Styx (zweite Fassungen)

O, ich wollte, daß ich wunschlos schlief,
Wüßt ich einen Strom, wie mein Leben so tief,
Flösse mit seinen Wassern.

CHRONICA

Mutter und Vater sind im Himmel —
Amen.
Drei Seelen breiten
Aus stillem Morgenträumen
Zum Gottland ihre Wehmut aus; -
Denn drei sind wir Schwestern,
Die vor mir träumten schon in Sphinxgestalten
Zu Pharaozeiten; -
Mich formte noch im tiefsten Weltenschoß
Die schwerste Künstlerhand.
Und wisset wer meine Brüder sind?
Sie waren die drei Könige, die gen Osten zogen
Dem weißen Sterne nach zum Gotteskind.
Aber acht Schicksale wucherten aus unserem Blut.
Vier plagen uns im Abendrot,
Vier verdunkeln uns die Morgenglut,
Sie brachten über uns Hungersnot
Und Herzensnot und Tod.
Und es steht:
Über unserem letzten Grab ihr Fortleben noch,
Den Fluch über alle Welten zu weben,
Sich ihres Bösen zu freuen.
Aber die Winde werden einst ihren Staub scheuen.
Satan, erbarme dich ihrer.

WELTFLUCHT

Ich will in das Grenzenlose
Zu mir zurück,
Schon blüht die Herbstzeitlose
Meiner Seele,
Vielleicht ists schon zu spät zurück.
O, ich sterbe unter euch!
Da ihr mich erstickt mit euch.
Fäden möchte ich um mich ziehen
Wirrwarr endend!
Beirrend,
Euch verwirrend,
Zu entfliehn
Meinwärts.

FRÜHLING

Wir wollen wie der Mondenschein
Die stille Frühlingsnacht durchwachen,
Wir wollen wie zwei Kinder sein.
Du hüllst mich in dein Leben ein
Und lehrst mich so wie du zu lachen.

Ich sehnte mich nach Mutterlieb
Und Vaterwort und Frühlingsspielen,
Den Fluch, der mich durchs Leben trieb,
Begann ich, da er bei mir blieb,
Wie einen treuen Feind zu lieben.

Nun blühn die Bäume seidenfein
Und Liebe duftet von den Zweigen.
Du mußt mir Mutter und Vater sein
Und Frühlingsspiel und Schätzelein
Und ganz mein eigen.

MEINE SCHAMRÖTE

Du, sende mir nicht länger den Duft,
Den brennenden Balsam
Deiner süßen Gärten zur Nacht.

Auf meiner Wange blutet die Scham
Und um mich zittert die Sommerluft.

Du ... . wehe Kühle auf meine Wangen
Aus duftlosen, wunschlosen Gräsern zur Nacht.

Nur nicht länger den Hauch deiner suchenden Rosen,
Er quält meine Scham.

SYRINXLIEDCHEN

Die Palmenblätter schnellen wie Viperzungen
In die Kelche der roten Gladiolen,
Und die Mondsichel lacht
Wie ein Faunsaug verstohlen.

Die Welt hält das Leben umschlungen
Im Strahl des Saturn.
Und durch das Träumen der Nacht
Sprüht es purpurn.

Jux! Wollen uns im Schilfrohr
Mit Binsen aneinanderbinden
Und mit der Morgenröte Frühlicht
Den Süden unserer Liebe ergründen.

WINTERNACHT

(Cellolied)

Ich schlafe tief in starrer Winternacht,
Mir ist, ich lieg in Grabesnacht,
Als ob ich spät um Mitternacht gestorben sei
Und schon ein Sternenleben tot.

Zu meinem Kinde zog mein Glück
Und alles Leiden in das Leid zurück.
Nur meine Sehnsucht sucht sich heim
Und zuckt wie zähes Leben Und stirbt.

Ich schlafe tief in starrer Winternacht,
Mir ist, ich lieg in Grabesnacht.

MAIROSEN

(Reigenlied für die großen Kinder)

Er hat seinen heiligen Schwestern versprochen
Mich nicht zu verführen,
Zwischen Mairosen hätte er fast
Sein Wort gebrochen,
Aber er machte drei Kreuze
Und ich glaubte heiß zu erfrieren.

Nun lieg ich im düstren Nadelwald,
Und der Herbst saust kalte Nordostlieder
Über meine Lenzglieder.

Aber wenn es wieder warm wird,
Wünsch ich den heiligen Schwestern beid
Hochzeit
Und wir - spielen dann unter den Mairosen.

DANN

... Dann kam die Nacht mit deinem Traum
Im stillen Sternebrennen.
Und der Tag zog lächelnd an mir vorbei
Und die wilden Rosen atmeten kaum.

Nun sehn ich mich nach Traumesmai,
Nach deinem Liebeoffenbaren.
Möchte an deinem Munde brennen
Eine Traumzeit von tausend Jahren.

ABEND

Es riß mein Lachen sich aus mir,
Mein Lachen mit den Kinderaugen,
Mein junges, springendes Lachen
Singt Tag der dunklen Nacht vor deiner Tür.

Es kehrte aus mir ein in dir
Zur Lust dein Trübstes zu entfachen -
Nun lächelt es wie Greisenlachen
Und leidet Jugendnot.

SCHEIDUNG

Hab in einer sternlodernden Nacht
Den Mann neben mir ums Leben gebracht.
Und als sein girrendes Blut gen Morgen rann,
Blickte mich düster sein Schicksal an.

DASEIN

Hatte wogendes Nachthaar,
Liegt lange schon wo begraben.
Hatte Augen wie Bäche klar,
Bevor die Trübsal mein Gast war,
Hatte Hände muschelrotweiß,
Aber die Arbeit verzehrte ihr Weiß.
Und einmal kommt der Letzte,
Der senkt den hohlen Blick
Nach meines Leibes Vergänglichkeit
Und wirft von mir alles Sterben.
Und es atmet meine Seele auf
Und trinkt das Ewige.

SEIN BLUT

Am liebsten pflückte er meines Glückes
Letzte Rose im Maien
Und würfe sie in den Rinnstein.
Sein Blut plagt ihn.

Am liebsten lockte er meiner Seele
Zitternden Sonnenstrahl
In seine düstre Nächtequal.

Am liebsten griff er mein spielendes Herz
Aus wiegendem Lenzhauch
Und hing es auf wo an einem Dornstrauch
.... Sein Blut plagt ihn.

KÜHLE

In den weißen Bluten
Der hellen Rosen
Möchte ich verfluten.

Doch auf den Teichen
Warten die starren, seelenlosen Wasserrosen,
Meiner Sehnsucht Kühle zu reichen

CHAOS

Die Sterne fliehen schreckensbleich
Vom Himmel meiner Einsamkeit,
Und das schwarze Auge der Mitternacht
Starrt näher und näher.

Ich finde mich nicht wieder
In dieser Todverlassenheit,
Mir ist, ich lieg von mir weltenweit
Zwischen grauer Nacht der Urangst.

Ich wollte, ein Schmerzen rege sich
Und stürze mich grausam nieder
Und riß mich jäh an mich!
Und es lege eine Schöpferlust
Mich wieder in meine Heimat
Unter der Mutterbrust.

Meine Mutterheimat ist seeleleer,
Es blühen dort keine Rosen Im warmen Odem mehr. -
....Möcht einen Herzallerliebsten haben,
Und mich in seinem Fleisch vergraben.

LENZLEID

Daß du Lenz gefühlt hast
In meiner Winterhülle,
Daß du den Lenz erkannt hast
In meiner Todstille -
Nicht wahr, das ist Gram
Winter sein, eh der Sommer kam,
Eh der Lenz sich ausgejauchzt hat.

O, du! schenk mir deinen goldenen Tag
Von deines Blutes blühendem Rot.
Meine Seele friert vor Hunger,
Ist satt vom Reif -
O, du! Gieße dein Lenzblut
Durch meine Starre,
Durch meinen Scheintod.
Sieh, ich harre
Schon Ewigkeiten auf dich.

WELTSCHMERZ

Ich, der brennende Wüstenwind,
Erkaltete und nahm Gestalt an.

Wo ist die Sonne, die mich auflösen kann,
Oder der Blitz, der mich zerschmettern kann!

Blick nun, ein steinernes Sphinxhaupt,
Zürnend zu allen Himmeln auf.

MEIN DRAMA

Mit allen duftsüßen Scharlachblumen
Hat er mich gelockt,
Keine Nacht mehr hielt ich es im engen Zimmer aus,
Liebeskrumen stahl ich mir vor seinem Haus
Und sog mein Leben ihn ersehnend aus.
Es weint ein bleicher Engel leis in mir versteckt,
Ich glaube tief in meiner Seele;
Er fürchtet sich vor mir.
Im wilden Wetter sah ich mein Gesicht!
Ich weiß nicht wo, vielleicht im dunklen Blitz,
Mein Auge stand wie Winternacht im Antlitz,
Nie sah ich grimmigeres Leid.
Mit allen duftsüßen Scharlachblumen
Hat er mich gelockt,
Es regt sich wieder weh in meiner Seele
Und leitet mich durch all Erinnern weit.
Sei still mein wilder Engel mein,
Gott weine nicht
Und schweige von dem Leid,
Mein Schmerzen soll sich nicht entladen,
Den Faden, der mich hielt mit allen Leben,
Hab ich der Welt zurückgegeben
Freiwillig.
Auf allen Denkgesteinen wird mein Leiden brennen,
Um alles Blühen lohen, wie ein dunkler Bann.
Ich sehne mich nach meiner blindverstoßenen Einsamkeit,
Trostsuchend wie mein Kind sie zu umarmen.

LIEBESSTERNE

Deine Augen harren vor meinem Leben
Wie Nächte, die sich nach Tagen sehnen,
Und der schwüle Traum liegt auf ihnen unergründet.

Seltsame Sterne starren zur Erde,
Eisenfarbene mit Sehnsuchtsschweifen,
Mit brennenden Armen die Liebe suchen
Und in die Kühle der Lüfte greifen.

SCHWARZE STERNE

Warum suchst du mich in unseren Nächten,
In Wolken des Hasses auf bösen Sternen!
Laß mich allein mit den Geistern fechten.

Sie schnellen vorbei auf Geyerschwingen
Aus längst vergessenen Wildlandfernen.
Eiswinde durch Lenzessingen.

Und du vergißt die Gärten der Sonne
Und blickst gebannt in die Todestrübe.
Ach, was irrst du hinter meiner Not.

SELBSTMORD

Wilde Fratzen schneidet der Mond in den Sumpf.
Es kreisen alle Welten dumpf;
Hätt ich erst diese überstanden!

Mein Herz, ein Skarabäenstein;
Blüht bunter Mai aus meinem Gebein
Und Meere rauschen durch Guirlanden.

Ich wollt, ich wär eine Katz geworden;
Der Kater schleicht sie lustzumorden
Im vollmondblutenden Abendschein.

Wie die Nacht voll grausamer Sehnsucht keimt -
Sie hat in mir oft zart geträumt
Und ist entstellt zur Fratze.

Der Tod selbst fürchtet sich zu zwein
Und kriecht in seinen Erdenschrein,
- Aber ich pack ihn mit meiner Tatze.BALLADE

BALLADE

(Aus den sauerländischen Bergen)

Er hat sich
In ein verteufeltes Weib vergafft,
In sing Schwester!

Wie ein lauerndes Katzentier
Kauerte sie vor seiner Tür
Und leckte am Geld seiner Schwielen.

Im Wirtshaus bei wildem Zechgelag
Saß er und sie und zechten am Tag
Mit rohen Gesellen.

Und aus dem roten, lodernden Saft
Stieg er ein Riese aus zwergenhaft
Verkümmerten Gesellen.

Und ihm war, als blickte er weltenweit,
Und sie schürte den Wahn seiner Trunkenheit
Und lachte!
Und eine Krone von Felsgestein,
Von golddurchädertem Felsgestein
Wuchs ihm aus seinem Kopf.

Und die Säufer kreischten über den Spaß.
»Gott verdamm mich, ich bin der Satanas!«
Und der Wein sprühte Feuer der Hölle.

Und die Stürme sausten wie Weltuntergang,
Und die Bäume brannten am Bergeshang,
Es sang die Blutschande ........

Sie holten ihn um die Dämmerzeit,
Und die Gassenkinder schrien vor Freud
Und bewarfen ihn mit Unrat.

Seitdem spukt es in dieser Nacht,
Und Geister erscheinen in dieser Nacht,
Und die frommen Leute beten.

Sie schmückte mit Trauer ihren Leib,
Und der reiche Schankwirt nahm sie zum Weib,
Gelockt vom Sumpf ihrer Tränen.

- Und der mit der schweren Rotsucht im Blut
Wankt um die stöhnende Dämmerglut
Gespenstisch durch die Gassen.

Wie leidender Frevel,
Wie das frevelnde Leid,
überaltert dem lässigen Leben.

Und er sieht die Weiber so eigen an,
Und sie fürchten sich vor dem stillen Mann
Mit dem Totenkopf.

DIR

Drum wein ich,
Daß bei deinem Kuß
Ich so nichts empfinde
Und ins Leere versinken muß.
Tausend Abgründe
Sind nicht so tief,
Wie diese große Leere.
Ich sinne im engsten Dunkel der Nacht,
Wie ich dirs ganz leise sage,
Doch ich habe nicht den Mut.
Ich wollte, es käme ein Südenwind,
Der dirs herübertrage,
Damit es nicht gar voll Kälte klang
Und er dirs warm in die Seele sang
Kaum merklich durch dein Blut.

SCHULD

Als wir uns gestern gegenüber saßen,
Erschrak ich über deine Blässe,
Über die Leidenslinie deiner Wange.
Da kams, daß meine Gedanken mich vergaßen
Über der Leidenslinie deiner Wange.

Es trafen unsere Blicke sich wie Sternenfragen,
Es war ein goldenes Hin- und Herverweben
Und deine Augen glichen seidenen Mädchenaugen.
Du öffnetest die Lippen, mir zu sagen....   
Und meine Seele färbte sich in Matt,

Dumpf läutete noch einmal Brand mein Leben
Und schrumpfte dann zusammen wie ein Blatt.

NACHWEH

Weißt du noch, wie ich krank lag,
So gottverlassen -
Da kamst du,
Es war am Herbsttag,
Der Wind wehte krank durch die Gassen.

Zwei kalte Totenaugen
Hätten mich nicht so gequält,
Wie deine Saphiraugen,
Die beiden brennenden Märchen.

MEIN TANZLIED

Aus mir braust finstre Tanzmusik,
Meine Seele kracht in tausend Stücken;
Der Teufel holt sich mein Mißgeschick,
Um es ans brandige Herz zu drücken.

Die Rosen fliegen mir aus dem Haar
Und mein Leben saust nach allen Seiten,
So tanz ich schon seit tausend Jahr,
Seit meiner ersten Ewigkeiten.

VERGELTUNG

Hab hinter deinem trüben Grimm geschmachtet,
Und der Tod hat in meiner Seele genachtet
Und fraß meine Lenze.
Da kam ein Augenblick,
Ein spielender, jauchzender Augenblick
Und tanzte mir mir ins Leben zurück
Bis zur Grenze.
Aber das Netz meiner Augen zerriß
Vom plötzlichen Lichtglanz.
Wie soll ich nun die Goldzeiten auffangen!
Meine Seele die Goldlüfte einsaugen!
Der Tod hat sich fest an mein Leben gehangen,
Ich fühle immer stilleres Vergessen.....   
Himmelszeichen künden Unheil an im Westen,
In der Sackgasse brütet Frucht ein Nebelbaum
Und winkt mir heimlich mit den Schattenästen -
Ja! Meine Seele soll Beklemmnis von ihm essen!
Und ein Alp auf dir liegen nachts im Traum.

ES WAR EINE EBBE IN MEINEM BLUT

Es war eine Ebbe in meinem Blut,
Es schrie wie brüllende Ozeane.
Und mit meiner Seele wehte der Tod
Wie mit einer Siegesfahne.

Zehn Könige standen um mein Bett,
Zehn stolze, leuchtende Sterne,
Sie tränkten mit Himmelstau meine Qual,
Alle Abende meine Erbqual.

Jäh rissen sich ihre Willen los,
Wie schneidende Winterstürme!
Über die Herzen hinweg!
Über das Leben hinweg!
Und ihr rasender Mut wuchs Türme!

Und sie schlugen meine Blutangst tot,
Wie Himmelsbrand blühte das Morgenrot,
Und mein Blaß schneite von ihren Wangen,

IM ANFANG

Hing an einer goldnen Lenzwolke,
Als die Welt noch Kind war
Und Gott noch junger Vater war.
Schaukelte hei
Auf dem Ätherei
Und meine Wollhärchen fütterten ringelrei.
Neckte den wackelnden Mondgroßpapa,
Naschte Sonne der Goldmama,
In den Himmel sperrte ich Satan ein,
Und Gott in die rauchende Hölle.
Die drohten mit ihrem größten Finger
Und haben »klumbumm, klumbumm« gemacht,
Und es sausten die Peitschenwinde;
Doch Gott hat nachher zwei Donner gelacht
Mit dem Teufel über meine Todsünde.
Würde 10000 Erdglück geben,
Noch einmal so gottgeboren zu leben,
So gottgeborgen, so offenbar.
Ja, ja, Als ich noch Gottes Schlingel war!