Beatrix die Ältere, Gemahlin Kaiser Ottos IV.

Tochter König Philipps von Schwaben

Weil bald nach der Ermordung König Philipps von Schwaben 1208 dessen Gattin Irene von Byzanz starb, blieben ihre vier Töchter als Waisenkinder zurück. Die älteste Tochter war Beatrix. Weil eine jüngere Schwester denselben Namen trug, wird sie Beatrix die Ältere genannt. Unsere Skizze nennt sie der Einfachheit halber Beatrix.
Nur wenige Ehen der Stauferinnen wurden glücklich oder auch nur gut, keine aber ist so dunkel und verworren wie die der Beatrix.
Beatrix wurde von den Irrungen und Wirrungen ihrer Zeit heimgesucht. Ihr Leben verband sich schließlich auf Umwegen mit dem Gegner ihres Vaters und Geschlechts, dem Welfen Otto IV. Obwohl sie mit ihm nur knapp einen Monat verheiratet war, kann ihr Leben nicht losgelöst von dem Ottos erzählt werden.
Sie wurde vermutlich ein Jahr nach der Vermählung Philipps mit Irene 1198 geboren. Sie war es, die der Vater 1203 dem Papst Innozenz III. zur Verlobung mit dessen Neffen anbot, um eine Versöhnung der Staufer mit den Päpsten herbeizuführen.
Noch einige Male erscheint danach Beatrix als Objekt politischer Erwägungen. Philipp versprach nach dem Feldzug gegen Thüringen 1204 Beatrix dem Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach, der ihn bei dem Kriegszug unterstützt hatte. Philipp aber zögerte, sein Versprechen aufrechtzuhalten, Charakter und Lebensart des bayrischen Pfalzgrafen stießen ihn ab. Cäsarius von Heisterbach beschreibt Otto in seinem »Dialogus miraculorum« als einen hartherzigen und jähzornigen, wilden und zügellosen Menschen.
Im Frühjahr 1208 wurde im Zusammenhang mit den in Rom zwischen dem Papst und den Abgesandten König Philipps geführten Verhandlungen der frühere Heiratsplan, König Philipps Tochter Beatrix und den Neffen des Papstes betreffend, wieder aufgegriffen. Einen Monat später, am 21. Juni überfiel der Pfalzgraf Otto von Wittelsbach aus Rache für die Auflösung der Verlobung mit Beatrix in Bamberg König Philipp und tötete ihn.
Vor der Ermordung Philipps von Schwaben liegt der zehnjährige deutsche Bürgerkrieg zwischen Philipp und Otto IV.
Nach dem frühen Tod Kaiser Heinrichs VI. 1197 wurden ein Jahr später — ungeachtet des Sohnes und Nachfolgers Heinrichs, Friedrich, des späteren Kaisers Friedrich II., der als verwaistes Kind in Palermo lebte — der Welfe Otto und der Staufer Philipp zu Gegenkönigen gewählt. Nach der Ermordung Philipps war Otto IV. der alleinige König. Auf dem Reichstag in Frankfurt am 11. November 1208 wurde er wiedergewählt.
Auf diesem Reichstag führte der Bischof von Speyer, Heinrich von Scharfenberg, die zehnjährige Beatrix vor die Versammlung der Fürsten, erinnerte an die Untat des Königsmordes an Philipp, und Beatrix erbat weinend von dem Feind ihres Vaters und Geschlechts Schutz und Hilfe. Die Versammlung forderte Vergeltung für die Bluttat. Otto von Wittelsbach und dessen Mithelfer, die noch flüchtig waren, wurden geächtet, ihrer Güter und Würden verlustig und als vogelfrei erklärt. Beatrix wurde von Otto in Obhut genommen und nach Braunschweig gebracht.
Otto IV. hatte sich unter dem Vorwand solcher Hilfeleistung für die Tochter seines ehemaligen Widersachers eines Faustpfandes gegen die Staufer versichert, die staufische Beatrix sollte ein Garant für seine Herrschaft in Deutschland und im Imperium sein, zumal zwei ihrer Schwestern bedeutenden Herrscherhäusern verlobt waren. Eine Rolle spielte auch Ottos Absicht auf das sich in verworrenem Zustand befindliche byzantinische Reich, denn die Mutter der Beatrix war eine Tochter des Kaisers von Byzanz.
Nun muß auf die Persönlichkeit Ottos hingewiesen werden.
Er wurde 1182 als Sohn Heinrichs des Löwen, des großen Gegenspielers Kaiser Friedrichs I. Barbarossas, geboren, war also zwei Jahre jünger als Philipp von Schwaben. Diesem, einem zarten, blonden, milden, liebenswürdigen, gebildeten und frommen Staufer war der Welfe in jeder Hinsicht gegensätzlich, nämlich groß von Gestalt, ungewöhnlich kräftig, schroff und derb, stolz und nach Kampf und Abenteuern begierig. Den Deutschen galt er als landfremd, war er doch in England von seinem kinderlosen Oheim König Richard Löwenherz erzogen und verwöhnt worden.
Otto war einer der Ritter gewesen, die Richard Löwenherz als Geiseln stellte, als er die Geldforderungen nach der Gefangennahme durch Heinrich VI. einzulösen hatte; Otto war damals, noch sehr jung, auf dem Trifels festgehalten worden. 1196 von Richard Löwenherz mit dem aquitanischen Herzogtum und der Grafschaft Poitou beschenkt, nahm Otto an der Seite der Engländer am Kriegszug gegen den französischen König Philipp II. August teil.
Schon in den Jahren des Krieges zwischen Philipp von Schwaben und Otto hatte der auf Frieden bedachte Philipp eine Verbindung seiner Tochter Beatrix mit dem Welfen erwogen; dieser Plan war vom Papst gefördert worden, aber nicht weiter gediehen.
Auf einer Versammlung am Sonntag nach Pfingsten 1209 in Würzburg, ein Jahr nach Philipps Ermordung, wurde von den Reichsfürsten der Wunsch einer Verlobung Ottos mit der staufischen Beatrix öffentlich geäußert. Da entschied sich Otto. Er reichte vor der Fürstenversammlung Beatrix den Verlobungsring, küßte sie als seine Braut und sagte zu den Versammelten: »Schaut eure Königin; ehrt sie, wie ihr gebührt!«
Ihre Jugend — sie war elf Jahre alt — verhinderte die Eheschließung, die erst unter dem Druck der Verhältnisse nach drei Jahren überstürzt vollzogen werden sollte.

Es folgte der Italienzug Ottos und dessen Kaiserkrönung in Rom am 4. Oktober 1209 — er ist der erste und einzige Welfe, der diese Würde erreichen sollte.

Als Otto, die Verträge mit dem Papst mißachtend, die päpstlichen Städte Ancona und Spoleto in Besitz nahm und sich zur Eroberung Apuliens und Siziliens anschickte, wurde er vom Papst gebannt. Was der Papst durch die Zustimmung zur Wahl Ottos und dessen Kaiserkrönung hatte verhindern wollen, nämlich die Verbindung Deutschlands mit dem staufischen Südreich, drohte Otto zu vollziehen. Der Welfe hatte den Kirchenstaat umklammert und schickte sich an, schon in Messina stehend, den jungen Friedrich, dessen Flucht in Palermo schon vorbereitet wurde, zu verdrängen. Friedrich aber war das Mündel des Papstes! Hatte Innozenz III. den Welfen Otto gegen die Staufer ausgespielt, sah er sich jetzt genötigt, den jungen Staufer gegen den ihm gefährlich gewordenen Welfen auszuspielen. Der Papst pochte auf die Rechte Friedrichs als Sohn und Nachfolger Heinrichs VI., wodurch die Ottos in Frage gestellt wurden.
Otto mußte nach Deutschland zurückkehren, wo Friedrich 1211 zu seinem Gegenkönig gewählt worden war. Otto war nicht gewillt, zu weichen. Er führte gegen den abgefallenen Landgrafen von Thüringen Krieg, verwüstete dessen Land und drang bis Weißensee vor, das er belagerte. Noch war seine Macht ungebrochen, selbst die Schwaben leisteten ihm Heeresfolge. Während der Kampfhandlungen um Weißensee schloß Otto am 22. Juli in Nordhausen in aller Eile und unter großer Prachtentfaltung die Ehe mit Beatrix.
Was war geschehen? Was hatte ihn dazu veranlaßt?
In wenigen Tagen wurde über die Zukunft Deutschlands und des Reichs entschieden.
Otto mußte während der Belagerung des ihm hartnäckig trotzenden Weißensee die Nachricht erhalten haben, daß der achtzehnjährige Friedrich am 1. Mai in Genua gelandet und auf dem Wege nach Deutschland war. Dieser Zug von Palermo nach Deutschland wurde die erste Genietat des jungen Friedrich.
Um sich gegen Friedrich Krone und Reich zu sichern, erfolgte die überstürzte Vermählung Ottos mit Beatrix am 22. Juli 1212, doch kaum einen Monat nach der Hochzeit starb Beatrix am 11. August. Das Faustpfand war Otto aus der Hand geglitten.
Kaum daß sie die Nachricht vom Tod der Beatrix erhalten hatten, verließen ihn während der Belagerung Weißensees die Bayern und Schwaben. In Erfurt lösten sich auch die Reichsdienstmannen von ihm los.
Otto eilte nach dem Süden Deutschlands, um Friedrichs Eintritt in Deutschland zu verhindern. Er näherte sich Überlingen und sandte seine Dienerschaft und Köche nach Konstanz, wo er nach wenigen Stunden eintreffen wollte.
Friedrich war von Verona durch das Tal der Etsch bis Trient gelangt, umging den Bereich des stauferfeindlichen Grafen von Meran, nahm den beschwerlichen Weg durch die Alpen und erschien unerwartet in Chur. Über den Ruppen gelangte er Anfang September 1212 über St. Gallen vor Konstanz. Der dortige Bischof Konrad von Tegernfeld, der Otto erwartete, wollte Friedrich nicht aufnehmen. Da erinnerte der päpstliche Legat aus dem Gefolge Friedrichs, Erzbischof Berard von Bari, den Bischof von Konstanz daran, daß Otto gebannt sei und Friedrich im Einvernehmen mit dem Papst nach Deutschland gezogen sei. Daraufhin ließ der Bischof Friedrich die Tore von Konstanz öffnen und die Rheinbrücke nach Überlingen besetzen, um Otto den Einzug nach Konstanz zu verwehren.
Die drei Stunden, die Friedrich vor Otto nach Konstanz gekommen war, entschieden über das weitere Schicksal der beiden Könige, über das der Staufer und Welfen und das Deutschlands und des Reichs. Friedrichs Stern ging auf, der Ottos verdunkelte sich.
Nun verquickt sich Ottos Lebensweg auch noch mit der Schwägerin der staufischen Beatrix, Maria, die Herzogin von Brabant geworden war.
Nachdem Friedrich am 9. Dezember 1212 in Mainz zum König gekrönt worden war, gewann er rasch die Herrschaft über Süd- und Mitteldeutschland und schickte sich an, das welfische Sachsen zurückzuerobern. Otto verließ, nachdem er sich in zweiter Ehe mit der leichtsinnigen Maria von Brabant, einer Schwägerin der staufischen Maria, vermählt hatte, Deutschland, schloß sich seinem Oheim, dem englischen König Johann »ohne Land«, einem Bruder des Richard Löwenherz, an und wurde mit den Engländern in der Schlacht bei Bouvines (zwischen Lille und Valencienne) am 27. Juli 1214 geschlagen. Die auch für Otto entscheidende und verlorene Schlacht wurde zu einem Sieg für Friedrich II. Der französische König Philipp II. August übersandte Friedrich den vergoldeten Adler der Kriegsstandarte, unter welcher Otto gekämpft, als Geschenk.
Otto zog sich mit seiner zweiten Gemahlin, der brabantischen Maria, in sein ihm verbliebenes braunschweigisches Stammland zurück.
Er starb auf der Harzburg. Das Ende des ungestümen Welfen war düster.  »Von einem unsagbaren Weltschmerz befallen«, heißt es in den Annalen des Abtes Albrecht von Stade, »so daß er seinen Köchen befahl, sie sollten auf seinen Nacken treten« (in Collum suum conculbarent), starb er am 19. Mai 1218 im Alter von 44 Jahren. Die letzten irdischen Worte, die er vernommen, waren das Lied »Mitten wir im Leben sind vom Tod umfangen«, das, nachdem alle bis auf die Priester und seine Gattin das Sterbegemach verlassen hatten, gesungen wurde.
Einzele Chronisten berichten, Otto habe sterbend den Wunsch ausgesprochen, seine Gebeine nach Rom zu bringen, damit der Papst ihn vom Banne löse. Dies sei auch geschehen, bevor er im Dom St. Blasien von Braunschweig bestattet wurde, wo vier Jahre vor ihm seine erste Gemahlin, die staufische Beatrix, beigesetzt worden war. Jetzt ruhen Otto und Beatrix in dem von Herzog Anton Ulrich 1707 für die Angehörigen seines Hauses angelegten Sammelgrab. Auf dessen Messingplatte stehen auch die Namen Ottos und der Beatrix verzeichnet.