Das Problem
Nirgends sehen wir Schilder mit der Aufschrift »nur für Frauen«, »nur für Männer« außer auf Toiletten und in Bekleidungsabteilungen. Offiziell gibt es keine Trennung, keine Apartheit. Die formalen (Zulassungs)Beschränkungen für Frauen, ein Universitätsstudium aufzunehmen, gibt es nicht mehr, und lediglich in einigen der wenigen letzten Männerbastionen, wie zum Beispiel bei der Feuerwehr oder der Bundeswehr, muß noch darüber diskutiert werden, ob Frauen zugelassen werden sollen oder nicht.
Im Geschäftsleben sind wenig Frauen zu entdecken, es sei denn als Schreibkräfte und Sekretärinnen. Zwar treffen wir jetzt an den Universitäten Frauen an, doch finden wir sie überwiegend in pädagogischen und nicht naturwissenschaftlichen Fächern.
Wer sich die Säuglingspflege anschaut, entdeckt mehr Mütter als Väter, die mit den Kindern auf der Bank sitzen; und auch das Krankenpflegepersonal besteht hauptsächlich aus Frauen. Das sind bekannte Fakten. Trotz der Tatsache, daß es kaum gesetzliche Beschränkungen gibt, können wir doch voraussagen, an welchen Orten wir mehr Männer und an welchen wir mehr Frauen antreffen werden. Mehr Männer in der Regierung, mehr Frauen morgens im Supermarkt, mehr Männer in den Autos, mehr Frauen tagsüber in den Straßenbahnen, mehr Männer in den Kneipen und auf dem Sportplatz, mehr Frauen, die vor den Kindergärten warten.
Nicht nur in dem Bereich, in dem wir arbeiten, können wir die Unterschiede sehen, wir bemerken sie auch in der Gefühlswelt. Männer kaufen selten Liebesromane und Zeitschriften, in denen es um Beziehungen und Familienleben geht. Frauen kaufen selten Pornohefte oder Zeitschriften, die über Autos, Sport und Technik berichten.
Wer in zwei Spalten auflisten würde, was Frauen beschäftigt und was Männer beschäftigt, könnte fast zu der Ansicht gelangen, daß wir von zwei verschiedenen Bevölkerungsgruppen sprechen, jede mit einer eigenen Kultur, anstatt von Menschen, von denen angenommen wird, daß sie einen großen Teil ihres Lebens miteinander verbringen. Wie kommt das? Sind Frauen und Männer denn so verschieden? Für die meisten Menschen ist das gar keine Frage. Ja, Männer und Frauen sind verschieden. Frauen bekommen nun einmal die Kinder, deshalb sind sie auch aufopferungsbereiter, und es ist selbstverständlicher, daß sie die Hausarbeit machen. Männer sind nun einmal größer und stärker, also ist es normal, daß sie die schwerere Arbeit übernehmen und die gefährlichen Jobs haben.
Obwohl jede Gesellschaft ihre eigene Auffassung darüber hat, was »männlich« und »weiblich« ist, hat jede Gesellschaft auch ihre Konservativen, die sicher zu wissen meinen, daß es nur so und nicht anders geht. So sind Frauen und Männer nun einmal geboren, und wenn es schon nicht gottgegeben ist, dann hat es eben die Natur festgelegt.
Wer so denkt, braucht keine Erklärung darüber abzugeben, wie es dazu gekommen ist, daß die Lebenswelten von Frauen und Männern so weit auseinanderliegen. Aber es gibt auch Leute, die es nicht als selbstverständlich hinnehmen, daß etwas, das so ist, auch so sein muß. Feministinnen der ersten Frauenbewegung und dieser jetzigen haben darauf hingewiesen, daß die Ungleichheit nicht einfach nur »ungleich« ist, sondern auch eine große Ungerechtigkeit beinhaltet. Die bestehende Rollenverteilung verschafft Männern eine Menge Vorteile, die Frauen nicht erhalten. Wir nennen das Unterdrückung, wenn eine Gruppe von Menschen systematisch eine andere beherrschen kann.
Als Feministin gehe ich nicht davon aus, daß die bestehende Verteilung zwischen Frauen und Männern selbstverständlich ist, und finde sie auch nicht gerecht. Ich gehöre zu einer großen Gruppe Frauen, und einige Männer sind auch darunter, die sich die letzten zehn, fünfzehn Jahre damit beschäftigt haben, zu begreifen, wie diese Ungleichheit gewachsen ist. Wir haben dafür verschiedene Erklärungen gefunden, die einander ergänzen und sich nicht auszuschließen brauchen. Wir haben überlegt, wie die Verteilung zwischen Männern und Frauen historisch gewachsen ist, wir haben hinterfragt, wer daran ein ökonomisches Interesse hatte, wir haben die Mechanismen untersucht, die dazu führen, daß Frauen in politischen Parteien und Gewerkschaften weniger zum Zuge kamen als Männer. Wir haben die Doppelbelastung von Frauen untersucht, die Vorurteile, die Versammlungsstrukturen. Wir haben festgestellt, daß viele der Barrieren, die Frauen hindern, gleich viel politische Macht zu erlangen wie Männer, nicht gottgegeben und auch nicht von der Natur festgelegt, sondern von Menschenhand geschaffen worden sind. Vielleicht nicht immer mit der klaren Absicht, Frauen in ihrer zweitrangigen Position zu belassen, allerdings zweifellos mit diesem Effekt. Aber damit sind noch längst nicht alle Fragen beantwortet.
Daß wir nicht als Frauen geboren, sondern zu Frauen gemacht wurden, ist eine bekannte Äußerung Simone de Beauvoirs. Jahrelang habe ich diesen Satz benutzt. War das Beweismaterial nicht überwältigend? War es nicht deutlich genug, daß viele Frauen nicht aus eigenem Willen mit unterbezahlter Arbeit vorliebnahmen? War es nicht deutlich genug, daß viele Frauen nur mit der Isolation der modernen Mutterschaft und des Hausfrauendaseins zufrieden waren, weil die Alternative noch weniger erstrebenswert schien? War es nicht deutlich, daß viele Frauen heterosexuell zu sein glaubten, nur weil sie sich in dem Bild der kranken, männerimitierenden Lesbierin, die ihnen in den Büchern begegnete, nicht wiedererkennen konnten?
Aber alle historischen, ökonomischen und politologischen Analysen erklären nur zum Teil die Unterschiede zwischen einem Frauen- und einem Männerleben. Allmählich begann es mich immer stärker zu interessieren, wie wir zu Frauen gemacht worden sind. Und nicht nur das, denn wenn sich de Beauvoirs Satz auf die Hälfte der Menschheit bezieht, wie ist es dann mit der anderen Hälfte, wie sind Männer zu Männern gemacht worden? Wie, durch wen, durch was?
Die Fragestellung
Dieses Buch handelt von der Geschlechtersozialisation, von der Frage, wie sind wir Frauen und Männer geworden. Diese Frage versuche ich in drei Schritten zu beantworten. Im ersten untersuche ich, wie das Grundmaterial beschaffen ist, aus dem wir bestehen, unsere Biologie. Am Ende dieses Teils komme ich zu dem Schluß, daß es zwar sinnvoll ist, sich die biologischen Unterschiede zwischen Frauen und Männern anzuschauen, aber daß die Unterschiede in der Anatomie auf keinen Fall ausreichend erklären, warum Frauen und Männer ein so unterschiedliches Leben führen.
Im nächsten Schritt untersuche ich dann, was wir über Sozialisationsprozesse wissen. Wenn sich unser Grundmaterial so wenig voneinander unterscheidet, müssen die Erziehungsprozesse und die Einflüsse der uns umgebenden Gesellschaft dazu führen, daß Frauen und Männer als verschiedene Wesen betrachtet werden und es zum Teil auch sind. Daß Frauen und Männer von Geburt an unterschiedlich bewertet werden und sich somit verschieden entwickeln, ist mit einer überwältigenden Menge an Material zu beweisen. Aber warum? Der Druck der Gesellschaft, ökonomische Interessen, historisch gewachsene Machtunterschiede scheinen keine ausreichende Erklärung zu bieten: Es ist notwendig, festzustellen, warum ― um mit Simone de Beauvoir zu sprechen ― Männer bei Frauen auf viel mehr Mitgefühl stoßen, als Unterdrücker normalerweise bei Unterdrückten antreffen. Wir müssen nach den tieferliegenden Motiven suchen. Die Psychoanalyse ist eine Richtung, die sich vornehmlich mit dem Entstehen des Unbewußten beschäftigt, mit den Triebstrukturen und Motiven, die wir in frühester Jugend mitbekommen haben. Aber die klassische Psychoanalyse Freuds war wieder einmal blind für die gesellschaftlichen Einflüsse, für ungleiche Machtverteilung und Unterdrückung. Die beiden Theoretikerinnen Nancy Chodorow und Dorothy Dinnerstein haben versucht, zu einer Synthese zweier Ausgangspunkte zu gelangen: Die Existenz der gesellschaftlichen Ungleichheit zwischen Frauen und Männern und die Bildung der Persönlichkeit, die für Frauen und Männer unterschiedlich verläuft.
Dieser Versuch einer Synthese ist der dritte Schritt. Ein wichtiger, aber noch unvollständiger Schritt in die richtige Richtung. Mit einigen kritischen Anmerkungen und einigen Vorschlägen möglicher Lösungen endet dieses Buch.
Zum Hintergrund dieses Themas
In den ersten, vor etwa zehn, fünfzehn Jahren entstandenen feministischen Büchern und Artikeln geht es vor allem um die Unterdrückung von außen. Daß nicht alle Frauen augenblicklich gegen ihr Schicksal revoltierten, war unter anderem durch unsere »Konditionierung« bedingt, durch ― wie wir sagten ― Gehirnwäsche. Wir prangerten die Medien an, den Unterricht, Wissenschaftler mit ihren Theorien über »Weiblichkeit«, vor allem Psychiater und Psychologen mußten dran glauben.
Viele Frauen, wurde gesagt, hätten ein falsches Bewußtsein. Sie erkannten nicht, daß sie unterdrückt wurden. Frauen, selbst Feministinnen, zeigten manchmal ein Verhalten, das unseren Vorstellungen von Emanzipation und Befreiung widersprach. Dieses Verhalten war durch ihre gesellschaftliche Stellung bedingt. So nahm Shulamith Firestone in ihrem ― in den ersten Jahren der Selbsterfahrungsgruppen sehr einflußreichen ― Buch »Frauenbefreiung und sexuelle Revolution« an, daß das abhängige Verhalten von Frauen direkt durch ihre ökonomische Abhängigkeit verursacht werde.
Das Heilmittel gegen dieses »unwahre« Verhalten war die Veränderung jener Umstände, die dazu führten, also Revolution. Und das Heilmittel gegen »falsches« Bewußtsein war Bewußtseinsentwicklung. Diese Zauberformel begleitete die frühen politischen Aktionen der Frauenbewegung. »Bewußtseinserweiterung« fand in dieser Zeit vor allem in Gesprächsgruppen statt, als feministische Gedanken noch nicht so stark Eingang in die Literatur fanden wie heute.
Etwas später tauchte der Begriff der Sozialisation auf, meist in Verbindung mit einem marxistischen Standpunkt. So schrieb ich in »Feminismus« im Artikel »Die politische Ökonomie der Reproduktionsarbeit«:
»Diese Sozialisation zielt auf die künftig zu erwartende gesellschaftliche Stellung ab. Es ist daher auch kein Zufall, daß die Sozialisation von Jungen anders aussieht als die von Mädchen. Jungen lernen, die Werte zu übernehmen, die sie in die Lage versetzen, konkurrieren zu können, hart zu sein, Gefühle, die an ihrem Arbeitsplatz hinderlich sein können, zu verdrängen. Mädchen lernen, aufopfernd, einfühlsam, gefügig zu sein.«
Noch immer trifft es, wie ich glaube, zu, daß von den Erziehungsprozessen bis zum späteren Beruf ein roter Faden verläuft. Doch erscheint dieser Gedankengang wohl genauso verkürzt wie die Überlegung, die Familie bestehe hauptsächlich noch, weil der Kapitalismus daran ein Interesse hat. Hierbei werden nämlich alle Gründe, die Menschen selbst haben können, um zu heiraten und Kinder zu bekommen, außer acht gelassen. Und etwas später finde ich in meinen eigenen Arbeiten den Gedanken wieder, daß Unterdrückung nicht nur ein äußerer Einfluß ist, sondern uns als Frauen auch Schaden zugefügt hat: »Der größte Feind saß in mir selbst, mein Selbstbild, das mir vorschrieb, ich sei erst etwas wert, wenn Menschen mich nett finden. Dieses Selbstbild war schwer zu zerstören.«
Die Entwicklung von Einsichten muß sich auf die ganze Bandbreite erstrecken: von der Konditionierung über die Erziehung, die auf den Beruf ausgerichtet ist, bis hin zum verinner-lichten Selbstbild.
Wir können die eigene Geschichte nach Jahren zwar kritisch betrachten, brauchen sie aber nicht zu bagatellisieren. Es hat in der westlichen Welt eine große Bewußtseinsveränderung gegeben; es hat sich viel verändert, auch wenn die Krise es uns nicht leicht macht, das auch weiterhin so zu sehen. Allerdings stoßen wir an die Grenzen dessen, was wir durch guten Willen allein oder durch gesetzliche Regelungen verändern können. Die Verhaltensmuster sind ― wie sich gezeigt hat ― zäher, als wir gedacht haben. Der kleine Sohn einer Freundin läuft immer noch eher zu seiner Mutter als zu seinem Vater, wenn er hingefallen ist, obgleich sein Vater bewußt versucht hat, die Erziehungsverantwortung zur Hälfte zu übernehmen. Männer, die mit Schmerzen und unter Mühe die Entwicklungen nachvollzogen haben und vom Verstand her völlig mit den Emanzipationsbestrebungen der Frauen in ihrer Umgebung einverstanden sind, geraten in eine Krise, wenn diese Frauen anfangen, sich genauso selbständig zu verhalten, wie sie es sich selbst immer zustanden. Frauen, die jetzt erreicht haben, wovon sie früher nicht zu träumen wagten, werden nun von Unsicherheitsgefühlen geplagt, und sie neigen dazu, sich in Beziehungen zurückzuziehen. Schwererkämpfte Positionen in politischen Parteien stehen nun für Frauen offen, aber wie sich herausstellt, scheint es wenig Frauen zu geben, die diese haben wollen. Das Verhaltensmuster scheint zäher zu sein, als wir gedacht hatten.
Siehst du wohl, sagen die Konservativen, die Anti-Feministen, es gibt doch so etwas wie eine »weibliche« Natur, und Männer bleiben nun einmal Männer. Nein, sagen wir, sage ich, es zeigt lediglich, daß Menschen sich zwar verändern, wenn die Umstände sich verändern, aber vieles von dem, was wir über »Weiblichkeit« und »Männlichkeit« gelernt haben, sitzt tiefer, als wir dachten, und verschwindet nicht so einfach. Schicht für Schicht werden wir geformt, sozialisiert. Aber wie weißt du denn jetzt, wenn du die ganzen Schichten der Sozialisation abzutragen beginnst, wann du selbst zum Vorschein kommst, fragt eine Frau während einer Vorlesung über Sozialisation. Ist es nicht genauso wie bei einer Zwiebel, du schälst und schälst und behältst fast nichts übrig?
Wir wurden nicht nur zu Männern und Frauen »gemacht«, wir sind in einem bestimmten Maße auch wirklich so geworden. Es ist nicht nur eine dünne Schicht von Vorurteilen, von falschem Bewußtsein und angelernten Meinungen, die wir mit einiger Mühe entfernen können, und darunter kommt dann der wahre, unverletzte Mensch zum Vorschein. Unsere Lernprozesse treffen uns im Kern, in unseren tiefsten Gefühlen von uns selbst, in Bedürfnissen und Ängsten, die mit politischen Slogans, positiver Diskriminierung und gleichem Lohn für gleiche Arbeit nicht zu verändern sind.
Dieser Gedanke ist in der Frauenbewegung noch nicht sehr lange populär, und viele Feministinnen wehren sich auch noch dagegen. In der Anfangszeit des Feminismus waren die traditionelle Psychologie, Therapie, Psychoanalyse und verschiedene andere Richtungen des »inneren Wachstums« wegen der sexisti-schen Sünden, die sie auf dem Kerbholz hatten, derart in Verruf geraten, daß wir nichts davon wissen wollten. Zu lange waren wir verrückt genannt worden, wenn wir einfach unserer Wege gingen; von diesem Herumpsychologisieren hatten wir die Nase voll. Aber wenn wir neben tiefgreifenden ökonomischen und gesellschaftlichen Veränderungen auch wollen, daß Männer und Frauen sich verändern, kommen wir nicht um die Überlegung herum, wie wir so geworden sind. Dann können wir nicht nur sagen, Männer mißhandeln, weil sie die Macht haben, sondern müssen darüber nachdenken, warum es Männer gibt, die mißhandeln, wenn sie die Macht haben. Dann können wir Frauen, die sich gegen eigene Interessen an vermeintliche Sicherheiten klammern, nicht abtun mit »die sind noch nicht so weit« oder ihnen den Stempel »falsches Bewußtsein« aufdrücken.
Natur oder Rollenmuster?
Von einer feststehenden weiblichen und männlichen Natur ausgehende Feministinnen begreifen den Geschlechterkampf als grundsätzlich unlösbar. Wenn allerdings, um ein Beispiel zu nennen, Männer nicht zu verändern sind, ist die Zahl der Lösungen begrenzt: Du akzeptierst die bestehenden Ungerechtigkeiten, du suchst zusammen mit anderen Frauen nach Räumen außerhalb des Patriarchats, in denen du nach eigenen Bedürfnissen und Regeln leben kannst, oder du betrachtest den Geschlechterkampf als einen Kampf auf Leben und Tod. Wenn du »Männlichkeit« und »Weiblichkeit« als eine dünne Hülle empfindest und glaubst, es handle sich um ein paar schlechte Gewohnheiten, die wir zusammen mit alten Gebräuchen ererbt haben, dann reichte es aus, an die Vernunft der Männer zu appellieren und unseren Kindern ein anderes Vorbild zu sein: Schau, Papa kann auch kochen; und sicher wären wir schon ein ganzes Stück weiter, wenn wir die Beispiele in Schulbüchern weniger sexistisch gestalteten, zwischen Jungen- und Mädchenspielzeug keinen Unterschied machten und allzu überzogene Reklame kritisierten. Ohne daß wir uns dessen bewußt sind, bestimmt unsere Sichtweise von Männern und Frauen das, was wir verändern wollen und wie wir es verändern wollen. Sie bestimmt, ob wir mit Männern zusammenarbeiten wollen oder nicht. Sie bestimmt, ob wir Methoden benutzen, die stärker auf Kämpfen und Gewinnen als auf Abrüsten und Überzeugen ausgerichtet sind. Daraus ergeben sich Konsequenzen, nicht nur für die sogenannte feministische Strategie, also den politischen Kampf, sondern auch für unsere Vorstellungen von Beziehungen, von Kindererziehung.
Mein Standpunkt ist der zwischen dem extremen Pessimismus und sonnigen Optimismus, die ich beide zu skizzieren versuchte. Ich glaube nicht, daß Frauen und Männer von Natur aus statisch sind. Ich sehe Frauen als veränderbare Wesen. Ich bin dieser Meinung, weil ich weiß, wie ich mich selbst in langen Jahren verändert habe. Aber die Tränen, Ängste und Unsicherheiten, die diese Veränderung ― neben Euphorie ― gekostet hat, haben mir gezeigt, daß es keine leichte, nur vom Verstand gesteuerte und vom Willen vollbrachte Leistung ist. Und dasselbe behaupte ich auch von Männern.
Ich treffe manchmal Feministinnen, die Weiblichkeit und Männlichkeit mit zweierlei Maß messen. Die können darin mit Simone de Beauvoir ganz einer Meinung sein, daß Frauen nicht geboren, sondern gemacht werden. Aber Männer? Männer sind nun einmal so.
Ich glaube also nicht an eine »männliche« und eine »weibliche« Natur. Aber ebensowenig glaube ich, daß es um »Rollen« geht, die wir spielen und einfach ablegen könnten. Was mit uns von dem Moment der Geburt an geschehen ist und was davor schon alles feststand, hat tief auf uns eingewirkt. Wir erfahren es als »Identität«, als unseren Charakter, als das, was wir »sind«. Und das ist zu einem Teil sicher zu verändern, aber nicht einfach und nicht schmerzlos.