Nachwort

Im Jahre 1952 erhielt die Autorin Lillian Hellman eine Vorladung vor den Kongressausschuss, der zum Schutz Amerikas eingesetzt worden war, damit sie dort über ihre angeblich unamerikanischen Aktivitäten Rechenschaft ablege. Es war das gleiche Jahr, in dem Joseph McCarthy, auf dem Gipfel seiner Macht, erneut in den Senat gewählt worden war; aber sie wurde nicht vor seinen Senatsausschuss geladen, sondern vor einen Ausschuss des Repräsentantenhauses - der aufgrund seiner Macht und seines langjährigen Bestehens zu dem Ausschuss der Periode des Kalten Krieges wurde: dem House Committee on Un-American Activities (HUAC). Fast ein Dritteljahrhundert lang brütete der Ausschuss über ständig wachsenden Bergen von Akten, Zeugenaussagen und Gutachten. Die Zeit seiner größten Macht begann 1948 mit dem Fall Alger Hiss. Aber schon ein Jahr davor hatte er seinen umfassenden Anspruch geltend gemacht, als er - mit der Filmindustrie beginnend - ideologische Überprüfungen für die amerikanischen Kunstschaffenden einführte.
Die Ausschussmitglieder waren insbesondere durch einen Film aus dem Jahre 1944 beunruhigt. Bei der Romanautorin Ayn Rand holten sie 1947 ein Gutachten über diesen Film ein, und die Expertin fand schnell den wichtigsten Fehler des Films heraus: Er zeigte lächelnde Russen. »Es gehört zur Grundausstattung der kommunistischen Propagandatricks, lächelnde Russen zu zeigen.« Wenn also die russische Propaganda lächelnde Russen zeigt und dieser amerikanische Film lächelnde Russen zeigte, musste der amerikanische Film als Teil der russischen Propagandaarbeit betrachtet werden. Diese Art Logik hat Ayn Rand berühmt gemacht, und damit überzeugte sie auch die Ausschussmitglieder. Richard Nixon gehörte an jenem Tage zu ihren Zuhörern, und er stellte keine Fragen. Nur das Ausschussmitglied John McDowell zeigte sich als Einziger nicht völlig überzeugt:

MCDOWELL: Lächelt in Russland überhaupt niemand mehr?
RAND: Wenn Sie es wörtlich nehmen: nein, kaum.
MCDOWELL: Sie lächeln nicht?
RAND: Nicht auf diese Art, nein. Wenn sie lächeln, dann passiert es privat, zufällig. Ganz sicher lächeln sie nicht öffentlich, um zu zeigen, dass sie mit ihrem System einverstanden sind.

Robert Taylor spielte in Song of Russia die Hauptrolle. Drei Jahre, nachdem er bei diesem Film mitgewirkt hatte, und zwei Tage, nachdem Ayn Rand den Film »entlarvt« hatte, wurde er vorgeladen, um sich für seine leichtfertige Verbreitung russischen Lächelns zu verantworten. Er zeigte sich angemessen bußfertig:

ROBERT STRIPLING: Mr. Taylor, haben Sie jemals als Schauspieler an einem Film mitgewirkt, der nach Ihrer Ansicht kommunistische Propaganda enthielt?
TAYLOR: Ich nehme an, dass Sie sich auf Song of Russia beziehen. Ich muss gestehen, dass ich mich seinerzeit entschieden dagegen wehrte, an diesem Film mitzuarbeiten. Ich war davon überzeugt, dass er zumindest nach meinem Empfinden kommunistische Propaganda enthielt... Ich glaube nicht, dass man diesen Film hätte drehen sollen. Und glaube auch nicht, dass er heute noch gemacht würde.                                                                                    

Warum arbeitete Mr. Taylor dennoch an diesem Film mit, obwohl er ihn als kommunistische Propaganda erkannt hatte? Weil der Leiter der Abteilung Filmpropaganda im Office of War Information ihn darum gebeten hatte - schließlich wurde ein tapferer Verbündeter propagiert, der im Krieg gegen Hitler auf der gleichen Seite wie wir lächelte. Warum also widerrief er, wenn er doch damals nur der Aufforderung seiner eigenen Regierung nachgekommen war? Weil es von einem Patrioten erwartet wird, den Kurswechsel der Regierung vorwegzunehmen, die neue Linie zu begrüßen, die alte zu verurteilen und sich für die Gelegenheit zur Buße dankbar zu zeigen:

RICHARD NIXON: Sie persönlich halten also Ihre Aussage vor diesem Ausschuss für gerechtfertigt, und Sie würden wieder vor uns aussagen, wenn Sie darum gebeten würden, obgleich Ihre Aussage Ihnen Nachteile bringen könnte, bei den Einspielergebnissen Ihrer Filme, in Bezug auf Ihren Ruf oder auf andere Art und Weise?
TAYLOR: Ganz sicherlich. Ich glaube einfach so stark an das amerikanische Volk und an die Überzeugungen des amerikanischen Volkes, dass ich sicher bin, dass es jeden unterstützen wird, der Amerika und die amerikanische Regierungsform jeder anderen subversiven Ideologie vorzieht, deren Vertreter mich kritisieren könnten.

Diese Antwort erhielt den lauten Beifall, den sie verdiente - jeder, der die Begriffe Amerika oder amerikanisch viermal in einem einzigen Satz unterbringen konnte, konnte sich unserer Bewunderung sicher sein.
So kurz nach dem Zweiten Weltkrieg lernten die Menschen zu kriechen. Mr. Taylor nannte sogar Namen - er habe gehört, die folgenden Leute seien möglicherweise Kommunisten: Howard da Silva, Karen Morley, Lester Cole. Damit gelangten sie auf die Liste derer, die er persönlich boykottieren würde:

STRIPLING: Sie würden sich weigern, an einem Film mitzuarbeiten, für den auch Leute vorgesehen sind, die Sie persönlich für Kommunisten halten, ist das richtig?
TAYLOR: Das würde ich ganz bestimmt, und ich müsste noch nicht einmal wissen, dass es sich um Kommunisten handelt. Das mag voreingenommen erscheinen. Aber allein wenn ich den Verdacht hätte, dass jemand, mit dem ich zusammenarbeiten soll, Kommunist wäre, dann bedeutet es wohl oder übel, er oder ich, denn das Leben ist ein bisschen kurz, um es mit Menschen zu verbringen, die mir so zuwider sind wie Kommunisten und ihre nützlichen Idioten.

Mr. Taylor war inzwischen so gründlich auf seine Regierung eingestimmt, dass er mitten in seiner Aussage den Kurs änderte. In seiner Aussage über Song of Russia äußerte er sich zunächst folgendermaßen:

STRIPLING: Mr. Taylor, sind Sie der Ansicht, dass die Filmindustrie in erster Linie der Unterhaltung und nicht der Propaganda dient?
TAYLOR: Genau so ist es. Meiner Meinung nach soll die Filmindustrie in erster Linie unterhalten, nicht mehr und nicht weniger.
STRIPLING: Meinen Sie, dass die Filmindustrie in einer besseren Position wäre, wenn sie sich auf die Unterhaltung beschränkte, ohne die Herstellung politischer Filme zu gestatten?
TAYLOR: Genau so ist es... Es passiert aber immer mal, dass sich Dinge einschleichen, ohne dass es bemerkt wird. Wenn in der Filmindustrie keine Kommunisten arbeiten, dann können sie auch nichts einschmuggeln.

Aber dann ließ der Vorsitzende eine neue Richtung erahnen, und Mr. Taylor vollbrachte in zwei Sätzen eine Wendung um 180 Grad:

J. PARNELL THOMAS: Mr. Taylor, wären Sie dafür, wenn die Filmindustrie antikommunistische Filme herstellen würde, in denen die Wahrheit über den Kommunismus dargestellt wird?
TAYLOR: Herr Abgeordneter, wenn die Zeit gekommen ist - und das dauert vielleicht nicht mehr lange -, dass Filme dieser Art als notwendig betrachtet werden, dann glaube ich, dass die Filmindustrie antikommunistische Filme machen wird und machen sollte. Ich weiß nicht, wann das der Fall sein wird, aber ich glaube, sie werden und sollten gemacht werden.

1947 hatte das House Committee on Un-American Activities bereits fast zehn Jahre bestanden. Aber es war ein schäbiges, wenig beachtetes Unternehmen gewesen, das sich unter zwei Demokraten des Südens als Vorsitzenden (Martin Dies und John S. Wood) auf antisemitische und rassische Verdächtigungen spezialisiert hatte. Kongressabgeordnete mit Selbstachtung hielten sich fern.
In diesem Jahr begann sich jedoch einiges zu ändern. Die Wahlen des vorangegangenen Jahres hatten zum ersten Mal seit sechzehn Jahren eine republikanische Mehrheit im Kongress hervorgebracht und schienen die Niederlage Harry Trumans im folgenden Jahr anzudeuten. Nun wurde der Ausschuss von Republikanern (J. Parnell Thomas und Robert Stripling) geführt, und ein aufgeweckter junger Abgeordneter wie Richard Nixon konnte erkennen, dass die Angst vor den Kommunisten diesen Ausschuss in den Augen der Öffentlichkeit aufwertete. Der plötzlich aggressiv gewordene Truman hatte im Frühjahr 1947 mit seinem Plan zur »Rettung« Griechenlands und der Türkei den Kalten Krieg begonnen. Zur gleichen Zeit führte er ein neues Programm zur Überprüfung der Loyalität ein, das auf sämtliche Bundesangestellte ausgeweitet wurde (so weit war man zuvor noch nicht einmal während des Weltkriegs gegangen). Trumans Justizministerium setzte eine Entwicklung in Gang, die zum Smith-Gesetz führte, nach dem schon die bloße Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei strafverfolgt wurde. Der Generalstaatsanwalt ließ Gerhart Eisler mit Hilfe einer Sondervollmacht des Präsidenten, wie es sie vorher nur im Krieg gegeben hatte, verhaften und auf Ellis Island festhalten. J. Edgar Hoover trat zweimal persönlich vor dem Ausschuss des Repräsentantenhauses auf, um die Kommunisten als »fünfte Kolonne« zu bezeichnen und die während des Krieges ausgeuferte Spionagetätigkeit seiner Behörde - des FBI - zu rechtfertigen. Ein weiterer Ausschuss des Repräsentantenhauses bezeichnete zehn Angestellte des Außenministeriums als Sicherheitsrisiken - und Außenminister George Marshall entließ alle zehn, ohne sie auch nur anzuhören.
Das bedrohlichste Anzeichen jenes geschäftigen Frühjahrs 1947 war jedoch die Aufstellung der Liste des Generalstaatsanwalts. Sie war ursprünglich als internes Dokument gedacht, als Hilfe für Trumans Loyalitätsüberprüfungen. Ein Fragebogen in Bezug auf Organisationen mit unterschiedlichen Tendenzen - kommunistisch, faschistisch, totalitär und subversiv - sollte bei der Überprüfung der Bundesangestellten Verwendung finden. Bei Mitgliedschaft in einer oder mehrerer dieser Organisationen sollte eine genauere Untersuchung vor der Einstellung erfolgen. Noch im selben Jahr jedoch wurde diese Liste veröffentlicht, als Truman den Generalstaatsanwalt Tom Clark einsetzte, um den Marshall-Plan als Abwehrinstrument gegen den Kommunismus zu propagieren.
Dies war für sich allein bereits ein offener Verstoß gegen die Bürgerrechte und bildete die Grundlage für alle weiteren Verstöße - von Seiten des Kongresses, einzelner Arbeitgeber und Interessenverbände.
Ohne sich auf ungesetzliche Handlungen der Beschuldigten zu berufen, ohne die Gründe anzuführen, ohne den betroffenen Individuen einen Rechtsweg dagegen einzuräumen, brandmarkte die Regierung jeden Bürger, der einer dieser zahlreichen Organisationen angehörte, als mutmaßliches Sicherheitsrisiko. Nach Ansicht der breiten Öffentlichkeit erstreckte sich dieser Verdacht bald auch auf alle, die einer solchen Organisation Geld gespendet oder an einer ihrer Kundgebungen teilgenommen hatten. Die Liste, die ursprünglich Anhaltspunkte für     die Überprüfung von Bundesangestellten hatte liefern sollen, wurde eingesetzt, um vielen Leuten die Anstellung in jeder verantwortlichen Position, sei sie öffentlich oder privat, zu verweigern. Die Regierung hatte einen massiven, aber verschwommenen Angriff eingeleitet, den sie vor Gericht nicht zu verantworten brauchte. Und nun konnte jeder einzelne Bürger, mit der Liste bewaffnet, die Loyalität eines anderen Bürgers in Zweifel ziehen und sich dabei auf die Regierung der Vereinigten Staaten berufen. Daraus entstand die Welle der Denunziation, die Doktrin von der Schuld durch Assoziation, die jahrzehntelange Suche nach alten Briefköpfen, Spenden- und Anwesenheitslisten, die Verknüpfung der »Anhaltspunkte« zu einem Spinnennetz der Verdächtigungen.
Die McCarthy-Periode begann somit nicht erst 1950, als Joseph McCarthy seine ersten Anklagen erhob. Sie begann 1947 mit den gemeinsamen Anstrengungen Trumans, des Generalstaatsanwalts Tom Clark und J. Edgar Hoovers. Sie gaben dem House Committee on Un-American Activities die Waffen an die Hand - die Listen, die der Ausschuss gegen die Zeugen verwenden konnte, das Loyalitätsprogramm, dessen immer striktere Einhaltung er fordern konnte, die Annahme, dass ein Bürger bis zum Beweis seiner Loyalität als illoyal angesehen werden könne, das Berufsverbot für jeden Mann und jede Frau, die sich einem solchen Überprüfungsverfahren nicht unterziehen wollten. Die Liste bedeutete, dass jedermann von nun an seine Kontakte bedenken musste - mit wem man sprach, wen man besuchte; ein zufälliger oder neugieriger Besuch der falschen Versammlung, eine Spende für einen wohltätigen Zweck, die Bekanntschaft mit Radikalen, all das konnte einen auf die Liste und um eine Anstellung bringen. Die Liste des Generalstaatsanwalts war die »Ursünde« des McCarthyisrrms. Senator Arthur Vandenberg hatte Truman gesagt, er müsse »dem Land eine höllische Angst einjagen«, wenn er sein umfangreiches Auslandspro-gramm durch den Kongress bringen wolle. Und genau das machte Truman.
Fünf Jahre später war die Stimmung schon sehr viel bedrohlicher geworden als 1947. Damals war es noch leicht gewesen, den Ausschuss und seinen ersten Ausflug nach Hollywood zu belächeln; im Verhandlungsraum herrschte eine Zirkusatmosphäre. Aber 1952 konnte der Ausschuss, der Alger Hiss ins Gefängnis gebracht hatte, Richard Nixon schon zur Vizepräsidentschaft verhelfen. Selbst McCarthys Senatsausschuss bezog viel von seiner Bedrohlichkeit aus der Geschichte des Ausschusses des Repräsentantenhauses. Allerdings waren zu diesem Zeitpunkt die Erfolge für die Kommunistenjäger magerer geworden. Es ließen sich keine weiteren Fälle wie Hiss oder Rosenberg mehr finden. Das Außenministerium war wieder und wieder gesäubert worden. Die alten Listen wirkten inzwischen schäbig. Die Bundesbehörden spielten nicht mehr mit. Beweismaterial war nur noch schwer zu beschaffen. So wurden aus Mangel an anderem Material die Anklagen immer abstruser - General Marshall beschütze Verräter, die Armee sei nicht loyal usw. Verrückterweise bestärkte gerade die Tatsache, dass der Ausschuss keinerlei belastendes Material zu Tage förderte, die wildesten Verdächtigungen - nach dem Motto, die Regierung kehre eben alles mit Erfolg unter den Teppich, die Kommunisten würden unentdeckt bleiben. Für die vorgeladenen Zeugen wurden die Verhöre zunehmend schärfer, obwohl sich immer mehr auf den fünften Zusatz zur Verfassung beriefen. Für die breite Öffentlichkeit war diese Verteidigung keine Verteidigung. Die Antwort zu verweigern hieß sich schuldig zu bekennen; und wenn diese Verteidigung auch vor dem Gefängnis schützen mochte, so genügte sie doch in vielen Fällen nicht, um den Job zu behalten. Der Versuch, den Job oder das Ansehen oder die Preise der Akademie nicht zu verlieren, brachte Männer wie Larry Parks, Elia Kazan und Jose Ferrer dazu, Unschuldige zu nennen, um ihre eigene Schuldlosigkeit vor dem Ausschuss zu erhärten.
Man muss sich an diese Zeit erinnern, um die Wirkung von Lillian Hellmans Brief an den Ausschuss zu verstehen: »Ich kann und will mein Gewissen nicht nach der diesjährigen Mode maßschneidern.« Weil sie dem Ausschuss mitteilte, dass sie sich auf den fünften Verfassungszusatz nur dann berufen würde, wenn sie gezwungen werde, andere zu belasten, benutzte sie diese Verteidigung bewusst und ausdrücklich nicht auf »die richtige Art« - das heißt, zu ihrer eigenen Entlastung. Sie hätte wegen Missachtung des Gerichts belangt werden können - und einige Leute waren erstaunt, dass dies nicht eintrat.
Ihrem literarischen Ansehen zum Trotz erscheint sie in dieser düsteren Zeit als eine unwahrscheinliche Heldin: eine Mischung aus aufsässigem Mädchen und Dame des alten Südens, verängstigt, aber trotzig in ihrem »Zeugenkostüm« von Baimain. Wir müssen uns daran erinnern, dass Dashiell Hammett sie zum Vorbild für die Nora Charles in Der dünne Mann nahm (einem Buch, das Senator McCarthy aus den Regalen unserer Bibliotheken verbannen wollte). Dort bekommt es ein Polizist mit einer so unabhängigen Nora zu tun, dass er, als er geht, nur in widerwilliger Bewunderung den Kopf schütteln und sie als »harten Brocken« bezeichnen kann. Der Ausschussvorsitzende Wood mag an diesem Nachmittag des 21. Mai 1952 ähnlich empfunden haben.
Garry Wills
(übersetzt von Meino Büning)

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