Autorinnen im Umkreis der Höfe
»Wem Gott Wissen und Beredsamkeit gegeben hat, darf das nicht verschweigen und verheimlichen, sondern muß sich bereitwillig hervortun« (Die Lais, Prologue, 1-4). Diese von vielen mittelalterlichen Autoren angeführte Begründung für das Verfassen eines Werkes ist in dem zitierten altfranzösischen Prolog nicht ohne Brisanz und dient vielleicht sogar der Rechtfertigung, denn die Verse stammen aus der Feder einer Frau, die selbstbewußt und mit einem unverkennbar eigenen Stil die französische Erzählliteratur des 12. und 13.Jahrhunderts mitgestaltet hat.
Me numerai pur remembrance:/ MARIE ai num, si sui de FRANCE ... « - »Ich werde meinen Namen nennen, damit man sich an mich erinnert: Maria heiße ich, ich stamme aus Frankreich. Mag sein, daß viele Schriftsteller behaupten werden, mein Werk sei das ihre. Aber ich will nicht, daß irgendeiner es ihnen zuschreibt. Der handelt nämlich falsch, der nicht an sich selbst denkt. (Äsop, EpiIogus, 3-8)
Marie de France spricht es unmißverständlich aus: Sie insistiert auf ihrer Autorinnenschaft und sie legt Wert auf ihren Nachruhm. Für einen Autor des Hochmittelalters ist das ungewöhnlich: Das Selbstbewußtsein, mit dem sie sich als Schöpferin des Werkes in den Vordergrund stellt. Ebenso ungewöhnlich ist die Nennung der individualpsychologischen Motive, die sie als Beweggründe für ihr Dichten anführt. Schreiben ist für sie ein Teil ihrer Lebensstrategie:
Wer dem Laster Widerstand leisten will, muß studieren und danach streben, ein schwieriges Werk zu beginnen, denn dadurch kann man sich eher davon fernhalten und sich von einem großen Schmerz befreien.
(Die Lais, Prologue, 23-27)
Das alte Sprichwort »Müßiggang ist aller Laster Anfang« erhält hier einen neuen Klang: Schreiben als Selbsttherapie. Diese Worte lassen aufhorchen, machen neugierig auf das Individuum, das hier spricht. Aber über Marie de France, ihre Persönlichkeit, ihren Lebensweg wissen wir - ähnlich wie über die meisten anderen mittelalterlichen Autoren nahezu nichts. Sie lebte - so viel ist sicher - zur Zeit Heinrichs II., des wichtigsten Mäzens der französischen und lateinischen höfischen Literatur, in England und hat in französischer Sprache drei Werke veröffentlicht: Sie hat eine Sammlung äsopischer Fabeln verfaßt und so die volkssprachige Äsop-Tradition eingeleitet, die in der mittelalterlichen Literatur eine wichtige Rolle gespielt hat. Sie hat, gestützt auf einen - nach Ansicht der Zeitgenossen dokumentarischen lateinischen Bericht, eine Erzählung über die Fegefeuer-Expedition des irischen Ritters Owein geschrieben. Und sie hat einen Zyklus von zwölf Verserzählungen gedichtet, den sie einem edlen König, höchstwahrscheinlich Heinrich II., gewidmet hat. Einige Indizien deuten darauf hin, daß Marie de France mit der Äbtissin Mary von Shaftesbury, einer Halbschwester Heinrichs II. und illegitimen Tochter Graf Gottfrieds IV von Anjou, identisch sein könnte. Die Herkunft aus dem Hause Anjou, die Verwandtschaft mit dem englischen König, die Stellung als Äbtissin könnten - wenn sich die Indizien zu einer Indizienkette zusammenschließen ließen - dazu beitragen, die ungewöhnliche Erscheinung der Marie de France zu erklären: ihre umfassende Bildung, ihre Kenntnis antiker und zeitgenössischer Autoren, ihre Vertrautheit mit dem Kirchenrecht und dem zeitgenössischen Gerichtswesen und ihre auffällige Gelassenheit, mit der sie gegen die herrschenden Konventionen verstieß, indem sie als Frau Liebesdichtungen verfaßte und mit ihren Verserzählungen, den sogenannten Lais, eine neue literarische Form, ein neues Thema und eine neue Sehweise in die französische Literatur einführte.
Im Prolog zu den Lais gibt Marie über ihr schriftstellerisches Programm präzise Auskunft:
Deshalb dachte ich zuerst daran, irgendeine gute Geschichte zu verfassen und sie vom Lateinischen ins Französische zu übertragen; aber das würde mir kaum Anerkennung einbringen: So viele andere haben sich schon das zur Aufgabe gemacht! Ich dachte an die Lais, die ich gehört hatte. Ich hegte keinen Zweifel daran, ja ich wußte es wohl, daß diejenigen, die sie zuerst begannen und die sie weiterverbreiteten, sie zur Erinnerung an die abenteuerlichen Geschehnisse verfertigten, die sie vernommen hatten. Mehrere davon habe ich erzählen hören und ich will sie nicht auf sich beruhen lassen und vergessen. Ich habe einige davon in Reime gefaßt und eine Dichtung daraus gemacht, oftmals bin ich deshalb wach geblieben.
(Die Lais, Prologue, 28-42)
Das sind erstaunliche Sätze. Im Widerspruch zu den mittelalterlichen Poetiken und zu den meisten ihrer Schriftstellerkollegen betont Marie, daß nur derjenige Dichter großen Ruhm verdiene, der neue Wege beschreite.
Auch dürfte es schwerfallen, einen Autor des 12. oder 13. Jahrhunderts ausfindig zu machen, der mit derselben Weitsicht wie Marie die schließliche Dominanz der Schriftlichkeit über die Mündlichkeit und den damit verbundenen Verlust der mündlichen Poesie vorausgesehen hätte. Bereits Geoffrey von Monmouth und Wace hatten die in der mündlichen Dichtung tradierten Sagenstoffe, auf die Marie sich hier und in den meisten ihrer Lais beruft, in die Literatur eingefiihrt. Aber sie hatten der matiére de Bretagne nur jene Motive entnommen, die in ihre schwerterrasselnde Mord- und Intrigantengeschichte paßten. Marie dagegen hat aus diesen Stoffen und Motiven in der von ihr erfundenen Gattung der höfischen Verserzählung ein poetisches Minne-Land errichtet, dem spätere Autoren wesentliche Inspirationen verdanken.
Die französische Adelsgesellschaft hat die Liebe nicht erfunden (auch das hat man gelegentlich behauptet), aber sie hat Ende des 11., Anfang des 12. Jahrhunderts eine eigentümliche Minnekultur entwickelt, in der Dichtung und Gesellschaftsspiel eng miteinander verknüpft waren. Sie hat jahrzehntelang über Wesen und Wirkung der Liebe nachgedacht, die psychische Befindlichkeit der Liebenden analysiert, die Idee der Liebe in das Zentrum der höfischen Wertordnung gerückt und über das rechte Verhalten in der Liebe räsonniert. Sie hat das Spiel mit der »höfischen Liebe« offensichtlich ernst genommen. Aus der Perspektive der Herren wird die Beliebtheit der höfischen Minnelieder und Minneromane nicht verständlich. Vor- und außereheliche Sexualbeziehungen adeliger Männer zu sozial niedriger stehenden Frauen galten als selbstverständlich. Es will folglich nicht recht einleuchten, daß die Herren der dichterischen Darstellung häufig unerfüllter Liebe ein vitales Interesse entgegengebracht hätten. Bleibt die Sicht der Damen. Adelige Frauen, die häufig gebildeter waren als ihre männlichen Standesgenossen, hatten eine wichtige Funktion im mittelalterlichen Literaturbetrieb. Politisch, rechtlich und ökonomisch waren sie in einer inferioren Position, durch frauenfeindliche Äußerungen wurden sie diskriminiert, aber als Gattinnen, Mütter und Schwestern haben sie nicht selten einen beträchtlichen Einfluß ausgeübt. Einige haben darüber hinaus bedeutende politische Rollen gespielt, so z. B. Ermengarde von Narbonne, Eleonore von Poitou, die in zweiter Ehe mit Heinrich II. von England verheiratet war, und ihre Tochter Marie de Champagne, die auch die höfische Minnekultur nachhaltig gefördert haben. Ermengarde hat ihre Erbländer ein halbes Jahrhundert lang selbständig regiert und Eleonore von Poitou hat ihre Erbländer im Einvernehmen mit ihrem zweiten Mann jahrzehntelang selbständig verwaltet. In ihrer sexuellen Freiheit wurden die Frauen empfindlich behindert. Die konventionelle Geschlechtsmoral beschränkte die erotischen Aktivitäten der Frau auf die Ehe. Nach Auskunft der mittelalterlichen Theologen war freilich auch der eheliche Sexualverkehr schwerlich ohne läßliche Sünde. Und der leidenschaftliche Ehegatte galt als Ehebrecher an seiner eigenen Frau. Aber die feudale Ehe war ohnehin meist eine lustlose Angelegenheit. Sie diente der Politik und bestenfalls der Fortpflanzung. Für das Vergnügen des Mannes waren Konkubinen zuständig. Das war der Normalfall, denn nur die außerehelichen Beziehungen der Frau, nicht dagegen die außerehelichen Amouren des Mannes wurden als Ehebruch gewertet. Inwieweit die Frauen sich durch die Zumutungen ihrer Umwelt einschüchtern ließen, wissen wir nicht. Einige Todesurteile wegen Ehebruch, der von den Chronisten überlieferte Hofklatsch und die höfische Dichtung liefern uns hier nur ein diffuses Bild. Vielleicht haben nicht wenige Frauen mit List und Tücke gelegentlich ein persönliches Glück gegen die gesellschaftlichen Widerstände realisiert. Aber selbst solche Glücklichen hatten einigen Grund, ihren von der miserablen Realität gestreßten Geist ab und zu durch utopische Träumereien, z.B. durch das Spiel mit der »höfischen Liebe«, zu erfrischen.
Die französischen adeligen Damen haben nicht im stillen Kämmerlein vor sich hin phantasiert, sie haben vielmehr versucht, den Männern ihre Träumereien schmackhaft zu machen, indem sie die höfische Minnegeselligkeit inszenierten. In diesem Spiel wurde die Grenze zwischen Fiktion und Realität kunstvoll verschleiert. Beim Vortrag der Minnekanzone wurde die Hofgesellschaft durch Anspielungen, Anreden, Geleitstrophen und Verstecknamen in den Liedvorgang miteinbezogen. Der Troubadour trat in der Rolle des Liebenden auf und gab vor, nur von seinen eigenen Erlebnissen zu sprechen und seiner Dame durch seinen Gesang zu dienen. Durch diese Selbststilisierung gewann auch die Minnedame einen Schein von Existenz. Außerdem haben die Troubadoure ihre Minnekanzonen gelegentlich öffentlich als Huldigungs- und Preislied an einzelne Damen der höfischen Gesellschaft gerichtet und so eine Art »Frauendienst« geleistet. Und in minnekasuistischen Fragespielen und Streitgedichten, die leicht in eine Publikumsdiskussion übergehen konnten, wurden Probleme der »höfischen Liebe« mit freimütiger Gelassenheit erörtert. Diskutiert wurden Fragen wie die folgenden:
Soll ein Verehrer, dem seine Dame günstig gesinnt ist, oder ein Verehrer, dessen Dame ungnädig ist, mehr in seinem Minnedienst aufgehen? Welcher von zwei Liebhabern liebt mehr: der, welcher nach der Abweisung durch seine Dame ganz an höfischem Wert verliert, wie er ihn zuvor besaß, oder der, welcher ebensosehr an Wert gewinnt, obwohl er zuvor keinen aufwies?
Ohne das sachliche Engagement der Damen hätte sich die französische Minnekultur kaum entfaltet. Aber die höfische Liebesdichtung war keine Tendenzpoesie. Liebestheoretische Gespräche gaben Gelegenheit, Esprit, Schlagfertigkeit, Redekunst, Witz und Ironie unter Beweis zu stellen. Im Mittelpunkt des Interesses stand nicht das Sachproblem, sondern die Kunstfertigkeit in der Argumentation. Deshalb wurde das dilemmatische Streitgedicht bevorzugt, dessen formale Struktur eine sachbezogene Diskussion unmöglich macht. Der Fragende stellt hier ein Problem in Form eines Dilemmas mit zwei Lösungen zur Debatte. Der Partner wählt eine davon, der Fragesteller muß die übriggebliebene verteidigen. Er ist folglich daran interessiert, sein Dilemma künstlich so zu konstruieren, daß beide Lösungen gleich gut vertretbar, die Streitfrage also unlösbar ist. Die überwiegend distanziert-spielerische Einstellung erklärt auch das Vergnügen an reinen Nonsensproblemen, wie z. B.:
Zieht Ihr warme Kleidung im Winter oder eine höfische Geliebte im Sommer vor? Was haltet Ihr für vorteilhafter: Drei Glas eines Aphrodisiakum oder drei Damen alle Tage? Wenn Eure Dame ihre Hingabe von einer Liebesnacht mit einer zahnlosen Alten abhängig macht, wollt Ihr diese Bedingung lieber vorher oder nachher erfüllen?
Die Stimme der Marie de France hat in dem Stimmengewirr der Minnesänger, Minnedichter und Minnetheoretiker einen ganz eigenen, individuellen Klang. Marie stellt Liebe dar aus der Sicht einer Frau, die sich über die feudale Heiratspolitik und über die frauenfeindliche Doppelmoral empört, die die Sexualität der adeligen Frau darauf beschränkt, einem Ehegatten, den sie sich nicht selbst ausgewählt hat, legitime Erben zu gebären, während andererseits »jene rüpelhaften Höflinge [...] sich leichtfertig durch die ganze Welt hindurch vergnügen und dann damit prahlen, was sie tun« (Guigemar, 488-490). Marie spricht die sexuelle Unterdrückung der adeligen Frau mit ungewöhnlicher Offenheit aus. Eine ihrer Heldinnen zum Beispiel ist eine schöne, junge Frau, die von ihren Eltern an einen sehr alten Mann verheiratet wurde, der seinen Reichtum zu vererben und legitime Erben zu zeugen wünscht. Von dem eifersüchtigen Alten in einen Turm gesperrt, von seiner alten Schwester bewacht, von allen Menschen isoliert, vor Kummer krank und entstellt, bejammert die junge Schöne ihr Unglück und verflucht ihre Eltern:
Mein Schicksal ist sehr hart! In diesem Turm bin ich gefangen, nie werde ich da herauskommen, es sei denn durch den Tod. Dieser eifersüchtige Alte, wovor fürchtet er sich, daß er mich in so strenger Haft hält? Er ist so überaus töricht und dumm! [...] Verflucht seien meine Eltern und all die anderen, die mich diesem Eifersüchtigen zur Frau gaben und mich mit ihm verheirateten! An einem festen Stricke reiße ich und ziehe ich, [doch] niemals wird er sterben können! Als er getauft werden sollte, wurde er [sicher] in den Höllenfluß getaucht. (Yonec, 68-88).
Die Eingekerkerte wird erst wieder gesund und lebensfroh, als ihr sehnsüchtiges Verlangen auf märchenhafte Weise einen Geliebten herbeizaubert, der von nun an immer zur Stelle ist, wann immer sie ihn herbeisehnt. Diese Darstellung einer vorbildlichen Frau, die vor Liebesverlangen, das sich zunächst keineswegs auf einen bestimmten Mann richtet, krank wird, verletzte ein Tabu. Denn in der Erzählliteratur des Hochmittelalters gibt es nur zwei Typen liebesbereiter Frauen: den Typus der edlen Frau, die niemals an Liebe gedacht hatte, sich aber dann vor Liebe verzehrt, wenn sie erst einmal den einzigartigen, strahlenden Helden erblickt hat, auf den sie von nun an lebenslänglich, zwanghaft und häufig leidvoll fixiert ist, und den Typus der geilen, lüsternen Frau als Schreckgespenst.
Maries Gegenentwurf zur Wirklichkeit zeichnet sich vor anderen, vergleichbaren Liebesdarstellungen des 12. und 13. Jahrhunderts dadurch aus, daß er die Ideologien, gegen die er sich richtet, nicht nur teilweise, sondern ganz überwunden hat. In Maries Liebesparadies ist die Liebe gegenseitig, sinnenfroh und herrschaftsfrei. Minnesang und höfischer Roman dagegen spiegeln die Tyrannei des Mannes in der gesellschaftlichen Realität auch im fiktiven Gegenentwurf, wenn auch mit vertauschten Rollen, indem nun die Minneherrin mehr oder minder despotisch über den Mann herrscht. Nach mittelalterlich-christlicher Auffassung galt erotische Liebe als Quell alles Bösen und als ein Tor zur Hölle. In der höfischen Literatur wird dieser Gedanke in sein Gegenteil verkehrt, indem Liebe nun als Quell aller individuellen und gesellschaftlichen Vollkommenheiten dargestellt wird. Marie dagegen stellt Erotik ganz realistisch als eine mögliche Quelle individueller Freude dar, nicht als mehr, nicht als weniger. Das christliche Ideal der begierdelosen Frau ist in der Minnedame aufbewahrt, die unerreichbar oder doch nur sehr schwer zugänglich ist. Marie dagegen betont, daß eine edle Frau nicht lange zögern solle, denn nur eine Hure habe es nötig, den Mann lange warten zu lassen, um den Preis hoch zu treiben. Das christliche Ideal des asketischen Mannes ist der höfischen Dichtung ebenfalls nicht fremd. Der Minnesänger muß sich als erotischer Hungerkünstler bewähren und die Aventiure-Ritter müssen ihre Damen durch hervorragende Leistungen, und zwar fatalerweise durch kriegerische Heldentaten, erst mühsam verdienen. Marie dagegen hat darauf verzichtet, Erotik mit einer wie auch immer gearteten Erwerbs- und Leistungsethik zu verknüpfen.
Auch die mittelalterlich-christliche Ehemoral, die Verpönung leidenschaftlicher Liebe selbst in der Ehe, ist im höfischen Roman nicht durchgängig außer Kraft gesetzt. Das Paradebeispiel dafür ist Chrétiens bzw. Hartmanns Erec-Roman. Erecs Leidenschaft für seine frisch getraute Frau, so werden die Leser belehrt, absorbiert alle seine Energien, läßt ihn in Liebesgenuß versinken und macht ihn für sein Herrscheramt untauglich. Der Gedanke, Erotik mache asozial, wird am Ende des Romans in einer warnenden Utopie verdeutlicht. Das Liebesparadies, in dem Mabonagrin isoliert von der Gesellschaft zusammen mit seiner Freundin lebt, gibt sich von außen als schrecklicher Zaubergarten zu erkennen. Achtzig Ritter, die in den Lustgarten eindringen wollten, hat Mabonagrin getötet und ihre Köpfe auf Spießen aufgesteckt. In dieser Schreckensvision spiegelt sich die Angst des mittelalterlichen Mannes vor seiner eigenen Emotionalität, die Furcht einer Kriegergesellschaft, die Erotik, die damals in der Volkssprache an Stelle der schieren Sexualität besungen wurde, könnte den Mann weicher und versöhnlicher machen, seine Mordlust dämpfen, sein Aggressionspotential herabsetzen und die Männerkultur der Gewaltbereitschaft und Gewaltanwendung zerstören. Im 12. Jahrhundert, nachdem die europäischen Christen seit Jahrzehnten durch eine von der Kirche angeregte, von ihr freilich auch kanalisierte Friedensbewegung sensibilisiert worden waren, konnte die Furcht vor der friedenstiftenden Macht der Erotik nicht mehr unverhüllt, sondern nur noch verschleiert, als ihr Gegenteil, als Angst vor der angeblich gesellschaftsfeindlichen, da aggressiver und mordgieriger machenden Kraft der Erotik ausgesprochen werden.
Marie stellte ihre Utopie - auch darin unterscheidet sie sich von den meisten ihrer männlichen Dichterkollegen - nicht in den Dienst der landesfürstlichen Herrschaftsideologie. Minnesang und höfischer Roman bestätigten den Mitgliedern der höfischen Gesellschaft durch ihren elitären, sozial exklusiven Liebesbegriff (Bauern können nicht lieben, heißt es bei Andreas Capellanus), daß sie sich auch in einem so elementaren Bereich wie dem der Sexualität fundamental von den verachteten vilains unterschieden. Als vilains, »Bauerntölpel« wurden in der höfischen Dichtung alle diejenigen diskriminiert, die keinen Zugang zum Hof hatten oder die die Anpassung an die höfischen Gesellschaftsideale, Sitten und Umgangsformen verweigerten. Das attraktive Identifikationsangebot der höfischen Dichtung war also untrennbar mit der Forderung verbunden, den landesfürstlichen Hof als normensetzende und adelig-ritterliche Vorbildlichkeit erst ermöglichende Instanz zu akzeptieren. Diese Glorifizierung des Hofes war Marie de France ebenso fremd wie der Hochmut gegenüber den Bauern. Kein Dünkel hinderte sie daran, sich auf eine von ihr ausdrücklich als solche bezeichnete Bauernweisheit (»Herrengunst ist unbeständig«) zu berufen. Der Artushof ist bei ihr kein Ort der Vollkommenheit, ganz im Gegenteil: König Artus verstößt in einem ihrer Lais gegen seine Herrenpflicht, Lanval, einen vorbildlichen Ritter der Tafelrunde, zu belohnen; die übrigen Artusritter freuen sich über Lanvals Benachteiligung; Königin Ginover versucht, Lanval zu verfiihren und beschuldigt ihn, als er sich nicht als willfährig erweist, der Anstiftung zum Ehebruch und der Verbalinjurie; kurzum, am Artushof kann Lanval sein Glück nicht machen, er entflieht ins Feenreich Avalon.
Marie de France hat ihre Hofkritik und ihre Adelskritik, die sie hier in ein märchenhaftes Gewand eingekleidet hat, in ihrem Äsop ganz unverhohlen artikuliert: Als adelige Frau war Marie zugleich privilegiert und unterdrückt. Diese eigentümliche Zwischenstellung hat ihren Blick für soziale Ungerechtigkeiten ganz offensichtlich geschärft. Aus einer der Fabeln leitet sie die Sentenz ab:
Vernehmt die Lehre dieser Geschichte: Am Hof, wo man Betrug und lügnerische falsche Urteile wünscht, kann der redliche Mensch neben dem Betrüger keine Ehre gewinnen. (Äsop, XXXIV, 58-62)
Die Erzählung vom Wolf und dem Lamm interpretiert sie als Aussage über die Gerichtsbarkeit der Herrschenden:
- So nahm der Wolf das kleine Lamm, erwürgte es zwischen seinen Zähnen und brachte es um. Das tun auch die hochgestellten Räuber, die Vizegrafen und Richter mit denen, die sie unter ihrer Gerichtsbarkeit haben. Aus Habgier finden sie eine falsche Anklage, die ausreicht, um sie zu Grunde zu richten; oft lassen sie sie zu Gericht zusammenrufen: sie nehmen ihnen ihr Fleisch und ihre Haut, so wie es der Wolf dem Lamm tat. (Äsop, II, 29-38)
Eine weitere Fabel belehrt gemäß der Auslegung der Marie de France die Armen über ihr Widerstandsrecht und ihre Widerstandspflicht:
- Hier belehrt das Exempel viele Menschen, diejenigen, welche schlechte Herren über sich haben, sie sollen sie nicht unterstützen, sie sollen ihnen weder durch ihren Geist noch durch ihr Gut Beihilfe leisten, auf daß sie nicht noch stärker werden, vielmehr sollen sie sie nach Kräften schwächen. (Äsop, VI, 25-32)
Der Einfluß der Marie de France auf die europäische Erzählliteratur ist nicht gering einzuschätzen. Ihre Verserzählungen wurden nachgeahmt. Ihre Minne-Utopie hat Thomas von Britanje und durch seine Vermittlung Gottfried von Straßburg inspiriert. Auch in Gottfrieds Tristan wird der Hof kritisiert, ist die ideale Liebe gegenseitig, erfüllt und herrschaftsfrei. Maries Vorbild ist erkennbar, aber Gottfried hat Maries Anregungen auf seine Weise verarbeitet. Der Vergleich zwischen Gottfrieds Tristan und Maries Minnedichtung kann deshalb dazu beitragen, die spezifische Eigenart von Maries Liebesdarstellung noch genauer zu erfassen. Gottfried hat den Versuch unternommen, eine schlechthin nicht mehr überbietbare, grenzüberschreitende Liebe zu konstruieren, die Liebe eines Künstlerpaares, das über alle menschlichen Vollkommenheiten, alle damals nur erdenkbaren intellektuellen, künstlerischen und emotionalen Fähigkeiten verfügt, dessen Leidenschaft durch den Zaubertrank lebenslänglich aufs höchste gesteigert und durch die Ehebruchsituation in ständiger Spannung gehalten wird. Die Bedrohtheit durch die Umwelt ist hier kein Anlaß zur Empörung, sondern eine poetische Notwendigkeit. Dem Publikum wird bedeutet, sich nicht etwa mit dem Liebespaar zu identifizieren. Gottfrieds Stil ist esoterisch; das Verständnis seiner Dichtung ist nach seiner Auskunft einer ethisch-ästhetisehen Elite edler Herzen vorbehalten. Maries Dichtung entspricht diesen Kriterien nicht. In einigen ihrer Lais stellt sie ein alltägliches Lebensproblem der zeitgenössischen adeligen Frau dar, das Dilemma, entweder die eigene Sexualität zu unterdrücken oder unter Lebensgefahr, Verlust der Würde, der gesellschaftlichen Anerkennung und der damit verbundenen Selbstachtung sich für das elementare Menschenrecht auf erotische Erfüllung zu entscheiden. Maries Stil ist leicht zugänglich. Ihre Heldinnen und Helden sind, selbst wenn sie Tristan und Isolde heißen, keine Verkörperungen eines Bildes vom Menschen in seiner Idealität, sie sind vielmehr - um es einmal im landläufigen Sprachgebrauch von heute auszudrücken - wie die meisten Figuren des höfischen Romans idealisierte Durchschnittsmenschen, sie laden die mittelalterlichen Hörerinnen zur Identifikation ein.
Marie de France hat ihren Zorn und ihre Hoffnungen in poetisch schöne Bilder eingekleidet, die wie Traumbilder wirken, geheimnisvoll bleiben und zugleich unmittelbar verständlich sind. Die Märcheninnenwelten der Marie de France sind Entwürfe zu einer Welt, die es noch nicht gibt, sie sind auch aus einem Harmoniebedürfnis entstanden, dessen Intensität die Schmerzhaftigkeit der psychischen Verletzungen ahnen läßt, die sie durch eine Art multiple Schönheit - die des literarischen Ausdrucks, der Erzählung, der Topoi und Metaphorik - zu kompensieren, vielleicht sogar zu heilen trachtet. In Maries Psychomärchen werden die gesellschaftlichen Unterdrückungsmechanismen durch hilfreiche Mächte außer Kraft gesetzt: Selbstfahrende Schiffe zum Beispiel bringen die Dame übers Meer zu ihrem Geliebten. Hindernisse werden hier aufgetürmt, um ihre Überwindung darzustellen. Die wenigen grellen Effekte geben Gelegenheit, die Hörerinnen nach dem Schockerlebnis wieder zu trösten: Die Nachtigall etwa, der der Ehemann brutal den Kopf abreißt, liegt später wie eine Reliquie in einem edelsteingeschmückten, goldenen Kästchen.
Das spielerisch Leichte in der Kunst ist bekanntlich das, was schwer zu machen ist. Metapherngenauigkeit ergibt sich nicht von selbst. Bilder, die unmittelbar zugänglich sind und zugleich dunkel und vieldeutig, sind das Ergebnis künstlerischer Präzisionsarbeit und einer Literaturauffassung, die die spätere Arbeit der Kommentatoren und Interpreten als zum Werk gehörig betrachtet. Marie de France hat sich denn auch mit dem ihr eigenen Selbstbewußtsein in die Reihe der antiken Dichter gestellt, die
- sich in den Büchern, die sie einst verfaßten, recht dunkel ausdrückten, damit diejenigen, die nach ihnen kommen und die Bücher studieren sollten, deren Text auszudeuten und vermöge ihres eigenen Verstandes das über den Text Hinausgehende hinzuzufügen vermöchten. Die Philosophen wußten und verstanden es aus sich selbst heraus, daß die Menschen, je weiter die Zeit fortschreiten würde, einen umso feinsinnigeren Verstand bekämen und sie sich desto mehr davor zu hüten vermöchten, das zu übergehen, was in den Büchern stand. (Lais, Prologue, 11-22)
Menschenkenntnis und Geschichtskenntnis haben Marie de France zu der von Hoffnung geprägten Einsicht geführt, daß spätere Generationen zu einem Mehr an Wissen und zu tieferen Einsichten gelangen würden und daß dieser Zuwachs an Erkenntnis auch dem Verständnis ihres Werkes und ihrer Bildersprache zugute kommen würde. Heute können wir feststellen, sie hat sich in ihrem Urteil nicht getäuscht. Eines der Bilder, deren von der Autorin intendierte tiefere Bedeutung erst in unserem Jahrhundert unmißverständlich geworden ist, ist das Zentralmotiv in zwei ihrer Erzählungen und der Schlüssel zu ihrem gesamten Werk: Es ist das Bild der in einem Turm eingekerkerten Frau, die nach jahrelanger Gefangenschaft die Erfahrung macht, daß sie frei ist, daß sie den Turm auf wunderbare Weise verlassen kann, in dem Augenblick, in dem sie ihre eigene Freiheit vorbehaltlos will: Plötzlich eröffnet ein winziges, hochgelegenes Fenster den Weg ins Freie, oder die Tür steht plötzlich offen, und der Bewacher ist verschwunden.
Zu ihrer Zeit mußte Marie gegen sie gerichtete sarkastische und verleumderische Äußerungen einstecken, von denen sie sich allerdings nicht beirren ließ:
- [...] wenn es in einem Land einen Mann oder eine Frau von hohem Ansehen gibt, dann sagen ihnen diejenigen, die auf ihre Vorzüge neidisch sind, oft Gemeinheiten nach: Sie wollen ihr Ansehen herabsetzen; deshalb beginnen sie das Geschäft des bösartigen, feigen, arglistigen Hundes, der die Leute hinterlistig beißt. Keinesfalls will ich deshalb aufgeben, auch wenn Spötter und Verleumder es mir als Fehler auslegen wollen: Das ist ihr Recht, üble Nachrede zu führen. (Guigemar, 7-18)
Ob der eine oder andere Zeitgenosse Marie de France wegen ihrer Minnedichtung als närrisch oder lasterhaft verschrieen hat, wir wissen es nicht. Die uns überlieferten, zeitgenössischen Kritiken gehen in eine andere Richtung: Der Romanautor Gautier d'Arras mißbilligte die Märchenhaftigkeit ihrer Erzählungen. Der Benediktinermönch und Hagiograph Denis Piramus kritisierte am Beispiel ihrer Erzählungen die weltliche Dichtung generell. Im übrigen liest sich sein Tadel eher wie ein Lob. Er hebt Maries meisterhafte Beherrschung der Dichtkunst hervor und betont, daß ihre Erzählungen, weil sie Mühsal und Schmerz des Lebens aus dem Bewußtsein verdrängten, beim höfischen Publikum, bei Grafen, Baronen, Rittern und vor allem bei den adeligen Damen, ganz außerordentlich beliebt seien.
Der Beitrag der Marie de France zum literarischen Diskurs ist lange Zeit unterschätzt oder auch gar nicht gesehen worden. Dann begannen die Spezialisten untereinander zu flüstern. Heute nennen sie Marie de France in einem Atemzug mit Chretien de Troyes, Wolfram von Eschenbach, Gottfried von Straßburg, Walther von der Vogelweide. Kein Zweifel, Marie de France ist eine Autorin von hohem literarischem Rang, eine - ich gebrauche das Wort als maßstäblichen Wertbegriff - Klassikerin der europäischen Literatur des Mittelalters.
Während Marie de France als Epikerin im 12. und 13. Jahrhundert eine einzigartige Erscheinung war, traten damals in Frankreich eine Reihe von Frauen als Troubadourinnen hervor. Gormonda von Montpellier hat in einem politischen Lied die albigensischen Ketzer angegriffen. Maria de Ventadorn, Guillelma de Rozers, Domna H., Isabella, Lombarda, die Gräfin der Provence, Iseut de Chapieu, Almois de Castelnou, Alaisina Yselda, Carensa haben Dialoglieder und Streitgedichte verfaßt. Azalais de Porcairagues, Castelloza, Clara d'Anduze haben Minnekanzonen gedichtet, in denen sie die traditionelle Rollenverteilung »liebeskranker Sänger liebt unerreichbar über ihm stehende Dame« umkehrten. Die berühmteste Troubadourin ist - nicht erst seitdem Irmtraud Morgner sie zur Titelheldin eines Romans gemacht hat - die Comtesse de Die, die einige der schönsten Gedichte der altprovenzalischen Lyrik verfaßt hat. Sie hat in ihren Texten eine Art Gleichrangigkeit der Liebenden hergestellt, indem sie nicht nur den Geliebten, sondern auch ihre eigenen herausragenden Qualitäten preist. Ihre Texte zeichnen sich aus durch das unverhüllte Aussprechen erotischer Wünsche und durch Klarheit und kunstvolle Leichtigkeit des Stils. Insgesamt sind rund zwanzig Gedichte von 17 namentlich bekannten altprovenzalischen Dichterinnen überliefert. Wie viele Texte verloren sind, läßt sich kaum abschätzen. Nicht erhalten sind zum Beispiel die Tanzlieder der Gaudairenca, der Ehefrau des Troubadours Raimon de Miraval, der, gemäß einer in zwei seiner Liedkommentaren überlieferten Anekdote, die Autorinnenschaft seiner Frau als Scheidungsgrund anführte:
- Miraval [...] sagte zu seiner Gattin, er wollte keine Frau haben, die dichten könne; ein Troubadour im Haus sei genug; sie sollte sich darauf vorbereiten, zum Haus ihres Vaters zurückzukehren, denn er betrachte sie nicht länger als seine Ehefrau.
Die deutschsprachige höfische Dichtung ist in Anlehnung und in Auseinandersetzung mit der französischen Literatur und Adelskultur entstanden. Im französischen Literaturbetrieb haben adelige Frauen als Gönnerinnen und als versierte Literaturkennerinnen eine hervorragende Rolle gespielt. Im Vergleich dazu war der literarische Einfluß der adeligen Frauen an den deutschen Fürstenhöfen gering. Aus diesem Grund wurden diejenigen Merkmale der französischen Minnekultur, die als ein verhüllter Protest gegen die sexuelle Unterdrückung der adeligen Frau hätten interpretiert werden können, in Deutschland nicht rezipiert. Deutschsprachige Tagelieder sind eine Rarität. In den deutschen Minnekanzonen ist noch seltener als in den romanischen von erfüllter Liebe die Rede. Tornaden (»Geleitstrophen«) und senhals (»Verstecknamen«), die den Eindruck hätten verstärken können, der Sänger werbe um eine reale Dame, wurden nicht nachgeahmt. Minnekasuistische Publikumsdiskussionen, Streitgedichte und die Praxis des Frauendienstes lassen sich in Deutschland nicht nachweisen. In diesem ganz anders gearteten geistigen Klima hätte sich die poetische Imagination einer Marie de France schwerlich frei entfalten können. Eine verheiratete Frau, die wie die Comtesse de Die ihre leidenschaftliche Liebe zu einem anderen Mann besungen hätte, wäre kaum mit Applaus bedacht, sondern wohl eher des Hofes verwiesen worden.
Nicht am Hof, sondern in alternativ zu Kloster und Familie lebenden Beginengemeinschaften haben Hadewijch und Mechthild von Magdeburg im 13. Jahrhundert ihre Liebesdichtungen verfaßt, in denen sie mit Leidenschaftlichkeit und erotischer Kühnheit von der wollüstigen Sehnsucht der liebeskranken Seele nach der Vereinigung mit Gott sprechen. Beide haben ihre wildwuchernden erotisch-religiösen Tagträume einer strengen Formung unterworfen. Hadewijch hat ihre Phantasie durch die tradierte Kanzonenstrophe gebändigt. Mechthild hat ihre emotionalen Erfahrungen durch eine eigens von ihr geschaffene, Poesie und Prosa verbindende Mischform strukturiert. Diese formale Selbstdisziplin unterscheidet die beiden Dichterinnen von der Masse der Mystikerinnen, die seit dem 13. Jahrhundert formlose Erlebnisprotokolle aufzeichneten oder diktierten, die sich nicht immer von Krankheitsberichten unterscheiden lassen, wenn etwa die wahnhafte Identifikation mit der Jungfrau Maria zu eingebildeten Schwangerschaften mit sich körperlich manifestierenden Schwangerschaftssymptomen führte.
Ein Zimmer für sich allein, Schreibmaterialien, Bücher: Das alles stand in den etablierten Nonnenklöstern zur Verfügung. Aber seit dem 13.Jahrhundert sind hier keine Autorinnen hervorgetreten, die sich vergleichen ließen mit: einer Hrotsvit von Gandersheirn, die im 10. Jahrhundert lateinische Geschichtsdichtungen, Legenden und - ganz ungewöhnlich in der damaligen Literaturszene - lateinische Lesedramen verfaßt hat; einer Herrad von Landsberg, die im 12. Jahrhundert eine reich bebilderte Enzyklopädie für ihre Nonnen zusammenstellte; mit einer Hildegard von Bingen, die ebenfalls im 12. Jahrhundert ihre politisch einflußreichen Sendschreiben an Papst und König richtete und visionäre naturwissenschaftliche, medizinische, kosmologische und ethische Traktate verfaßte. Seit dem 13. Jahrhundert waren die deutschen Nonnenklöster offensichtlich nicht mehr der Ort, an dem eine neue Literatur konzipiert werden konnte.
Nicht im Kloster, sondern in der Stadt Paris und im Umkreis französischer Fürstenhöfe hat Ende des 14. Jahrhunderts Christine de Pisan gewirkt. Sie hatte sich als Autorin von Liebesgedichten bereits einen Namen gemacht, als sie 1399 durch ihre Epistre au dieu damours (Epistel an den Gott der Liebe) Aufsehen erregte und die erste öffentlich geführte Literaturdebatte in der französischen Geschichte entfachte, den Streit um den Rosenroman, der die französischen Intellektuellen einige Jahre lang beschäftigte. Pisan hat den Rosenroman als Spitze eines Eisbergs einer jahrtausendealten Tradition frauenfeindlicher Argumente attackiert und die Lehre von der geistigen und moralischen Minderwertigkeit der Frau ideologiekritisch zerpflückt. Die Männer, so führte sie aus, hätten die Frauen nur deshalb unwidersprochen diffamieren können, weil sie die Stärkeren gewesen seien und die Frauen zum Schweigen gezwungen hätten:
- Ich antworte ihnen [denjenigen, die auf die literarischen Beispiele für die Schlechtigkeit der Frau seit der Antike verweisen], daß nicht Frauen die Bücher verfaßten und die Dinge in ihnen vorbrachten, die man darin gegen sie und ihre Sitten liest. [...] Aber wenn Frauen die Bücher verfaßt hätten, weiß ich wahrlich, daß es anders aussehen würde, denn sie wissen wohl, daß sie zu Unrecht angeklagt werden, und die Teile sind nicht gerecht abgeschnitten, denn die Stärkeren nehmen den größten Teil und das Bessere für sich [...]. (Oeuvres, II, S. 14)
Der Gedanke, daß die von Männern verfaßte Literatur nur ein Zerrbild der realen Frau vermittle und daß es die Aufgabe der Frauen selbst sei, diese Verfälschung zu korrigieren, hat Pisan nicht wieder losgelassen. In ihrem Livre de la Cité des Dames (Buch über die Stadt der Frauen) hat sie einen allegorischen Zufluchtsort für alle diejenigen Frauen errichtet, die sich durch frauenfeindliche Äußerungen sonst vielleicht deprimieren oder entmutigen ließen. In der »Stadt der Damen« herrscht die personifizierte »Justice« (»Gerechtigkeit«); »Raison« (»Vernunft«) hat die Fundamente gelegt; »Droiture« (»Rechtschaffenheit«) die Mauern erbaut; das Baumaterial sind die im Buch geschilderten rühmenswerten Taten und Werke kluger und gelehrter Frauen früherer Zeiten. Pisans allegorische Frauenstadt enthält ein Arsenal theologisch, rechtlich, ethisch und historisch fundierter Argumente für die Menschenrechte der Frau. Gott habe die Frau mit einer unsterblichen Seele begabt, nach seinem Bild wie den Mann als vollkommenes Wesen geschaffen, sie aus der Seite des Mannes als seine Gefährtin, nicht aus seinen Füßen als seine Sklavin gebildet. Was die angebliche ethische Minderwertigkeit der Frau angehe, so sei es unzulässig, den Frauen als schweres Verbrechen anzulasten, was den Männern als geringfügiges Vergehen nachgesehen werde. Zahlreiche historische Frauengestalten, die Pisan namentlich nennt und kurz porträtiert, seien der Beweis dafür, daß die Frauen nicht, wie die misogynen Schriftsteller immer wieder behauptet hätten, von Natur aus schlecht seien, weder die Eltern, noch den Ehemann, noch auch einen Geliebten aufrichtig lieben könnten, nur schädliche Ratschläge gäben, kein Geheimnis bewahrten, geizig, haltlos, schwach, unkeusch und über Vergewaltigungen nur erfreut seien. Die Frauen seien zwar körperlich schwächer als die Männer, aber sie verfügten über dieselben intellektuellen und kreativen Fähigkeiten, wie zahlreiche Herrscherinnen, Philosophinnen, Dichterinnen, Wissenschaftlerinnen, Erfinderinnen und Prophetinnen, so z.B. Nichole, Fredegonde, Semiramis, Thamaris, Penthesilea, Cenobie, Camille, Veronice de Capadoce, Cornificie, Probe, Sappho, Nicostrate, Ceres, Isis, Cassandra etc., erkennen ließen. Wenn die Frauen erst einmal dieselbe Ausbildung erhielten wie die Männer, dann würden auch sie wie die Männer in allen Bereichen der Kunst, Wissenschaft, Philosophie und Politik eine Fülle herausragender Taten vollbringen. Pisan hat ihre Kenntnis historischer Frauen der Bibel, Heiligenlegenden, Geschichtsdichtungen und Boccaccios De claris mulieribus (Darstellung berühmter Frauen) entnommen. Wenn man berücksichtigt, daß sich die mittelalterlichen Historiographen auf dergleichen Quellen zu stützen pflegten und daß sie ebensowenig wie Pisan über das methodische Rüstzeug verfügten, meist auch gar nicht den Willen hatten, Fiktionen und Fakten säuberlich zu trennen, dann kann man Pisans allegorisch-historische Darstellung mit Fug und Recht als historisches Nachschlagewerk bezeichnen. In ihrem Frauenhandbuch hat Pisan die ihrer Ansicht nach frauenfeindlichen Geschichtsverfälschungen ihrer Gewährsmänner auch im Detail zurechtgerückt: Xanthippe etwa, die seit Jahrtausenden als Ehedrachen des Sokrates durch die Geschichtsbücher geisterte, wird bei ihr zur vorbildlichen Ehefrau; und die als blutschänderisches Monster, als Gattin des eigenen Sohnes verschrieene Semiramis wird von Pisan - einige Jahrhunderte vor der Entstehung des Historismus - mit dem Hinweis auf die Zeitgebundenheit sittlicher Wertvorstellungen rehabilitiert.
Kurz vor ihrem Tod, im Jahre 1429, hat Pisan noch einmal zur Feder gegriffen, um eine zeitgenössische Heroin emphatisch zu feiern, Jeanne d'Arc, deren Hinrichtung sie wohl nicht mehr miterlebte:
- He! welche Ehre für das weibliche Geschlecht! Daß Gott es liebt, ist offenbar, da doch dieses große, hündische Volk, durch welches das ganze [französische] Volk verwüstet ist, durch eine Frau aufgescheucht und überwältigt wird, was den Männern nicht gelungen ist. (Pinet, S. 196)
Pisan hat sich öffentlich als Vorkämpferin für die Menschenrechte der Frau zu Wort gemeldet und sie hat ihre wagemutigen Publikationen nicht nur überlebt, sondern sie hat als bewunderte und gefeierte Autorin vom Erlös ihrer Schriften sogar leben können. Der erstaunliche Erfolg Pisans hängt wohl auch damit zusammen, daß ihre unzeitgemäßen theoretischen Einsichten ihren realistischen Sinn für das praktisch Mögliche nicht getrübt haben. In ihrem Buch Le Trésor de la Cité des Dames (Schatz der Damenstadt, auch unter dem Titel Le Livre des Trois Vertus), einer Tugendlehre insbesondere für die Dame am Hof ermutigt sie die Hofherrin zwar, ihre Machtchancen in den erlaubten Grenzen so weit wie möglich zu nutzen, sich z.B. mit den Ratgebern des Fürsten, mit der hohen Geistlichkeit, reichen Kaufleuten und Vertretern des Volkes zu verbünden, sie ermahnt die Hofherrin aber andererseits, die Herrschaftsgewalt des Eheherrn bedingungslos zu akzeptieren, auch einem despotischen Ehegatten die Loyalität nicht zu versagen und seine Eskapaden keineswegs mit gleicher Münze heimzuzahlen. Wie geschickt Pisan sich darauf verstand, mögliche Einwände gegen ihre Person und ihr Werk zu parieren, zeigt sich besonders deutlich im ersten Kapitel ihres Livre de la Mutacion de Fortune (Buch von der Wechselhaftigkeit des Schicksals). Hier nimmt sie der naheliegenden Diffamierung, als Autorin, als selbständig denkendes und handelndes Wesen sei sie eigentlich in Wahrheit keine Frau mehr, von vornherein den Wind aus den Segeln, indem sie von ihrer geheimnisvollen Geschlechtsumwandlung erzählt: Als sie nämlich nach dem Tod ihres Vaters und ihres Ehemannes alleine vor der Aufgabe gestanden habe, ihr Lebensschiff selbst zu lenken, drei kleine Kinder, zwei unmündige Brüder und eine Mutter zu versorgen, habe das Schicksal sich ihrer erbarmt und sie kurzerhand zu einem Mann gemacht.
Christine de Pisans Einsatz für die Menschenrechte der Frau, wir würden heute sagen, ihr Feminismus, ist nicht ihr einziger Beitrag zum literarischen Diskurs. Pisan hat in verschiedener Hinsicht neue Wege eröffnet. Hartnäckiger als ihre Schriftstellerkollegen stellte sie sich in ihrem Werk als individuelle Persönlichkeit mit dar, weil sie in der Auseinandersetzung mit der misogynen Literatur und im Streit um den Rosenroman die Einsicht gewonnen hatte, daß Urteile relativ und standortgebunden seien. Sodann beginnt mit ihr in Frankreich die Geschichte einer engagierten, zeitkritischen Publizistik von hohem literarischen Rang. Pisan hat im Unterschied zu ihren Schriftstellerkollegen versucht, ihre Manuskripte handschriftlich vervielfältigen zu lassen, um als Verlegerin ihrer eigenen Werke eine größere Unabhängigkeit von der Gunst ihrer adeligen Gönner und Auftraggeber zu gewinnen. Sie hat sich mit ihren Schriften engagiert und kritisch in öffentliche Belange eingemischt und sie hat alles Wissenswerte, das sie sich autodidaktisch durch Lektüre oder Erfahrung angeeignet hat, an die literarisch interessierte Öffentlichkeit vermittelt. Beginnt nicht auch mit ihr die Geschichte des Humanismus in Frankreich? Sie zeichnet sich vor ihren französischen Zeitgenossen durch jene Intensität des Interesses für die Literatur und für die Wissenschaften aus, die für die italienischen Humanisten charakteristisch ist. Als Humanistin ist sie zugleich Feministin, sie wehrt sich empört gegen die Unterstellung, als Frau sei sie vom Reich der Erkenntnis ausgeschlossen. Schon eineinhalb Jahrhunderte vor Jean Bodin hat sie die tradierte mittelalterlich-christliche Interpretation der Universalgeschichte als Heilsgeschehen durch ein von ihr geschaffenes, humanistisches Denkmodell ersetzt: In ihrem allegorisch-historischen Versuch einer Universalgeschichte, ihrem Buch von der Wechselhaftikheit des Schichsals, ist die alles bewegende Macht in der Geschichte die Schicksalsgöttin Fortuna.
Das umfangreiche Gesamtwerk Pisans ist leider zum größten Teil weder gesichtet noch ediert, aber bereits das Wenige, was zugänglich ist, läßt den Verdacht aufkommen, daß es sich bei Christine de Pisan um eine Vordenkerin der europäischen Geistesgeschichte handelt.
Christine de Pisan war eine unzeitgemäße Zeitgenossin. In der Folgezeit haben sich nicht wenige Epikerinnen, Lyrikerinnen und Verfasserinnen wissenschaftlicher Prosa in Italien und Frankreich einen Namen gemacht, während die Frauen in Deutschland noch den Mund hielten. Das hing offensichtlich mit der andersartigen kulturellen Entwicklung und den unterschiedlichen Bildungschancen von Frauen in Deutschland einerseits, in Frankreich und Italien andererseits zusammen. Die beiden Romanautorinneu Elisabeth von Nassau-Saarbrücken und Eleonore von Österreich, die der Gattung des Prosaromans im 15. Jahrhundert in der deutschsprachigen Literatur zum Durchbruch verholfen haben, waren bezeichnenderweise Ausländerinnen. Elisabeth, seit ihrer Heirat (1412) Gräfin von Nassau-Saarbrücken, war die Tochter Herzog Friedrichs V. von Lothringen, ihr Bruder Anton gehörte zum Dichterkreis um Karl von Orléans; Eleonore, seit ihrer Heirat (1448) Herzogin von Tirol, Tochter Jakobs I. von Schottland, erhielt die wichtigsten literarischen Anregungen während ihres Aufenthalts (1445-1448) am Hof Karls VII. von Frankreich. Ähnlich wie Hartmann von Aue, Wolfram von Eschenbach, Gottfried von Straßburg haben Elisabeth und Eleonore ihre Romane nach französischen Vorlagen gearbeitet. Von Elisabeths vier Romanen war der Huge Scheppel der unkonventionellste und erfolgreichste. Huge Scheppel, Sohn einer Metzgerstochter und eines Edelmanns, ein vergnügungssüchtiger und berechnend ehrgeiziger Don Juan, wird zum König und Erlöser Frankreichs, weil er im richtigen Moment mit seiner Streitaxt kräftig dreinschlägt. Er tötet den üblen Usurpator, der den König vergiftet hat, die Thronerbin zur Ehe zwingen und sich selbst als König etablieren will, gewinnt seinerseits Frau und Herrschaft und bringt die Machenschaften der Bösewichte, die allesamt zum französischen Hochadel gehören, mit Hilfe der Pariser Bürger endgültig zum Scheitern. Während der Huge Scheppel einen Sinn für makabren Humor und Freude an komischen und gruselig-schaurigen Effekten verrät, demonstriert Eleonores Pontus und Sidonis einmal mehr, wie sich ein tugendhafter Fürst und eine tugendhafte Fürstin gemäß der höfischen Ideologie zu verhalten hätten. Bei allen Unterschieden ist den beiden Autorinnen eines gemeinsam: In Abwesenheit bzw. nach dem Tod ihrer Ehegatten haben sie zwar ihre Territorien jahrelang selbständig regiert, aber ihre Frauengestalten sind männerfixiert, unselbständig und etwas dümmlich. Man tut beiden Autorinnen gewiß kein Unrecht, wenn man ihr Frauenbild als wenig aufgeklärt oder im heutigen Sprachgebrauch schlichtweg als repressiv bezeichnet.
Wie eine wagemutige und tatkräftige Königin mit Hilfe ihrer Kammerfrau die Anschläge und Machenschaften ihrer Landesherren durchkreuzen und ihren Willen durchsetzen konnte, hat Helene Kottanner in ihren Memoiren erzählt. Nach dem Tod des römisch-deutschen Königs Albrecht II., Herzogs von Österreich, Königs von Ungarn und Böhmen, im Jahr 1439 wollten die ungarischen Großen die schwangere, 31jährige Königin mit dem 16jährigen König von Polen verheiraten. Um diesen Plan zu vereiteln, gab Königin Elisabeth ihrer Kammerfrau, der Kottannerin, den Auftrag, die schwerbewachte ungarische Königskrone aus der Plintenburg zu rauben und nach Komorn zu bringen, wo die Königin eine Stunde nach dem Eintreffen der Krone einen Sohn, Ladislaus Postumus, gebar (21. 2. 1440), der bereits im Alter von zwölf Wochen zum König von Ungarn gekrönt wurde.
Mehr als hundert Jahre, nachdem Pisan in Frankreich den Streit um den Rosenroman auslöste, haben sich auch in Deutschland Frauen, wie Katharina Zell, Ursula Weyden, Argula von Grumbach, mit kämpferischem Elan in Belange von öffentlichem Interesse eingemischt. Argula von Grumbach, geborene von Stauff wurde zur Publizistin, als der von Luther und Melanchthon beeinflußte 18jährige Theologe Arsacius Seehofer unter Androhung des Scheiterhaufens von der Universität Ingolstadt gezwungen wurde, einige mit der offiziellen Kirchenlehre nicht übereinstimmende Lehrsätze zu widerrufen. Argula reagierte mit Flugschriften, die z.T. mehrfach nachgedruckt wurden. Sie richtete einen Protestbrief an Rektor und Senat der Universität Ingolstadt, informierte und ermahnte Herzog Wilhelm IV. von Bayern, dessen Gemahlin sie früher als Hoffräulein gedient hatte, appellierte an Bürgermeister und Rat von Ingolstadt und unterrichtete einen einflußreichen Verwandten. In zwei weiteren Sendschreiben ermunterte sie Kurfürst Friedrich den Weisen und Pfalzgraf Johann von Pfalz-Simmern, die Sache der Evangelischen zu vertreten. In einem Brief an Bürgerineister und Rat der Stadt Regensburg tadelte sie die Unterdrückung der evangelischen Predigt in der Stadt. Der bayerische Herzog und die Universität Ingolstadt haben Argulas Pamphlete keiner Antwort gewürdigt, aber die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Argulas Mann wurde aus dem Dienst des bayerischen Herzog entlassen, die sechsköpfige Familie geriet in Not, der Ehemann ließ seine Wut an seiner Frau aus und trennte sich schließlich von ihr. Argula, die auch mit Luther und Spalatin korrespondierte, hatte unliebsames Aufsehen erregt. In einem Schmähgedicht warf ihr ein Ingolstädter Student vor, sie sei schamlos und verrucht, weil sie es gewagt habe, die Männer belehren zu wollen, statt, wie Paulus es geboten habe, zu schweigen. In ihrer Replik führte Argula zu ihrer Verteidigung die Heldinnen des Alten Testaments an, aber sie rechtfertigte sich auch mit dem Hinweis auf Bileams Eselin, durch die Gott bekanntlich den Propheten belehrt habe. Das war ein zweischneidiges Argument, mit dem eine Christine de Pisan ihr Menschenrecht auf Mündigkeit sicher nicht verteidigt hätte. Kein Zweifel: In der Ausbildung eines spezifisch weiblichen Bewußtseins und Selbstbewußtseins, das sich als Korrektur, ja als emanzipatorisch im Hinblick auf die Dominanz oder das Monopol des Männlichen versteht, und in der Handhabung, Fortentwicklung und der individuellen Ausprägung der ästhetischeu Mittel der Literatur waren die in Frankreich und Italien schreibenden Autorinnen ihren in Deutschland schreibenden Kolleginnen unverkennbar und nachweislich in vielem voraus.