Von Natur aus gibt es nichts Angenehmes
oder Unangenehmes, sondern alles
wird so durch Gewohnheit.
Epiktet
Die Phallus-Verehrung
Die ursprünglichen Verehrerinnen des Phallus waren Frauen. Wie die Archäologie in jüngster Zeit herausgefunden hat, wiesen die frühen Völker in der von uns bisher prähistorisch genannten Zeit dem Mann eine Stellung zu, in der er sowohl im sexuellen als auch in anderen Bereichen der Frau untergeordnet war. Es gibt sogar Zeugnisse dafür, daß die sexuellen Vorlieben der Frau die endgültige Größe des Penis bestimmte.
Bei den kürzlich im Nahen Osten ausgegrabenen Göttinnenheiligtümern kamen Phallen aller Formen und Größen zum Vorschein. Die Tatsache, daß diese und solche phallischen Symbole wie die Stierhörner der einzige männliche Zug sind, den man in den alten Heiligtümern fand, weist darauf hin, daß die ursprünglichen Verehrerinnen des Phallus die Frauen selbst waren. Phallen sind sehr zahlreich, aber unter den von der Archäologie entdeckten Myriaden von Frauendarstellungen ist kein anderes männliches Element überhaupt nur angedeutet, als ob für die Frauen, die alles waren, was zählte, das einzige am Mann zu Schätzende sein Geschlechtsorgan war, zu ihrer Freude und Erfüllung geschaffen. »Diese männlichen Symbole wurden im Bezug zur Göttin gesehen, und um sie zu erfreuen, sind sie so zahlreich in ihren Heiligtümern vorhanden.«[1]
Bezeichnenderweise war es in der ägyptischen Mythologie Isis selbst, die erste Göttin, die die Phallusverehrung einsetzte. Als Typhon ihren Gemahl Osiris ermordete und ihn in kleine Stücke zerteilte, ging Isis umher und sammelte diese auf. Aber nirgendwo konnte sie den fehlenden Penis finden. Deshalb befahl sie, ein hölzernes Lingam anzufertigen, das sie dahn in ihrem Haupttempel in Theben aufstellte. Aus diesem Grund wurden alle Göttinnentempel in Ober- und Unterägypten mit hölzernen oder steinernen Phallen geschmückt. Der Mythos erinnert an die Tatsache, daß die Phallusverehrung von den Frauen als Teil des Göttinnenkultes auf der ganzen Welt angeordnet wurde.
Erst seit der patriarchalen Revolution wurde die Phallusverehrung eine rein männliche Angelegenheit, die sie auch heute noch ist. Als die Männer den Phalluskult übernahmen, schnappten sie über und entwickelten ihn zu den lächerlichen Extremen, in die Männer gewöhnlich verfallen, wenn sie weibliche Handlungen und Einrichtungen übernehmen.[2]
Die alten Juden schworen Eide nicht auf ihre eigene Bibel, wie es die Christen tun, sondern auf ihre Genitalien, wobei das Wort »Schenkel«, wie in »lege deine Hand auf (oder unter) meinen Schenkel und schwöre«, nur eine sprachliche Verhüllung für den Penis und/oder die Hoden ist. Auch war es unter den Juden für eine Frau ein Verbrechen, die geheiligten Geschlechtsteile ihres Gatten mit der Hand zu berühren, ein Verbrechen, das schwere Strafe nach sich zog, nämlich nichts weniger als die Amputation der beleidigenden Hand.[3]
In Indien überstieg nach der dortigen patriarchalen Revolution die Phallusverehrung durch Männer das Maß der Vernunft. Der Priester pflegte täglich zu einer bestimmten Zeit nackt durch die Straßen zu gehen und eine Glocke zu läuten. Diese sollte alle frommen Frauen zu der Pflicht zusammenrufen, die dargebotenen Genitalien des Priesters zu küssen und zu umfassen. Ebenfalls in Indien erreichte der triumphierende männliche Phalluskult seinen eigentlichen Höhepunkt, und zwar in der Geschichte vom »größten Lingam der Welt«. Dieses Gleichnis war ohne Zweifel eine Art Propaganda, um die Frauen einer Gewohnheit zurückzugewinnen, deren sie müde geworden waren, weil sie ihr vielleicht zu oft ausgesetzt waren. Jedenfalls, die Geschichte berichtet, daß der Gott Schiwa, der in älteren Mythen eine Göttin war, als er durch irgendein Unglück seinen Penis verlor, diesen im Boden steckend fand. Er durchdrang bald die Unterwelt, und seine Länge nahm zu, bis sich seine Spitze über die Himmel erhob. Dieser seltsame Anblick erregte die Aufmerksamkeit von Vischnu und Brahma, und diese zwei Götter entschlossen sich, die Angelegenheit zu untersuchen.
»Brahma stieg zum Himmel empor, um die oberen Grenzen des Lingams zu ermitteln, und Vischnu begab sich in die unteren Gefilde, um seine Tiefe festzustellen. Beide kamen mit der Nachricht zurück, daß es unendlich sei. (...) So fielen sie beide nieder und beteten es an und hießen alle Männer und Frauen, das Gleiche zu tun.«[4] Und so wurde die Menschheit gelehrt, daß der Einfluß des Lingams unendlich sei und daß alle Frauen wie auch die Männer es verehren müßten.
Der Phalluskult starb unter den Frauen nicht vollkommen aus, wie die geschichtliche Tatsache von der Eroberung der Stadt Embrun in Frankreich im Jahre 1585 bezeugt. Als die Protestanten die Stadt einnahmen, entdeckten sie, daß die geweihte Statue des Heiligen Foutin mit einem prächtigen steinernen Phallus geschmückt worden war, der sich rot gefärbt hatte, weil die örtlichen Damen Weintrankopfer darübergegossen hatten.[5]
Der heilige Foutin wurde in ganze Südfrankreich verehrt. Man sagt, sein Name sei aus »Photinus« entstanden, dem Namen des ersten Bischofs von Lyon, »auf den das Volk die Wesensmerkmale des Pnapus übertragen hatte«.[6]
Sein Bildnis, das immer mit priapischer Pracht geschmückt war, wurde bis ins siebzehnte Jahrhundert hinein in Kirchen in der Provence aufgestellt. Bischof Photinus muß ein ganzer Mann gewesen sein, denn selbst eine gewaltige natürliche Gesteinsbildung in der Auvergne wurde wegen ihrer Ähnlichkeit mit einem Penis im Volksmund »Saint Foutin« genannt. Der Penis des Heiligen war meistens aus Holz, das die Frauen abschabten. Das Holzmehl kochten sie dann in Wasser und tranken das so erhaltene Gebräu als fruchtbarkeitsförderndes Mittel.
In den meisten Kirchen wurde der heilige Penis so abgenützt, daß er in Abständen ersetzt werden mußte, bis sich ein unbekannter Priester einen »unerschöpflichen« Penis ausdachte, der durch ein Wunder erneuert wurde. »Dieses Wunder war jedoch sehr plump, denn der Phallus bestand aus einem langen Holzstab, der durch ein Loch im Bildnis des Heiligen gesteckt wurde, und wenn das phallische Vorderende kürzer wurde, trieb ihn ein Schlag mit einem Holzhammer von hinten nach vorne, so daß er wieder seine ursprüngliche Länge erhielt.«[7] Es ist möglich, daß der Penis des Heiligen, ob nun aus Holz oder Stein, auch zu einem intimeren Zweck von seinen Verehrerinnen benutzt wurde. Es gibt Beweise dafür, daß in katholischen Kirchen Frauen bis ins 17. Jahrhundert hinein gelegentlich den alten heidnischen römischen Brauch übten, tatsächlich Geschlechtsverkehr mit dem Heiligen zu pflegen, wie es die römischen Frauen oft taten, wenn sie sich auf den aufgerichteten Penis des Priapus setzten, um fruchtbar zu werden.
Kastration und Priestertum
Die weibliche Phallusverehrung führte in archaischen Zeiten zum Penisopfer - der Kastration des Mannes - als einem religiösen Ritus. Nachdem in matriarchalen Zeiten die Männer schließlich doch noch Zutritt zur Priesterklasse erhielten, waren es offensichtlich diese castrati, die ausgewählt wurden, die Wächterschaft der Tempel mit den langbekleideten Priesterinnen der Göttin zu teilen.
Noch im Jahre 1902 schrieb der Anthropologe Crawley, indem er sich auf seine Zeit bezog: »Eines der verwickeltsten Probleme besteht darin, daß Priester, Schamanen und Medizinmänner weibliche Kleider übernehmen.«[8] Denn es ist eine seltsame Erscheinung, daß, selbst lange nach dem Ableben der Göttin und ihrer Priesterinnen, die Priester ihres Nachfolgers, des Gottes, weiterhin weibisch sind.
Graves weist darauf hin, daß selbst in geschichtlicher Zeit die männlichen Priester des Zeus, des Apollo und anderer Götter des neuen männlichen Pantheon falsche Brüste, lange Haare, glattrasierte Gesichter und wallende Kleider tragen mußten. Diese beiden letzteren Vorschriften wurden in die christliche Kirche übernommen, und die glattrasierten Gesichter und die wallenden Kleider kennzeichnen Mönche und Priester bestimmter christlicher Sekten bis auf den heutigen Tag - Überreste aus einer Zeit, in der nur Frauen für würdig gehalten wurden, der Großen Göttin zu dienen.
Aber das christliche Priestergewand ist nicht der einzige solche Rest in der modernen Welt. Die Bardaschen, Medizinmann-Priester der nordamerikanischen Indianerstämme, werden wegen ihrer weiblichen Fertigkeiten so genannt. Ihr Name ist das französische Wort für hermaphrodit oder homosexuell. Die Schamanen Sibiriens und der Arktik ebenso wie die Medizinmänner der amerikanischen Indianerstämme, wie zum Beispiel Krähen, Sioux, Irokesen und Chukchi, tragen gewohnheitsmäßig Frauenkleider und leben als Frauen.[9]
In Borneo ist »der höchste Schamane einer, der sein Geschlecht gewandelt und weibliche Kleider angenommen hat und weibliche Arbeiten verrichtet«.[10]
In Indien tragen die Priester der Göttin Huligamma weibliche Kleider genauso wie die Priestersekte der Vallabhachars, die in den Heiligtümern des Gottes Krischna dienen. Diese Sitte findet sich auch in Bengalen und im Kongo, wo die nganga, die Medizinmänner der Bangala, Frauenkleider tragen. Selbst im fernen Tahiti mußte die Sekte männlicher Priester, die arreoi, sich wie Frauen kleiden und leben.[11]
Wie Herodot, der im 5. Jahrhundert berichtete, daß die nördlichen barbarischen Stämme »die Frauenkrankheit« [12] hatten, so führen moderne Beobachter dieses allgemeine unmännliche Benehmen der heiligen Männer auf sexuelle Abnormität zurück. Crawley bezieht es auf eine »angeborene Inversionsneigung« [13], und Lowie schreibt: »In einigen primitiven Gemeinschaften ist das, was wir im sexuellen Bereich als krankhafte Erscheinungen ansehen würden, eng mit religiöser Tätigkeit verknüpft.« [14] Edward Westermarck sagt: »Ohne Zweifel sind diese Erscheinungen Fälle sexueller Inversion, sei sie nun angeboren oder angenommen. Die bezeichnende Tatsache ist, daß die ganze Geschichte hindurch die Priesterschaft eine Neigung zur Verweiblichung hatte.«[15] Das ist allerdings die kennzeichnende Tatsache. Aber ihre Bedeutung liegt nicht in der vermuteten Verweiblichung der heiligen Männer, sondern darin, daß die religiöse Idee ursprünglich weiblich war. Der Brauch, daß Priester weibliche Kleider und Verhaltensweisen annehmen, ist nicht, wie Westermarck, Lowie und andere denken, auf eine unter ihnen vorherrschende Homosexualität zurückzuführen, sondern auf eine sehr alte Gewohnheit, die so tief im menschlichen Unterbewußtsein eingebettet liegt, daß sie selbst nach 4 000 Jahren männlicher Herrschaft nicht auszulöschen ist: die Gewohnheit, die Gottheit als weiblich anzusehen.
Gelehrte des 19. und 20. Jahrhunderts, die sich geschlossen weigerten, die überwältigenden Hinweise auf die ursprünglich gynaikokratische Grundlage der menschlichen Gesellschaft zu akzeptieren, trugen trotzdem wertvolle Einzelheiten zusammen, die es heute Gelehrten erleichtern, frühe Gesellschaftsformen zu rekonstruieren. Sir James Fräser führt außerordentlich überzeugende Nachweise von überall existierenden, gynaikokratischen Bräuchen und Tabus an, mißiriterpretiert sie jedoch und hält sie für so unbedeutend, daß er sie in dem von ihm selbst zusammengestellten Auszug seines riesigen, zwölfbändigen Werkes übergeht. In Band 6 des Originals zitiert er zahlreiche Fälle, in denen männlichen Priestern das Tragen von Frauenkleidung abverlangt wird, angefangen mit dem Priester von Herkules in Cos im 5. Jahrhundert v. Chr. bis hin zu den Schamanen Nordamerikas im 9. Jahrhundert n. Chr. In Fräsers Auszug[16] aber fehlt jedweder Verweis auf diesen Aspekt der Religion. Es ist natürlich möglich, daß er bewußt ausgelassen wurde - daß, als Fräser 1922 den Auszug zusammenstellte, er endlich die ungeheuer wichtigen Implikationen dieses Phänomens erkannt hatte und entschied, sie um der männlichen Vorherrschaft willen zu unterdrücken.
Männliche Beschneidung
Die Tatsache, daß selbst im kaiserlichen Rom die Verehrer der Göttin Cybele immer noch ihren Penis und ihre Hoden abschnitten und sie ihr in ihren Heiligtümern darboten, zeigt an, daß es in früheren Zeiten für Männer üblich war, diese Handlung zu Ehren der Großen Göttin auszuüben. Wahrscheinlich, um einerseits die Heiligtümer zu reinigen und andererseits, um die massenhafte und die Frauen betrügende Kastration der Männer zu beenden, führten Frauen den Brauch ein, an Stelle des Ganzen die Vorhaut zu opfern, und so übernahm man die Beschneidung als Verbesserung der Kastration.
Es kann nicht bezweifelt werden, daß die Beschneidung ein Überrest des Göttinnenkults ist. Indem Abraham die Beschneidung als Bund zwischen Mensch und Gott ausgab, versuchte er nur, einen matriarchalen Brauch, der nicht auszutilgen war, vernunftmäßig zu erklären, wie auch in christlichen Zeiten die Kirche viele Göttinnenriten, die nicht zu beseitigen waren, übernahm und rationalisierte. Tatsache ist jedoch, daß Abraham die Beschneidung nie ausführte oder sich für sie einsetzte. Der ägyptische Moses setzte den Brauch unter den Hebräern ein, und die Verfasser der Schöpfungsgeschichte schrieben ihn, wie so viele spätere Bräuche, dem frühen Patriarchen Abraham zu, um ihrer vergleichsweise neuen Jehovah-Religion den Anschein des Althergebrachten zu verleihen.
Die Beschneidung ist weitaus älter als Moses oder Abraham. Herodot schreibt, daß »die Syrer von Palästina (die Juden, Anm. d.Üs.) selbst zügeben, daß sie diesen Brauch von den Ägyptern gelernt haben«.[17] Die Ägypter hatten ihn seit undenklichen Zeiten zu Isis' Ehren ausgeübt; und die Nubier, von denen Strabo 7 v. Chr. versichert, daß sie selbst in seinen Tagen stark von Frauen beherrscht wurden, hatten diesen Brauch »immer« vollzogen. Die Kolchier an der Schwarzmeerküste, die eine alte, von Sosostris vor 3000 v. Chr. angesiedelte ägyptische Kolonie waren, hatten ebenso »die Beschneidung immer durchgeführt«.[18] Und das war wenigstens tausend Jahre vor Abraham.
Daß die Beschneidung ein Überbleibsel des der Göttin geopferten Penis ist, wird durch die Tatsache bewiesen, daß der Ritus in alten Zeiten immer im frühesten Mannesalter durchgeführt wurde und nicht in der Kindheit, wie es heute der Fall ist. Unter den Arabern und bei einigen afrikanischen Stämmen findet die Beschneidung heute in der Pubertät statt. Und es gibt Beweise dafür, daß der Bar-Miswa, der Mannbarkeitsritus unter den Juden, einmal die Zeit der Beschneidung war.
Die alten Römer waren über diesen jüdischen und arabischen Brauch sehr erstaunt, was unter den klassischen Schriftstellern zu den verschiedensten Mutmaßungen Anlaß gab. Ein Kommentator der Satiren von Horaz bot eine der findigsten Erklärungen dafür: »Die Juden waren ihrer Vorhaut beraubt. Grund dafür war Moses, ihr König und Gesetzgeber, dessen Vorhaut aus mangelnder Reinlichkeit erkrankt war, und der sich gezwungen sah, sie abzuschneiden; aus Furcht, dieser Verlust könne ihn der Lächerlichkeit preisgeben, befahl er allen, sich derselben Operation zu unterziehen.« [19]
Die Vorhaut von Jesus Christus war eines der kostbarsten Relikte des Mittelalters. Sie war so populär, daß es zu einem Zeitpunkt mindestens zwölf davon gab. Die Heilige Vorhaut von Chartres war jedoch am potentesten, denn nur ein Blick darauf genügte, jede gebärunfähige Frau fruchtbar zu machen.[20] Dies hieß, die Sache entschieden zu weit treiben; aber ein französischer Philosoph des 19. Jahrhunderts trieb eine andere Vorhaut, die von Adam nämlich, noch entschieden weiter. Dieser große Denker kam irgendwie zu dem Schluß, daß, als Gott Adam aufforderte, sich schlafen zu legen, er ihn nur beschneiden wollte. Als er aber so mit der entfernten Vorhaut in der Hand dastand, hatte er eine bessere Idee, was mit dem Rest zu tun sei. Und er schuf die Frau, Eva, aus Adams Vorhaut![21]
Die Beschneidung bei Knaben wird heute aus hygienischen Gründen zum Nutzen des Jungen vollzogen. Ärzte des 19. Jahrhunderts haben den Reinlichkeitsgrund geringschätzig abgetan und behauptet, die Beschneidung fördere nicht die- Gesundheit, sondern sie sei eine barbarische und nutzlose Quälerei.
Doch Meldungen aus der letzten Zeit besagen, daß der Krebs am Gebärmutterhals möglicherweise durch ein von unbeschnittenen Männern übertragenes Virus verursacht wird.[22] Vielleicht hatten dann die Juden, die Araber und der Hl. Petrus durchweg recht. Denn es war der Hl. Petrus im Gegensatz zu Paulus, der von denen, die sich zum Christentum bekehrt hatten, verlangte, sich beschneiden zu lassen. Paulus wollte Bekehrte um jeden Preis, doch die bevorstehende Beschneidung hatte seiner Erfahrung nach den Eifer nicht weniger zukünftiger Christen abgekühlt. Paulus gewann, und die Christen wurden nicht beschnitten.
Jedoch mit Ausnahme der Christen von Abessinien und der christlichen Kopten von Ägypten, bei denen die Tradition zu tief verwurzelt war. Der unbeschnittene Mann war den koptischen Frauen so schrecklich, daß sie sein Bettzeug und seine Eßgeräte verbrannten, wenn sie unwissentlich doch einmal einen empfangen hatten, wie Voltaire in Philosophie der Geschichte berichtet.[23]
Andererseits ziehen nicht-christliche Frauen der Türkei »ein Zusammenleben mit solchen Männern, die ihre Vorhaut beibehalten haben (die Christen), den Juden und Türken vor, da die sexuelle Vereinigung durch die Reibung der Vorhaut um vieles lustvoller ist.«[24]
Philo berichtete, daß die Ägypter eine Krankheit kannten, die sie Carbo nannten, von »sehr gefährlicher Art und sehr schwer zu behandeln, für die all jene, die ihre Vorhaut noch hatten, besonders anfällig waren«.[25] Welche Krankheit das war, ist unbekannt, aber es kann Syphilis gewesen sein. Diese breitete sich in Europa erst am Ende des 15. Jahrhunderts aus, als sie Kolumbus' Seeleute aus der alten Welt mitbrachten. Aber ist es nicht möglich, daß in früheren Tagen die alten Seefahrer sie aus der gleichen Neuen Welt mit nach Ägypten gebracht haben, wo die Ärzte erfolgreicher waren, sie einzudämmen, als die Ärzte des »aufgeklärten« 16. Jahrhunderts n. Chr.?
In der mohammedanischen Religion ist die Beschneidung Zwang. Und sie wurde nach islamischem Glauben ursprünglich nicht von Mohammed, sondern von Ismael angeordnet, dem Sohne Hagars, der von Abrahams Frau Sarah beschnitten wurde.
Viele und verschiedenartige Gründe werden von früheren Reisenden für den seltsamen morgenländischen Brauch der Beschneidung angeführt: um Selbstbefriedigung und Ausschweifung zu verhindern; um das Waschen zu erleichtern, da es den Mohammedanern beim Reinigen der Genitalien nur erlaubt ist, eine Hand zu benützen; um sich gegen einen Wurm zu schützen, der sich vorzugsweise in der Vorhautfalte vermehrt; die Vorhaut würde, wenn man sie unbeschnitten ließe, zu lang werden und den Geschlechtsverkehr beeinträchtigen; und schließlich könnte »die Vorhaut den freien Samenfluß bei der ehelichen Umarmung behindern, und die große Fruchtbarkeit der Juden und Araber ist auf die Beschneidung zurückzuführen«.[26]
All diese sogenannten Erklärungen sind von patristischer, männlicher Logik gekennzeichnet. Der wahre Grund für die männliche Beschneidung liegt im großen geheimnisvollen Verstand der ersten Königin begraben, die sie im Frühling der Menschheit zum ausschließlichen Wohle des auserwählten Geschlechts, der Frauen, anordnete.
Der Brustfetisch
Unter den Entdeckungen bei Catal Hüyük, die die Forscher am Anfang der 60er Jahre erstaunten, waren die vielen Paare weiblicher Brüste, die die Wände der Göttinnentempel zierten. Diese körperlosen Brüste ragten aus der ebenen Oberfläche der Wände, als hätten sie eine eigene Existenz. Diese Erscheinung im Anatolien des 9. Jahrhunderts hatte sich, im Gegensatz zu so vielen anderen anatolischen Wandverzierungen, nicht in Kreta oder sonstwo im späteren ägäischen Raum wiederholt.
Doch, mirabile dictu, nahezu 1 500 km entfernt, im südlichen Italien, wurden gleichartige Brüste in einem einer Göttin geweihten Tempel gefunden, der etwa 6- oder 7 000 Jahre nach Catal Hüyük entstand, noch vor Rom oder der hellenischen Kolonisation Italiens. Unter diesen zahlreichen »weiblichen Brüsten« gab es eine große Anzahl »seltsamer weiblicher Blumen, Frauengesichter, die von einem Kelch aus Blütenblättern gekrönt waren.«[27] Dies ist alles sehr seltsam und aufregend, aber seltsamer und aufregender ist die spätere Identifizierung des Tempels, in dem diese Brüste und Blumengesichter gefunden worden waren, und dessen Zusammenhang mit Jason und den Argonauten.
Im 1. Jahrhundert v. Chr. berichtete Strabo von einem Tempel in Lukanien im südlichen Italien, der 12 oder 13 Jahrhunderte früher von Jason, während dessen Reise mit der Argo gebaut worden und der Göttin Hera geweiht worden war. Strabo nannte ihn das Heraion von Silaris, den Heratempel von Silaris. Silaris ist der römische Name des Seieflusses. Zu Jasons Zeiten war Hera noch die Große Göttin des nördlichen Griechenlands und Thessalien, Jasons Heimat war ein Teil davon. Das Ziel der Argonauten, mit Jason als Kapitän, war Kolchis an der Ostküste des Schwarzen Meeres im Norden Anatoliens. Um auf kürzestem Wege von Thessalien nach Kolchis zu gelangen, hätten sie das Ägäische Meer überquert, wären durch den Hellespont zum Marmarameer, dann durch den Bosporus zum Schwarzen Meer und weiter in Richtung Osten bis nach Kolchis gefahren. Italien wäre ein sehr großer Umweg gewesen.
Jasons Besuch in Italien muß dann offensichtlich auf der Rückfahrt von Kolchis stattgefunden haben, als er mit Medea auf der Flucht war. Denn die Tatsache, daß der griechischen Göttin Hera in Italien ein Tempel geweiht worden war noch vor der griechischen Kolonialisierung der Halbinsel, kann nicht geleugnet werden. 200 Jahre nach Strabo bestätigte auch Plutarch, daß das Heraion das Werk Jasons war. Der Tempel stand noch zur Zeit Plutarchs. Als aber Altertumsforscher der Spätrenaissance an den Ufern des Sele nach dem Heraion zu suchen begannen - von den gerade entdeckten Berichten Strabos und Plutarchs neugierig gemacht - konnten sie nicht die geringste Spur eines Tempels finden. Die Nachforschungen waren jedoch 1935 endlich erfolgreich - 30 Jahre vor Catal Hüyük - als die weiblichen Brüste und Blumengesichter 4,5 km vom Fluß entfernt auf einem Feld gefunden wurden. Weitere Ausgrabungen legten die Überreste des Tempels frei, und Weiheopfer, auf denen der Name Hera zu lesen war, machten »ganz klar, daß es sich tatsächlich um (Strabos) Heraion von Silaris handelte«.[28]
Damit waren alle zufriedengestellt. Aber - was war mit den Brüsten? Sie erregten zu jener Zeit wenig Interesse, da 1935 die Brüste von Catal Hüyük natürlich noch unbekannt waren. Welche Verbindung bestand zwischen den beiden? Wie hatten anatolische Brüste aus dem 80. Jahrhundert das Italien des 12. Jahrhunderts erreicht? Wenn die abgetrennten Brüste ein universales Symbol der Großen Göttin darstellten, warum waren sie dann nicht an anderer Stelle zusammen mit ihren anderen zahlreichen Symbolen 107 aufgetaucht? Wenn die Brüste nur eine Modeerscheinung des anatolischen 9. Jahrtausends waren, warum tauchten sie dann plötzlich 7 000 Jahre später jenseits der Meere wieder auf? Und warum konnten die hübschen, kleinen Blumengesichter nicht irgendwoanders gefunden werden als bei dem Heraion von Silaris?
Wo und was ist das verbindene Glied? Kolchis, wo sich das Goldene Vlies befand, um dessentwillen die Argonauten unterwegs waren, lag in Anatolien. Die Zauberin Medea war, obwohl sie im hellenistischen Mythos als die Tochter des Königs bezeichnet wird, in Wirklichkeit die Königin von Kolchis. Dies wird durch die Geschichte belegt, in der sie ihren Bruder Absyrtos zerstückelt und die Teile über das Land verstreut, wie Typhon die Gliedmaßen des Osiris verstreut hatte. Auf diese Art fanden viele mythischen Götter und Helden den Tod, angefangen« mit Tammuz in Syrien bis hin zu Dionysos in Thrakien. In allen diesen Mythen stellten die verstümmelten Personen den Gemahl der Königin dar - er wird geopfert, im Ritual zerlegt und den Winden preisgegeben, um sich der Ernte zu versichern. Das Fest des »grünen Mannes« oder des »Maismannes« im heutigen Europa ist ein keltischer Überrest dieses alten, mittelmeerländischen Fruchtbarkeitsritus.
In der Argonautensage verließ Medea die Stadt Kolchis mit den Argonauten, da sie sich in Jason verliebt hatte. Ihr Schiff Argo wurde von den Bewohnern von Kolchis verfolgt, die ihre Königin und das Goldene Vlies zurückholen wollten. Und zu diesem Zeitpunkt konnten sie sich in Italien aufgehalten haben. Medea und Jason kehrten schließlich nach Thessalien zurück, wo Medea - um sich Jason gefällig zu zeigen - seinen Onkel, den König von Thessalien ermordete. Wieder müssen sie fliehen, und auch dies hätte der Zeitpunkt für einen Aufenthalt in Italien sein können. Sie erreichen später Korinth, wo sich Jason in Glauke, die Tochter König Kreons, verliebt. Aus Rache tötet Medea Glauke und Kreon. Dann ermordet sie ihre beiden Söhne, deren Vater Jason war, und flüchtet nach Athen, wo Ägeus, der Vater von Theseus, ihr Zuflucht vor Jasons Zorn gewährt. In Athen versucht sie, Theseus umzubringen, und wird deshalb von Ägeus verbannt. Aber es gelingt ihr, sich wieder zu rächen, indem sie auf geheimnisvolle Art sowohl Theseus' Gemahlin Phädra, die kretische Prinzessin tötet, die Theseus entführt hatte, nachdem er den Minotauros im Labyrinth von Kreta erschlagen hatte, als auch den Tod von Hyppolyt, Theseus' Sohn mit der Amazonenkönigin herbei108 führt. Asklepios erweckt Hippolyt wieder zum Leben, und die Göttin Diana trägt ihn zu ihrem heiligen Hain in Ariccia im italienischen Latium - dem Hain der Diana Nemorensis, wo Äneas später den goldenen Zweig pflücken wird. In Ariccia hat Hippolyt einen Sohn, Virbius, der einer der Etrusker sein wird, die sich der Ansiedlung in Latium von Äneas und den Trojanern nach dem Fall Trojas widersetzten.
Und was hat dies alles mit den Brüsten im Heraion von Silaris zu tun?
Es verbindet, und das ist sehr wichtig, in einer zusammenhängenden Sage alle Einzelheiten miteinander: das alte Catal Hüyük, Ägypten, Kolchis, Jason, Medea, Thessalien, Athen, Ägeus, Theseus, Phädra, Kreta, den Minotauros, Äneas, Troja, Korinth, Kreon, die Argonauten, Askepios, Hera, Diana, den Hain von Nemi, Virbius, Hippolyt, die Amazonen, die Etrusker, den Trojanischen Krieg, Latium, Lukanien und das Heraion von Silaris. Und diese fortlaufende Sage spielt sich im Laufe eines Lebens ab - dem von Medea. Und Medea ist die Königin des anatolischen Kolchis, die wahrscheinlich mit ihrem Mann Jason nach Italien gekommen war, wo er dann den Hera-Tempel in Lukanien erbaut hatte.
Was alles zu ein und derselben Frage führt: Waren die Brüste und Blumengesichter Medeas Beitrag zu dem Heraion? Und sind sie kolchische Symbole der Großen Göttin - Symbole, die einst in der anatolischen Wiege der Zivilisation Allgemeingut waren, an Ägypten weitergegeben wurden, wo sie das Patriarchat später austilgte und sich nur in Ägyptens anatolischer Kolonie von Kolchis erhalten hatten? Vielleicht werden Ausgrabungen bei Kolchis eines Tages die Originale der Blumengesichter aufdecken und die noch fehlende Verbindung zwischen den Brüsten von Catal Hüyük und denen des frühen Italien liefern.
Dann werden wir den Beweis dafür haben, daß Medea tatsächlich existierte, daß sie wirklich mit Jason Italien aufsuchte, daß sie wirklich zusammen den Hera-Tempel in Lukanien bauten, daß die alten Sagen allerdings als Geschichtsschreibung begriffen werden müssen, daß die alte Welt eine sehr viel enger miteinander verbundene Gemeinschaft war als bis jetzt angenommen wurde.
Die Erscheinungen in Catal Hüyük und in Silaris in Süditalien sind Zeugnis dafür, daß die weiblichen Brüste wie der Phallus ursprünglich Gegenstände weiblicher Verehrung waren. Bei Catal Hüyük kommen ihnen zahlenmäßig nur die zwischen ihnen einge109 streuten Stierhörner gleich. Diese versinnbildlichen natürlich den Phallus als die Ursache der Kindsgeburt, die Brüste hingegen den nährenden Aspekt der Kinderfürsorge. Die Frauen verehrten sowohl die Brust als auch den Penis als Mittel der Mutterschaft. Erst nach der patriarchalen Revolution, nachdem sich die Männer sowohl die Phallusverehrung als auch den Brustfetisch angeeignet hatten, erhielten diese Organe die erotische Bedeutung, die sie heute besitzen.
Immer schon, seit die moderne Geschichte begann, sind Männer von den Brüsten verwirrt worden. Juvenal geriet vor zweitausend Jahren wegen der Übergröße des Busens einer weiblichen Bekannten in Verzückung, und Strabo pries die »maiorem papillam« der Frauen von Meroe. Seit die männliche Kunst begann, sind die Brüste bevorzugter Gegenstand der Dichter, Bildhauer und Künstler jeder Art.
Besondere Größe war jedoch nicht immer nötig oder gar erwünscht. An den griechischen Skulpturen der Klassik kann man sehen, daß die schönheitsliebenden Griechen schmalere Brüste, schlankere Hüften und breitere Schultern bevorzugten, als sie von modernen Richtern weiblicher Schönheit gestattet werden. Das eigentliche Ideal weiblicher körperlicher Vollkommenheit bleibt trotzdem die Venus des Praxiteles.
Von Phryne, der berühmten griechischen Kurtisane, die für Praxiteles' Venus und die Venus von Apelles Modell stand, wird gesagt, sie habe »die allerbewundernswertesten Brüste«, die, ohne daß sie groß waren, »den Brustkorb bedecken, sich fast gleichmäßig gerundet von allen Seiten von ihm erheben, und gleichmäßig in ihren Spitzen münden.«[29]
Es war die unvergleichbare Perfektion von Phrynes mammae, die ihr das Leben rettete, als sie von einem eifersüchtigen Liebhaber fälschlicherweise des Landesverrats angeklagt wurde. Sie wurde von dem berühmten Redner Hyperides verteidigt, der sie als Zeugin aufrief, ohne viel Worte ihren Schleier fortzog und ihre Brüste enthüllte und somit »augenblicklich den hartnäckigsten ihrer Kritiker entwaffnete und ihren Freispruch erlangte.«[30]
Phryne ließ die nach Alexanders Angriff bis auf den Grund zerstörten Mauern von Theben großzügig wieder aufbauen. Jahrhunderte später war noch auf den damals errichteten Mauern die stolze Inschrift zu lesen.- »Diese Mauern, von Alexander dem Großen zerstört, wurden von Phryne, der Hure, wieder aufgebaut.«
Im Mittelalter waren die Brüste sogar im Vergleich zu dem (nach heutiger Auffassung) kümmerlichen griechischen Ideal geschrumpft. Nach einem Werk über weibliche Schönheit aus dem 14. Jahrhundert muß diese aus schmalen Schultern, kleinen Brüsten, einem großen Bauch, breiten Hüften, dicken Oberschenkeln, kurzen Beinen und einem kleinen Kopf bestehen, was wahrscheinlich erklärt, warum von mittelalterlichen Künstlern dargestellte Frauen so wenig anziehend wirken. Bis zum Ende des 18. und Beginn des 19. Jahrhunderts hatte sich dieses Ideal bemerkenswert wenig verändert. T. Bell empfahl 1821, daß im Profil der mons Veneris stärker hervortreten sollte als der Busen. Jener mußte hinten durch ein gleichermaßen hervortretendes Gesäß, und das Ganze durch starke, muskulöse Schenkel und kurze Beine ausgeglichen werden. [31]
Heute darf nichts anderes hervorragen als die Brüste, und deren Größe und Bedeutung ist vollkommen unbegrenzt. Desmond Morris bemerkt in seinem Buch Der nackte Affe, daß die weiblichen Brüste durch Selektion nach Größe und Rundung so sehr ein Sexsymbol geworden sind, daß sie nicht mehr zur Ernährung dienen können. Das ist schlecht für die Zukunft der Menschheit, weil zu keiner Zeit ein großer Busen ein Gegenstand solch übermäßiger Verehrung war, wie es heute in den Vereinigten Staaten der Fall ist.
So finden wir, daß, genauso wie der Mann die Entwicklung seines Penis früherer sexueller Auswahl von selten der Frau, diese die heutige Größe ihres Busens der männlichen sexuellen Vorliebe verdankt.
Es ist jedoch fraglich, ob diese männliche Vorliebe für große Brüste wirklich auf Sexualität begründet ist. Männer denken gewöhnlich, große Brüste seien »sexy« und ihre Schwäche für diese zeugen von ihrer eigenen tigerhaften Sinnlichkeit. Wahr ist, daß die übergroße Brust von heutigen Männern nicht, wie sie gerne denken, als verwegenes Sexsymbol, sondern als Muttersymbol bewundert wird. Der erste Eindruck, den ein Kind erhält, ist die Mutterbrust, und es verbringt den Rest seines Lebens mit dem Versuch, die Gefühle fürsorglicher Wärme und Behaglichkeit wiederzugewinnen, die in seinem Unterbewußtsein mit der weiblichen Brust verbunden sind.
Geschlechtssymbolik
Brustförmige Pyramiden sind Geschlechtssymbole, die das weibliche Prinzip in der Schöpfung darstellen, unveränderlich, unbeweglich, unzerstörbar. »Ägypten ist das Land stets wiederkehrender Frauenherrschaft«, schreibt Bachofen, »und seine ganze Kultur ist auf dem Frauenkult erbaut.«[32]
Die Brustsymbolik ist im allgemeinen seltener als die des Lingam (Phallus) oder der Yoni (Vulva). Phallische Symbole gibt es viele; der Obelisk von Ägypten und das Washington-Monument in Columbia sollen hierzu gehören. Aber Yonisymbole sind zahlreicher und verschiedenartiger.
Die Karfreitagssemmel und das Brötchen waren ursprüngliche Zeichen für das Lingam bzw. für die Yoni. Dieses Backwerk war immer zum Fest der Göttin Oestre gebacken worden, der Göttin der Fruchtbarkeit, von deren Namen sowohl das Wort »oestrus«, das die »Hitze« bei Tieren bezeichnet, als auch das Wort »Ostern« herrührt, und deren bewegliches Fest unser Ostern wurde, der Tag des auferstandenen Herrn. Die Kirche gestattete, daß diese heidnischen Symbole gebacken wurden, und verlangte nur, sie zu Ostern mit dem heiligen Kreuz zu schmücken. Und so backen und essen wir zur Osterzeit Karfreitagssammeln zu Ehren des aufgerichteten Lingam.
Die Kauri-Muschel wird allgemein als Yonisymbol angesehen, genauso wie das einfache Hufeisen, wenn es als Glücksbringer über einen Torweg genagelt wird. Das ursprünglichste und bei weitem älteste Geschlechtssymbol ist das Tau oder das kurzarmige Kreuz, der Buchstabe T. Der aufrechte Strich stellt den Phallus und der Querstrich die Yoni oder Vulva dar. Dieses Zeichen für den Geschlechtsverkehr ist so alt wie der Mensch, und so war es für die Kirche nicht schwer, es als einen Gegenstand der Verehrung mit Heiligkeit zu versehen. Männer und Frauen hatten es seit dem Beginn der Zeit verehrt.
Der taurus, der Stier, das Zeichen der Frauenherrschaft, war ein starkes Geschlechtssymbol, das das männliche Prinzip in der weiblichen Welt darstellte. Seine Hörner waren Geschlechtssymbole par exellence, und sie schmücken viele in den letzten Jahren ausgegrabene Göttinnentempel. Der Stier wurde das heilige Sinnbild Kretas, und Minotauros, halb Mensch, halb Stier, war ein Gegenstand der Verehrung, und nicht das Ungeheuer, das moderne Märcheh aus ihm gemacht haben. Seine Mutter Pasiphae entsprach einem alten Frauenkult, als sie Daedalus bat, eine junge Kuh nachzubilden, in der sie sich verbergen und vom heiligen Stier geschwängert werden konnte.
Die Heiligkeit des Stiers in gynaikokratischen Gesellschaften findet sich heute noch in der Bezeichnung »päpstliche Bulle«, dem Erlaß des Papstes. Sie rührt daher, daß in alter Zeit die Königin ihre Gesetze vom Mittelpunkt eines Halbmondes aus erließ, den ihre Priesterinnen bildeten, wobei die Mondsichel sowohl die Form der Stierhörner als auch des Neumondes hatte.
Der zunehmende Mond war der Göttin geweiht, und Mommsen schreibt, daß der Brauch, zur Zeit des Neumondes Recht zu sprechen, sehr alt sei. [33]
Die gebogene Doppelaxt Kretas, das unmißverständliche Zeichen der Gerechtigkeit der Königin, erinnerte sowohl an die Stierhörner als auch an den Neumond, beide der Göttin heilig.
Die Zeit wurde nach Mondphasen bestimmt, und »in allen Sprächen erhielt der Mond seinen Namen von der Tatsache, daß die Menschen die Zeit (mensis) nach ihm maßen«.[34] Auch die Wörter »Menses« und »Menstruation« haben hier ihren Ursprung, wie auch »Messung« und ,»Maß«. Das Mondjahr des matriarchalen Kalenders bestand aus dreizehn Monaten. Daher die Unglückszahl dreizehn, denn alle Überreste der alten Frauenherrschaften Europas wurden von der christlichen Kirche als schlecht und unheilvoll gebrandmarkt.
Die dreizehn Mondmonate werden in England immer noch die »Gewohnheitsrechtsmonate« genannt, von denen jeder aus 28 Tagen besteht. »28 war eine heilige Zahl in dem Sinne, daß der Mond als eine Frau angebetet wurde, deren Menstruationszyklus aus 28 Tagen besteht, und das ist auch die genaue Zeit einer Mondumdrehung entsprechend der Sonnenzeit (...). Das System wurde wahrscheinlich im matriarchalen Sumer entwickelt.« [35] In früheren Zeiten wurde der geheimnisvolle rote Regen, der in den Zeitungen der Welt in Abständen immer noch als »Blutregen« auftaucht, für das Monatsblut der Mondgöttin gehalten. Und das moderne medizinisch-genetische Zeichen für das weibliche Geschlecht, das kleine Und-Zeichen unter einem Kreis ist tatsächlich das alte Bildzeichen der Großen Göttin: ihr gleicharmiges Kreuz, mit dem Vollmond auf der Spitze.
Noch unter der Herrschaft Edward II. hieß es in einem Marienlied: »Wieviele Monate hat das Jahr? Dreizehn, das sage ich.« In der Tudor-Zeit wurde die letzte Zeile in: »Nur zwölf, das sage ich«, umgewandelt, um dem von den Patriarchen eingeführten Sonnenjahr zu entsprechen.
Wenn auch die Zahl dreizehn wegen ihrer Verbindung zu den Frauenherrschaften zu einer Unglückszahl wurde, so blieben doch andere Zeichen der weiblichen Macht weiterhin Glücksbringer. Es gilt immer noch als gutes Omen, den Neumond über der linken Schulter, der weiblichen Seite zu sehen. Aus diesem Grund jedoch wurde die linke die dunkle Seite, und das Wort für links, lateinisch sinister, erhielt einen üblen Beiklang.
Alle halbmondförmigen Gegenstände stellen die Göttin und das weibliche Prinzip dar, einschließlich des Halbmondes der alten russischen, türkischen und lybischen Flagge. Die Halbmondflagge war ursprünglich ein römisches Legionärszeichen, das von den der Göttin geweihten Legionen getragen wurde. Die gebogenen, halbmondförmigen Linien, die sich in Steinen mittelalterlicher Kathedralen eingehauen finden, und die die »Altertumsforscher« des 19. Jahrhunderts so sehr verwunderten, waren in Wirklichkeit heimliche Anrufungen der Göttin. Das Zeichen für die Vulva besteht aus zwei an den Spitzen zusammengefügten Halbmonden, ein Symbol, das im christlichen Irland sehr häufig zu finden ist.[36]
Das zugespitzte Oval, das durch die so zusammengefügten Halbmonde entsteht und ein Dreieck einschließt, wurde in Stein gemeißelt gefunden und stammt aus prähistorischer Zeit und aus dem Mittelalter. Ihm am nächsten kommen heutzutage solche Wörter, die an die Wände der Herrenklos und Toilettenräume gekratzt oder gekritzelt sind.
Es handelte sich zweifellos um dasselbe Symbol, das in den zahlreichen berühmten Säulen des Sesostris eingemeißelt war, die sich über das ganze von diesem alten Ägypter eroberte Land verstreut fanden. Herodot, der mehr als zweitausend Jahre nach Sesostris einige der noch vorhandenen Säulen auf seinen Reisen vorfand, schrieb, daß »sie mit Zeichen behauen waren, die darauf hinweisen, daß sie ein Frauenreich waren«[37] - mit anderen Worten, es waren weibliche Geschlechtssymbole. Herodot, ein typisch griechischer Patriarch des fünften Jahrhunderts, deutete sie als eine Beleidigung der Männlichkeit des eroberten Volkes. Aber Thomas Wright, ein ebenfalls berühmter Reisender, dachte mehr als zweitausend Jahre nach Herodot (1778) anders: »Der Glaube, daß dieses Zeichen (das weibliche Geschlechtssymbol) begrüßende Funktion habe, scheint ein sehr alter Aberglaube zu sein. Die Allgemeingültigkeit dieses Aberglaubens führt zu dem Schluß, daß Herodot sich in der von ihm dazu abgegebenen Erklärung geirrt hat. Die Wahrheit ist, daß Sesostris diese Symbole als einen Schutz für die Menschen, in deren Umgebung sie sich befanden, gedacht hat.«[38]
Und aufgrund dessen, was wir heute über die alten Ägypter wissen, stimmen wir Wrights Auslegung zu. Auch zu Herodots Zeit war Ägypten, wie er selbst berichtet [39], ein Frauenland, das weibliche Geschlecht war heilig, und sein Symbol hätte gar nichts anderes als wohlwollende und begrüßende Bedeutung haben können.
Die hinduistische Yoni ist halbmondförmig wie der neue Mond und bedeutet in Indien »Altar« - ein heiliger Ort.[40]
»Die Bundeslade ist ein weibliches Symbol«, schreibt Goldberg.[41] Wie die Torah der Juden, stellt sie das weibliche Prinzip dar: die ursprüngliche Gottheit, die Schöpferin Gottes und des Menschen.[42] Moses brachte die Bundeslade den Juden von den ägyptischen Tempeln der Göttin Isis, der sie schon Tausende von Jahren vor ihm geweiht gewesen war. Für die Juden war sie der Schoß, die Wiege allen Lebens. Sie wurde zum Tabernakel der Christen, und es ist bezeichnend, daß in der römischen Kirche die Jungfrau Maria »Tabernakel Gottes« genannt wird. Die Arche Noahs stellt den Schoß der Göttin dar, die all ihre Geschöpfe birgt und schützt. Der Noah-Mythos ist nicht hebräisch, sondern sumerisch, und beruht offensichtlich auf gynaikokratischen Vorstellungen, wie sie im GilgameschEpos verkörpert sind, von dem er gestohlen worden ist.
Die ägyptische Sphinx, ein Tier mit einem Frauenkopf, kennzeichnet die Herrschaft der Frau über den Mann, das Tier, und symbolisiert »Isis' Vorrang gegenüber Osiris«.[43] Doch ihr hohes Alter deutet darauf hin, daß sie Osiris um viele Äonen vorausgeht und sie Zeugin einer Zeit ist, in der »es noch keine Götter gab«.
»Im Angesicht dieses Mysteriums«, schrieb George Rawlinson im Jahre 1887 über die Sphinx, »sind alle Fragen müßig.«[44] Aber es ist nicht müßig, Mutmaßungen anzustellen und es wäre interessant, ein wenig über dieses Geheimnis nachzudenken.
In ihren gewaltigen Ausmaßen und ihrer massigen Erhabenheit ebenso wie in ihrem unermeßlichen Alter kommen der Sphinx nur die großen Pyramiden selbst gleich. Könnte sie Denkmal für Basilea, Diodorus' Königin der alten Zeit, sein, die vor mehr als 50 000 Jahren Ordnung in die Welt brachte und die zivilisierte Gesellschaft aus dem Chaos schuf? Diodorus sagt, Basilea stamme aus Atlas, in früheren Zeiten ein Staat im Norden Afrikas, nicht sehr weit entfernt vom Platz der Sphinx im ägyptischen Gizeh. Basilea war eine Kriegerkönigin, die mit Durch Schlagkraft und Gewalt die anarchischen Zustände der frühen Gesellschaft beseitigte, einer Anarchie, die durch die Weigerung der Männer entstanden war, sich ordentlich zu verhalten. Die Männer blieben im frühen Zustand ihres Emporwachsens in das menschliche Geschlecht tierisch und in ihrer Sexualität ungezügelt. Die Frau jedoch, die sowohl auf dem Marsch in die Menschlichkeit als auch beim Aufstieg zur Kultur die Vorkämpferin war, lehnte sich sehr früh gegen die rohe und unmittelbare Sexualität des Mannes auf.
»Durch (...) (des Mannes) Lust zu Tode ermüdet«, schreibt Bachofen, »empfindet sie (die Frau) zuerst und am tiefsten die Sehnsucht nach geregelten Zuständen und einer reineren Gesittung.«[45] »Das Gefühl der erlittenen Schmach, die Wut der Verzweiflung entflammt es (das Weib) zu bewaffnetem Widerstände, und erhebt es zu jener kriegerischen Größe, die (...) doch nur in dem Bedürfnis ihrer Erhebung wurzelt (...). Überall ist es der Angriff auf die Rechte des Weibes, der dessen Widerstand hervorruft, und seine Hand (...) zu blutiger Rache bewaffnet.«[46] Das gesamte weibliche Geschlecht, vielleicht von Basilea geführt, erklärte den Männern den Krieg, und so entstand das Amazonentum. »Amazonische Erscheinungen sind in die Ursprünge aller Völker verwoben. Aus dem Innern Asiens bis nach dem Okzident, aus dem skytischen Norden bis in den Westen Afrikas lassen sie sich verfolgen; jenseits des Ozeans sind sie nicht weniger zahlreich (...) und selbst in sehr naheliegenden Zeiten mit dem ganzen Gefolge der blutigsten Rachetaten gegen das männliche Geschlecht beobachtet worden.«[47]
Doch trotz seiner Barbarei war das Amazonentum ein notwendiger Schritt in Richtung auf eine kultivierte Gesellschaft, und »es bezeichnet (...) eine wesentliche Erhebung der menschlichen Gesittung (...). In ihm liegt der erste Keim jener Gynaikokratie, welche auf die Macht des Weibes die staatliche Gesittung der Völker gründet. Gerade hierfür liefert die Geschichte die belehrendsten Bestätigungen.«[48] Denn ohne das Amazonentum und die Macht, die es den Frauen über die Männer verschaffte, hätte es keinen Fortschritt gegeben, und das menschliche Lebewesen wäre für immer im Zwielicht zwischen Tier und Mensch geblieben, woraus ihn schließlich nur die Furcht vor der Frau erhoben hat.
So war die Vorherrschaft der Frau, die wir am Anfang der Geschichte so gefestigt sehen, das Ergebnis der ersten großen Revolution, einer Revolution, die im Namen der Gesittung, der Reinheit und des sozialen Fortschritts geführt wurde, darüber hinaus einer Revolution die von einer Frau, nämlich Basilea, geführt und gewonnen wurde. Ob Basilea je lebte oder nicht, ist belanglos. Selbst wenn sie nur die Versinnbildlichung einer einzelnen Stufe der menschlichen Kultur darstellt, besteht das Wichtige in der Basilea-Erzählung darin, daß es eine Frau war, die zuerst Gesetz und Ordnung in eine chaotische Welt brachte, indem sie das Tier im Mann zügelte und zähmte und so die Zivilisation ermöglichte.
Und die große Sphinx, deren heiteres und majestätisches Frauenhaupt sich über ihren kauernden Tierkörper erhebt, könnte gut ihr Denkmal sein. Wer wollte es leugnen?
Doch es ist unglaublich: Ein Altertumsforscher des 19. Jahrhunderts sprach von der Sphinx als von »ihm«! [49]