Mit dem mehr oder weniger offen erklärten Ziel, der vorstehend nachgewiesenen Chancenungleichheit der Frau in den Parteien entgegenzuwirken und die zahlenmäßig schwache Stellung der weiblichen Parteimitglieder zu verbessern, haben sich die Frauen in CDU und CSU, FDP und SPD frühzeitig in eigenen Organisationen zusammengeschlossen. In der Bildung und im Bestehen dieser Frauenorganisationen innerhalb der Parteien ist ein Selbsteingeständnis und Zugeständnis hinsichtlich der unsicheren und zögernden Haltung der Frau in der Politik zu sehen.[116] Auch als taktische Maßnahme zum Schutz der weiblichen Minderheit und zur Erhöhung der Solidarität unter den weiblichen Parteimitgliedern,[117] als »Schutz-und Trutzbündnisse« also, wollen die Frauenorganisationen verstanden sein. Infolge der - wie gezeigt - sich weitgehend entsprechenden Situation der Frau in CDU und SPD weisen auch die Frauenorganisationen beider Parteien große Ähnlichkeiten in Zielen, Mitteln und Methoden, Struktur und Organisation auf. Durch eigene Veranstaltungen, durch einen eigenen politischen Stil sollen die weiblichen Parteimitglieder angesprochen werden. Nach Strecker wurden die Frauenorganisationen sogar nur geschaffen, »um den Frauen zu ermöglichen, sich in der für sie neuen politischen Arbeit einen eigenen Raum, eine Heimat zu schaffen, wo man runter sich sein kann.«[118]
Doch soll darüber hinaus ein umfangreiches Informations- und Schulungsprogramm die weiblichen Mitglieder auf die Übernahme politischer Funktionen vorbereiten. So heißt es etwa in der Satzung der Vereinigung der Frauen der CDU, sie habe »die politische Bildung und Schulung der Frauen zur Vorbereitung und Unterstützung ihrer Arbeit in der Partei«[119] zur Aufgabe. In der SPD wird sinnentsprechend postuliert: »eine intensive politische Bildungsarbeit, um einen genügend großen Kreis weiblicher Funktionäre für die Gesamtarbeit der Partei heranzubilden«.[120] Schließlich soll die Frauenorganisation die »berechtigten Ansprüche der Frauen auf angemessene Vertretung in den Organen der Partei und in den Parlamenten« wahren.[121] Dennoch haben die Frauenorganisationen ihr Ziel, die Frauen auf diese Weise in die Parteien zu integrieren, nicht erreicht. Hier sollen die Ursachen für diesen Mißerfolg untersucht werden.
Vor allem bieten sich die eigenen Veranstaltungen der Organisation an. Sie sollten die weiblichen Parteimitglieder ansprechen und ihnen das Verständnis für das gesamtpolitische Anliegen der Partei erleichtern. Tatsächlich ist aber statt der erstrebten Integration der Frauen nur eine noch stärkere Isolierung erreicht worden. Im Jahresbericht über die Frauenarbeit der SPD (1957) heißt es zum Beispiel: »Die Frauenarbeit unserer Partei tendiert im Ansatz zu einem schädlichen Mißverständnis. Nach wie vor kultivieren wir einen Naturschutzpark für die Frau in unserer Partei.«[122]
Die Lektüre der Berichte über die Frauenarbeit in CDU und SPD [123] hinterläßt den Eindruck, die Veranstaltungen der Frauenorganisationen bildeten lediglich Parallelen zu denen der jeweiligen Partei, und die hier nicht bestrittene Erkenntnis, daß Frauen persönlich-menschlich eher ansprechbar sind, habe zwar dazu geführt, eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich die Frauen wohl fühlen, aber zu mehr auch nicht. Die Angehörigen der Organisationen ließen es weitgehend dabei bewenden, politische Probleme nur in diesen eigenen Zirkeln zu diskutieren. Die Veranstaltungen der Organisationen hätten aber nur als Mittel, als Brücke zu einer breiteren Beteiligung an den Veranstaltungen der Gesamtparteien sinnvoll sein können. Selbst die durchaus vorhandene und auch vertretene Einsicht, die Frauenarbeit sei kein Selbstzweck,[124] hat nicht verhindern können, daß ein großer Teil der weiblichen Parteimitglieder sich ausschließlich auf die Veranstaltungen der Frauenorganisationen beschränkte.
Scheiterten aber die Frauenorganisationen schon daran, die weiblichen Parteimitglieder überhaupt zu mobilisieren, so mußten auch ihre Bemühungen um eine angemessene Vertretung der Frau in den Parteiorganen erfolglos bleiben. Die Wege, die beschritten worden sind, um die Frauen anzusprechen, zu mobilisieren und zu schulen, sind von den für die Frauenarbeit verantwortlichen weiblichen Funktionären vielfach selbst kritisiert worden.[125] Hier soll auf diese Kritik nicht näher eingegangen werden, weil für die zu untersuchende Problematik weniger die Form der Veranstaltungen als vielmehr ihre Adressaten und die Ziele der Frauenorganisationen bedeutsam sind.
Ein Mitglied des Frauenausschusses beim Parteivorstand der SPD stellte 1965 gerade hierzu fest, »alle diese Organisationsformen (gemeint sind die Frauenorganisationen) würden weder den Frauen noch den Bedürfnissen der Politik gerecht. Frauenarbeit als politischer Nachhilfeunterricht für politisch zurückgebliebene Frauen habe seit mehr als zehn Jahren die Stagnation nicht aufzuhalten vermocht. Es seien daher strukturelle Maßnahmen erforderlich, um allmähliche Änderungen der bestehenden Verhältnisse durchzuführen.«[126] Auf dem Dortmunder Parteitag der SPD 1966 zeigte eine Delegierte, wo die Gründe für den Mißerfolg der Frauenorganisationen zu suchen sind: »Unsere Frauenarbeit erweckt manchmal den Anschein, als sei eine Gleichberechtigung im Stile des 19. Jahrhunderts zu erkämpfen. Wer sich einmal die jungen Mädchen auf der Straße ansieht, hat nicht das Gefühl, daß sie nicht gleichberechtigt sind... Hier müssen wir zwei Probleme sehen: erstens ein Generationsproblem und zweitens ein Problem auch der veränderten Bedingungen unserer Gesellschaft insgesamt. Ich möchte sagen, daß man die reine Frauenarbeit jungen Mädchen nicht empfehlen sollte.«[127]
»Mit der Zeit wird sich vielleicht ganz von selbst ein Stamm von jungen Frauen... bilden, welchen die Frage nach einer Frauengruppe erst gar nicht in den Sinn kommt.«[128]
Bisher haben nur einige Frauengruppen der FDP die diesem Befund entsprechende Konsequenz gezogen und sich aufgelöst.
Die Mehrgleisigkeit der Aktivität der Frauen in den Parteien, die sich nach Strecker erst durch die junge Generation anbahne, hat es allerdings immer schon gegeben. So lassen sich drei Gruppen weiblicher Parteimitglieder erkennen, die sich nach Art und Umfang ihrer Mitarbeit unterscheiden:
- Zu der ersten Gruppe gehören die Frauen, die nur an den Veranstaltungen der Partei teilnehmen. Diese Mitglieder zeichnen sich in der Mehrzahl dadurch aus, daß sie aktiv und zielstrebig sind. Für sie ist die Frauenorganisation daher ohnehin nicht notwendig. Die Zahl der zu dieser Gruppe gehörenden Frauen ist jedoch verhältnismäßig klein - in der CDU wahrscheinlich noch kleiner als in der SPD. Allerdings ist erkennbar, daß sie durch den Nachwuchs junger, beruflich qualifizierter und meist akademisch gebildeter Frauen profitiert. Mit einem allmählichen Wachstum ist also zu rechnen.
- Die zweite Gruppe setzt sich aus den Frauen zusammen, die ausschließlich an den Veranstaltungen der Frauenorganisationen teilnehmen. Nach den vorausgegangenen Ausführungen ist es sehr wahrscheinlich, daß zu dieser Gruppe die Mehrheit aller weiblichen Parteimitglieder zu zählen ist. Dabei ist, auch nach dem letzten Zitat, die Stärke der Gruppe als weitgehend generationsbedingt zu werten.
- Die dritte Gruppe schließlich nimmt sowohl an den Veranstaltungen der Partei als auch an denen der Frauenorganisationen teil. Unter den Angehörigen dieser Gruppe sind einmal jene Frauen zu finden, die tatsächlich über die Frauenorganisationen den Weg in das Parteileben gefunden haben, zum anderen aber auch solche, die von der Parteiebene kommend zu den Frauenorganisationen stoßen, um sich hier die Unterstützung der Frauen für ihre Kandidaturen zu sichern.[129]
Trotz dieser für alle Parteien zutreffenden Gruppeneinteilung nach den drei vorherrschenden Beteiligungsformen kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß auch die jeweilige Bedeutung dieser Beteiligungsformen für die Aufstiegsmöglichkeiten in jeder Partei gleich ausgeprägt ist. Dem widerspricht schon die beispielsweise in CDU und SPD anders geartete Parteistruktur, die den Frauenorganisationen ganz unterschiedliche Positionen im jeweiligen Gesamtgefüge der Partei zuweist. Dennoch lassen sich gewisse Gemeinsamkeiten in beiden Parteien feststellen, die möglicherweise eine Art Regel ergeben könnten. Innerhalb der zentralistischen Organisationsstruktur der SPD stellen die Arbeitsgemeinschaften der Frauen keine eigenständigen Formationen dar. In ihnen finden sich Frauen freiwillig zu gemeinsamer Arbeit zusammen. Daneben bestehen auf jeder Organisationsstufe Frauenausschüsse, die den Parteivorständen unterstellt sind.[130] So kennen auch die Statuten nur wenige Fälle, in denen die Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaften zugleich, also kraft Amtes, Mitglieder der Parteivorstände sind. Die Stellung der Frauenarbeitsgemeinschaft muß von der Organisationsstruktur der Partei her als schwach bezeichnet werden. Das Hauptgewicht jeder Mitarbeit der Parteimitglieder wird in der SPD den Parteiveranstaltungen, vor allem den Mitgliederversammlungen, beigemessen.[131] In der SPD ist daher die Chance, Funktionen zu erlangen, für die erste Gruppe am größten, für die Frauen also, die rege an der Arbeit der Gesamtpartei teilnehmen.
Demgegenüber gewährt die gruppenhafte Struktur der CDU ihren Organisationen große Eigenständigkeit. Die Statuten sehen vor, daß die Vorsitzenden der Organisationen kraft Amtes auch in den Parteivorständen vertreten sind. Daher nimmt die Frauenorganisation der CDU organisatorisch eine stärkere Stellung ein als die der SPD.[132] Neben der ersten hat hier also auch die zweite Gruppe der weiblichen Parteimitglieder Chancen, (kraft Amtes) Parteifunktionen zu übernehmen.
In beiden Parteien steht danach die letzte Gruppe - mit den Frauen, die sowohl am allgemeinen Parteileben als auch an den Veranstaltungen der Frauenorganisationen teilnehmen - nach ihren Aufstiegschancen zwischen den beiden erstgenannten Gruppen. Auf der Grundlage dieses Zusammenhangs zwischen den Formen der Betätigung und den Aufstiegschancen in den Parteien soll bereits hier die Behauptung aufgestellt werden, daß den drei Möglichkeiten der Aktivität weiblicher Parteimitglieder auch drei Wege für politische Laufbahnen entsprechen, die zu jeweils unterschiedlich hohen politischen Positionen führen, und daß der ausschließlich über Parteipositionen führende Weg die größten Aufstiegschancen bietet. Zwar wird sich der Beweis hierfür nicht mit letzter Gewißheit erbringen lassen, weil es dazu einer Analyse der politischen Laufbahnen der Inhaberinnen sowohl von Positionen der Partei als auch von solchen der Frauenorganisation bedürfte. Doch wird die in dieser Arbeit noch vorzunehmende Analyse der politischen Karrieren von weiblichen Landtags- und Bundestagsabgeordneten Anhaltspunkte und Argumente bieten können.
Schon jetzt aber ist festzustellen, daß die Frauenorganisationen durch ihr Unvermögen, die Frauen in großer Zahl für die Parteiarbeit und für Parteifunktionen zu gewinnen, zu schulen und zu mobilisieren, vor allem aber durch die statt dessen betriebene Absorbierung und Isolierung eines großen Teils der weiblichen. Parteimitglieder in der Frauenarbeit selbst dazu beigetragen haben, daß sich die Situation der Frau in den Parteien nicht verbessert hat.
Durch die Existenz der Frauenorganisationen sind die weiblichen Mitglieder der Parteien auch noch in anderer Beziehung in eine politische Sackgasse geraten. Wenn sich nämlich die weiblichen Mitglieder in den Frauenorganisationen gruppieren, um personelle Forderungen durchzusetzen, treten sie in quasi verwandtschaftliche Beziehungen zu reinen Interessengruppen. Die Folge ist, daß ihnen von der Partei allenfalls ein gewisses Kontingent von Vorstandssitzen und Kandidaturen eingeräumt wird.[133] Zwar weisen die Frauen die Behandlung als Interessenvertreter zurück,[134] doch ändert sich dadurch nichts an ihrer Lage. Diese kompliziert sich eher noch, da die Frauenorganisationen durchaus dann als Interessenvertretungen anerkannt und berücksichtigt werden wollen, wenn sie »trotz der gesetzlich verankerten Gleichberechtigung für die Durchsetzung dieses Prinzips im Alltag Forderungen stellen«.[135]
So ist es zu verstehen, daß den männlichen Mitgliedern der SPD die Bestimmungen des Statuts, die eine Berücksichtigung der weiblichen Mitglieder fordern, immer wieder als Ansprüche einer Gruppe auf bestimmte Positionen erscheinen - und mißfallen.
Noch stärker trägt die Eigenständigkeit der CDU-Frauenorganisation zu ihrer Behandlung als Interessengruppe bei. Denn sie muß ja praktisch als solche erscheinen, da ihre Vorsitzenden in den meisten Fällen kraft Amtes Parteivorstandsmitglieder sind und darüber hinaus - wie etwa in Berlin - das Recht haben, Kandidatinnen zu nominieren.
Das Bestehen eigener Organisationen für die weiblichen Parteimitglieder läßt jede Frau, die sich um ein politisches Amt bewirbt, zwangsläufig als Vertreterin der Frauen erscheinen und zwingt sie dadurch in die Konkurrenz mit einer Vielzahl anderer Gruppen. Auch unter diesem Aspekt sind die Schwierigkeiten für die Frauen in der CDU größer als in der SPD, da die Struktur der CDU ohnehin stark durch Interessengruppen bestimmt ist. Bremme kam daher zu dem Schluß, »jede organisatorische Sonderregelung für die Frauen innerhalb der Parteien birgt die Gefahr in sich, daß sie nun von den Sozialgruppen aus überhaupt keine Berücksichtigung mehr finden«.[136] Eine bis heute zutreffende Feststellung, die anhand der Kandidatennominierung für die Parlamente zu belegen ist.
Bremmes Befürchtung, daß es bei der »Kontingentsfrau« in den Parteiorganen und Parlamenten bleibt, also bei einer konstanten Zahl weiblicher Mitglieder in den einflußreichen politischen Gremien, läßt sich dagegen aus den vorliegenden Daten nicht hinreichend bestätigen.[137] Zwar sind derartige Kontingente weiblicher Mitglieder in den Parteiorganen erkennbar,[138] ob aber durch sie ein Sperrmechanismus wirksam wird, der das Aufrücken einer größeren Zahl qualifizierter Frauen in Parteipositionen verhindert, läßt sich aus Tabellen nicht ablesen. Dazu wäre eine genauere Kenntnis der personellen Verhältnisse in den Organisationen der Partei erforderlich.