Salomon, Alice

Die »Begründerin der sozialen Frauenberufe in Deutschland« wirkte fast fünfzig Jahre lang an führenden Stellen der deutschen und internationalen Sozialarbeit. Sie stammte aus einer wohlhabenden jüdischen Kaufmannsfamilie und erhielt eine konservativ bürgerliche Erziehung. Nach Abschluß der höheren Mädchenschule (1887) erlebte sie - in gleicher Weise wie Fanny Lewald und Marie-Elisabeth Lüders - die erzwungene Untätigkeit einer Tochter des bürgerlichen Mittelstandes. Die Vorbereitung auf den Lehrberuf, den sie ergreifen wollte, wurde ihr nicht gestattet. Erlaubt wurde ihr später die nach bürgerlichen Vorstellungen für Frauen und Mädchen angemessene Tätigkeit in Wohlfahrtseinrichtungen. 1893 nahm Alice Salomon an der Gründung der »Mädchen- und Frauengruppe für soziale Hilfsarbeit« in Berlin teil. Dabei handelte es sich - nach ihren eigenen Worten - um »keine Emanzipationsbestrebungen«, sondern darum, junge Mädchen und Frauen zu »ernster Pflichterfüllung im Dienste der Gesamtheit heranzuziehen«. Die Tätigkeit in diesem Kreis und seine Zielsetzung bestimmten ihr weiteres Leben und Wirken. 1899 wurde Alice Salomon die Vorsitzende des Vereins. Unter ihrer Leitung gelang es, Frauen den Weg in die öffentliche Armenpflege und andere kommunale und staatliche Ämter zu ebnen, z.B. in den Berufen der Fürsorgerin, des Vormunds, der jugendgerichtshelferin etc. Damit wurde ein Bereich weiblicher Berufstätigkeit erschlossen, der bis heute männliche Konkurrenz nicht zu fürchten braucht. Ab 1900 war Alice Salomon auch in der bürgerlichen Frauenbewegung aktiv. Sie wurde Vorstandsmitglied des Bundes Deutscher Frauenvereine, später stellvertretende Vorsitzende (bis 1920). Ohne Abitur, allein aufgrund ihrer Dissertation (sh.u.) promovierte sie 1906 an der Universität Berlin. In den folgenden Jahren widmete sie sich ihrer sozialpädagogischen Arbeit, veröffentlichte zahlreiche Untersuchungen zur sozialen Frauenarbeit, Volkswirtschaftslehre und Staatsbürgerkunde. 1908 wurde sie Mitbegründerin und Leiterin der Sozialen Frauenschule in Berlin, die richtungweisend auf ähnliche Unternehmungen im In- und Ausland wirkte. 1925 kam es auf ihre Initiative hin zur Gründung der Deutschen Akademie für soziale und pädagogische Frauenarbeit in Berlin. Alice Salomon arbeitete ferner für den Internationalen Frauenbund, wurde dessen Schriftführerin und ab 1932 stellvertretende Vorsitzende. Im gleichen Jahr erhielt sie die Ehrendoktorwürde der medizinischen Fakultät der Universität Berlin. Fünf Jahre später mußte sie auf Anordnung der Geheimen Staatspolizei Deutschland verlassen