Dieser erste Versuch einer Gesamtausgabe der Gedichte von Else Lasker-Schüler vereinigt vollzählig sämtliche zu Lebzeiten der Dichterin in Buchform veröffentlichten Gedichte samt den Textvarianten der verschiedenen Drucke. Unberücksichtigt blieben in der Regel die Abdrucke in Zeitungen, Zeitschriften und zeitgenössischen Anthologien. Einzelne Hinweise auf handschriftliche Varianten (in den von Ernst Ginsberg und Werner Kraft posthum veranstalteten Sammlungen) wurden vermerkt.
Die zeitliche Folge der Veröffentlichungen sollte im großen und ganzen gewahrt bleiben; zugleich aber durften die von der Dichterin selber durch zyklische Anordnung und die Beigabe von Widmungen hergestellten oder angedeuteten Zusammenhänge nicht zerstört werden. Dies erklärt, warum manche Gedichte in der gleichen Fassung zweimal vertreten sind. Mit Ausnahme des vollständigen Abdrucks der Sammlung »Styx« in unveränderter Gestalt wurde, wenn nicht zwingende Bedenken dagegensprachen, jeweils die späteste Fassung der einzelnen Gedichte in den Textteil aufgenommen. Wiesen die erste und die endgültige Fassung sehr starke Abweichungen auf, so wurden beide als ganzes Gedicht abgedruckt. Der folgende Nachtrag verzeichnet sämtliche Lesarten der früheren Fassungen und der Abdrucke in anderen Büchern der Dichterin. Nicht aufgenommen wurden einige bloße Scherzgedichte und Gelegenheitsreimereien aus »Konzert« und »Hebräerland«.
Im Hinblick auf die verschiedenen Fassungen darf angemerkt werden, daß die späteren Veränderungen nicht immer Verbesserungen darstellen; bisweilen sind in den jüngeren Ausgaben einzelne Zeilen und sogar ganze Gedichte verlorengegangen.
Gewisse Eigenheiten der Orthographie wurden beibehalten; ebenso die häufig willkürliche, ungewohnte oder ungenügende Interpunktion. Letztere folgt in der Regel dem spätesten Druck, es sei denn, die früheren Sammlungen legen insgesamt eine andere Zeichensetzung nahe. Die zahlreichen Abweichungen in den verschiedenen Ausgaben-namentlich, was die Verwendung von Ausrufungszeichen, Gedankenstrichen, mehreren Punkten betrifft - wurden nur dort verzeichnet, wo durch die veränderte Interpunktion eine Sinnverschiebung eintritt. Offenkundige Druckfehler wurden meist stillschweigend berichtigt.
Für freundliche Hinweise und Auskünfte, für Rat und Hilfe sei an dieser Stelle den Herren Ernst Ginsberg, Werner Kraft und Sigismund von Radecki sowie dem Schiller-Nationalmuseum in Marbach gedankt.
Im einzelnen ist der Textteil dieser Gesamtausgabe folgendermaßen aufgegliedert:
- die Sammlung »Styx« in der ursprünglichen Reihenfolge der Gedichte, unter Beibehaltung der typographischen Anordnung und der Orthographie der einzelnen Gedichte; anschließend sämtliche Gedichte aus »Styx«, die, mehr oder weniger verändert, in »Die gesammelten Gedichte« und die zweibändige Gedichtausgabe von 1920 aufgenommen wurden (mit Ausnahme von 4 Gedichten, die an späterer Stelle und in anderem Zusammenhang wiederholt werden)
- die 33 neuen Gedichte der Sammlung »Der siebente Tag« in der ursprünglichen Reihenfolge; die einzelnen Texte jedoch, mit Ausnahme von 2 Gedichten, in der endgültigen Fassung der Ausgabe von 1920
- 21 neue Gedichte aus dem Versband »Meine Wunder«, der außerdem 32 Gedichte aus »Der siebente Tag« und 5 der Gedichte an Senna Hoy enthält;
- der gesamte Zyklus der an Senna Hoy gerichteten Gedichte, in der gleichen Anordnung wie in den »Gesammelten Gedichten« und der Ausgabe von 1920;
- die Gedichte an Hans Ehrenbaum-Degele;
- der Zyklus der Gedichte an Gottfried Benn, in welchen auch alle übrigen Gedichte aufgenommen wurden, die ihm gewidmet sind oder auf Grund der Einordnung in den »Gesammelten Gedichten« und dem Bande »Die Kuppel« als hierhin gehörig gelten dürfen;
- die Gedichte an Hans Adalbert von Maltzahn, an die sich die übrigen Liebesgedichte anschließen;
- sämtliche Gedichte an Personen, soweit sie nicht schon in den vorhergehenden Zyklen Aufnahme fanden;
- unter der Überschrift »Meine schöne Mutter blickte immer auf Venedig«, aus dem Ersten Teil der Gesamtausgabe von 1920, zehn der dort unter dem gleichen Titel vereinigten Gedichte, ferner die letzte Fassung des Gedichtes »Mein stilles Lied« (erste Fassung in »Der siebente Tag«) und 2 Gedichte, die in dem Bande »Die Kuppel« als erstes und letztes Gedicht stehen; dieser kleine Zyklus bezeichnet hier den Abschluß der Produktion bis 1920
- der Zyklus »Hebräische Balladen«; er enthält sämtliche bis 1920 entstandenen Gedichte biblischer Thematik, vermehrt um 2 Gedichte aus »Konzert«; 2 frühe Gedichte fremden Tons, die in die beiden ersten Ausgaben der »Hebräischen Balladen« Aufnahme fanden, wurden ausgeschieden; die Anordnung folgt, wie schon bei Ginsberg, im wesentlichen den Büchern des Alten Testaments;
- »Konzert« enthält aus den zwanziger Jahren die Gedichte des unter diesem Titel erschienenen Sammelbandes, mit Ausnahme von 4 »Hebräischen Balladen« und 2 Gedichten, die in die letzte Verssammlung Aufnahme fanden;
- diese, »Mein blaues Klavier«, bildet, in einem wortgetreuen Abdruck der Erstausgabe von 1943, der Textgestalt nach das späte Gegenstück zu der Sammlung »Styx« und als letzte zu Lebzeiten der Dichterin erschienene Veröffentlichung den Abschluß dieser ersten Gesamtausgabe ihrer Gedichte.
Den Texten liegen die folgenden Ausgaben zugrunde:
sh. Original OPD