Dokumente aus Paris mit: den Text der Gutachten; einen Brief der Universität an den König von Frankreich und England, der die Umsicht des Gerichts, seinen Eifer, seine Weisheit pries und inständig bittet, der Prozeß möge rasch zu einem guten Ende geführt werden; einen weiteren an Cauchon, in dem seine Prozeßführung gelobt wird. Die Autorität der Pariser Universität sollte von nun an großen Einfluß auf das Verhalten der Richter von Rouen haben.
Am 19. Mai beschließen die in der erzbischöjlichen Hauskapelle versammelten Doktoren, sich an das Gutachten der Pariser Universität zu halten, das ihnen vorgelesen worden war. Daß Johanna jedoch erneut ermahnt werden sollte, und wenn sie nicht auf den Weg der Wahrheit zurückkehren will, stellten sie alles weitere den Richtern anheim.
Am folgenden Mittwoch, dem 23. Mai, verliest Pierre Maurice, Doktor der Theologie, Johanna das Gutachten der Universität zu den einzelnen XII Artikeln:

(...) Johanna, du hast gesagt, du habest vom dreizehnten Lebensjahr an Offenbarungen und Erscheinungen von Engeln sowie von der heiligen Katharina und der heiligen Margareta gehabt und sie oft mit deinen leiblichen Augen gesehen; und sie hätten mit dir gesprochen. Bezüglich dieses Punktes haben die Kleriker der Pariser Universität die Art und Weise jener Offenbarungen und Erscheinungen, den Zweck und die Art der offenbarten Dinge sowie die Beschaffenheit deiner Person in Erwägung gezogen. Nachdem sie alles Notwendige erwogen hatten, erklärten sie: alle obengenannten Dinge seien Lügen, Erfindungen, verftihrerische und verderbliche Dinge, und daß derlei Offenbarungen abergläubisch sind und von bösen und teuflischen Geistern stammen. Ferner hast du gesagt, dein König habe ein Zeichen erhalten, woran er erkannte, daß du von Gott gesandt seist, denn der heilige Michael kam in Begleitung mehrerer Engel, von denen einige Flügel, andere Kronen hatten, mit der heiligen Katharina und der heiligen Margareta zu dir ins Schloß von Chinon. Alle gingen die Stufen des Schlosses ins Gemach deines Königs hinauf, vor dem der Engel, der eine Krone trug, sich verneigte. Und das eine Mal hast du gesagt, der König sei allein gewesen, als er dieses Zeichen erhielt; das andere Mal hast du gesagt, Aue Kmng die du Zeichen nennst, sei dem Erzbischof von Reims überreicht worden, der sie in Gegenwart mehrerer Fürsten und Herren, die du mit Namen nanntest, deinem König überreichte. Zu diesem Artikel sagen die Kleriker, daß es nicht wahrscheinlich ist, sondern vermessene Lüge, verführerisch und verderblich, eine erfundene Sache und der Würde der Kirche und der Engel abträglich.
Ferner hast du gesagt, du erkenntest die Engel und die Heiligen an dem guten Rat, dem Trost und der Belehrung, die sie dir gaben. Und du glaubst auch, es sei der heilige Michael, der dir erscheine, und du sagst, daß ihre Taten und Worte gut sind, und daß du es ebenso fest glaubst, wie du an den Glauben jesu Christi glaubst. Zu diesem Artikel sagen die Kleriker, daß derlei Dinge nicht ausreichen, um die genannten Engel und Heiligen erkennen zu können, und daß du es zu leichtfertig geglaubt und vermessen behauptet hast. Und daß du wegen jenes Vergleichs, den du machst, nämlich ebenso fest an diese Dinge zu glauben wie an den Glauben jesu Christi, im Glauben irrst.
Ferner hast du gesagt, du habest Sicherheit über kommende Dinge und um verborgene Dinge gewußt, du habest Menschen erkannt, die du nie zuvor gesehen hattest, und zwar durch die Stimmen der heiligen Katharina und der heiligen Margareta. Zu diesem Artikel sagen sie, daß darin Aberglaube und Wahrsagerei, anmaßende Behauptung und eitle Prahlerei liegt.
Ferner hast du gesagt, du habest auf Befehl Gottes ständig Männerkleider getragen und einen kurzen Rock, ein Wams und mit vielen Nesteln befestigte Beinkleider angelegt, und daß du deshalb auch kurze, über den Ohren rundgeschnittene Haare trugst, ohne etwas auf dir zu belassen, was darauf hindeutete, daß du eine Frau bist; und daß du mehrmals den Leib Unseres Herrn in diesem Gewand empfangen hast, obgleich du mehrmals ermahnt worden bist, davon abzulassen; was du nicht hast tun wollen. Du hast gesagt, du wolltest lieber sterben, als von diesen Kleidern lassen, es sei denn auf Befehl Gottes, und wenn du in diesen Kleidern noch beim König und denen von deiner Partei wärst, so wäre das ein groäes Glück für das Königreich Frankreich. Du hast auch gesagt, du würdest um keinen Preis schwören, diese Kleider und Waffen nicht zu tragen. In all dem willst du recht und auf Befehl Gottes gehandelt haben. In diesen Punkten sagen die Kleriker, daß du Gott lästerst und in seinen Sakramenten mißachtest; du übertrittst das gäbae Gnug die Heilige Schrift und die kirchlichen Vorschriften. Du irrst im Glauben. Du rühmst dich eitel. Du bist der Abgötterei verdächtig und verurteilst dich selbst, indem du die Kleider deines Geschlechts nicht tragen willst und die Bräuche der Heiden und Sarazenen nachahmst.
Ferner hast du gesagt, du habest in deinen Briefen häufig die Namen JESUS MARIA und das Kreuz hingesetzt, um damit anzudeuten, daß jene, denen du schriebst, das im Brief Enthaltene nicht tun sollten. In anderen Briefen jedoch hast du geprahlt, du würdest alle, die dir nicht gehorchten, umbringen lassen, und an den Hieben würde man erkennen, wer das bessere Recht habe. Oft hast du gesagt, du habest nichts unternommen, es sei denn auf Offenbarung und Befehl Gottes. Zu diesem Artikel sagen die Kleriker, daß du mörderisch und grausam bist, blutrünstig, aufrührerisch, zur Tyrannei aufwiegelnd und gotteslästerlich.
Ferner hast du gesagt, du habest aufgrund von Offenbarungen, die du im Alter von siebzehn Jahren hattest, Vater und Mutter gegen deren Willen verlassen, weshalb sie fast wahnsinnig wurden. Und du bist zu Robert de Baudricourt gegangen, der dir auf dein Ersuchen Männerkleider, ein Schwert und Leute gab, die dich zu seinem König führen sollten, zu dem du gesagt hast, du kommest um seine Gegner zu verjagen. Du hast ihm versprochen, du würdest ihn in seine Herrschaft einsetzen, er werde den Sieg über alle seine Feinde davontragen, und Gott habe dich gesandt, um das zu vollbringen. Und du sagst, daß du alle diese Dinge im Gehorsam gegen Gott und durch Offenbarung getan hast. Zu diesen Artikeln sagen die Kleriker, daß du schlecht und frevelhaft gegen deine Eltern warst, indem du das Gebot Gottes, Vater und Mutter zu ehren, übertratest. Du warst ärgerniserregend, gotteslästerlich, im Glauben irrend. Und du hast deinem König ein anmaßendes und vermessenes Versprechen gegeben.
Ferner hast du gesagt, du seist eigenmächtig vom Turm in Beaurevoir in die Gräben gesprungen, weil du lieber sterben wolltest, als den Engländern ausgeliefert zu werden und nach der Zerstörung von Compiegne weiterzuleben, obgleich die heilige Katharina und die heilige Margareta dir verboten zu springen. Dennoch konntest du nicht an dich halten, obgleich es eine große Sünde war, gegen ihr Verbot zu springen. Aber du hast gesagt, du habest seither durch die Stimmen erfahren, daß Gott dir diese Sünde vergeben habe, nachdem du gebeichtet hattest. Zu diesem Artikel sagen die Kleriker, daß darin Kleinmut lag, der zu Verzweiflung und Selbstmordversuch ftihrte. Und du hast eine vermessene und anmaßende Behauptung aufgestellt, indem du sagtest, Gott habe dir diese Sünde vergeben, worin du eine falsche Auffassung von der Freiheit des menschlichen Willens hast.
Ferner hast du gesagt, die heilige Katharina und die heilige Margareta hätten dir versprochen, dich ins Paradies zu führen, vorausgesetzt, du bewahrst die Jungfräulichkeit, die du ihnen gelobt und versprochen hast. Und darin bist du dir so sicher, wie wenn du schon in der Glorie des Paradieses wärst. Und du glaubst nicht, eine Todsünde begangen zu haben; und wenn du im Stand der Todsünde wärest, so würden dich die heilige Katharina und die heilige Margareta nicht besuchen, wie sie es tun. Zu diesem Artikel sagen die Kleriker, daß du eine vermessene und anmaßende Behauptung und eine verderbliche Lüge aufgestellt hast, daß du dem widersprichst, was du früher gesagt hast, und daß du im christlichen Glauben falsch denkst.
Ferner hast du gesagt, du wüßtest wohl, daß Gott bestimmte noch lebende Personen mehr liebt als dich. Und daß du es durch die Offenbarungen der genannten Heiligen weißt, und daß diese Heiligen französisch und nicht englisch sprechen, weil sie nicht von ihrer Partei sind. Und daß du, nachdem du wußtest, daß diese Stimmen für deinen König waren, die Burgunder nicht mehr mochtest. Zu diesem Artikel sagen die Kleriker, daß das eine vermessene und anmaßende Behauptung ist und eine Übertretung des Gebots Gottes, das besagt, man solle seinen Nächsten lieben.
Ferner hast du gesagt, du habest jenen, die du den heiligen Michael, die heilige Katharina und die heilige Margareta nennst, allerlei Ehrerbietung erwiesen, indem du niederknietest, den Boden küßtest, auf dem sie wandelten, ihnen Jungfräulichkeit gelobtest, und daß du sie sogar geküßt und umarmt hast. Du sagst, du habest von Anfang an gewußt, daß sie von Gott kamen, ohne deinen Pfarrer oder einen anderen Kirchenmann um Rat zu fragen. Gleichwohl glaubst du, daß diese Stimme von Gott kommt, ebenso fest, wie du an den christlichen Glauben glaubst und daß jesus Christus Tod und Leiden erduldet hat. Wenn ein böser Geist in Gestalt des heiligen Michael erschiene, so würdest du ihn wohl erkennen. Du hast auch gesagt, du würdest das Zeichen, das zu deinem König gekommen ist, um nichts auf der Welt veraten, es sei denn auf Befehl Gottes. Dazu sagen die Kleriker, daß du, unter der Voraussetzung, daß du jene Offenbarungen und Erscheinungen, mit denen du dich brüstest, wirklich so gehabt hast, wie du sagst, Götzendienerin bist, Teufelsbeschwörerin, im Glauben irrst und einen unerlaubten Eid ablegtest. Ferner hast du gesagt, wenn die Kirche wollte, daß du das Gegenteil des Befehls tust, den du angeblich von Gott hast, du dies um nichts auf der Welt tun würdest. Und du weißt gut, daß das, was in deinem Prozeß enthalten ist, vom Befehl Gottes herkam, und daß es dir unmöglich wäre, das Gegenteil zu tun. In allen diesen Dingen willst du dich nicht dem Urteil der Kirche auf Erden überlassen, noch irgendeinem lebendigen Menschen, sondern allein Gott. Und du sagst weiter, daß diese Antworten nicht deinem Kopf, sondern dem Befehl Gottes entspringen, obgleich der Glaubensartikel, der lautet, daß jeder an die katholische Kirche glauben muß, dir mehrmals dargelegt worden ist, und obgleich jeder gute katholische Christ alle seine Handlungen der Kirche unterwerfen muß, besonders in Sachen von Offenbarungen und dergleichen. Zu diesem Artikel sagen die Kleriker, daß du schismatisch bist, falsch von der Wahrheit und der Autorität der Kirche denkst und bis jetzt frevelhaft im Glauben Gottes geirrt hast.