Protest gegen die traditionellen Werte Schwarzafrikas

Um die Standorte afrikanischer Autorinnen aufspüren und verstehen zu können, gilt es, einen umfangreichen Komplex von Einzeltatsachen zu berücksichtigen, auf die hier nur kurz aufmerksam gemacht werden kann, die aber nicht erschöpfend erörtert werden können.
Afrika ist der volkreichste Kontinent der Erde. Man schätzt, daß in den rund fünfzig Staaten Schwarzafrikas etwa 3000 verschiedene Völker leben. Jedes dieser Völker verfügt über eine eigene, eigenständige Sprache, die gelegentlich in eine Vielzahl von Dialekten gespalten sein kann. Jede Afrikanerin, jeder Afrikaner, die oder der sich einer europäischen Sprache bedient, sei es mündlich oder schriftlich, ist zwei-, wenn nicht mehrsprachig. Es liegt auf der Hand, daß eine solche Vielzahl von Völkern keine einheitliche Kultur besitzen kann. Nomadisierende Viehzüchter neben seßhaften Bauern, hierarchisch strukturierte neben akephalen Gesellschaften, streng patriarchalische neben matristisch ausgerichteten Sozialordnungen, kleine, nur wenige hundert Menschen umfassende Völkerschaften neben Millionen von Menschen zählenden Großvölkern, ganz der Tradition verhaftete neben völlig europäisierten Individuen, dazwischen solche, die für sie praktikable Kompromisse gefunden haben (oder auch an ihnen zerbrochen sind), schier unermeßlicher Reichtum, der sich mit allem ausstaffiert, was moderne Technik und Technologie zu bieten hat, neben extremer Armut im dörflichen wie städtischen Bereich - so sieht, sehr grob umrissen, das Bild des heutigen Afrika aus. Traditionelle Geseltschaftsformen sind auf dem Land, traditionell gefärbtes Kulturgut ist in den Großstädten des modernen Afrika durchaus lebendig. Doch die Einflüsse der Mission - der islamischen wie der christlichen - des Sklavenhandels, der Kolonisation, der Unabhängigkeit, der Neokolonisation haben dem Kontinent Stempel aufgedrückt. Viele traditionelle Gesellschaften waren tiefgreifenden Veränderungen ausgesetzt; Strukturen haben sich verändert, sind augenblicklich in Veränderung begriffen.
Es leuchtet ein, daß die Erfahrungen einer unter dem Druck des südafrikanischen Apartheidregimes schreibenden Autorin andere sein müssen, als die einer senegalesischen Autorin, die im Umfeld einer islamisch-polygynen, von französischer Kolonialherrschaft geprägten Gesellschaft lebt und schreibt. Und wiederum davon unterschieden sind die Erfahrungen und Eindrücke einer Autorin, die Jahrzehnte in Europa zugebracht hat. Die Schriftstellerinnen Afrikas mögen ähnlich gelagerte Probleme haben sie formulieren ihre Antworten mit vielen unterschiedlichen Stimmen.
Die Zahl der schreibenden Frauen des schwarzen Kontinents ist noch immer gering. Diejenigen, die bisher mit Veröffentlichungen in europäischen Sprachen hervorgetreten sind, stammen aus einigen wenigen Ländern, den klassischen Literaturländern, aus denen auch die bedeutendsten männlichen Autoren kommen: aus Senegal, Ghana, Nigeria, Kenia, Südafrika. Aus den ehemals portugiesischen Kolonien Angola, Mocambique, Guinea-Bissao auch aus dem noch immer unter südafrikanischer Treuhand stehenden Namibia - vernimmt man vereinzelt die Stimme einer freiheitskämpferischen, emanzipatorischen Lyrikerin.
Die meisten Frauen schreiben Prosa - Romane, Kurzgeschichten, Kinderbücher - Gedichte scheinen in jüngerer Zeit weniger ihr Genre zu sein, Theaterstücke verfassten bisher nur die beiden ghanaischen Autorinnen Efua Sutherland und Ama Ata Aidoo, doch beide haben sich seit Jahren nicht mehr auf diesem Gebiet betätigt.
Die Umstände, welche die schreibenden Frauen in ihrer Arbeit behindern, sind kontinentweit die gleichen - einige betreffen auch ihre männlichen Kollegen. Noch immer sind die Bildungschancen in Afrika gering, die Analphabetenquote ist allgemein hoch, wenngleich zwischen einzelnen Ländern ganz erhebliche Unterschiede bestehen können. Mädchen sind stärker benachteiligt als Jungen, denn Schulausbildung kostet Geld, und selbstverständlich hat der männliche Nachwuchs den Vorrang. Das heißt, daß nicht nur die potentiellen Autorinnen um eine entsprechende Ausbildung kommen, auch die weibliche Leserschaft ist kleiner als die männliche. Hinzu kommt ein Phänomen, dem man kürzlich auch in unseren Breiten auf die Spur gekommen ist - die Re-Analphabetisierung. Die Einführung der allgemeinen Schulpflicht in vielen Ländern Afrikas und die Tatsache, daß ihr sogar weitgehend nachgekommen wird, sagt nichts über die tatsächliche Schreib- und Lesekompetenz der Bevölkerung aus, denn die in wenigen Schuljahren erworbene Fähigkeit geht sehr leicht mangels Praxis wieder verloren. Frauen haben ihrer spezifischen Tätigkeiten im Hause wegen weniger Gelegenheit, ihre Kenntnisse zu pflegen, als Männer.
Sind die Autorinnen selbst zumeist gut gebildet - in der Regel entstammen sie privilegierten, gut situierten Familien, doch sind sie keineswegs alle aus den großen Städten gebürtig - so ist das Gros der afrikanischen Bevölkerung, ihre potentielle Leserschaft, des Lesens und Schreibens weitgehend unkundig, und selbst wo entsprechende Fähigkeiten vorhanden sind, ist das Interesse nicht gerade überwältigend. Zudem ist die Zahl der einheimischen Verlage gering, sehr viele Autoren müssen in Europa oder den USA publizieren. Es sei freilich nicht verschwiegen, daß eine ganze Reihe von Autoren die Publikation im Ausland der einheimischen ganz bewußt aus einer Reihe von Gründen vorzieht.
Selbst wenn die Autorinnen und Autoren das einheimische Publikum ansprechen möchten und gemeinhin ist das der Fall, zumindest heute behauptet kaum ein Schriftsteller von sich, seine Zielgruppe sei der europäische Leser - so sind die Bücher doch für dieses Publikum weitgehend unerschwinglich. Noch immer haben afrikanische Autorinnen und Autoren ihr Publikum primär in Europa und Amerika; erst in jüngster Zeit zeichnen sich hier Veränderungen ab.
Freilich gibt es Autoren, deren Bücher erstaunlich weite Verbreitung finden, denn es kommt vor, daß eine Gruppe von Leuten Geld zusammenlegt, ein Buch erwirbt und es sich wieder und wieder von einem Lesekundigen aus ihrer Mitte vorlesen läßt. Die Werke etwa eines Chinua Achebe aus Nigeria erreichten Millionenauflagen, da sie zur fast kontinentweiten Pflichtlektüre in Schulen und Literaturkursen der Universitäten erhoben wurden. Zu solchen Ehren haben es bisher nur wenige der weiblichen Autoren gebracht, doch können sich einige trotzdem nicht über zu geringe Auflagen beklagen. Die Romane der Nigerianerin Buchi Emecheta erlebten mehrere Auflagen und wurden zum Teil in verschiedene Sprachen übersetzt. Das Erstlingswerk der Senegalesin Miriama Bâ Une si longue lettre wurde inzwischen in ein knappes Dutzend Sprachen übersetzt, neben dem Deutschen (Ein so langer Brief) auch ins Japanische, Russische und Serbokroatische. Dies soll nicht darüber hinwegtäuschen, daß die meisten Werke nur in geringer Auflage erscheinen; was nach einiger Zeit nicht verkauft ist, wird eingestampft, das Werk ist bald vergessen - es sei denn, ein Literaturwissenschaftler erinnert sich seiner und gräbt es für eine wissenschaftliche Arbeit aus.
Ein kurzer Überblick dessen, was in Übersetzungen an afrikanischer Frauenliteratur in Deutschland erschienen ist, mag hier angebracht sein. Zwei Romane der Senegalesin Miriama Bâ, Ein so langer Brief und Der scharlachrote Gesang, ein Roman der Nigerianerin Buchi Emecheta Nnu Ego - zwanzig Säcke Muschelgeld, alle drei Romane sind erst nach 1980 erschienen und noch im Handel. Verschiedene Kurzgeschichten der Ghanesin Ama Ata Aidoo, der in Botswana im Exil lebenden Südafrikanerin Bessie Head und der Kenianerin Grace A. Ogot sind in verschiedenen - zum Teil bereits seit Jahren vergriffenen - Anthologien verstreut, ebenso einige wenige Gedichte verschiedener Autorinnen. Berichte und Gedichte von Freiheitskämpferinnen erschienen in speziellen Büchern über Frauen im Befreiungskampf und Frauen in der Dritten Welt in verschiedenen Kleinverlagen. Ein Sachbuch der Senegalesin Awa Thiam, das in Interviews der Situation der Frau im frankophonen Westafrika nachspürt, kam 1981 heraus. Die Filme der Senegalesin Safi Faye Kaddu Baykat (Nachrichten aus dem Dorf und Fad, jal (Neuankömmling, arbeite) liefen im Original (Wolo) mit Untertiteln in den Kommunalen Kinos und wurden auch im Spätprogramm des deutschen Fernsehens gezeigt.
Stellt man dieser kurzen Liste gegenüber; was die Literaturwissenschaftlerin Brenda E Berrian 1981 in einer Studie behauptete, nämlich, daß sie insgesamt neunzig afrikanische Schriftstellerinnen ausfindig gemacht habe, so nimmt sich das, was auf dem deutschen Markt an Übersetzungen vorliegt, sehr spärlich aus. Doch Brenda Berrian gesteht unter der Hand selbst ein, daß nicht alle, die irgendwann irgendwo einmal eine Kurzgeschichte, ein Gedicht publiziert haben, deshalb gleich als Schriftstellerinnen zu apostrophieren sind. Sie trägt dem Rechnung, indem sie sich schließlich auf neun Autorinnen beschränkt, deren Gesamtwerk sie bibliographiert.
Die Werke afrikanischer Autorinnen finden erst in jüngster Zeit mehr Beachtung. Erst seit kurzem konzentrieren sich die Autorinnen auf die Problematik der besonderen Situation der Frau. Bis 1975 war die Zahl der in europäischen Sprachen schreibenden Schriftstellerinnen an den Fingern einer Hand abzuzählen, sie stammten ausnahmslos aus den ehemals britischen Kolonien und schöpften ihre Themen zumeist aus der Problematik der vorkolonialen, traditionellen Gesellschaft. Das erste Buch einer frankophonen Autorin, der Senegalesin Aminata Sow Fall, erschien 1976.
Die meist von männlichen Kritikern verfaßten Rezensionen und Kurzkritiken werden den Werken selten gerecht. Häufiger noch als krasse Zurückweisung wegen unzureichender literarischer Qualifikation - ein Vorwurf der mitunter nur allzu berechtigt ist, der aber im Vergleich zu der Kritik, die männlichen Autoren zukommt, die ebenfalls in trivialen Kitsch abrutschende »Werke« vorlegen, unverhältnismäßig stark hervorgehoben wird ist eine unerträglich paternalistisch-wohlwollende Ermunterungskritik, die die falschen Werke aus den falschen Gründen in den Himmel hebt. Diesen Vorwurf müssen sich vor allem die europäischen und amerikanischen Kritiker machen lassen. Den Autorinnen wird damit ein Bärendienst erwiesen, der auch ihren männlichen Kollegen nicht erspart bleibt, der sich aber für die Frauen doppelt schädlich auswirkt, da ihnen als Frauen noch ein zusätzlicher Bonus eingeräumt wird. Aus Gründen, die hier näher zu erörtern nicht das Forum ist, werden die Werke von der einschlägigen Kritik hochgepriesen, weil sie aus Afrika, aus der Dritten Welt und noch dazu aus der Feder einer Frau stammen, nicht weil die Behandlung einer außergewöhnlichen Thematik oder eine besondere literarische Leistung dies rechtfertigte. Thematisch unausgewogene, inhaltlich wenig überzeugende, stilistisch unbeholfene Werke werden so zum Maßstab der Literatur eines Kontinents. Insofern ist die jüngste afrikanische Kritik, die die Schwächen mancher Autorinnen mehr als deutlich exponiert, ehrlicher und für die Autorinnen hilfreicher.
Die afrikanische Literatur ist nicht erst mit der Einführung der Schrift in Afrika entstanden; selbstverständlich ist auch die mündlich überlieferte, die Oralliteratur, Bestandteil der Literaturen afrikanischer Völker. Gemeinhin besteht die Vorstellung, das orale Erbe Afrikas erschöpfe sich in Märchen, Mythen und Tierfabeln. Ruth Finnegan weist in ihrer umfangreichen Arbeit über die Oralliteratur Afrikas darauf hin, daß sich dieses Mißverständnis aus den ungewichteten Sammlungen der Forscher und Ethnologen ergab, denen es leichter fiel, Prosaerzählungen -aufzuzeichnen als komplizierte, in lyrische Form gekleidete Genealogien, Preislieder, Gesänge und Gedichte aller Art. Tatsächlich aber spielen Lyrik und Drama in der Oralliteratur eine weitaus wichtigere Rolle als Märchen und Fabeln. Es soll hier nicht auf die vielfältigen und unterschiedlichen Formen dieser Literatur eingegangen werden, wichtig in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, daß die mündlich überlieferte Literatur keineswegs Domäne des Mannes war. Der ugandische Schriftsteller Okot p'Bitek, der in seinem literarischen Werk der traditionellen Dichtung seines Volkes, der Acholi, aufs engste verhaftet ist, hat immer wieder hervorgehoben, wie sehr er seiner Mutter verpflichtet sei, die in ihrer Jugend »chief of girls« ihres Clans war und die ihn all die Lieder, Gesänge, Preislieder und Geschichten lehrte, auf die er später zurückgriff.
Die orale Literatur ist weiterhin lebendig. Nicht nur, weil noch immer Hofpoeten die Geschichten der großen Königreiche Westafrikas mündlich tradieren, Preisliedsänger bei jeder Art von Festlichkeiten auftreten, auf den Dörfern abends noch immer die alten Mythen und Fabeln erzählt werden, bei Kultfesten Gesänge improvisiert, bei Begräbnissen Trauergesänge vorgetragen werden, sie ist auch lebendig, weil die Formen und die Funktionen der Oralliteratur Eingang in die moderne geschriebene Literatur gefunden haben, sie beeinflussen und prägen.
Die Oralliteratur war und ist gesellschaftlich funktional - ebenso die moderne geschriebene Literatur. Beide haben fast immer didaktischen Charakter, sie dienen dem Zweck - bei allen ästhetischen Anforderungen, die an sie gestellt werden, und gerade im Fall der traditionellen Lyrik sind diese nicht gering - etwas auszudrücken, eine Botschaft zu vermitteln. Die Vorstellung einer l'art pour l'art hat in diesem Konzept keinen Raum. Entsprechend ist die moderne afrikanische Literatur eine engagierte Literatur, die immer mit einem gesellschaftlich relevanten Anliegen einhergeht.
Ein gravierender Unterschied freilich besteht zwischen der mündlich tradierten und der geschriebenen Literatur: die orale Literatur ist auf direkte Kommunikation angewiesen, sie ist aufgeführte, vorgeführte Kunst, die des Publikums nicht entraten kann - der Literaturschaffende ist Teil einer Gemeinschaft, ohne die er seine Literatur nicht entstehen lassen könnte. In der Schriftkultur zieht sich ein Individuum zum Schreiben zurück, der direkte Kontakt zum Publikum, die spontane Reaktion entfällt, der Schritt von der oralen Literatur zur geschriebenen ist auch der Schritt vom Gemeinschaftswesen zum zurückgezogenen Individuum. Während die orale Tradition die Frau als Mitglied der Gemeinschaft ganz selbstverständlich einschloß, ließ die neue Form der Schriftkultur die meisten Frauen zunächst vor der Tür.
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts haben europäische Sprachwissenschaftler und Missionare - häufig vereinigten sich beide Professionen in einer Person - afrikanische Sprachen systematisch verschriftlicht, hauptsächlich, um die Bibel in diese Sprachen übersetzen zu können. Die Einführung der Schrift, die Christianisierung, die Kolonisation und die Verbreitung einer neuen Sprache, die der Kolonisatoren, die sich einen einheimischen Beamtenstab aufbauen mußten, gingen Hand in Hand. War die Sprache bisher allen zugekommen, so kam die Schrift und die neue Sprache jetzt nur einigen wenigen zu, die sich für entsprechend privilegiert hielten. Dies äußert sich in den frühen Texten afrikanischer Konvertiten, die sich gegen die ungebildeten, abergläubischen Mitglieder der eigenen Kultur wenden. Ausgangspunkt der modernen afrikanischen Literatur war die Verachtung der eigenen Kultur durch die zum Christentum und zur Zivilisation Bekehrten.
Rudimente dieser Verachtung finden sich auch noch im Werk der Nigerianerin Buchi Emecheta. Durch ein 18jähriges, selbst auferlegtes Exil in England hat sie den Kontakt zum Mutterland Nigeria, ja, wie es scheint, zur eigenen Afrikanität, weitgehend verloren. Sie steht ihrer eigenen afrikanischen Vergangenheit entfremdet, gelegentlich zutiefst verabscheuend gegenüber.
In ihren Beschreibungen der traditionellen Ibo-Gesellschaft, der sie selbst angehört, hat sie ein Register parat, das ganz der typischen Vorstellung des durchschnittlichen Europäers gerecht wird. Da ist die Rede von Aberglauben im Zusammenhang mit den alten Glaubensvorstellungen, von Heiden, von afrikanischen Sextänzen, da ist alles Dörfliche schlicht primitiv und »bush«. In der Beschreibung ihrer Charaktere, und nicht nur der ungeliebten, überwiegen dem Tierreich entlehnte Vergleiche. Die häufig nach ethnologischer Wissenschaftlichkeit schielenden Erläuterungen von Sitten und Bräuchen der Ibo sind letztlich Generalisierungen und Pauschalierungen, die zwar alle Vorurteile europäischer Leser stützen, in denen sich der einheimische Leser aber nicht wiedererkennen kann - ganz abgesehen davon, daß er solche Erläuterungen nicht braucht. Mit Recht freilich kann er sich fragen, was in Geschichten, die im Land der Ibo spielen, Sprichwörter der Yoruba aus Westnigeria zu suchen haben.
Buchi Emecheta hat ein legitimes Anliegen. Die Situation der afrikanischen Frau bedarf der Darstellung aus der Sicht der Frauen; dem heilen Bild, das viele afrikanische Autoren von der großen, aufopfernden Mutter, von der starken Kämpferin, die nach gewonnenem Kampf wortlos, freiwillig und glücklich an die Töpfe zurückkehrt, gezeichnet haben, muß dringend eine Korrektur gegenübergestellt werden. Das zu leisten, hat sich Buchi Emecheta zur Aufgabe gemacht - wenn auch bisher mit nicht unbedingt überzeugendem Erfolg. Denn es kann nicht übersehen werden, daß die Autorin sich gelegentlich durch eine unentschiedene Position selbst um ihre besten Argumente bringt.
Buchi Emecheta folgte als 17jährige ihrem Mann, der noch Student war, nach England, brachte hier fünf Kinder zur Welt, arbeitete in verschiedenen Jobs und schrieb ein Buch - der erste Entwurf ihres später unter dem Titel The Bride Price erschienenen Romans. Diese erste Fassung konnte nicht veröffentlicht werden - ihr Mann hatte das Manuskript verbrannt. Buchi Emecheta zog daraus eine mutige Konsequenz. Sie verließ ihren Mann, schaffte es, ihre fünf Kinder allein durchzubringen und nebenher an der Universität London Soziologie zu studieren. Später arbeitete sie als Bibliothekarin und Lehrerin - und sie schrieb. Ihre ersten beiden Romane In the Ditch (In der Gosse, 1972) und Second Class Citizen (Bürger zweiter Klasse, 1974) sind Aufarbeitungen ihrer Erfahrungen als alleinerziehende Afrikanerin in London. Erst in ihren folgenden drei Romanen The Bride Price (Der Brautpreis, 1976), The Slave Girl (Das Sklavenmädchen, 1977) und The Joys of motherhood (1979) - unter dem deutschen Titel Nnu Ego, zwanzig Säcke Muschelgeld 1984 erschienen, wendet sie sich der afrikanischen Gesellschaft zu. Durchgängiges Thema ist die Unterdrückung und Abhängigkeit der Frau, die keine andere Funktion hat als die, ihrem Mann Söhne zu gebären. Wo sie in dieser Aufgabe versagt, reduziert sie sich zum Nichts, von sich selbst und ihren »erfolgreichen« Mitfrauen tiefer verachtet als von den Männern. Ein geschickt ausgeklügeltes System hilft scheinbar, diesen status quo bis in unsere Tage hinein zu erhalten. Aku-nna, die Heldin des Romans The Bride Price, wird nach dem Tod ihres Vaters zur Waisen. Zusammen mit Mutter und Bruder muß sie aus Lagos wieder ins heimatliche Ibo-Dorf zurück, da der Onkel der Tradition nach verpflichtet ist, die Witwe seines Bruders zu heiraten und für die Kinder zu sorgen. Aku-nna verspricht dem gierigen Onkel einen saftigen Brautpreis einzubringen, doch das Mädchen verliebt sich in seinen jungen Lehrer, der ein osu, ein Ausgestoßener, ein Mitglied der traditionellen Sklavenkaste ist. (Aku-nna besucht weiterhin die Schule, da der Onkel glaubt, ein gebildetes Mädchen wird ihm einen fetteren Brautpreis einbringen.) Obgleich der Vater des jungen Lehrers - die »Sklaven« haben es unter der Kolonialregierung, die Geschichte spielt in den frühen 50er Jahren, zu Bildung und Reichtum gebracht - einen Brautpreis zu zahlen bereit ist, der den eines anderen Bewerbers um das vierfache übersteigt, lehnt der Onkel ab. Seine Nichte und ein osu - nein. Aku-nna, gerade 16 Jahre alt geworden, freilich lebt mit dem Junglehrer zusammen, sie arbeitet jetzt ebenfalls als Lehrerin, man ist von dem rückständigen Dorf in die Stadt gezogen, es wäre das klassische Happy end, würde nicht Aku-nna nach der Geburt des ersten Kindes sterben - weil der Brautpreis nicht gezahlt ist, und jeder weiß, daß Tod im Kindbett die natürliche Folge dieser Unterlassung ist.
Die Schwächen des Romans sind offensichtlich. Statt die Möglichkeit zu nutzen, den gierigen Onkel als den geprellten Dummen hinzustellen, verstrickt sich Buchi Emecheta in ungelöste Widersprüche. Der Sinneswandel des geldhungrigen Onkels wird durch nichts erklärt, der Tod der jungen Aku-nna kann ganz nach Belieben auf den Traditionsbruch, auf die schwache Konstitution der jungen Frau, auf Psychoterror zurückgeführt werden. Von der Kritik ausgenommen bleibt lediglich der ach so kluge junge Lehrer, der alles über gesunde Ernährung weiß, aber aus allen Wolken fällt, als seine junge Frau schwanger ist - wo sie doch gar kein Kind geplant hatten. Letztlich konsequent wäre eine Schuldzuweisung an ihn, das halbe Kind den Strapazen einer Schwangerschaft auszusetzen war unverantwortlich, doch scheint Buchi Emecheta in ihren jungen Helden selbst zu verliebt, um diese Konsequenz zu erkennen; die angebotene Lösung: »Niemand kann gegen die Gesetze der Tradition vorgehen und überleben«, bleibt nach aller mühevollen Vorarbeit gänzlich unbefriedigend.
Ähnlich liegt der Fall in The Joys of Motherhood, dessen Titel deutlich ein ironischer Seitenhieb sein soll. Die Heldin, Nnu Ego, gerät zur wenig überzeugenden Verfechterin emanzipatorischer Ideen, ihre Rivalin, die zweite Ehefrau ihres Mannes Nnaife, den sie aus tiefstem Herzen verachtet, weil er in der Stadt Frauenarbeit macht - die Wäsche anderer Leute wäscht - ist im Grunde die eigentlich sich emanzipierende Person. Sie rebelliert gegen die eingefahrenen Konventionen, gegen die Restriktionen der Polygynie, sie macht sich frei von alledem und erntet dafür die abschätzigen Kommentare der eifersüchtigen Nnu Ego, die von ihren Kindern verlassen, einsam stirbt. Auch in diesem Roman, der die anderen stilistisch deutlich überragt, bleibt Buchi Emechetas Einstellung ambivalent.
Sehr klar Stellung bezieht die ghanesische Autorin Ama Ata Aidoo, die heute als Dozentin für Theater- und Literaturwissenschaft an der Universität von Cape Coast tätig ist. Sie nimmt, vor allem in politischen Fragen, kein Blatt vor den Mund, die Konsequenzen sind gelegentlicher Paßentzug und Hausarrest - die Erfahrung vieler männlicher Kollegen: Gefängnis, Einzelhaft ohne Urteil auf unbestimmte Zeit, blieb ihr bisher erspart.
Ama Ata Aidoo gehört zu den anspruchsvollsten und innovativsten Autorinnen Afrikas. Ihre Kurzgeschichten sind »geschrieben, um gehört zu werden«, wie sie in einem Interview sagte. Sie knüpft mit ihnen stilistisch an die orale Tradition an, die kompakten, immer zur Sache gehenden Geschichten befassen sich mit den alltäglichen Sorgen und Kleinigkeiten der ghanaischen Bevölkerung, sind aber dramatisch so aufgebaut, daß sie sich wie ein mündlicher Bericht lesen; es sind verdichtete Erfahrungen, die in unmittelbare Mitteilung umgesetzt sind. Mit dieser Anlehnung an die Tradition macht Ama Ata Aidoo ihre Forderung nach Rückkehr literarisch deutlich - doch sie meint nicht die von der Négritude geforderte sentimentale Rückkehr ins Land der Geburt als Rückkehr zu den - ohnehin längst als fiktiv entlarvten - Quellen einer angeblich typisch afrikanischen Emotionalität, Aidoo fordert die Rückkehr in die Heimat, um dort zu arbeiten, aufzubauen, die eigene Identität zum Zuge kommen zu lassen.
Am deutlichsten wird dies in Our Sister Killjoy (Unsere Schwester, die Miesmacherin), unter dem Eindruck einer längeren Studienreise durch verschiedene Länder Europas und durch die USA in den späten 60er, frühen 70er Jahren entstanden, aber erst 1977 veröffentlicht. Our Sister Killoy sind Betrachtungen mit »schwarzem Augenzwinkern«, wie der Untertitel besagt. Das Buch widersetzt sich jeder Einordnung in gängige Genretypen. Prosatext und Lyrik wechseln ab, gehen ineinander über, so wie der traditionelle Erzähler seine Geschichten mit Liedern ergänzt und ausschmückt. Die vier Teile des schmalen Bändchens erzählen von der Vorbereitung der Reise - Besuch in der ausländischen Botschaft, erste, Verwirrung auslösende Begegnung mit einem »been-to«, einem, der schon in Europa gewesen ist und nun sehr merkwürdige Verhaltensweisen angenommen hat - von der Begegnung mit einer deutschen Frau während eines längeren Aufenthalts in einer (ungenannten) bayrischen Kleinstadt, hierauf von dem Zusammentreffen mit anderen Afrikanern im Land des ehemaligen Kolonisators England, von der ungezügelten Begeisterung dieser Landsleute für die Errungenschaften der modernen Wissenschaft, hochgezogen am Beispiel des großen »Doctor Christian« (Barnard), der einem Weißen mit dem Herz einer Negerin das Weiterleben ermöglichte, und enden mit einem Liebes-Abschieds-Brief an den aus Überzeugung in Europa gebliebenen afrikanischen Freund.
Sissie ist die Heldin, die Miesmacherin, dieser Geschichten, doch ihre Reflexionen mit dem schwarzen Seitenhieb sind nicht von Haß getragen, sondern von Mitleid, Verständnis und Liebe. Ein von Sissie nicht vorhergesehenes, nicht gewolltes lesbisches Abenteuer mit der Deutschen Marija steht stellvertretend auch für den vergewaltigenden Überfall auf Afrika durch die Kolonialmächte, schlägt aber direkt in Sissies verzeihendes Verstehen für die Einsamkeit und Bloßstellung der Frau, ja Europas, um. Die abwechselnd blaß und rot werdende Marija löst Überlegungen aus: Es müsse wohl eine ziemlich gefährliche Angelegenheit sein, eine weiße Haut zu haben. »Man war so ausgesetzt, es machte einen so schrecklich verletzlich, so, als sei man ganz ohne Haut geboren oder sowas. Gott, fragte sie sich, ist das der Grund, weshalb sie so besonders grausam sein müssen, damit sie sich sicher fühlen können?«
Hat Ama Ata Aidoo für die ehemaligen Kolonialherren Mitleid, so überhäuft sie diejenigen, die Europa huldigen, die es nachäffen, mit Spott und klagt sie an, die wahren Feinde Afrikas zu sein. Der Gegensatz ist nicht Weiße gegen Schwarze, sondern schwarze Bourgeoisie gegen den Rest von Afrika. Dabei macht es sich die Autorin in ihrer Analyse keineswegs leicht. In dem Brief an den in Europa gebliebenen Freund beklagt sie, nicht unterwürfige Frau sein zu können, die ihrem Mann, ohne Fragen zu stellen, folgt, sondern ihren Weg gehen zu müssen, der auch ein Weg in die Einsamkeit ist. Ein Weg, der nicht in ein »Home, Sweet Home« führt, sondern in eine Heimat, die mit bitteren Erfahrungen aufwarten wird: »eine dumme, korrupte Zivilregierung, ein Putsch, eine noch dümmere, noch korruptere Militärregierung« und keinen Lohn für die geleistete Arbeit - im Gegenteil, Vorwürfe: »Warum hast du uns keinen Kühlschrank gebracht, kein Auto?« und die Aussichtslosigkeit, ihnen klar machen zu können, daß »Autos und Kühlschränke die Stricke sind, an denen wir uns selbst aufhängen.«
Für Ama Ata Aidoo ist Afrika das Land der Afrikaner, hier gehören sie hin, hierhin sollten sie zurückkehren und bleiben, denn alle, Männer wie Frauen, sieht sie als Opfer einer zweifachen Unterdrückung, der durch die Fremden und der durch sich selbst. Solange Afrika die eigene, selbstauferlegte Unterdrückung nicht abgelegt hat, kann es sich von der fremden nicht befreien. Die Frage der Unterdrückung der Frau hat hierhin keinen eigenen Stellenwert, sie ist Bestandteil des Gesamtkomplexes; wenn sich Afrika befreit, wird auch die Frau befreit sein.
Ama Ata Aidoo ist eine Fanti, sie stammt aus einer Gesellschaft, die der Frau traditionsgemäß größere Rechte einräumt als etwa die Gesellschaft der Wolof im Senegal, zu der die beiden Autorinnen gehören, auf die im Folgenden eingegangen werden soll.
Für Awa Thiam, die an der Sorbonne Philosophie studierte und heute als Leiterin einer schwarzen Frauenbewegung in Paris lebt, ist es überhaupt keine Frage, daß die Befreiung der Frau vom Joch männlicher Dominanz an allererster Stelle steht. Sie fordert, daß die Frauen sich nicht länger blenden lassen dürfen von dem Argument, die Befreiung der afrikanischen Völker sei wichtiger als die Befreiung der afrikanischen Frau. Dabei kann eine Sororisierung (»Verschwesterlichung«) mit der europäisch-amerikanischen Frauenbewegung nur unter größtem Vorbehalt und sehr bedingt infrage kommen, denn es kann nicht Ziel der Afrikanerinnen sein, »ein Abbild der europäischen Gesellschaft zu werden, in der die Familie zerbricht und der Individualismus herrscht (...). Wir wollen ein echtes, anständiges, ausgefülltes Leben führen und uns entfalten können, und dies in der Gemeinschaft«, so Awa Thiam in ihrem Buch La parole aux négresses, in deutscher Übersetzung unter dem Titel Die Stimme der schwarzen Frau erschienen.
Das Buch ist eine Sammlung kommentierter Interviews mit Frauen aus verschiedenen Ländern des frankophonen, zugleich zumeist islamischen Westafrika. Deutlich wird die Ohnmacht der Frauen dokumentiert, die sich gegen Polygynie, Beschneidung, Infibulation und Kinderehen nicht zur Wehr setzen können, da sie ungebildet und ökonomisch völlig abhängig sind. Wie das Ziel »echte Gleichheit mit den Männern in Rechten und Pflichten« unter diesen Umständen erreicht werden soll, darüber schweigt sich Awa Thiam aus; etwas anderes aber bringen ihre Interviews an den Tag: daß die Frauen selbst mitunter ihre größten Feinde sind. Dies wird auch in Miriama Bâs Roman Une si longue lettre deutlich.
Ramatoulaye, die Protagonistin dieses 1980 in deutscher Übersetzung erschienenen Briefromans, steht in fast jeder Hinsicht besser da als die meisten Interviewpartnerinnen Awa Thiams. Sie hat eine umfangreiche Bildung, sie ist als Lehrerin tätig, sie hat, obgleich 12 Kinder zu versorgen sind, ein modernes Haus, in dem es an nichts mangelt, sie hatte 25 Jahre lang einen angesehenen, treuen Ehegatten, Modou. Dann aber hat dieser Ehemann sie mit der Tatsache konfrontiert, daß er eine zweite Frau nahm, eine Klassenkameradin seiner ältesten Tochter. Ramatoulayes Freundin Aissatou, die Adressatin des langen Briefes, hatte Jahre zuvor ein ähnliches Schicksal erlitten und daraus eine strikte Konsequenz gezogen. Sie hatte sich scheiden lassen und war nach New York an die senegalesische Botschaft als Dolmetscherin gegangen. Nun ist Ramatoulayes Ehemann gestorben, und sie rekapituliert in ihrem Brief, was alles mit ihr und Aissatou geschehen ist. Hinter Aissatous Leidensgeschichte steckte die rachsüchtige Schwiegermutter, die, Mitglied der Adelskaste, nicht verwinden konnte, daß ihr einziger Sohn die Tochter eines Handwerkers, eines Goldschmieds heiratete. Sie verkuppelt ihren Sohn mit der endlich herangewachsenen Tochter ihres jüngsten Bruders, der Sohn hat nicht den Mut, nicht die Kraft, sich gegen die Mutter zur Wehr zu setzen, er heiratet seine Kusine. Ramatoulayes Mann stand nicht unter dem Druck seiner Schwiegermutter, doch Binetou, offensichtlich seit Monaten seine kleine Geliebte, stand unter dem Druck ihrer Mutter, die sich aus der Heirat ihrer Tochter zu Recht Reichtum und Ansehen versprach.
Diese Seite der Medaille wird angedeutet, doch aller Zwänge ungeachtet, unter die auch die Männer geraten können, werden sie erbarmungslos als die Schuldigen dargestellt, deren größte Schuld das Festhalten an der Polygamie ist. Miriama Bâ versteht es aufzuzeigen, in welche Konflikte eine Frau im islamisch-polygynen System geraten kann; sie läßt uns nachempfinden, was die Ehefrau verspürt, die plötzlich nach 25 Ehejahren von einem jungen Ding ganz legal verdrängt werden kann. Ramatoulaye ist Betroffene, von ihr ist Objektivität nicht zu verlangen, der Leser aber erkennt, daß in diesem System die junge Binetou genauso verschlissen wird wie die kleine Nabou, mit der die Schwiegermutter Aissatous ihren Sohn verkuppelt.
Ramatoulaye läßt sich von ihrem Ehemann, nachdem er seine zweite Frau nahm, nicht scheiden, aber der Mann betritt das Haus, in dem er 25 Jahre gelebt hat, nicht mehr. Nach dem Tod Modous wäre Ramatoulaye frei, eine neue Ehe einzugehen - an Bewerbern fehlt es nicht. Den Bruder ihres verstorbenen Mannes, der ein traditionelles Anrecht hätte, weist sie aus verständlichen Gründen zurück, er ist ihr widerlich. Aber auch ihre alte Jugendliebe, Daouda, bekommt eine Abfuhr, obgleich er all das bieten kann, wonach Ramatoulaye sich sehnt. Daß zwischen den beiden große Zuneigung besteht, ist offensichtlich, doch Daouda, längst nicht mehr der jüngste, ist verheiratet. Will Ramatoulaye ihrer eigenen Forderung weg mit der Polygamie - nicht untreu werden, muß sie Daouda abweisen; sie hört nie wieder von ihm. Das Leid, der unter einem polygamen System lebenden Frauen wird deutlich, die Hoffnung, daß allein die Abschaffung der Polygamie die Lösung des Problems wäre, erscheint mehr als zweifelhaft.
Miriama Bâs Roman hat sehr viel Aufmerksamkeit erregt, wahrscheinlich, weil sich hier zum erstenmal eine Frau aus einer polygamen Gesellschaft zu Wort meldete und den Mythos, von der glücklichen Mit- und Nebenfrau zerschlägt, ein Mythos, unter dem weltweit sehr viele Frauen zu leiden haben. Was aber die Senegalesin Miriama Bâ veranlaßte, im Alter von 50 Jahren erstmals zur Feder zu greifen - ihr persönliches Schicksal ist dem Ramatoulayes nicht unähnlich, obgleich sie deutlich macht, keinen autobiographischen Roman geschrieben zu haben - um ihrer Wut, ihrem Schmerz, ihrer Resignation und doch auch einem Hoffnungsschimmer Ausdruck zu geben, das behandelt die Nigerianerin Mabel Segun in einer satirischen Kurzgeschichte. Polygamie -ja sicher, die Frage ist nur, welcher Art; die traditionelle, die moderne (ein eingeschworener Monogamist und viele kleine Freundinnen) oder der Typ Hollywood - immer eine nach der anderen?
Die Frauen Afrikas fangen gerade erst an, ihre Stimmen zu erheben. Ob das, was bisher von ihnen vorliegt, noch in einigen Jahren repräsentativ sein wird, ist heute nicht abzuschätzen. Die Autorinnen der ersten Generation, Grace Ogot, Efua Sutherland, Flora Nwapa und andere, hatten ihre Themen im gleichen Bereich wie die männlichen Autoren gesucht, Aufarbeitung der Kolonialerfahrung, Rückerinnerung an die traditionelle Gesellschaft und hatten sich ihnen gegenüber kaum durchsetzen können, ihre Namen und Werke sind weitgehend vergessen. Die jüngere Generation wendet sich anderen Themen zu. Diese Autorinnen rücken das Bild zurecht, das afrikanische Schriftsteller, Ethnologen und andere Forschungsreisende von der Afrikanerin entworfen haben. Was ihre Werke bewirken werden, ob sie die schriftliche Äußerung weiterhin als wirksames Mittel einstufen werden, bleibt abzuwarten.

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