Die Entwicklung bis auf den heutigen Tag
Eine Reaktion auf das Streben nach Gleichberechtigung kam infolge der Wirtschaftskrise Anfang der dreißiger Jahre. Die steigende Arbeitslosigkeit unter den Männern hatte zur Folge, daß verschiedene Gruppen verlangten, daß Frauen, deren Ehemänner ein »angemessenes« Einkommen hatten, ihren Arbeitsplatz aufgeben sollten. Regierung und Reichstag lehnten eine solche Lösung jedoch ab. Statt dessen führte man von 1933 ab eine expansive Wirtschaftspolitik mit umfassenden öffentlichen Arbeiten.
Die öffentlichen Arbeiten, die man mit Darlehen finanzierte, waren der Ausdruck der modernen Konjunkturpolitik. Ihr Ziel war nicht nur, den Arbeitslosen eine Beschäftigung zu geben, sondern auch die Kaufkraft zu erhöhen und die wirtschaftliche Depression zum Stehen zu bringen.
Um 1935 herum wurden eine Reihe sozialpolitischer Reformen durchgeführt, die eine Verbesserung der Gleichberechtigung darstellten. 1935 trat ein Gesetz über Volkspensionen in Kraft, mit gleichen Beträgen für Mann und Frau. Das Gesetz über den bezahlten Urlaub bei Schwangerschaft und Entbindung stellte für Beamte und Staatsangestellte diese Zustände auf die gleiche Stufe wie Erkrankung. Dies gilt auch für ledige Frauen. 1939 bestimmte ein Gesetz, daß ein Arbeitnehmer prinzipiell nicht aufgrund von Verlobung, Heirat, Schwangerschaft oder Entbindung entlassen werden darf. Dieses Gesetz gilt seit 1945 für alle Anstellungen, auch Hausarbeit.
In Verbindung mit der Wirtschaftskrise sank die Geburtenzahl kräftig. Besonders die kinderreichen Familien litten schwer unter der Arbeitslosigkeit. Die Zahl der eingegangenen Ehen war gleichfalls niedrig. Die Befürchtungen für die Bevölkerungsentwicklung waren die Ursache der familienpolitischen Reformarbeit, die die Grundlage für die zielbewußte Familienpolitik bildet, die man seitdem in Schweden betrieben hat, auch wenn die bevölkerungspolitischen Motive keine Rolle mehr spielen. Die staatliche Unterstützung der Familien mit Kindern geschah einerseits in der Form von öffentlichen Dienstleistungen verschiedener Art, andrerseits in der Form von Naturalbeiträgen zum täglichen Bedarf. Diese Beiträge wurden später mit Geldbeiträgen ergänzt, die gleich groß für jedes Kind waren, unabhängig vom Einkommen der Eltern. Die neue Familienpolitik bekümmerte sich auch um die Gesundheit der Kinder und Mütter. Ein vorbeugender Mütter und Kinderschutz mit kostenloser Entbindung wurde 1937 eingeführt. Mütter- und Kinderschutzeinrichtungen wurden geschaffen, wo Ärzte und Krankenschwestern für medizinische Kontrolle sorgten. Gleichzeitig führte man kostenlose Medizin für Schwangere ein.
Sehr wichtig für Familien mit Kindern waren auch gewisse Reformen des Schulwesens. Von alters her war der Unterricht in der Volksschule kostenlos. Eine bedeutungsvolle Maßnahme ergriff man 1946, als alle Volksschüler kostenlos Lehrbücher und Material für den Unterricht erhielten. Diese Reform wurde damit begründet, daß der Staat das erforderliche Unterrichtsmaterial zur Verfügung stellen müßte, da die Kinder schulpflichtig sind. Das war von besonders großer Bedeutung für kinderreiche Familien. 1937 wurden die Gemeinden angeregt, eine neue Dienstleistung für die Kinder einzuführen, indem der Staat Beiträge für Schulmahlzeiten in der obligatorischen Schule zu leisten begann. Man beabsichtigte damit, die Arbeitslast der Frauen im Haushalt zu erleichtern und gleichzeitig den Kindern eine nahrungs- und vitaminreiche Mahlzeit zu verabreichen. Damit konnte man auch weibliche Arbeitskraft frei machen. Heutzutage haben beinahe alle Gemeinden kostenlose Schulmahlzeiten für die Schüler der obligatorischen Schule eingeführt.
Seit 1926 zahlt der Staat auch Beiträge für Fahrten zur Schule, vor allem für Kinder auf dem Lande mit langem Schulweg. 1938 trat ein Gesetz in Kraft, das die Schwangerschaftsunterbrechung aus medizinischen, humanitären und eugenischen Gründen zuläßt. Seit den vierziger Jahren sorgen Staat und Gemeinden für den Ausbau der Kinderbewahranstalten, d. h. der Kinderhorte, der Freizeiteinrichtungen und der Kindergärten, Diese Einrichtungen sind zum großen Teil für die Betreuung von Kindern bestimmt, deren Eltern ganztägig arbeiten. Gleichzeitig wurde ein Hausangestelltengesetz erlassen, das die Anstellungs- und Arbeitsbedingungen dieser Berufsgruppe regelt. Der Staat führte auch Beiträge zur Ausbildung und Entlohnung von Haushaltsgehilfinnen ein, die zur Aufgabe haben, Familien in der kritischen Lage zu helfen, wenn die Hausfrau aus zwingenden Gründen ihre Arbeit nicht ausführen kann.
Die genannten Dienstleistungen für die Familie wurden noch mit verschiedenen Formen von Geldbeiträgen ergänzt. In den dreißiger Jahren hatte man Geldbeiträge für Witwen- und Waisenkinder eingeführt. Außereheliche Kinder und Kinder von geschiedenen Eltern können Vorschuß auf die Alimente erhalten. Dies geschah, um die Versorgung des Kindes sicherzustellen, wenn der Vater es unterläßt, den Unterhaltsbeitrag zu übersenden. Der Staat bevorschußt in solchen Fällen den Beitrag und übernimmt die Forderung an den Vater. Weitere neue Beiträge wurden eingeführt, um die Unkosten der Mutter und der Familie bei Schwangerschaft und Entbindung zu vermindern. Seit 1938 wird Mutterschaftsgeld an die Mitglieder der damals noch freiwilligen Krankenkassen ausgezahlt. Nichtmitglieder erhalten den Beitrag nach Bedürfnisprüfung. Diese beiden Hilfeleistungen wurden noch mit zusätzlichen Geldbeiträgen an besonders bedürftige Mütter (Mutterhilfe) ergänzt.
Um den Wohnungsstandard für kinderreiche Familien zu erhöhen, begann man 1935 einerseits den Bau von besonderen Häusern für diese Familien zu subventionieren, andrerseits unbemittelten Familien mit mindestens drei Kindern Mietrabatte zu gewähren. Seit 1948 können Familien mit Kindern nach Bedürfnisprüfung Mietzuschüsse erhalten. Dies gilt jetzt auch für alleinstehende Väter und Mütter mit einem Kind.
Damals war man vor allem darauf bedacht, die Wohnungslage für gewisse Gruppen zu verbessern - Familien mit Kindern, alten Leuten und der Landbevölkerung. Da die Haushaltsarbeit, die Betreuung der Kinder und der Alten in den dreißiger Jahren mehr als heute von den Frauen ausgeführt wurde, erleichterten die wohnungssozialen Maßnahmen die Arbeitslast der Frauen im Haushalt. Eine wichtige familienpolitische Reform war die 1947 erlassene Verordnung, daß alle Kinder unabhängig vom Einkommen der Eltern Geldbeiträge erhalten sollen, das sog. allgemeine Kindergeld. (Gleichzeitig wurden die steuerfreien Beträge für Kinder bei der Veranlagung zur Einkommenssteuer abgeschafft.) Schon früher vorhandene Unterstützungen werden ebenfalls ausgebaut oder geändert. Später kam noch die Gesetzesänderung, daß die Ehefrau wie auch der Mann Vormund der Kinder ist. Die schwedische Frau behält jetzt auch die schwedische Staatsangehörigkeit, wenn sie sich mit einem Ausländer verheiratet.
Schon früher hatte man eingesehen, daß die Geburtenregelung eine wichtige Frauenfrage war. Die Frauenvereine hatten daher schon lange verlangt, daß das Verbot, Präventivmittel uneingeschränkt zu verkaufen, aufgehoben werden sollte. Das geschah 1938. Heute stützt der Staat die sexuelle Aufklärung, und die Beratung über vorbeugende Gesundheitskontrolle durch Beiträge an die Volksbildungsorganisationen. Die größte Organisation ist der Reichsverband für sexuelle Aufklärung. Ratschläge für Geburtenreglung erteilen auch die Mutterschutzeinrichtungen. Seit 1916 müssen die Apotheken Präventivmittel führen. Heute werden sie auch in Automaten und Geschäften aller Art verkauft. Unterricht in sexuellen Fragen wird auch in der obligatorischen Schule erteilt. Bei einer Meinungsbefragung im Jahre 1963 erklärten 92% aller schwedischen Frauen in dem Alter, in dem sie Kinder bekommen können, daß sie die Zahl der Kinder freiwillig begrenzen. Von den kinderlosen Frauen tun dies 75%, von Einkindmüttern 93% und von Müttern mit drei Kindern 97%. 1955 wurde die allgemeine obligatorische Krankenversicherung dahin erweitert, daß alle Ehefrauen und alleinstehenden Mütter bei Krankheit einen finanziellen Beitrag erhalten, auch wenn sie sonst kein berufliches Einkommen haben.
Das allgemeine schwedische Pensionsgesetz, das 1960 in Kraft trat, erleichtert es vor allem für die Frauen, eine Pension im Verhältnis zu den Jahren im Erwerbsleben und zum Jahreseinkommen zu erhalten. Gleichzeitig wurde eine Witwenpension eingeführt. Kinder unter 19 Jahren erhalten bei Todesfall von einem der Versorger eine Pension.
Die gleiche Entlohnung für Beamte und staatlich Angestellte, unabhängig davon ob Mann oder Frau, wurde 1947 festgesetzt. Die Frauen erhielten auch das Recht, alle Stellungen außer den priesterlichen anzutreten. Erst 1961 wurde diese Ausnahme beseitigt. 1960 vereinbarten der schwedische Gewerkschaftsbund und der schwedische Arbeitgeberverband, daß Männer und Frauen in der Industrie den gleichen Lohn für die gleiche Arbeit erhalten sollten. In den folgenden Jahren wurden die besonderen Frauenlöhne in den Tarifverträgen abgeschafft.
Schon 1909 wurde durch Gesetz die Nachtarbeit in gewissen Industrien für Frauen verboten, obwohl die Arbeiterinnen heftig protestierten. Später kam das Verbot jeglicher Nachtarbeit für Frauen in allen Industrien und im Handwerk. 1962 schaffte man dieses besonders für Frauen geltende Verbot ab. Statt dessen muß jetzt die Aufsichtsbehörde für Arbeiterschutz die Nachtarbeit zwischen 24 und 5 Uhr für Männer und Frauen besonders genehmigen. Das Verbot für Frauen im Grubenbau oder Steinbruch zu arbeiten gilt jedoch immer noch. Sonstige Vorschriften im Arbeitsschutzgesetz für Frauen betreffen den Schutz bei Schwangerschaft.
Eine weitere bedeutungsvolle Reform nach dem Kriege ist der stufenweise Ausbau der finanziellen Beiträge an Schüler und Studenten, wodurch die Zahl der sich ausbildenden Mädchen sichtbar gestiegen ist.
Frühere Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen Stellung der Frau
Die Entwicklung bis zu den dreißiger Jahren
Vor etwa hundert Jahren war Schweden ein armer Agrarstaat auf der Grundlage der Naturalwirtschaft. Zwei Drittel der Bevölkerung hatten ihr Auskommen von der Landwirtschaft und damit zusammenhängendem Nebenerwerb. Die Industrialisierung hatte noch nicht begonnen; gleichzeitig durchlebte das Land eine drohende Übervölkerung. Zwischen 1830 und 1890 vermehrte sich die Bevölkerung um beinahe 2. Millionen oder um 65%.
Das soziale Milieu in der übervölkerten Landwirtschaft, wurde von der Großfamilie geprägt, die mehrere Generationen im gleichen Haushalt beherbergte. Die Lebensweise der Familie war patriarchalisch. Noch galt das Gesetz vom Jahre 1734 für das Verhältnis zwischen Mann und Frau. Sowohl die verheiratete wie die ledige Frau mußte einen Vormund haben. Der Ehemann war der Vormund seiner Frau und verwaltete ihr Vermögen. Zwar hatte die Frau das Recht, mit ihrem zukünftigen Mann einen Ehekontrakt abzuschließen, aber dieser Kontrakt mußte von ihrem Vormund, in der Regel dem Vater, gutgeheißen werden. Das Alter der Ehemündigkeit war nicht mehr als 15 Jahre für Frauen, nach 1892 doch 17 Jahre und jetzt 18 Jahre. In der Naturalwirtschaft hatte die Frau jedoch als Erzeuger von Lebensmitteln, Kleidern und anderer Notdurft des Lebens eine wichtige Aufgabe. Trotzdem hatte sie lange kein Recht, selbst ein Gewerbe auszuüben. Erst in den Jahren 1809-1810 gab der Reichstag den Frauen ein beinahe uneingeschränktes Recht, Handel und Gewerbe zu treiben. Das gleiche Erbrecht für Männer und Frauen kam jedoch erst 1845; vorher erbte die Frau nur die Hälfte dessen, was der Mann bekam.
Auch weiterhin war der Mann Vormund seiner Frau, und sie konnte daher nicht selbst ihr Vermögen verwalten, das sie aufgrund ihrer kürzlich erhaltenen Gewerbefreiheit erworben hatte. Trotz starker Opposition beschloß jedoch der Reichstag 1856-1858, daß eine ledige Frau im Mindestalter von 25 Jahren für mündig erklärt werden konnte, wenn sie selbst einen Antrag bei Gericht stellte. Uneingeschränkt mündig im Alter von 25 Jahren wurde die ledige Frau erst 1872, und einige Jahre später bekam auch die Ehefrau das Recht, den Ertrag eigener Arbeit selbst zu verwalten. Der Mann verblieb jedoch ihr Vormund bis 1921, in welchem Jahr ein neues Ehegesetz in Kraft trat.
Die hier genannten ersten Schritte zur gesetzlichen Gleichbehandlung waren die Folge einer lebhaften Debatte, an der zwei große schwedische Schriftsteller mit dem Anspruch auf völlige Gleichberechtigung von Mann und Frau teilgenommen hatten. Es kann auch ein gewisses Interesse haben, daß die meisten europäischen Staaten die oben genannten Reformen früher als Schweden durchgeführt haben. Die Industrialisierung hatte große Veränderungen der sozialen und wirtschaftlichen Lage der Frau zur Folge. Die Verstädterung nahm ihren Anfang und die Frauen gingen zur Industrie, besonders der Textilindustrie Überall herrschte Not und Elend. Es gab kein Gesetz, das Kinderarbeit verbot. Erst allmählich kamen die ersten Gesetze, die den Arbeitnehmern einen gewissen Schutz gewähren sollten. Anfang des 20. Jahrhunderts kam das Verbot, Wöchnerinnen innerhalb von zwei Wochen nach der Entbindung in der Industrie arbeiten zu lassen. Doch brauchte der Arbeitgeber die verlorene Arbeitszeit nicht zu bezahlen. Waren des täglichen Bedarfs wie Brot, Getränke und Kleider wurden mehr und mehr außerhalb des Haushalts hergestellt. Nur Frauen aus wohlhabenden Kreisen konnten sich über die obligatorische Volksschule hinaus ausbilden. Von 1859 an konnten die Frauen jedoch Lehrerinnen in der Volksschule werden. 1870 erhielten sie das Recht, das Abitur abzulegen und drei Jahre später konnten sie an der Universität studieren, doch mit Ausnahme der Theologie und des höheren juristischen Examens.
Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden die ersten Frauenvereine. Gleichzeitig war ein Streit zwischen der besitzenden Klasse, die sich immer noch an der Macht behauptete, und der Mehrheit der Bevölkerung im Gang, da die letztere eine vollständige Demokratisierung verlangte. Nur Männer mit einem gewissen Mindesteinkommen oder Vermögen hatten Stimmrecht. Die Bestrebungen auf die GIeichberechtigung fielen hinsichtlich der Frauen zusammen mit dem Verlangen, allgemeines und gleiches Stimmrecht für alle einzuführen. 1902 wurde eine Organisation für ganz Schweden gebildet, die für das politische Stimmrecht der Frauen kämpfen sollte. In den Jahren 1918-1919 kam schließlich der demokratische Durchbruch, als man beschloß, Männern und Frauen das allgemeine und gleiche Stimmrecht zukommen zu lassen (die neuen Vorschriften galten zum ersten Mal bei den Wahlen im Jahre 1921).
In den zwanziger Jahren wurde eine der wichtigsten Reformen durchgeführt: die gesetzliche und wirtschaftliche Gleichberechtigung der Ehefrau in der Familie wurde im Ehegesetz von 192o anerkannt. Sie wurde mit 21 Jahren mündig und konnte selbst vor Gericht auftreten. Während der folgenden Jahre wurden weitere Diskriminierungen abgeschafft. 1925 trat das sog. Befähigungsgesetz in Kraft, aufgrund dessen die Frauen die Befähigung erwerben konnten, Beamte zu werden. In den zwanziger Jahren erhielten Mädchen auch Zutritt zum allgemeinen (d. h. staatlichen) Gymnasium, auf das die Jungen nach einigen Jahren in der Volksschule übergingen. Erst 1927 konnten Mädchen unter den gleichen Voraussetzungen wie die Jungen das Abitur ablegen; gleichzeitig begann man, die höheren Schulen für sowohl Jungen wie Mädchen zugänglich zu machen.
Übersicht der gegenwärtigen Maßnahmen für die Gleichberechtigung der Geschlechter
Aus den folgenden Ausführungen werden wir ersehen, daß die schwedische Gesetzgebung mit wenigen Ausnahmen keinen Unterschied zwischen den Rechten und Pflichten der Männer und Frauen macht. Die wenigen Fälle, in denen das Gesetz noch einen Unterschied macht - z.B. betreffs der Ehemündigkeit im Familienrecht, in bezug auf den Schutz des überlebenden bei Rentenversicherungen (der nur Witwen, aber nicht Witwern gewährt wird) oder betreffs gewisser Vorschriften im Familiensteuerrecht - werden z. Z. überprüft. Dabei muß man beachten, daß die Überprüfung dieser Ausnahmevorschriften nicht nur einer Erweiterung der Rechte der Frau dienen soll, sondern in gewissen Fällen auch einer Gleichbehandlung des Mannes im Verhältnis zu der bevorzugten Frau. Dies ist z. B. der Fall hinsichtlich des obligatorischen Krankengeldes für Hausfrauen, das ein im Haushalt arbeitender nicht erhält. Die Ausbildung, die Arbeitsmarktpolitik und die Einrichtungen für die Betreuung der Kinder erwerbstätiger Eltern sind in starker Entwicklung begriffen.
Die zukünftige Familienbesteuerung wird von einem besonderen Ausschuß überprüft, der in kurzen einen Entwurf vorlegen wird, aufgrund dessen die Eheleute steuerlich wie Junggesellen behandelt werden sollen, so daß verheiratete Männer mit im Haushalt arbeitenden Frauen nicht mehr bevorzugt werden. Die Ernennung, des Ausschusses ist vor allem damit begründet worden, daß das Steuersystem nicht die Erwerbstätigkeit der Ehefrau erschweren soll. Auch das Problem, wie die direkte finanzielle Unterstützung der Familien mit Kindern gestaltet worden soll, wird z. Z. von einem familienpolitischen Ausschuß behandelt. Eine seiner hauptsächlichen Aufgaben ist es, zu untersuchen ob der Staat gewisse Unkosten für die Betreuung von Kleinkindern im Heim erstatten soll.
Schon bei den Vorarbeiten für diese Reformen wird das Prinzip der Gleichberechtigung beachtet Setzte man dieses Prinzip bei Gesetzentwürfen beiseite, so würde eine Anzahl Parteien, Gewerkschaftsorganisationen, Zeitungen, Jugend- und Frauenvereine usw. kritisch reagieren.
Es gibt wohl nur wenige Länder, in denen die Rolle von Mann und Frau in der Familie und in der Gesellschaft so gründlich analysiert und diskutiert worden ist wie in Schweden nach 1960. Alle politischen Parteien oder deren Frauen- und Jugendabteilungen haben Programme und Schriften in dieser Frage abgefaßt. (So wurde z. B. 1964 ein politisches Programm »Die Gleichberechtigung der Frau« herausgegeben, an dem Mitglieder der Regierung mitgewirkt haben.) Auch die drei größten Gewerkschaftsorganisationen, der Gewerkschaftsbund, die Angestellten-Gewerkschaft und der Akademikerverband haben ständige Organe, die Schriften und Programme mit dem Ziel eines Ausgleichs der Rollen von Mann und Frau, vor allem auf dem Arbeitsmarkt, abgefaßt haben. Ein besonderes Verbindungsorgan, der Ausschuß für die Frauenfrage auf dem Arbeitsmarkt ist vom Gewerkschaftsbund, der Angestellten-Gewerkschaft und dem Arbeitgeberverband geschaffen worden, um ständig wichtige Fragen der Gleichberechtigung im Erwerbsleben im Auge zu behalten. Auch die meisten Frauenvereine sind sehr aktiv in der Überwachung und Ratgebung hinsichtlich dieser Frage. Einige Beispiele dieser Wirksamkeit sollen hier genannt werden.
Der schwedische Gewerkschaftsbund macht seit einigen Jahren große Anstrengungen auf dem Gebiete der Gleichberechtigung. Besonders ist das Interesse zu erwähnen, das diese Organisation dem Bau von Kindertagesheimen widmet, um die Betreuung der Kinder von erwerbstätigen Eltern zu erleichtern. 1967 hat der Gewerkschaftsbund eine Aktion für bessere Dienstleistungen in den Wohnvierteln durchgeführt. Auch auf dem Gebiet der Arbeitsmarktpolitik hat er das Problem der Gleichberechtigung beachtet. Er hebt in seinem arbeitsmarktpolitischen Programm vom Jahre 1967 hervor, daß das Ziel der arbeitsmarktpolitischen Anstrengungen sein muß, »in immer größerem Umfang Erwerbsmöglichkeiten für die ganze Familie zu schaffen«. »Vollbeschäftigung für alle, unabhängig von Geschlecht, Alter und Ausbildung«. Der Gewerkschaftsbund hat vor kurzem den früheren Frauenausschuß durch einen Familienausschuß mit neun Mitgliedern ersetzt, von denen vier Männer sind, Dieser Entscheidung liegt ein Beschluß des Kongresses von 1966 zugrunde, daß es in Zukunft Aufgabe des Ausschusses sein soll, zur Durchführung der Gleichberechtigung beizutragen und daß die Gewerkschaftsbewegung zu dem Resultat gekommen ist, daß diese Frage in der Gesellschaft und auf dem Arbeitsmarkt sowohl Männern wie Frauen gilt. lm Herbst 1967 fand in Stockholm eine Konferenz mit dem Namen »Tatsachen-Zukunft« statt, die vom Hauptarbeitsamt und dem Frauenausschuß der Fachorganisationen veranstaltet wurde. Dieser Frauenausschuß ist ein gemeinsames Organ des Gewerkschaftsbundes, der Angestellten-Gewerkschaft und des Arbeitgeberverbandes.
An dieser Konferenz nahmen die Leiter der drei Gewerkschaftsorganisationen, des Arbeitgeberverbandes und der Ministerialrat im Hauptarbeitsamt der staatlichen Zentralbehörde für die Arbeitsmarktpolitik teil. Alle Repräsentanten waren sich in der Frage der Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Arbeitsmarkt einig. Man verlangte auch eine Änderung der Einkommensteuer, die nicht die Erwerbstätigkeit der Ehefrau erschweren soll, und Änderungen der Sozialversicherung, so daß diese sich neutral zum Geschlecht der Versicherten verhalte. Der Frederika-Bremer-Verein hat seinen Namen nach der berühmten schwedischen Schriftstellerin erhalten, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts als Vorkämpferin für die vollständige Emanzipation der Frau auftrat. Dieser Verein veranstaltete im Herbst 1967 eine Radiodebatte, in der alle fünf Parteivorsitzenden ausgefragt wurden, wie sie die Lösung der Gleichberechtigungsfrage von Mann und Frau zu beschleunigen gedenken und welche Anstrengungen sie gemacht haben, um die Zahl der weiblichen Reichstagsabgeordneten bei den Wahlen im Herbst 1968 zu vergrößern.
Die Forschung, welchen Einfluß die Rolle des Geschlechts ausübt, wird von schwedischen Gelehrten zusammen mit Kollegen aus den übrigen nordischen Ländern betrieben. Finnische, dänische, norwegische und schwedische Soziologen und Sozialpsychologen tauschen ständig ihre Erfahrungen aus. Das erste Resultat der Zusammenarbeit war eine im Jahre 1962 erschienene große schwedisch-norwegische wissenschaftliche Schrift »Das Leben und die Arbeit der Frau« (550 Seiten), die von der Studiengruppe »Wirtschaftsleben und Gesellschaft« herausgegeben und finanziert wurde. Diese Gruppe bildet ein unabhängiges wissenschaftliches Institut, das von der schwedischen privaten Industrie finanziert wird. Eine Zusammenfassung und Komplettierung dieser Schrift ist in englischer Sprache unter dem Titel »The Changing Roles of alen and Women« herausgegeben worden. Noch eine Schrift »Veranlagung und Geschlecht« ist als Resultat einer nordischen Konferenz über die Frage, welche Rolle das Geschlecht spielt, herausgegeben worden. Hierzu kommt noch die Wirksamkeit verschiedener staatlicher Organe und Ausschüsse, die mit diesbezüglichen Untersuchungen beschäftigt sind. Folgende Gebiete werden z. Z. erforscht und Vorarbeiten für Gesetzesänderungen ausgeführt:
- Im Kultusministerium: Überprüfung des Lehrplans für die obligatorische Grundschule mit Vorschlägen zum Unterricht für alle Schüler in Kenntnissen des Haushalts, der Kinderpflege, der Nadelarbeit, der Metall- und Holzarbeit.
- Im familienpolitischen Ausschuß: die Frage, ob ein zusätzlicher Beitrag außer dem allgemeinen Kindergeld für Familien mit Kleinkindern eingeführt werden soll.
- Im familienpolitischen Ausschuß: Überprüfung der Regeln in der Krankenversicherung, wobei die Folgen der Tatsache beachtet werden sollen, daß die Frau mehr und mehr wie der Mann für die Versorgung der Familie sorgt.
- Im Pensionsversicherungsausschuß: Untersuchung der Vorschriften für die allgemeine Pensionierung, die z. Z. Unterschiede zwischen Mann und Frau macht.
- Im Familienbesteuerungsausschuß: Vorarbeiten für den Übergang zu individueller Besteuerung von Ehegatten; ein Entwurf wird Ende 1968 erwartet.
- Im Justizministerium: Vorlage betreffs der Änderung des Eherechts.
- In einem besonderen Komitee: Untersuchung der Bevölkerungsgruppen mit niedrigen Einkünften und deren Ursachen, wobei man u. a. den Zusammenhang zwischen der Herabwürdigung der Frau und dem niedrigen Einkommen beachten wird.
- In einem hierfür berufenen Ausschuß: die Frage ob eine allgemeine Arbeitslosenversicherung eingeführt werden soll, wobei man die besonderen Probleme beachten wird, die im Zusammenhang mit längerer Abwesenheit vom Arbeitsmarkt bestehen, Probleme, die weitgehend Frauen betreffen. Die Regierung hat neulich bekanntgegeben, daß sie eine solche staatliche Grundversicherung gegen Arbeitslosigkeit vorzuschlagen gedenkt. Diese kann mit freiwilligen Versicherungen kombiniert werden.
- Im diesbezüglichen Ausschuß vom Jahre 1965: Überprüfung der Schwangerschaftsunterbrechungsgesetzgebung, wobei auch die Frage des Rechts zu uneingeschränkter Unterbrechung geprüft wird.
- Im März 1968 hat die Regierung beschlossen, staatliche Beiträge vom Jahre 1969 ab an Gemeinden auszuzahlen, die die Betreuung der Kinder erwerbstätiger Eltern Privathaushalten anvertrauen. Die Beiträge sind so beschaffen, daß sie gleichzeitig die Gemeinden anspornen, mehr Kinderheime (Tages- und Freizeitheime) zu hauen.
- Ein staatlicher Ausschuß für Dienstleistungsfragen untersucht die Möglichkeiten besserer Dienstleistungen für Bewohner von Mietshäusern. Es hat sich nämlich gezeigt, daß die Darlehens- und Beitragsbedingungen für Neubauten nicht so abgefaßt waren, daß sie zum Bau von Serviceeinrichtungen in den Wohnvierteln oder zum Bau von Kollektivhäusern angeregt haben. Man ist der Ansicht, daß ein besserer Mieterservice vor allem den erwerbstätigen Eltern zugute kommt und dadurch die Gleichberechtigung auf dem Arbeitsmarkt fördert. Dieser Ausschuß wird in kurzem Vorschläge vorlegen, wie Serviceeinrichtungen finanziert und deren Bau geplant werden kann.
Das Hauptarbeitsamt hat ein besonderes Programm für die vermehrte Erwerbstätigkeit weiblicher Arbeitskraft angenommen und hat viele Untersuchungen durchgeführt, u. a. über die Erfahrungen von den Kursen, die das Amt für Frauen gestartet hat, die zur Rückkehr auf den Arbeitsmarkt bewogen werden sollen. Weiterhin hat man schwedische Industrieunternehmen befragt, welche Erfahrungen sie mit Frauen in Berufen gemacht haben, die früher Männern vorbehalten waren.
Schließlich hat auch die schwedische Presse dem Problem der Geschlechterrollen sowohl im Nachrichtenteil wie in den Leitartikeln große Aufmerksamkeit gewidmet. Die staatliche Radiogesellschaft hat einen Kursus in zehn Teilen (mit Lehrbuch) ausgearbeitet, der »Die Bedingungen der Gleichberechtigung von Männern und Frauen in der heutigen Gesellschaft« betitelt ist. Der Kursus wurde im Herbst 1968 anläßlich des internationalen Jahres für die Menschenrechte gesendet.
Auch Männer haben an der ausgedehnten Diskussion der Geschlechterrollenfrage teilgenommen. Da die Frauenvereine sich besonders stark auf diesem Gebiet engagiert haben, stehen einige von ihnen jetzt auch für männliche Mitglieder offen. Das Resultat der in den letzten Jahren immer stärker werdenden öffentlichen Forderung einer Umwertung der traditionellen Geschlechterrollen besteht darin, daß man politische Vorschläge stets mit Rücksicht auf dieses Problem durchsieht. Trotz allem sind die bisher vorgenommenen Maßnahmen nicht ausreichend, um die Gleichberechtigung von Mann und Frau im täglichen Leben in nächster Zukunft durchführen zu können. Eine umfassende Wirksamkeit steht noch bevor, sowohl betreffs praktischer Maßnahmen von staatlicher Seite wie auch der Aufklärung der Allgemeinheit, um die traditionellen Anschauungen der Bevölkerung umzugestalten.