A. bis C.

A. Neolithische Revolution - jungsteinzeitliche Umwälzung

Die Zeitspanne zwischen ungefähr 10000 und 5000 Jahren vor der Gegenwart bezeichnet man als „Jungsteinzeit" oder „Neolithikum". Die wichtigsten Werkzeuge wurden damals noch aus Stein hergestellt, aber schon raffinierter geformt und sorgfältiger bearbeitet als in der Altsteinzeit (bis ungefähr vor 12000 oder 10000 Jahren). Die Jungsteinzeit brachte in verhältnismäßig schneller Folge eine Menge wichtiger Neuerungen.

Arbeitsaufgaben:

  1. Geht in das nächstgelegene „Heimatmuseum" oder „Museum für Vor- und Frühgeschichte" und informiert euch über das „Neolithikum".
  2. Oder lest statt dessen in eurem Schulbuch das Kapitel über die „Jungsteinzeit" und beantwortet die dort gestellten Fragen (vgl. Mat. 1 und 2)!
  3. Oder arbeitet ersatzweise die Graphiken eines dreibändigen „Panorama der Weltgeschichte" (vgl. Mat. 3 und 5) sowie den Text einer 24bändigen „Weltgeschichte in Bildern" (vgl. Mat. 4) durch!
  4. Welche besondere Bedeutung für die Entwicklung der Menschheit und das Leben in der Gegenwart schreibt das Museum/Schulbuch/ Sachbuch der Jungsteinzeit zu? Warum?

Wie es im Schulbuch steht

Mat. 1

»Aus Jägern und Sammlern werden seßhafte Bauern. Die Klimaveränderung, die durch ein langsames Zurückgehen der Vereisung nach 10000 v. Chr. bewirkt wurde, veränderte auch die Pflanzen- und Tierwelt. Auf den weiten Steppen und Tundren mit nur vereinzelten Büschen und verkrüppelten Bäumen wuchsen allmählich dichte Wälder heran, in denen nun andere Tiere lebten, die es heute auch noch gibt. Um genügend Nahrung zu finden, brauchten die Menschen nicht mehr den wandernden Tierherden nachzuziehen. Sie lernten sogar, einige Tierarten zu zähmen und sie in der Nähe ihrer Wohnplätze als Haustiere zu halten. Der Hund war das erste Haustier. Später lieferten Ziege, Schaf, Schwein und Rind Fleisch, Wolle und Milch. Statt Beeren und Körner dort zu sammeln, wo sie gerade wuchsen, lernten die Menschen nun, diese planmäßig anzubauen. Aus Samenkörnern von Wildgräsern züchteten sie durch Auslese Getreide. Sie bearbeiteten den Boden zuerst mit dem Grabstock und dann mit dem hölzernen Hakenpflug, vor den sie später Rinder spannten. Auf den Feldern bauten sie Hirse, Hafer, Gerste, Weizen, Erbsen, Bohnen sowie Gemüse und Früchte an. Die Getreidekörner zerrieben sie zwischen flachen, rauhen Steinen. Das so gewonnene S > chrotmehl verrührten sie mit Wasser zu Brei. Später lernten sie, flache Brote daraus zu backen.
Nun waren die Menschen nicht mehr von dem unsicheren Jagdglück oder dem zufälligen Vorhandensein anderer Nahrungsmittel abhängig. Die Möglichkeit der Tierhaltung und Getreidezüchtung ließ sie zu seßhaften Bauern werden. In Flußtälern und Gebieten mit fruchtbarem Boden entstanden die ersten "festen" Häuser. Ein Balkengerüst wurde mit Flechtwerk ausgefüllt und mit Lehm abgedichtet. Das steile Dach bestand aus Schilf oder Stroh. Am Rande von Seen oder Sümpfen konnten die Häuser auch auf Pfähle gesetzt werden. Die Menschen schlossen sich langsam zu größeren Gruppen zusammen, und aus kleinen vereinzelten Siedlungen wurden bald größere Dörfer.
Was ersetzte dem Menschen die Jagd, was das Sammeln von Naturprodukten? Welche Vorteile bot die Haustierhaltung, welche der Getreideanbau?
Welche Arbeiten waren auf dem Hof, dem Acker und im Wald zu verrichten? Vergleiche sie mit den Arbeiten der Jäger und Sammler.
Überlege, wie der "Besitz" einesfesten Hauses, von Haustieren und Ackerland das Zusammenleben zwischen den Menschen veränderte.

Nicht alle Menschen waren Bauern geworden. Einige blieben der alten Lebensweise treu und zogen weiterhin als Jäger oder Hirtennomaden ohne festen Wohnsitz umher. Andere spezialisierten sich auf bestimmte handwerkliche Tätigkeiten. Töpfer stelltenm handgeformte Gefäße aus Ton her, indem sie Tonwülste aufeinanderlegten und glattstrichen. Später erlaubte die Erfindung der Töpferscheibe das "Ziehen" des Tones zu schön geformten Gefäßen. Die verschiedene Herstellungsweise, die unterschiedlichen Formen und Verzierungen ermöglichen den Archäologen, die Gefäße bestimmten Zeiten und Herstellern zuzuordnen. Weber verarbeiteten Schafwolle und pflanzliche Fasern am Webebalken zu Stoffen, Werkzeugmacher schlugen, polierten und durchbohrten Feuersteinbeile und andere Steingeräte, und Spezialisten für Holzverarbeitung stellten Boote her und Karren mit Scheibenrädern. Solche "Berufe" mußten entstehen, weil die steigende Qualität der Geräte und Waffen Fachkenntnisse in der Herstellung voraussetzte, die nicht mehr jeder einzelne besaß. Die Menschen vergrößerten durch diese Erfindungen und Fertigkeiten ihre Unabhängigkeit von der Natur - aber gleichzeitig auch ihre Abhängigkeit untereinander. Die Zeit, in der dies geschah, wird "Jungsteinzeit" genannt.

Warum machten die Erfindungen die Menschen von der Natur unabhängiger? Auf wen ist z. B. der Werkzeugmacher, der selber keine Nahrung I'ür sich produziert, angewiesen?
Erläutere die Abhängigkeit der einzelnen Berufe voneinander.
Überlege, inwieweit die Erfindung des Rades das Leben der Menschen bis heute beeinflußt hat.
Zähle auf, was ohne Rad nicht denkbar wäre.
Überlege, ob der Wandel der Lebensund Wirtschaftsformen in der Steinzeit auch bestimmend für unser heutiges Leben war" (Menschen in ihrer Zeit 1, 1977, 9f).

Mat. 2

»Als vor etwa 10000 Jahren die letzte Eiszeit zu Ende ging, endete allmählich die Periode der Jäger und Sammler, die Altsteinzeit. Die Menschen wurden zum ersten Mal seßhaft, und zwar in dem Raum zwischen dem persischen Hochland (Teheran) und dem Mittelmeer (Tel Aviv). Bei uns in Deutschland wurden die ersten Menschen erst vor etwa 5000 Jahren seßhaft. Der seßhaft gewordene Mensch züchtete Tiere und fertigte Geräte, die er für sein bäuerliches Leben brauchte. Hund, Ziege, Rind und Pferd wurden Haustiere. In Töpfen bewahrte der Mensch seine Vorräte auf. Mit dem Pflug konnte er den Boden auflockern und für das Einbringen des Samens vorbereiten. Mit der Spindel verarbeitete er die Wolle zum Faden, und auf dem Webstuhl entstand aus dem Faden das Tuch. Die Altsteinzeit dauerte im Vergleich zur Jungsteinzeit ungeheuer lang, von der Menschwerdung bis vor etwa 10000 Jahren. Dann aber, von der Jungsteinzeit ab, geht die Entwicklung rascher vor sich. Der Stein wurde als Material für menschliche Werkzeuge bald abgelöst durch Bronze, ein Mischmetall aus Kupfer und Zinn" (Curriculum Geschichte 1, 1, 1975, 19).

Die neolithische Revolution

Mat. 3 Vom Wildbeuter zum frühen Ackerbau

Frauen in der Geschichte VIII

Mat. 4 »Die Revolution der Jungsteinzeit

Bis dahin hatte der Mensch von dem gelebt, was die freie Natur ihm bot, indem er Wild und Fische tötete und Früchte und eßbare Pflanzen pflückte. Daher war er unablässig auf der Suche nach neuen Jagdgründen. In der Jungsteinzeit wurde der Mensch Produzent. Er wählte Getreidesorten aus und säte sie, er zähmte Tiere und züchtete sie, er bearbeitete den Boden und bewässerte ihn. Viehzucht und Ackerbau erschlossen den menschlichen Gemeinschaften ganz neue Existenzmittel. Hinzu kamen Töpferei, Keramik und die Bearbeitung von Metallen wie Kupfer, Gold und Silber. In der Alten Welt entfaltete sich die Jungsteinzeit ursprünglich in den Mittelmeergebieten des Vorderen Orients, im Iran, in der Türkei, in Thrakien und Makedonien und beginnt um das Jahr 8000 vor unserer Zeitrechnung. Ausgrabungen in Syrien und Palästina haben Überreste von Getreidespeichern, Steinsicheln, Trinkschalen, Stößel, Mörser und Spuren von Häusern aus rohem Backstein zum Vorschein gebracht. Im Zuge dieser Entwicklung entstand die Stadt: Jarmo im Irak, Jericho in Palästina, Catal Hüyük in der Türkei zählen zu den ersten Städten der Weit. Das 6. Jahrtausend war das Goldene Zeitalter der neolithischen Kulturen. Wandmalereien und Basreliefs aus Ton entstanden, und die Bildnisse der ersten Gottheiten und primitive Grabbeigaben bezeugen die große Bedeutung der religiösen Vorstellungen vom Leben nach dem Tode.
Im Vergleich zu Vorder- und Mittelasien waren Ägypten und Nordafrika etwas zurückgeblieben. Übrigens haben Einflüsse aus Palästina vermutlich das Eintreten der Jungsteinzeit im Niltal um 5000 v. Chr. mit ihren Gemeinschaften von Ackerbauern und Viehzüchtern begünstigt. Aber Ägypten holte seinen Rückstand rasch auf. Denn im Laufe des 4. Jahrtausends war das untere Niltal wie auch das untere Tal des Euphrat der Schauplatz einer neuen Entwicklungsstufe: Es entstand das, was wir eine organisierte Kultur nennen, und zwar ein auf der Stadt beruhendes einheitliches Ganzes, das von einer politischreligiösen Hierarchie geleitet wurde, vom Ackerbau lebte, der von der Bewässerung abhängig war, das Metalle bearbeitete und die Schrift erfand. Die Geschichte entstieg den Stromländern. Die von den Überschwernmungen stets erneuerte Fruchtbarkeit der Felder konnte dem Menschen nur in einer Gemeinschaft dienstbar gemacht werden, die irnstande war, eine kollektive Ordnung durchzusetzen, wie ein Staat oder ein Stadtstaat. Bau und Unterhalt von Dämmen und Kanälen erforderten Gesetze und damit ein die Aufsicht führendes Beamtentum. Gleiches zeigte sich in den Tälern des indus und des Gelben Flusses in China. Beginnen wir damit, jene Kulturen zu betrachten, die den Triumphzug der Menschheit eröffnet haben: Sumer und Ägypten" (Weltgeschichte in Bildern 1, 1980, 9).

Der seßhafte Mensch

Mat. 5

Frauen in der Geschichte VIII

Ende der Altsteinzeit
(Mesolithikum im Vorderen Orient).
Aneignende Wirtschaftsstufe, Jagd
und Sammeln

von Wild- Weizen.

Frühes Neolithikum ohne Keramik
im Vorderen Orient. Beginn
der neolithischen Revolution:
Erzeugende Wirtschaftsform.
Neolithikum mit Keramik.
Im 5. Jahrtausend v. Chr.
Besiedlung des mesopotamischen
Tieflandes
(Bewässerung der Felder).
Frühe Hochkulturen und
frühgeschichtliche Zeit
im Vorderen Orient.
Geschichtliche Zeit
im Vorderen Orient
Um 8500 v. Chr. erste
Domestikation von Schaf und Hund.
Natufien mit Mikrolithenwerkzeugen
und Erfindung des Steinschliffs.
Die ersten Hausformen aus
geflochtenem Material,
wenig Kunstzeugnisse.
 Anbau von Wild-Weizen und Züchtung
der Getreidesorten. Domestikation
von Ziege, Schwein und Rind.
Jericho, die älteste Stadt der Welt,
mit Stadtmauer und großem Turm.
Im 8. Jahrtausend v. Chr. runde
Lehmziegelhäuser, Ab 6800 v. Chr.
viereckige Lehmziegelhäuser
und Mauerung mit Zement.
Porträtähnlich der gipsüberzogene
Schädel von Jericho, Steinschliff-Töpfe,
Körbe, Obsidianklingen
(Meerschweinchen in
Peru domestiziert.)
Erfindungen: Keramik, Kupfergerät,
Stempel, Leinen
(Bodenwebstuhl schon vor 6000 v. Chr.
in Catal-Hüyük).
Städte: Catal-Hüyük (Türkei)
und Festung von Mersin (Türkei),
Festungstor. Wandmalerei aus
Catal Hüyük, Jagdszene
(zur selben Zeit auch ostspanische
Felsmalereien).
Frauenfigürchen aus Ton, Hacilar.
Domestikation von Pferd, Esel,
Dromedar, Kamel, Biene, Ente,
Haushuhn und Wasserbüffel.
Erfindungen: Pflug, Töpferscheibe,
Segelschiff, Bronzeguß, Wagen
und Bilderschrift (Sumer).
1. Tempel von Tepe Gaura (Irak),
2. Weißer Tempel von Uruk,
3. Zikkurat von Ur.
Domestikation der
Hauskatze, in Peru
des Alpaka (Lama schon
3500 v. Chr.) und des
Rentieres in Nordeurasien. Erfindungen: Wasserrad, Eisenbearbeitung
und Alphabetschrift (Phönizier).

B. Die Bedeutung der Neuerungen

Jungsteinzeit im heutigen Alltag

Mat. 6

Frauen in der Geschichte VIII

Arbeitsaufgaben:

  1. Sucht Gegenstände und Erfahrungen eures täglichen Lebens heraus, die aus der Jungsteinzeit stammen (B), die noch älter sind (A) und die erst danach eingeführt wurden (C). Diskutiert über Zweifelsfälle.
  2. Schreibt eine Geschichte über den Alltag eines Mädchens/Jungen heute, in der alle Erfindungen und Neuerungen der Jungsteinzeit ausgelassen werden. Wie gründlich und wie unbequem ändert sich dabei das Leben des gedachten Kindes?

Weltgeschichtlicher Stellenwert

Mat.7

»Unsere Dankesschuld an die barbarischen Analphabeten [halbwilden Schriftunkundigen] ist groß. Es gibt keine Anbaufrüchte von Bedeutung, die nicht bereits von irgendeiner namenlosen barbarischen Gemeinschaft entdeckt wurden. So finden wir neolithische Völker, die nicht nur von Weizen und Gerste, sondern auch von Reis, Hirse und Mais leben - oder gar von Yamswurzel, Maniok, indianischem Kürbis und anderen Pflanzen, die gar kein Getreide sind. (. . .) Ein Stück Land wird (. . .) nicht länger als zwei oder drei Jahre hintereinander eine anständige Ernte bringen. Der einfachste Ausweg aus dieser Klemme ist, jedes Jahr ein neues Stück Land zu roden und, wenn alles Land um das Dorf herum verbraucht ist, mit Sack und Pack weiterzuziehen und auf jungfräulichem Boden neu anzufangen. (. . .) Die neolithische Umwälzung fand ihre biologische Rechtfertigung in dem zahlenmäßigen Anwachsen der Species Homo Sapiens [Gattung Mensch], das sie im Gefolge hatte. Aus Vorderasien, Ägypten und Europa sind buchstäblich Tausende von Skeletten aus dem Zeitraum zwischen der neolithischen Umwälzung und der städtischen Umwälzung, dem Übergang zur bronzezeitlichen Wirtschaft, erhalten geblieben, im Gegensatz zu den paar hundert fossilen Menschenresten aus der gesamten Altsteinzeit. Und dabei muß die Altsteinzeit zehn bis fünfzig Mal so lang gedauert haben wie die Jungsteinzeit!
Das Wachstum der neolithischen Bevölkerung fand schließlich seine Grenze in inneren Widersprüchen der neuen Wirtschaftsform. Die zahlenmäßige Vermehrung brachte eine räumliche Ausdehnung mit sich. Zusätzliche Familien konnten nur durch Anbau weiteren Ackerlandes und durch Auffindung neuer Weideplätze für Groß- und Kleinvieh ernährt werden. Bei den beschränkten Möglichkeiten des Barbarentums [halbwilder Gesellschaften] blieb den Nahrungserzeugern nichts anderes übrig, als sich auszubreiten. Jedes sich selbst versorgende Dorf mußte immerzu neue Ableger an Tochter-Dörfern entstehen lassen. Die weltweite Verbreitung der neolithischen Wirtschaftsform legt für diesen Vorgang Zeugnis ab« (G. Childe 1952, 70, 82).

Mat. 8*

»Vom Neolithikum bis heute bestand die Nahrung des Menschen im wesentlichen aus den Produkten [Erzeugnissen] von Bodenbau und Viehhaltung, seine Kleidung überwiegend aus Wolle, aus den Fasern von Kulturpflanzen und aus den zu Leder verarbeiteten Häuten domestizierter [gezähmter] Tiere. Größtenteils sind seine Häuser noch immer aus Holz, Lehm oder Stein. Auch das Küchengeschirr besteht noch zu großem Teil aus gebranntem Ton. Trotz des Wachstums der Städte, der Bildung von Königreichen, Imperien [Weltstaaten] und Völkerbünden lebt der überwiegende Teil der Menschheit in Dörfern und übt Berufe aus, die sich bereits im Neolithikum bildeten. (. . .) Im Neolithikum erschloß der Mensch sich nicht nur neue Nahrungsquellen, er prägte nicht allein mit der Entwicklung dörflichen Zusammenlebens das für die menschliche Gesellschaft typische »Pattern« oder Kulturmuster. Vielmehr begann er außerdem die von ihm geübte Praxis, mit den Kräften der Natur sein Spiel zu treiben. Als erstes fällte er jahrtausendealte Wälder oder brannte sie nieder. An ihre Stelle traten Buschwuchs oder Felder, und in regenarmen Gegenden setzte er damit jene große Bodenerosion [Humusabtragung] in Gang, die riesige Gebiete der Erdoberfläche unfruchtbar machen sollte. Ferner gab er bestimmten Pflanzen- und Tierarten den Vorzug vor anderen, wodurch sie von seiner Pflege abhängig wurden und die für ein Leben in der Wildnis erforderliche Fortpflanzungskraft und Überlebensfähigkeit einbüßten. So störte er damals wie heute, indem er die natürliche Selektion [Auswahl] durchkreuzte, das Gleichgewicht der Natur. Äpfel, Granatäpfel, Birnen und Feigen sind inzwischen zwanzigmal größer als ihre wilden Urformen. Die Ähren des Getreides und die Schoten der Hülsenfrüchte vermögen sich nicht mehr im Reifezustand zu öffnen und sind daher, ebenso wie viele der Haustiere, für ihren Fortbestand auf die Hilfe des Menschen angewiesen« (C. S. Coon 1970, 131, 144 f.).

Mat. 9

»Der Getreideanbau war von einer ebenso radikalen Neuerung in der Zubereitung von Nahrung begleitet; der Erfindung des Brotes. In einer unendlichen Vielzahl von Formen, vom ungesäuerten Brot aus Weizen oder Gerste im Nahen Osten bis zu den Maistortillas der Mexikaner und dem hefegesäuerten Brot späterer Kulturepochen, war das Brot bis heute der Mittelpunkt aller Ernährung. Keine andere Nahrung ist so bekömmlich, so transportabel oder von solcher Universalität [weltweiten Verbreitung]. »Unser täglich Brot gib uns heute« wurde zu einem universalen Gebet, und dieses Nahrungsmittel wurde so verehrt wie das Fleisch eines Gottes, und es gilt daher in einigen Kulturkreisen immer noch als Sakrileg [Frevel], Brot mit dem Messer zu schneiden. Das tägliche Brot brachte eine Sicherheit in der Nahrungsversorgung, wie sie nie zuvor möglich gewesen war. Trotz Ertragsschwankungen infolge von Überschwemmungen oder Dürre sicherte der Getreideanbau dem Menschen die tägliche Nahrung, sofern er ständig und fortlaufend arbeitete, während er des Wildes und des Jagdglücks nie sicher sein konnte. Mit Brot und Öl, Brot und Butter oder Brot und Speck hatte die neolithische Kultur die Basis [Grundlage] einer ausgewogenen, kalorienreichen [nahrhaften] Ernährung, die nur frischer Gartenprodukte bedurfte, um völlig adäquat [angemessen] zu sein. Diese Sicherheit machte es dem Menschen möglich, mit Vertrauen vorauszusehen und vorauszuplanen. Außer in tropischen Gebieten, wo das Problem der Bodenregenerierung [Bodenerholung] nicht gemeistert wurde, konnten Gruppen nun an einem Ort Wurzeln schlagen, von ständig bebauten Feldern umgeben, allmählich die Landschaft umgestaltend, indem sie Gräben und Bewässerungskanäle bauten, Terrassen anlegten, Bäume pflanzten, für die spätere Generationen ihnen dankbar waren. (. . .) Überall war das Ergebnis ein üppiges Emporsprießen von Leben, das, wie man annehmen darf, von einem Gefühl des Wohlstands und der Sicherheit begleitet war. Mit reichlichen Vorräten an Getreide für Brot und Bier, die in Verschlagen, Scheunen und Kornkammern, von Katzen und Schlangen wie auch durch Mauern aus gebranntem Lehm vor Nagetieren geschützt, gespeichert werden konnten, sicherten sich große Bevölkerungen gegen Hungersnot, es sei denn, sie wurden von schrecklichen Naturkatastrophen heimgesucht. Wo einstmals nur eine Handvoll von Fischern, Jägern und Fallenstellern leben konnte, ernährte der Boden nun ein Vielfaches dieser Zahl an Bauern. Dörfer wuchsen zu Landstädten oder zu Großstädten heran, wie Jericho und Catal Hüyük heute beweisen. (...) Der Großteil der Einrichtungen, die zur häuslichen Bequemlichkeit beitragen, der Herd, die Truhe, der Kasten, der Lagerraum, Betten, Sessel, Kochgeräte, Trinkgefäße, Tücher, gewebte Kleider und Wandbehänge - kurz, die ganze Ausstattung des häuslichen Lebens -, wurden im Neolithikum, zumeist früher als 2000 vor Christus, erfunden. Wenn eine böse Fee uns dieses neolithische Erbe raubte und uns nur Staubsauger, elektrische Waschmaschinen und Geschirrspüler, elektrische Toaster und automatische Heizgeräte ließe, wären wir nicht mehr imstande, einen Haushalt zu führen; in der Tat, wir hätten nicht einmal mehr ein Heim, nur undefinierbare, ungemütliche Raumeinheiten, wie sie heute leider in den bürokratisierten [übermäßig verwalteten] Wohnungsprojekten von Paris und New York, Singapur und Hongkong schon verwirklicht sind« (L. Mumford 1977, 166f., 184, 191).

Mat. 10*

»Von allen kulturellen Neuerungen, die der Mensch geschaffen hat, war eine der umwälzendsten sicherlich die Erfindung des Ackerbaus. (. . .) Die allmähliche Ausbreitung der Ackerbau treibenden Siedler brachte auch negative Folgen mit sich. Jagdbare Wildtiere wurden verdrängt oder ausgerottet, Wälder und Grasland wurden abgeholzt und abgebrannt, umgepflügt oder durch zu starkes Beweiden unbrauchbar gemacht. Als immer mehr Ackerbausiedlungen entstanden, wurden die Horden von Jägern und Sammlern in andere Gebiete abgedrängt oder zum allmählichen Aussterben verurteilt. Wie müssen sie die Menschen verachtet haben, die bereit waren, ihre Bewegungsfreiheit aufzugeben! Die Bauern hingegen, die sich neuen Bedürfnissen und neuen Möglichkeiten gegenübergestellt sahen, ließen sich bei ihrem Tun sicherlich vor allem durch die Aussicht auf nie erträumte Annehmlichkeiten leiten, auf materielle [greifbare] Verbesserungen, die der ganzen Gemeinschaft zugute kommen sollten: Nahrung in so reichlichen Mengen, daß nicht nur alle satt zu essen hatten, sondern auch noch etwas übrigblieb, was man gegen begehrte Artikel oder Rohstoffe eintauschen konnte, neue handwerkliche und bautechnische Verfahren, Bewässerungssysteme und verbesserte Transportmöglichkeiten. So führte der Ackerbau nicht nur zu Veränderungen im Landschaftsbild, er begünstigte auch die Entstehung einer biologischen und psychologischen Umwelt, wie sie früher nur in jenen wenigen Gebieten bestanden hatte, wo ein Überfluß an natürlichen Nahrungsquellen die dauernde Ansiedlung größerer Gruppen von Menschen erlaubte.
Mit der weltweiten Verbreitung der Landwirtschaft sah sich der Mensch jedoch zunehmend vor Probleme der Hygiene [Sauberkeit], der Umweltverschmutzung und der Bekämpfung übertragbarer Krankheiten gestellt, und psychologisch gesehen, wechselte er aus der natürlichen Welt in die komplexere [schwierigere] und bedrohlichere Welt unsichtbarer sozialer Spannungen und Belastungen über. Innerhalb der immer verwickelter werdenden Zusammenhänge dieses neuen sozialen Universums mit all seinen Rivalitäten und Leidenschaften mußte er seine Beziehungen zu seinen Mitmenschen und zu den Kräften rings um sich neu definieren. Letzten Endes hat dies vielleicht zu seinen größten Errungenschaften geführt: zu der Einsicht in die Notwendigkeit einer sittlichen Ordnung und zum Begriff des Rechts« (R. H. Dyson in J. N. Leonard 1977, 6).

Langfristige Folgen der neolithischen Revolution

Mat. 11

Frauen in der Geschichte VIII

Frauen in der Geschichte VIII

Arbeitsaufgaben:
1. Beschreibt und vergleicht jeweils drei Landschaften. Woran erkennt man Urzustand, Nutzung und Mißbrauch?
2. Welche unwiderruflichen Folgen hat die "neolithische Revolution" gehabt? Wie groß schätzt Ihr heute die Anteile von Naturlandschaft, Kulturlandschaft und Kulturwüste?

Unwiderrufliche Veränderungen der Erde

Mat. 12

Frauen in der Geschichte VIII

Für die Landschaft:
Bewässerung, Entwässerung, Terrassenanlage,
Säuberung von »Unkraut«, Aufbau von Humus
Zerstörung von Bewaldung und Erdkrume, Verwüstung und Erosion
Kulturlandschaft oder Kulturwüste
statt vorausgehender Naturlandschaft
Für die Pflanzen:
Züchtung größerer, ertragreicherer,
eßbarer und nahrhafterer Formen (Domestifikation)
Unfähigkeit zum Überleben ohne Hilfe des Menschen
(z. B. bei Obst und Getreide)
Verminderung des Sortenreichtums
(Kampf gegen »Unkraut«, Vereinheitlichung der Anbaupflanzen)
Für die Tiere:
Züchtung zunächst kleinerer, zahmerer, fetterer,
nützlicherer Formen (Domestifikation)
Unfähigkeit zum Überleben ohne Hilfe des Menschen
(z. B. bei Haushühnern und Kühen)
Verminderung des Sortenreichtums
(Kampf gegen »Raubtiere«, Aussterben von Wildarten)
Für die Menschen:
Starke Bevölkerungsvermehrung, ausgewogene Ernährung
Seßhaftigkeit und Sicherheit (Selbstdomestifikation),
reichlichere Gebrauchsgegenstände und Luxusgüter
Längere und schwerere Arbeit,
erhöhter Zwang und Streß durch Mitmenschen

Arbeitsaufgaben:

  1. Welche Folgen hatten die jungsteinzeitlichen Neuerungen für die Menschen?
  2. Warum gehört die »Seßhaftigkeit« zu den wichtigsten Ergebnissen der Landwirtschaft und ist Voraussetzung vieler späterer Entwicklungen?
  3. Sind die Menschen durch die Landwirtschaft »reicher«, »sicherer«, »freier«, »gleicher« geworden?
  4. Inwiefern kann sich das Leben der Menschen durch die Landwirtschaft auch verschlechtern? Was ändert sich für Landschaft, Tiere und Pflanzen?

Arbeitsaufgaben:

  1. Welche Bedeutung hat das Museum/das Schulbuch/das Sachbuch den neolithischen Neuerungen zugemessen? Welche langfristigen, anhaltenden Folgen wurden hervorgehoben?
  2. Wie denkt Ihr jetzt selbst darüber?
  3. Wo seid Ihr mit dem Museum/dem Schulbuch/dem Sachbuch zufrieden, wo unzufrieden?
  4. Macht Vorschläge für Änderungen!

C. Frauenanteil und Frauenarbeit

Tongefäße der Jungsteinzeit

Mat. 13
Frauen in der Geschichte VIII                            Frauen in der Geschichte VIII

Arbeitsaufgaben:

  1. Beschreibt die  abgebildeten  Gegenstände  möglichst genau  und erratet ihre Funktion!
  2. Versucht Gründe für die enge Verbindung zwischen Frauen und Tongefäßen zu finden!

Erfindungen und Leistungen von Frauen

Mat. 14

»Um diese neolithische Umwälzung zustandezubringen, mußten die Menschen - genauer gesagt, die Frauen -nicht nur geeignete Pflanzen und passende Anbaumethoden dazu entdecken, sondern auch besondere Geräte erdenken, um den Acker zu bestellen, um die Frucht abzuernten und einzulagern, und um sie dann zu Nahrung zu verarbeiten. Das von heutigen Halbwilden meist verwendete Gerät zum Bodenauflockern ist einfach ein zugespitzter Stock, der mitunter noch nahe der Spitze mit einem durchbohrten Stein beschwert ist. Die meisten afrikanischen Stämme jedoch bereiten den Boden mit einer Hacke vor, und Hacken wurden nachweislich auch von den Donau-Leuten und vermutlich noch von anderen europäischen und asiatischen Völkern verwendet. Getreide wurde zuerst mit Sicheln abgeerntet, die entweder, wie bei den Natufiern und Fayumis, aus einem geraden hölzernen oder knöchernen Griff mit eingesetzten Feuersteinschneiden bestanden, oder aus den Kieferknochen eines Tieres bzw. einer Nachbildung hiervon. Es ist ein wesentlicher Gesichtspunkt der neolithischen Wirtschaftsweise, daß bei jeder Ernte genügend Nahrung eingebracht und so eingelagert wird, daß sie bis zur nächsten Ernte, normalerweise also auf ein Jahr, ausreicht. Getreidespeicher oder Lagerhäuser waren dementsprechend ein hervorstechendes Merkmal jedes Barbarendorfes und können bereits in so alten vorgeschichtlichen Siedlungen wie Merimde,  el  Fayum  und  Köln-Lindenthal nachgewiesen werden. Weizen und Gerste müssen durch Dreschen und Worfeln von der Spreu geschieden und dann zu Mehl gemahlen werden. Das Mahlen erfolgt mitunter durch Stoßen in einem Mörser, aber die übliche Methode war, die Körner auf einem teller- oder sattelförmigen Stein mittels eines walzen- oder wurstförmigen Reibsteins zu zerreiben. Derartige Handmühlen müssen jedoch aus einem zähen Stein gefertigt sein, wenn das Mahlgut nicht ebensoviel Steingrieß wie Körnermehl enthalten soll. Das Mehl kann leicht in Brei oder flache Fladen umgewandelt werden, aber um es zu Brot zu machen, bedarf es einiger biochemischer Kenntnisse -der Verwendung des Mikroorganismus [Kleinlebewesen] Hefe -, sowie eines besonders konstruierten Ofens. Überdies erschloß derselbe biochemische Vorgang, der angewandt wurde, um den Teig ,gehen' zu lassen, der Menschheit eine neue Welt der Verzückung: Alle heutigen Halbwilden stellen irgendeine Art vergorener Getränke her. Schon im ersten Dämmerlicht der Geschichte wurde in Ägypten und Mesopotamien Bier gebraut, und es hatte sich bereits als das geeignete Getränk Geltung verschafft, um die ältesten sumerischen Götter zu wohltätigem Walten anzuregen. Um das Jahr 3000 v. Chr. waren berauschende Getränke in der Tat den meisten Gemeinschaften Europas und Vorderasiens zu einer Notwendigkeit geworden, und eine ganze Ausstattung von Krügen, Kannen, Bechern, Trichtern und Trinkröhrchen war für ihren zeremoniellen Genuß bereits in Mode. Nach dem Befund der Ethnographie [Völkerkunde] zu urteilen, waren alle oben aufgezählten Erfindungen das Werk der Frauen. Ihnen muß auf Grund ähnlicher Anhaltspunkte auch der Chemismus der Töpferei, die Physik des Spinnens, der Mechanismus des Webstuhls und die Botanik von   Flachs und Baumwolle zugeschrieben werden. Andererseits sind in den bereits erwähnten vorgeschichtlichen Gemeinschaften - auch in sonstigen, ihnen ähnlichen in Europa und in ganz Asien bis nach China - diese weiblichen Errungenschaften zu einer einzigen Wirtschaftsform verschmolzen, denen andere gegenüber stehen, die wiederum den Männern zuzuschreiben sind. Sind doch bei den heutigen Halbwilden die Sorge für Herden und Kleinvieh sowie die dazugehörigen Maßnahmen und Einrichtungen eben Sache der Männer. Nach den Zeugnissen der Archäologie ist nun aber die neolithische Wirtschaftsweise eine gemischte Wirtschaft, und wir müssen daraufhin näher betrachten, wie eine solche Wirtschaft funktioniert. (. . .)
Die Frauen bestellten den Acker, mahlten und kochten die Feldfrüchte, spannen, webten und schneiderten die Kleider, formten und brannten die Töpfe und fertigten Schmuck und Zaubergegenstände an. Die Männer wiederum werden das Ackerland urbar gemacht, die Hütten gebaut, das Viehzeug versorgt, gejagt und die benötigten Werkzeuge und Waffen angefertigt haben« (G. Childe 1952, 72f., 74).

Mat. 15*

»Die radikalen Erfindungen der Jungsteinzeit lagen auf dem Gebiet der Gefäße und Behälter. (...) Die Herstellung wasserdichter, nicht ausrinnender, schädlingsicherer Tongefäße zum Speichern von Getreide, Öl, Wein und Bier war entscheidend für die ganze neolithische Wirtschaft. Viele Gelehrte, die unschwer erkennen, daß Werkzeuge mechanische [künstliche] Nachbildungen der Muskeln und Glieder des männlichen Körpers sind - der Hammer ist eine Faust, der Speer ein verlängerter Arm, die Zange menschliche Finger -, scheinen sich schamhaft gegen die Einsicht zu sperren, daß auch der weibliche Körper extrapoliert [gesteigert] werden kann. Sie wollen nicht sehen, daß der Mutterleib ein schützender Behälter und die Brust ein Milchkrug ist; deshalb erkennen sie nicht die volle Bedeutung des Umstands, daß eine Vielfalt von Gefäßen genau zu dem Zeitpunkt in Erscheinung trat, da die Frau erwiesenermaßen in der Nahrungsversorgung und in der Gemeinschaftsführung eine wichtigere Rolle zu spielen begann als in den früheren Sammler- und Jägerwirtschaften. (. . .) Historisch sind Kochen, Melken, Gerben, Brauen und Gartenbau weibliche Beschäftigungen; sie alle hängen mit den Lebensprozessen der Befruchtung, des Wachstums und des Zerfalls oder von den das Leben aufhaltenden Prozessen der Sterilisation [Keimfreimachung] und der Konservierung [Haltbarmachung] zusammen. Alle diese Funktionen erweitern notwendigerweise die Rolle der Gefäße und Behälter; sie sind in der Tat unvorstellbar ohne Körbe, Töpfe, Kasten, Fässer und Scheunen; und die eigentliche Domestizierung, in der Sexualität und verantwortungsbewußte Elternschaft eine so große Rolle spielen, beginnt erst mit dem permanenten [dauernden] Wohnhaus, dem Viehpferch und der Dorfsiedlung. (. . .)
Als Haushälterin, Wirtschafterin, Feuerhüterin, Töpferin, Gärtnerin war die Frau für die große Menge von Utensilien und Gerätschaften verantwortlich, die die neolithische Technik kennzeichnen - Erfindungen, die für die Entwicklung einer höheren Kultur genauso wichtig waren wie irgendeine der späteren Maschinen. Und sie hinterließ ihren persönlichen Stempel auf allen Teilen der Umwelt: Glaubten die Griechen, daß die erste patera nach der Brust der Helena geformt wurde, so pflegten die Zuni-Frauen, gleichsam als Bestätigung der Fabel, ihre Krüge genau in der Form der weiblichen Brust herzustellen. (...)
Das erste Tier, das der Domestizierung unterlag, war der Mensch; und schon der Ausdruck, mit dem wir diesen Prozeß bezeichnen, enthüllt den Ausgangspunkt. Denn domus heißt Haus; und der erste Schritt zur Domestizierung, der alle weiteren ermöglichte, war die Errichtung einer festen Herdstelle mit einem dauerhaften Dach. (. . .)
Daryll Forde betont, daß bei manchen australischen Ureinwohnern, die noch unter ganz ähnlichen Bedingungen leben, ,kleine Grundstücke, auf denen reichlich wilde Yamwurzeln wuchsen, geschützt, zum Teil gejätet und von der Mutter an die Tochter weitergegeben wurden'. Kehrte der Jäger mit leeren Händen und vielleicht auch durchfroren und durchnäßt zurück, dann fand er ein Feuer vor, das für ihn brannte, und einen Vorrat eßbarer Wurzeln oder Nüsse, mit denen er seinen Hunger stillte. Gartenbau, im Unterschied zum Ackerbau, ist überwiegend, nahezu ausschließlich, Frauenarbeit. Offenkundig wurden die ersten Schritte zur Domestizierung von der Frau gemacht. War diese Kultur auch kein Matriarchat im politischen Sinn, so lag ihr Schwergewicht doch auf dem Mütterlichen: der Pflege und Betreuung von Leben. Die alte Rolle der Frau als kundige Sammlerin von Beeren, Wurzeln, Blättern, Kräutern bestand bei den Bauern bis in unsere Zeit fort« (L. Mumford 1977, 167f., 171).

Mat. 16

»Die Hitze eines gewöhnlichen Kochfeuers reichte aus, um ein Tongefäß für den täglichen Gebrauch, etwa zum Kochen des Essens, genügend zu härten. Nun konnten die Frauen Brei und Suppe zubereiten - praktische Gerichte, die die Entwöhnung der Kinder erleichterten und auch von den Alten mit ihren zahnlosen Mündern geschluckt werden konnten. Solange die Finger der alten Frauen gelenkig und ihre Augen ungetrübt blieben, pflegten sie bei gutem Wetter vor dem Haus oder, wenn es kalt war, im Innern Wolle zu spinnen, die sie an einfachen Webstühlen zu Stoffen verwebten. So verwandelten sie die mit einer Feuersteinklinge geschorene Schafwolle in Webstücke, die nicht allein für die Kleidung, sondern auch als Tauschobjekt [-gegenständ] von Wert waren und den Wohlstand vermehrten. Während die Männer im Freien mit dem Beil arbeiteten oder sich um ihre Tiere kümmerten, konn-
ten die Frauen - von den Pflanz- und Erntezeiten abgesehen, in denen jede Hand auf den Feldern gebraucht wurde - zu Hause töpfern und weben.
So nahm im Neolithikum die von den Jägern des Paläolithikums [Altsteinzeit] eingeführte Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern beständig zu. Die Aufgaben des Mannes vermehrten sich, zu Jagd und Werkzeugfertigung kam nun die Arbeit des Holzfällers und Zimmermanns. Die Frau übernahm statt des täglichen Sammeins die Arbeit auf den Feldern sowie das Töpfern und Weben. Zu den Pflichten des Zimmermanns gehörte es auch, die geflochtenen Zäune anzulegen, um die Felder vor Wildschaden zu bewahren und die Haustiere zusammenzuhalten. Da eine Ziegenherde innerhalb kurzer Zeit ganze Ernten abfressen kann, erhielt die Abgrenzung des Besitzes eine noch größere Bedeutung, als sie es ohnehin zur Zeit der Jäger gehabt hatte« (C. S. Coon 1970, 128 f.).

Arbeitsaufgaben:

  1. Welche Erfindungen und Leistungen haben - nach Auskunft der Texte - in der Jungsteinzeit die Frauen beigesteuert?
  2. Womit belegen die Verfasser ihre Behauptungen? Könnt Ihr zustimmen und die Argumente als Beweise anerkennen?

Sind Frauen technisch minderbegabt?

Heute gibt es nur ganz wenige Frauen in Berufen wie Ingenieur, Automechaniker, Maschinenschlosser oder Elektriker. »Frauen verstehen eben nichts von.Technik«, lautet die Einschätzung bei vielen Menschen. Oder noch krasser: »Für Technik fehlt den Frauen von Natur aus jede Eignung.« Ob man vor rund 8000 Jahren auch schon dieser - wenig schmeichelhaften - Auffassung war?
Trotz vieler gegenteiliger Behauptungen in der Wissenschaft gibt es wohl zahlreiche Beweise dafür, daß in der Jungsteinzeit Frauen die Tongefäße erfunden, hergestellt, benutzt und verbreitet haben:

  • Zahlreiche Tongefäße sind als Frauenkörper, weibliche Köpfe oder Topfträgerinnen geformt.
  • Die Tongefäße dienten in erster Linie zur Erleichterung der weiblichen Aufgaben wie Sammeln, Aufbewahren, Mahlen und Kochen von Nahrungsmitteln.
  • Töpfern (ohne Töpferscheibe) ist noch heute in vielen Kulturen Frauensache, das dürfte immer so gewesen sein. Einige Forscher behaupten auch, die auf den frühesten Tongefäßen vielfach erkennbaren Fingerabdrücke seien eindeutig als weiblich identifizierbar.
  • Die Erfindung der Töpferei und Brennerei wird in den Sagen und Mythen der meisten Völker den Frauen zugeschrieben.

Bei den anderen jungsteinzeitlichen Erfindungen kann der Beweis weiblicher Herkunft nur indirekt, aus Hinweisen und Schlußfolgerungen, geführt werden. Abweichende Meinungen gibt es hier erst recht. Deswegen lassen sich Aussagen auch nur mit großer Wahrscheinlichkeit, nicht mit absoluter Sicherheit treffen. Diese Einschränkung gilt übrigens für sehr viele archäologische Feststellungen, die gleichwohl als zutreffend anerkannt sind.
Belege für die überragende Bedeutung der Frauen bei den technischen Erfindungen der Jungsteinzeit stammen aus ganz verschiedenen Bereichen:

  • Grabfunde: In Frauengräbern finden sich vielfach Grabstöcke und Erntesicheln, Mahlsteine und Kellen, Spindeln und Kettsteine (Gewichte für einfache Webrahmen), bei Männern eher Waffen, Äxte und Feuerzeuge.
  • Mythen: von Griechenland bis China gelten Frauen als Erfinder von Ackerbau und Weberei. In China kann man für Mann auch »Hirt«, für Frau auch »Weberin« sagen.
  • Schlußfolgerung: Der Pflanzenbau ist fast sicher aus dem Sammeln, die Weberei aus dem Flechten hervorgegangen, beides höchst wahrscheinlich typisch weibliche Arbeiten der Altsteinzeit. Dagegen steht die Großviehzucht möglicherweise eher mit der Jagd, das durchbohrte Steinbeil mit dem geschäf-teten Steinhammer in Verbindung, die mutmaßlich als männliche Angelegenheiten einzuordnen sind.
  • Gegenwartsvergleich: In überlebenden neolithischen Naturvölkern obliegen Pflanzen und Ernten, Spinnen, Mahlen und Backen den Frauen, Jagd und Großviehhaltung den Männern.

Als Ergebnis ist festzuhalten: Töpferei und Brennerei, Spinnerei und Weberei, Pflanzen und Ernten, Mahlen und Backen, Seßhaftigkeit und Dorfbildung sind höchst wahrscheinlich fast ausschließlich Errungenschaften und Leistungen der jungsteinzeitlichen Frauen. Steinschliff und Steinbohrung, Zimmermannswerk und Bootsbau, Befestigung und Großsteinbau sind wahrscheinlich vorwiegend Erfindungen und Entdeckungen jungsteinzeitlicher Männer. Bei Hausbau und Kleintierhaltung ist der Beitrag nicht so eindeutig zurechenbar.
 

»Männliche« und »weibliche« Errungenschaften

Mat. 17

   Frauen in der Geschichte VIII      Frauen in der Geschichte VIII      Frauen in der Geschichte VIII

Arbeitsaufgaben:

  1. Ordnet die Gegenstände jeweils den Männern (A), den Frauen (B) oder- in unsicheren bzw. gemischten Fällen - beiden Geschlechtern (C) zu!
  2. Welches Geschlecht hat durch Erfindung und Gebrauch neuer Geräte in der Jungsteinzeit mehr für ein besseres Leben der Menschen geleistet?