A. Frauenleben im 16. Jahrhundert
„Wenn ich einmal groß bin ..."
Mat. 1
Nördlingen, in Sommer 1590
„Mama, Mama, so hilf mir doch", tönte ungeduldig eine Mädchenstimme durchs Haus. Wütend warf Anna den Kamm aus der Hand. Seit einer Viertelstunde mühte sie sich nun schon vergeblich ab, ihr unbändiges Haar in Zöpfe zu flechten und so straff und ordentlich am Kopf festzustecken, wie es sich gehörte. Ach, es war schon ein Kreuz! Anna stand kurz vor ihrem 13. Geburtstag und hatte sich deshalb seit kurzem so herzurichten, wie es sich für eine Jungfrau geziemte. Und erst diese schweren, steifen Kleider, in denen man sich kaum bewegen konnte. Schon das Mieder bekam sie fast nie alleine zu! Und diese Prozedur nun jeden Tag! Sie seufzte. „Was ist denn, Anna? Du weißt doch, daß ich zu tun habe!" Abgehetzt stand Rebekka Lemp mit dem kleinen Peter auf dem Arm in der Kammer. „Mach flink, Kind. Du mußt noch für den Vater beim Kronwirt einen Krug Bier holen und nachher den Kleinen das Essen geben, weil ich zur Steinbäuerin rüber will. Dem kleinen Jörg geht es schlechter, ich werd noch einen Heiltrank brauen, vielleicht hilft ihm das." Ihr Gesicht wurde ernster. Erst vor einem Monat war der erste Sohn der Steinbäuerin gestorben, ohne daß sie ihn hatte retten können. „Ach Mama, ich kann das nicht allein!" „Du mußt dich halt ein bissei mehr bemühen, Kind. Später mußt du das auch alleine können, da wirst du nicht mehr so viel Zeit haben!" Sie drückte Anna das Baby in den Arm und eins - zwei - drei waren die Zöpfe geflochten und aufgesteckt. Das Baby fing leise zu weinen an, von unten rief die kleine Schwester Bärbel hoch: „Mama, Mama, komm schnell, der Hirsebrei brennt an!" In Windeseile nahm Rebekka Lemp das Baby hoch, raffte die Röcke und lief die enge Treppe hinunter.
Anna saß wieder allein und dachte nach: Früher hatte sie immer davon geträumt, endlich „groß" zu sein, eine eigene Familie zu haben, wie ihre Mutter. Aber irgendwie schien das wohl doch nicht so schön zu sein, wie sie es sich vorgestellt hatte. Eigentlich hatte sie gar keine Lust mehr, eine Frau zu werden. Schon älteste Schwester zu sein, war lästig genug. Ewig mußte man springen und der Mutter helfen. Sie kam überhaupt nicht mehr dazu, zu machen, wozu sie Lust hatte. Es wurde immer schlimmer. Und später erst ... ob es ihr dann auch so gehen würde wie ihrer Mutter? Eigentlich war sie doch auch noch nicht so alt und wie nett sah sie immer aus mit ihren lustigen braunen Augen und dem dicken dunklen Haar. Aber in letzter Zeit war sie nur noch selten fröhlich, immer weniger hörte man sie lachen. Immer war sie geschäftig, nie sah man sie einmal müßig herumstehen oder gar sitzen. Bis spät in die Nacht saß sie oft an einem Krankenbett, und nicht selten wurde sie des nachts an ein Kindbett gerufen. Als Heilfrau hatte man immer etwas zu tun. Und zu Hause wollten die Kinder und der Mann versorgt sein, wenn er da war. Aber der Vater war so oft auf Reisen und hatte wenig Zeit für die Familie. Was hatte man da noch vom Leben? Kein Wunder, daß die Mutter immer blasser und verhärmter wurde. Nein, auf keinen Fall! Nicht für mich, dachte Anna.
„Anna", zerriß die Stimme der Mutter ihre Gedanken, „jetzt komm endlich". Anna huschte hinaus. Die Sonne stand schon tief, ihr weiches Licht flutete durch die Straßen. Alles sah so friedlich aus. Ja, sie mochte diese Stadt mit ihren dicken Mauern und Türen. Hier war sie zu Hause, fühlte sich geborgen und beschützt gegen alles, was draußen so vorging. Man hörte so viel! Aber hier, hier war doch noch alles in Ordnung!
Mat. 2 Adlige (1525) Mat. 3 Bürgerin (1510) Mat. 4 Bäuerin (1577)
Ganz unwillkürlich schlug sie den Weg zur Gerbergasse ein. Dort unten am Fluß war es besonders schön. Früher war sie oft hier gewesen, als ihre Tante hier noch lebte. Anna seufzte: Ach, Tante Ursel. Wie nett war sie immer zu ihr gewesen, immer hatte sie ihr etwas zugesteckt, wenn sie sie besuchte. Wo mochte sie jetzt wohl sein und wie mochte es ihr wohl gehen? Sie redeten zu Hause nie über den Vorfall, denn Annas Mutter hatte es sich damals sehr zu Herzen genommen, als ihre einzige Schwester aus der Stadt verwiesen wurde, weil sie sich mit einem verheirateten Mann eingelassen hatte. Der Mann aber lebte immer noch hier. Es war ungerecht! Außerdem redeten die Leute natürlich und guckten auch sie und die Mutter schief an. „Das Laster liegt in der Familie", hieß es, und das war schlimm, denn einen ärgeren Vorwurf gab es nicht. In der Sonntagsschule wurden sie und die anderen Mädchen ständig ermahnt, keusch und sittsam zu sein und sich rein zu halten an Körper und Geist. Ihr klangen die Worte des Pfarrers vom letzten Sonntag noch in den Ohren, die er speziell an die Jungfrauen gerichtet hatte: „Lebet immer im Gedenken an Gott, seid bescheiden und meidet das Laster, dann werdet ihr auch eurer Glück an der Seite eines braven, gottesfürchtigen Mannes finden, sein Haus führen und seine Kinder gebären, so wie es euch bestimmt ist." Da mußte man sich also hüten, ins Gerede zu kommen!
Ihr Weg führte sie weiter an einem alten verfallenen Haus vorbei. Früher war das eine Badestube gewesen, ihre Großmutter hatte ihr davon erzählt. Und da sollen doch tatsächlich Männer und Frauen ganz ungeniert zusammen gebadet haben. Es war kaum denkbar, daß so etwas möglich gewesen sein soll. Aber eine witzige Vorstellung war das schon, heute würde so etwas niemand wagen. Lachend hopste sie bei diesem Gedanken weiter. „Anna, dir sind wohl die Frauenkleider zu Kopf gestiegen," hörte sie da plötzlich hinter sich. Als sie sich umdrehte, erblickte sie die alte Appolonia. „Nicht zum Tanzen hat Gott dir die Füße gegeben, sondern um auf dem rechten Weg zu wandeln. Eitle Herumtänzelei geziemt sich nicht für eine Jungfrau." Anna blickte schamhaft zu Boden und ging gesittet weiter. Man durfte aber auch nichts!
Mat. 5 Haube und Kleid (1527)
Arbeitsaufgaben:
- Beschreibe den Alltag von Annas Mutter und stelle Vergleiche zur heutigen Situation einer Frau mit Familie an.
- Welche Rolle spielt Anna in der Familie?
- Wie sollte ein junges Mädchen damals sein? Belege Deine Antwort am Text.
- Vergegenwärtige Dir die Geschichte der Tante Ursel. Wie erklärst Du Dir die Bestrafung der beiden beteiligen Personen? Welche Gründe sprechen gegen ein ähnliches Urteil heute?
- Beschreibe die Kleidung der drei abgebildeten Frauen. Kannst du von ihr auf den Stand der Frau schließen?
Alltag und Arbeit der Frauen
Häusliches Leben und Arbeiten
Mat. 6 Im Handwerker-oder Krämerhaus (1473) Mat. 7 Typische Herdstube (1537)
Mat. 8 Wohnung reicher Kaufleute (1539)
Arbeitsaufgaben:
- Beschreibe die Tätigkeiten der Frauen und Männer auf den Abbildungen.
- Vergleiche die dargestellten Wohnverhältnisse mit heutigen Verhältnissen
- Welche Rollen werden Mann und Frau auf Abb. Mat. 7 und 8 zugewiesen?
Frauenarbeit in der Stadt
Mat. 9 Frankfurter, Nürnberger und Danziger Magd (1568)
Arbeitsaufgaben:
- Wie werden die Mägde dargestellt? Welcher Eindruck wird von ihrer Arbeit und ihrem Fleiß vermittelt?
- Beschreibe anhand der abgebildeten Arbeitsgeräte die Tätigkeiten der Mägde und überlege ihren Arbeitsalltag. Wie beurteilst du danach die Abbildungen?
- Erläutere den Tätigkeitsbereich der Personen im Handwerksbetrieb.
Mat. 10 Schuhmacherei (spätes 16. Jhrt.)
Mat. 11 Am Brunnen (1652)
Frauenarbeit auf dem Land
Mat. 12 Bauernhof Mat. 13 Große Wäsche und Marktgang
(frühes 16. Jhrt.) (1518)
Mat. 14 Fränkische Bauernmagd (1568)
Mat. 15 Flachsaufbereitung (1583)
Arbeitsaufgaben:
Beschreibe die Arbeit, die die Frauen in den einzelnen Tätigkeitsfeldern verrichten. Schreibe einen Brief an einen entfernten Verwandten, in dem du deinen Arbeitsalltag als Frau auf dem Land (in der Stadt) schilderst.
Die weisen Frauen Heilfrauen und Hebammen
Mat. 16 (1483) Mat. 17 (1501) Mat. 18 (frühes 16. Jhrt.)
Arbeitsaufgaben:
- Beschreibe die Arbeit der Frauen und überlege a)welche Kenntnisse und Fähigkeiten zu ihrer Ausübung notwendig waren, b) welche wichtige Funktion sie damit erfüllten.
- Wer übt diese Funktion heute aus, und wie erklärst Du Dir diese Entscheidung?
Und wie stand's mit der Gleichberechtigung von Mann und Frau?
Mat. 19 Landrecht[1]
Sachsenspiegel (1215/1235):
,,[I 31 § 1] Mann und Weib haben kein verschiedenes Gut zu ihren Lebzeiten. Stirbt aber das Weib zu des Mannes Lebzeiten, sie vererbt fahrende Habe außer Aussteuer, aber Grundeigen, wenn sie solches hat, an ihren Nächsten. Ein Weib kann ohne ihres Mannes Einwilligung von ihrem Gut nichts vergaben, so daß er es von Rechts wegen dulden müsse. [I 45 § 1] Sei auch ein Mann seinem Weibe nicht ebenbürtig, er ist doch ihr Vormund, und sie ist seine Standesgenossin und tritt in seinen Rechtsstand ein, wenn sie in sein Bett geht. Wenn er aber stirbt, so ist sie ledig von seinem Recht und erhält Recht nach ihrer Geburt; deswegen muß ihr Vormund sein ihr nächster ebenbürtiger Schwertvetter, und nicht (der) ihres Mannes.
[I 45 § 2] Ein Weib kann auch ohne ihres Mannes Erlaubnis nichts von ihrem Gut vergaben noch Grundeigen verkaufen noch Leibgedinge auflassen, weil er mit ihr im Besitz sitzt. Mädchen aber und unverheiratete Weiber verkaufen ihr Grundeigen ohne ihres Vormunds Erlaubnis, er sei denn Erbe dazu.
[146] Ein Mädchen und ein Weib müssen einen Vormund haben bei jeder Klage, weil man sie dessen nicht überführen kann, was sie vor Gericht sprechen und tun. [I 47 § 1] Wofern es für die Frauen zu Eiden kommt, den sollen sie selber leisten, und nicht ihr Vormund. Ihr rechter Vormund soll auch Gewährschaft für sie versprechen und empfangen und leisten."
Mat. 20 Stadtrecht[2]
Rechts- und Handlungsfähigkeit der Frau im Augsburger Stadtrecht, 1276: „Eine jegliche Frau, die vor Gericht gehen will oder muß, sowie unmündige Kinder und Unzurechnungsfähige, diese sollen vor Gericht jeweils einen Vormund haben und derselbe Vormund soll sie bei der Anklageerhebung vertreten und für sie die Anklage vorbringen, er soll sie beraten und belehren und ihnen überall dazu verhelfen, daß sie ihr Recht bekommen, so viel er kann. Wollt ihr nun wissen, wer Vormund sein darf? Das soll der Ehemann der Frau sein, wenn sie einen hat. Hat sie keinen, so soll dies ihr Mag sein. Bei den Kindern ist dies der nächste Vatermag, wenn sie ihn haben wollen. Wollen sie ihn nicht haben, so ist es ihr Muttermag oder ein rechtsschaffener freier Gemeindegenosse, den sie dazu wählen. [. . .] [.. .] Es hat keine Frau Gewalt, etwas von ihres Mannes Gut an jemanden zu geben, weder mit Bürgschaft noch auf eine andere Art, ohne Zustimmung ihres Ehemannes, es sei denn, sie betreibt eigene Geschäfte zu offener Krame oder zu offenem Keller oder wenn sie sonst beständig zu verkaufen pflegt ohne ihren Ehemann. Was sie dann tut, das ist rechtskräftig. Er darf auch keine Frau ohne Erlaubnis ihres Ehemannes um irgendeine Sache vor Gericht streiten [. . .], es sei denn eine Frau, die zu Markte steht und kauft und verkauft. [. . .]"
Mat. 21 Gewohnheitsrecht auf dem Land[3]
Wert der Zeugenaussage von Frauen und Männern in den Civil- und Crimi-nalstatuten von Münsterthal, 1427:
- „Weiterhin dürfen Frauen in Vermögensangelegenheiten kein Zeugnis ablegen, wohl aber bei Gewalttaten. Und es müssen dann drei ehrbare Frauen für einen Mann gut sein."
Verfügungsgewalt der Ehefrau im Weistum von Niedervintl, 1474: „Weiterhin hat keine Frau Gewalt, etwas ohne den Willen des Mannes zu verkaufen oder zu verpfänden über den Wert von drei Kreuzern."
Ehevogtei in dem Banntaiding zu Tattendorf, 1450:
- ,,Wenn Männer ihre Frauen nicht in der Gewalt haben, so daß sie der Herrschaft, dem Richter, den Geschworenen mit verbotenen Worten nachreden, so soll der Richter beide, Frau und Mann, solange bestrafen, wie sie nach dem Urteil der Vier bestraft werden sollen."
Eheliche Pflichten von Frau und Mann in der Öffnung des Zwinghofes zu Buenzen, 1568:
- "22. Wenn eine Frau ohne echte Not sich ihrem Ehemann entzieht, von ihm weggeht oder nicht mehr die eheliche Beiwohnung gestattet und nicht, wie es sich gehört, die Haushaltung zu versehen hilft, und es stellt sich heraus, daß an diesen Verhältnissen die Frau und nicht etwa der Mann die Schuld trägt, so soll die Frau alles von ihr zugebrachte Gut verloren haben, während der Mann dieses in der Art eines Leibgedinges bis an das Ende seiner Zeit und seiner Lebtage nutzen und genießen mag. Desgleichen ist man nicht verpflichtet einer derartigen Frau über eine ihr zugesagte Morgengabe, dem Brautkranz oder ihr Erbrecht eine Antwort zu geben, vielmehr sind alle ihre Ansprüche und ihr Erbrecht kraftlos. [. . .] 22 a. Wenn ein Mann ohne echte Not von seiner Ehefrau weggeht, sie fortjagt oder mit ihr nicht weiter haushalten will, und es sich erweist, daß die Frau daran unschuldig ist und sie vielmehr wie eine fromme Frau ihr Möglichstes und Bestes tat, so oll der Mann all sein Erbrecht und Anspruch an seiner Frau verwirkt haben. Und das von der Frau zugebrachte Gut soll ihr wiederum folgen und in ihre Hände gelegt und übergeben werden. [. . .]"
Arbeitsaufgaben:
Bearbeitet die drei Rechtsquellen im Hinblick auf die Stellung der Frau (verheiratet/unverheiratet) gegenüber dem Mann unter folgenden Gesichtspunkten:
- Rechtsmündigkeit (z. B. Vormundschaft oder nicht),
- Geschäftsfähigkeit (z. B. das Recht zu kaufen und zu verkaufen),
- Vererbungsrecht,
- Verfügungsgewalt (das Recht, über das eigene Vermögen bzw. das des Partners zu verfügen),
- Prozeßfähigkeit (z. B. das Recht, Prozesse anzufangen, Zeugnis und Eid abzulegen).
- Mit welchen Personen wird die Frau rechtlich gleichgestellt?
- Welche Aufgaben werden in Mat. 21 Männern und Frauen in der Ehe zugewiesen? Wie werden die Frauen/Männer bei Verstößen gegen diese Pflichten bestraft?
Was soll denn ein Mädchen lernen?
Mat. 22 (1524)
Der adelige spanische Humanist Johannes Ludovicus Vives (1492-1540) war ein vielseitiger Gelehrter und vertrat eine Geistesrichtung, die für die frühe Neuzeit charakteristisch war und in den folgenden Jahrhunderten starken Einfluß auf Bildung und Erziehung ausübt.
Mat. 23 Johannes Ludovicus Vives
über die Erziehung der Mädchen (1523)
„Übrigens sind auch die Vorschriften der weiblichen Erziehung auf wenige zurückzuführen, was bei denen für das männliche Geschlecht nicht der Fall ist. Denn der Mann ist in die vielfachen Beziehungen des öffentlichen Lebens verwickelt, und um ihn für alle diese auszubilden, bedarf es umfangreicher Bücher.
Das einzige Ziel weiblicher Bildung ist die Sittenreinheit. Hat man ihr das Wesen dieser Tugend genügend auseinandergesetzt, so hat sie genug gelernt. [. . .]
Wenn das Kind zu sprechen und gehen anfängt, so muß es mit gleichaltrigen seines Geschlechtes spielen, und zwar immer in Gegenwart der Mutter oder einer Person gesetzten Alters. Durch diese Aufsicht soll dafür gesorgt werden, daß in Spielen Maß gehalten und die Grenzen des Anstandes nicht überschritten werden. Die Knaben müssen von diesen Spielen ganz ferne gehalten werden, damit die Mädchen sich nicht daran gewöhnen, an Personen des andern Geschlechtes Gefallen zu finden.
Den Spielen, deren das Mädchen in diesem Alter bedarf, bleibe also jene Schlüpfrigkeit fern. Nichts Obszönes schleiche sich in das Herz und den Sinn ein, und auch die Neigung zur Schwatzhaftigkeit darf nicht gewährt werden. Schon in dieser Zeit suche man gleichsam spielend das zu fördern, was den Mädchen später dienlich sein wird. Man erzähle ihnen tugendhafte kleine Geschichten. Man nehme ihnen die Puppen weg, sie sind eine Art Götzendienst und befördern und vergrößern die Putzsucht. Dagegen halte ich die kleinen zinnernen und bleiernen Küchengeräte für ein empfehlenswertes Spielzeug, wie man sie hier in Belgien in großen Mengen findet. Die Kinder spielen gerne damit und lernen auf spielende Weise ihre Namen und den Gebrauch der einzelnen Gegenstände kennen. In dem Alter, in dem das Mädchen zum Lernen geeignet erscheint, muß es damit beginnen, sowohl was zur Aus-* bildung des Geistes als was zur Kenntnis des Hauswesens gehört, zu erlernen. [. ..]
Das Mädchen soll also die Buchstaben lernen, zugleich aber auch das Woll-und Flachspinnen, zwei Künste, die schon vom Zeitalter der Unschuld an der Nachwelt überliefert, dem Hauswesen von großem Nutzen sind und den Sinn für Einfachheit bewahren helfen, den die Frauen sich besonders aneignen müssen.
Ich will mich nicht auf Kleinigkeiten einlassen, damit es nicht scheint, als ob ich niedrigere Dinge im Auge habe, als meine Absicht ist. Aber ich will durchaus nicht, daß das Weib unerfahren ist in den Handarbeiten, und wenn sie eine Fürstin oder gar eine Königin wäre. Oder was will sie anderes und Besseres tun, wenn sie sich nicht um häusliche Beschäftigungen bekümmert? Sie wird dann Schwätzereien mit Männern oder mit anderen Frauen treiben. Wovon wird sie reden? Kann sie denn immer reden? Wird sie nie schweigen? Oder - sie wird nachdenken. Worüber? Das Nachdenken der Frau ist flüchtig und unbeständig, ist ihr fremd und wird wie auf schlüpfrigem Boden, wer weiß wohin, abgelenkt. Aber lesen - das ist das beste, und das empfehle ich besonders. Aber auch wenn sie vom Lesen ermüdet ist, kann ich die Frau nicht müßig lassen.
Dazu muß das Mädchen kochen lernen, nicht die schlemmerischen, unmäßigen Gerichte, wie sie in den öffentlichen Küchen bereitet werden zum Vergnügen und Kitzel des Gaumens, sondern die nüchterne, reinliche, mäßige und sparsame Küche, wie sie die Jungfrau den Eltern, die Gattin dem Manne und den Kindern bereitet. Von diesen wird sie Lob ernten, wenn sie die Bereitung der Speisen nicht den Dienstmägden überläßt, sondern selbst Hand anlegt. [. . .] Vielen sind gelehrte Frauen verdächtig. Sie meinen, es komme bei solchen zur natürlichen bösen Anlage noch das Hilfsmittel der Bildung hinzu, um sie raffiniert zu machen. [. . .] Wie sie aber immer sein mögen, ich rede von Lebensregeln und Beispielen tugendhaften Lebens für das weibliche Geschlecht. Wenn solche Kenntnis schädlich ist, dann sehe ich nicht ein, wie die Unkenntnis von Nutzen sein kann [. . .]
Man wird nicht leicht ein schlechtes Weib finden, das weiß oder doch überlegt, welch großes Gut die Keuschheit ist, welch ein Verbrechen es ist, sie zu verlieren, [. . .] das wegzuwerfen, das am Weibe das Schönste und Wertvollste ist, und wie töricht es ist, sich ängstlich zu schmücken, frisieren, zu putzen; wie verderblich, anderer Augen und Begierden auf sich zu lenken. Die das und ähnliches aus natürlicher Sittlichkeit oder infolge guter geistiger Verfassung oder durch Lesen weiß, während ihr Herz von frommen Entschlüssen erfüllt ist, die wird niemals etwas Schimpfliches zulassen; oder wenn sie dennoch es tut, trotzdem so viele Tugendlehren, so viele fromme Ermahnungen und Winke sie vom Bösen abhielten, so kann man daraus schließen, wie sie erst sein würde, wenn sie nichts von Tugend gehört hätte. [. . .] Welche Bücher kann und soll man denn lesen, wird man nun fragen. Über einige gibt es keinen Zweifel, so über die Evangelien des Herrn, die Taten der Apostel und ihre Briefe, die geschichtlichen und moralischen Erzählungen des Alten Testaments. Über einige muß man verständige und gelehrte Männer um Rat fragen. Die Frau darf nicht leichtsinnig dem eigenen Urteile folgen, f.. .] Sie soll stets bedenken und sich erinnern, daß es nicht ohne Grund ist, wenn Paulus den Frauen das Amt des Redens und Lehrens in der Kirche vorenthalten hat, sondern will, daß sie den Männern Untertan seien und schweigend lernen, was ihnen not tut. [. . .] Denn alles dieses ist nützlich fürs Leben und für Geist und Herz eine wundervolle Labung. Daher soll sie an Festtagen immer und zuweilen auch an den Werktagen solches lesen und hören, was den Geist zu Gott erhebt [. . .] und uns besser macht. [. . .] Sobald du [. . .] etwaige Dinge im Hauswesen besorgt hast, lies etwas von dem, was wir ausgeführt haben, ruhig und mit Überlegung, wenn du überhaupt das Leben verstehst; wenn nicht, so lasse es dir vorlesen. [. . .] Glaube nur nicht, daß die Feiertage von der Kirche eingesetzt sind, damit du spielen und müßigem Geplauder mit deinen Genossinnen dich hingeben kannst, sondern sie sind nur zu dem Zwecke da, daß du da um so eingehender und mit mehr Sammlung an Gott denkst und über dies kurze Erdenleben und jenes ewige Leben im Himmel nachdenkst."
Mat. 24
So brachte man Kindern damals Lesen und Schreiben bei
Mat. 25 (1534)
Arbeitsaufgaben:
- Von welcher Vorstellung geht Vives aus, wenn er für die Erziehung der Jungen umfangreiche Bücher für notwendig hält, für die der Mädchen aber nur einige wenige Vorschriften?
- Welches oberstes Bildungsziel für Mädchen wird angegeben und welche Maßnahmen zu seiner Erreichung werden vorgeschlagen? Kannst Du Dir ein solches Ziel auch für Jungen vorstellen? Begründe Deine Entscheidung und suche weitere Bildungsziele für Jungen.
- Welche Hinweise auf die Vorstellung des Verfassers über die Natur der Mädchen/Frauen kannst Du finden?
- Aus welchen Gründen hält Vives die Bildung der Mädchen für sinnvoll? An welche Art Bildung denkt er dabei und welche Lektüre empfiehlt er dazu?
- Wem soll bei der Mädchenerziehung der Vorrang gegeben werden, der Bildung oder den häuslichen Fähigkeiten?
- Vergegenwärtige Dir die verschiedenen gesellschaftlichen Schichten. Glaubst Du, daß diese Erziehungsschrift alle Mädchen einbezieht oder nur die Angehörigen bestimmter Schichten? Begründe Deine Einschätzung!
B. Das Hexenbild
„Bei uns ist doch alles in Ordnung . . . oder?"
Als Anna die Tür zum Kronenwirt öffnete, schlug ihr ein Schwall von Bierdunst und Lärm entgegen. Voll war es ja immer hier, aber heute schien es besonders schlimm zu sein. Gern ging sie nicht hierher, wenn möglich versuchte sie sich davor zu drücken, denn sie konnte das laute Gegröle der Männer, ihre zotigen Sprüche und Witze nicht leiden. Deshalb versuchte sie sich jetzt so unauffällig wie möglich hinter den Rücken der Männer vorbei nach vorne zu drücken. Aber es wollte ihr nicht so recht gelingen, denn sie standen dichtgedrängt wie eine Mauer am Ausschank, sahen der Wirtin Maria Holl beim Bierzapfen zu und lamentierten. Ganz offensichtlich machten sie sich über einen jungen, blassen und vornehm wirkenden Mann lustig, der hinten an einem Tisch saß und geziert speiste.
- „An eurer Stelle würde ich ein wenig vorsichtiger sein, Männer", versuchte die Hollin dem Gespött ein Ende zu bereiten, „das ist der Herr Doktor Graf, ein Rechtsgelehrter aus Tübingen."
Die Männer lachten und schienen nicht besonders beeindruckt zu sein.
- „Zu was brauchen wir denn hier einen Rechtsgelehrten aus Tübingen, wir haben doch schon selber einen, und der Doktor Röttinger ist mehr als genug! Den hat bestimmt der Pferinger hergeholt, so ehrgeizig wie der ist."
Der Pferinger war der neue Bürgermeister, das wußte Anna, denn die Leute munkelten viel über ihn. Er sei noch recht jung und wolle unbedingt Karriere machen, hieß es. Nach dem Grundsatz „neue Besen kehren gut" hatte er gleich zu Anfang eine Reihe strenger Vorschriften erlassen.
Mat. 26 Frühneuzeitliche Gaststätte (1532)
Jetzt war es dem Rechtsgelehrten wohl zu bunt geworden, denn nun mischte er sich ein, um die Ehre seines Berufsstandes zu verteidigen:
- „Es gibt besonders schwerwiegende Verbrechen, bei denen es notwendig ist, die neuen Rechtsvorschriften zu kennen und die Diskussion an den Universitäten zu Rate zu ziehen. Darum bin ich hier."
- „Was denn für ein besonders schwerwiegendes Verbrechen, he?"
fragte einer der Männer.
- „Das crimen magiae oder die HEXEREI, wenn ihr das besser versteht, die nach göttlichem und weltlichem Recht zu verfolgen ist."
Arbeitsaufgaben:
Was verstehst du unter Hexerei? In welchem Zusammenhang hast du schon von Hexen gehört, und wie sehen sie deiner Meinung nach aus?
Die Nördlinger hörten ihm zu, aber verstanden ihn nicht.
- „Die Hexen, diese Unholdinnen stehen im Bündnis mit dem schwärzesten aller Unholde, dem Teufel selbst. Sie sind ihm zu willen und haben daher Macht über Menschen und Vieh, den Hagel und das Wetter. Es gibt immer mehr von ihnen, denn die Weiber haben eine Schwäche von Natur aus und eine Neigung zum Laster, bei dem sie der Teufel packt, um sie dann zu verführen. Um sich ihrer zu erwehren, ist kein Mittel hart genug. Deshalb müssen die Gerichte hart zupacken, um die Übeltäterinnen zu vernichten und der Welt einen Dienst zu erweisen."
Mat. 27 (1555)
Die Nördlinger blickten verständnislos.
- „Was sollen sie denn getan haben, die Hexen?"
- „In Basel hat eine gestanden, sie habe mit ihren Gespielinnen bei einem Fest den ganzen Wein geleert, und was sie nicht haben leeren können, das haben sie verdorben!"
- „Und was war mit dem Bier?" fragte ein Alter.
- „Den Wein hab ich gesagt, haben sie verdorben, nicht das Bier!"
Die Nördlinger schienen nicht besonders überzeugt von der Schädlichkeit der Hexen. Der Doktor suchte nach etwas Eindrucksvollerem. „In Tübingen war eine, die hat gestanden, den Männern die Mannbarkeit abgehext zu haben, so daß sie's nicht mehr konnten. Das ist Niedertracht, das ist Gemeinheit", ereiferte sich der Doktor. Die Männer schlugen sich auf die Schenkel und grölten.
- „Ja, lacht nur! Ihr werdet euch noch wundern, wenns euch genauso geht und sie dazu eure Ernte verderben. Dann wird euch das Lachen schon noch vergehen!"
- „Aber wir haben doch noch nie Hexen hier gehabt; und wenn es welche gäbe, so hätten wir es doch längst gemerkt!" „Das denkt ihr, ihr Einfaltshansel, ihr Tölpel. Die sind viel zu geschickt, als daß ihr ihnen so ohne weiteres auf die Schliche kommen könnt, denn sie haben sich mit dem Satan verbündet, der ihnen Macht über die Natur verleiht; und sie setzen sie auf hinterlistige Art in vielerlei Gestalt gegen den Willen Gottes ein."
versetzte der Doktor.
- „Aber wie soll das denn gehen?"
Der Doktor raufte sich die Haare. War es denn möglich, daß die Nördlinger aber auch gar nichts von all dem teuflischen Unwesen mitbekommen hatten?
- „Ja habt ihr denn nicht gemerkt, wie sie sich die Kräfte der Natur zu eigen machen. Mit tausend Kräutern und gebrauten Säften suchen sie zu verhindern, daß neues, gottgewolltes Leben entsteht. Und auf gleiche Weise können sie Menschen, die Gott bereits von ihrem irdischen Dasein erlösen wollte, mit Einsatz dieser teuflischen Mittel ins Leben zurückholen und sie so seinem Zugriff entziehen!"
- „Aber Kinder kommen doch alleweil genug, so daß man oft nicht mehr weiß, wie man sie noch ernähren soll. Und außerdem ist es doch nicht schlecht, wenn einer geheilt wird von seiner Krankheit",
meinte ein ärmlich aussehender Bauer ganz harmlos.
- „Nicht schlecht nennt Ihr das also",
kreischte der Doktor empört, „ich nenne des Teufels Werk, denn es ist gegen Gottes Willen und deshalb eine teuflische Zauberei."
- „Aber wie kann denn einer gegen Gottes Willen handeln, ich mein, ist Gottes Macht denn nicht größer als alles andere?"
Allmählich wurde der Doktor unwillig.
- „Ich habs euch doch schon erklärt, sie erhalten ihre Macht vom Teufel, dem Gegenspieler Gottes auf Erden, dafür, daß sie ihm zu Willen sind. Die Weiber aber sind besonders anfällig für seine Schmeicheleien, denn sie sind von Natur aus eitel und lasterhaft und können nie genug bekommen, deshalb geben sie sich ihm hin. Dann aber fahren sie nachts aus, bestreichen sich mit Hexensalbe und fliegen zum Blocksberg, wo sie mit dem anderen Hexenvolk ihre teuflischen Getränke brauen und ihre lasterhaften Feste abhalten!"
Das kam den Nördlingern aber doch etwas wunderlich vor; und sie blickten ihn zweifelnd an.
- „Himmel, Herrgott",
der Doktor war jetzt ärgerlich,
- „versteht ihr Dummköpfe denn nicht, welche Wohltat in der Verfolgung und Beseitigung der Hexerei liegt! Die wollen uns alle verderben, in Schmutz und Sünde ziehen. Aber soweit werden wir es nicht kommen lassen. Nein, niemals! Jetzt müssen sie vor dem Rat ihre Untaten bekennen, wem sie Übel zugefügt haben und mit wem sie zu ihren satanischen Festen gehen. Jetzt wird auch in Nördlingen aufgeräumt!"
Mit kalter Entschlossenheit im Gesicht stand er auf und verließ die Schankstube.
Nun waren die Nördlinger aber doch etwas eingeschüchtert.
- „Der Herr Doktor wird schon wissen, wovon er spricht. Und recht hat er ja, ehe sie uns verbrennen, sollen sie brennen."
Die anderen nickten zustimmend und wandten sich wieder ihrem Bier zu.
Anna war so verwirrt, daß sie, ohne
weiter an ihren Vater zu denken,
hinauslief. Natürlich hatte sie schon
vorher von Hexen gehört, aber das war
doch alles weit weg gewesen. Das gab
es doch nicht hier in Nördlingen, hier
lebten doch nur normale Menschen!
Aber was hatte der Doktor gesagt:
„Jetzt wird aufgeräumt." Ein kalter
Schauder überlief sie, als sie an seinen
entschlossenen Gesichtsausdruck
dachte. Auf einmal sah die Stadt gar nicht mehr so freundlich aus, sondern abweisend und feindlich. Schnell lief sie nach Hause.
Ihre Mutter aber war nicht da, so rannte sie sofort zur Steinbäurin hinüber, denn sie mußte unbedingt sofort loswerden, was sie gehört hatte. Von dort kam ihr bereits von weitem ein schwacher Duft von Rosmarin entgegen, der sie Böses ahnen ließ. Beim Näherkommen bestätigten das Jammern und Klagen der Steinbäurin und die tröstenden Worte der Mutter diese Ahnung. Der kleine Jörg mußte gestorben sein, die Mutter hatte also nichts mehr ausrichten können.
„Jetzt wird auch
in Nördlingen
aufgeräumt!"
Mat. 30 (um 1490) Mat. 31 (1626)
Arbeitsaufgaben:
- Stellt zusammen, welche Schandtaten der Rechtsgelehrte Graf den Hexen zuschreibt.
- Wie erklärt er seine Behauptung, daß Menschen über derartige magische Kräfte verfügen können?
- Welchen Grund gibt er für seine Auffassung an, daß Hexen in der Mehrzahl weiblich sind? Welche Verbindungen zu dem in der Quelle über Mädchenerziehung (Mat. 23) ausgedrückten Frauenbild kannst du ziehen?
- Wie reagieren die Nördlinger auf die Ausführungen Grafs, und wie reagiert Anna?
- Die Bilder stellen (außer dem Hexensabbat) alle wesentlichen Bestandteile des Hexenwesens dar, die immer wieder als Grundlage für eine Anklage wegen Hexerei dienten. Beschreibt die dargestellten Handlungen und Personen und versucht, übergeordnete Begriffe für sie zu finden.
Mat. 32 Hexensabbat auf dem berühmten Blocksberg
(„Eigentlicher Entwurf und Abbildung des Gottlosen und verfluchten Zauberfestes." M. Herr. Erste Hälfte des 17. Jhts.)
Arbeitsaufgabe:
So haben sich die Zeitgenossen des 17. Jahrhunderts die Zusammenkünfte der Hexen, den Hexensabbat, vorgestellt.
Betrachtet das Bild genau und beschreibt, welche Elemente des Hexen-und Zauberwesens hier ausgedrückt sind.
Das Hexenwesen in der Vorstellung der Zeitgenossen
Zum Hexenwesen gehörten nach Meinung der Zeitgenossen immer vier Elemente: Teufelspakt und Teufelsbuhlschaft, Schaden-/Nutzenzauber und die Teilnahme am Hexensabbat. Als Voraussetzung für jegliches Treiben der Hexen wurde der Pakt zwischen der Hexe und dem Teufel gesehen. Die Hexe wurde vom Teufel gegen den Einsatz ihres Seelenheils mit übernatürlichen Kräften ausgestattet, die sie befähigten, Macht über die Natur und die Menschen auszuüben. Diese mußte sie zum Schaden der Menschen einsetzen, aber auch viele nutzbringende Eingriffe in die Natur wurden zum Hexenunwesen gezählt (Schaden- und Nutzenzauber).
Der Teufelspakt wurde durch den Geschlechtsverkehr zwischen Teufel und Mensch, die Teufelsbuhlschaft, besiegelt. Dieses Element war besonders entscheidend für die vorrangige Verdächtigung von Frauen als Hexen. In der Vermischung mit dem Teufel, der auf diese Weise für seinen Nachwuchs sorgte, sah man auch die Bestätigung für das schnelle Anwachsen der Hexengemeinde und die notwendige schnelle Ausrottung. Nachdem der Pakt geschlossen war, wurde der neuen Gefolgsfrau/ dem neuen Gefolgsmann vom Satan das Hexenmal aufgedrückt, das wie ein gewöhnlicher Leberfleck aussah, aber nicht blutete, wenn man hineinstach.
Auf dem Hexensabbat schworen die Mitglieder der Teufelsgemeinschaft ihrem alten Gott, der Kirche und den Sakramenten ab, bekundeten ihre Gefolgschaft mit dem Kuß auf den Hintern des Teufels und gaben sich ausgiebig allen nur erdenklichen Arten des Lasters hin. Zum Hexensabbat flogen die Hexen auf Tieren oder Besen; dazu mußten sie sich vorher mit der Hexensalbe eingestrichen haben, deren Zusammensetzung den Zeitgenossen nicht genau klar war. Unabdingbar sollten verschiedene Kräuter und Körperteile eines neugeborenen Kindes sein. Die Salbe befähigte die Hexen nicht nur zum Fliegen, sondern auch zur Unemp-findlichkeit gegen Schmerzen der Folter. Des weiteren leistete sie gute Dienste für verheiratete Frauen zur Einschläferung der Ehemänner, um unbemerkt zum Sabbat ausfahren zu können. Sie diente außerdem zur Durchführung des Schadenzaubers. Jedenfalls war damals die Mehrheit davon fest überzeugt.