Das Rationalisierungskuratorium der deutschen Wirtschaft gab eine Leitstudie in Auftrag, die Lehrpläne der Hauptschulen und der Realschulen daraufhin zu untersuchen, ob Mädchen und Jungen in gleicher Weise mit Fächern und Stundenzahl bedacht werden und ob sie in gleicher Weise für Berufe in einer »Hinführung zur Arbeitswelt« vorbereitet werden; ob die Jugendlichen, die von den allgemeinbildenden Schulen als Arbeiter und Angestellte direkt in das Erwerbsleben eintreten, ohne einen Beruf erlernt zu haben, an den Berufsschulen einen Unterricht erhalten, der ihnen das Einleben in die automatisierten Arbeitsprozesse erleichtert.
Die Studie bereitete große Schwierigkeiten, weil
- infolge des Kulturföderalismus in der Bundesrepublik keine einheitlichen Lehrpläne vorhanden sind und
- die Lehrpläne der zu untersuchenden Schulgattungen entweder sich im Stadium der Überarbeitung oder der Erprobung befanden und
- es in jedem Bundesland eine unterschiedliche Zahl und Art von Schulversuchen gibt.
Es war deshalb keine einfache Bestandsaufnahme möglich. Es mußten die Intentionen herausgearbeitet werden, die den Lehrplänen zugrunde liegen, welche oft durch ein verändertes Vokabular eher verdeckt wurden als offen zutage traten. Eine Durcharbeitung der Lehrpläne allein genügte nicht. Um die Absichten präziser zu ermitteln, wurden 73 Experten-Interviews mit Ministerialbeamten, Schulräten, Direktoren und Rektoren durchgeführt. Trotz dieses Vorgehens ist es aber nicht sicher, ob die konkrete Situation in allen Details ermittelt wurde, weil Lehrermangel, unzureichende Ausbildung der Lehrer für die veränderten Inhalte der bestehenden Fächer oder für neue Fächer, Raummangel, Werkstattmangel, unzulängliche Ausstattung der Werkstätten, unterschiedliche regionale Verteilung der Schulen auf städtische und ländliche Gemeinden die Reformen behindern.
Generell sollen die Reformen eine Heranführung der Schulfächer an die Fortschritte der Wissenschaft bringen, die Veränderung der Lehrpläne zu Curricula beschleunigen, die Aktualisierung der psychologischen Entwicklungs- und Lerntheorien im Unterricht ermöglichen, eine Verwissenschaftlichung der Didaktik einleiten und eine größere Realitätsnähe zur »Arbeits- und Berufswelt« gewährleisten, damit die Jugendlichen den späteren Berufsanforderungen gewachsen sein werden. Von diesen Reformen sollen die Jungen und Mädchen in gleicher Weise profitieren.
Die Studie wird zeigen, ob die Reformen auch tatsächlich diesem Ziel dienen oder ob nicht durch eine schematische Abgrenzung von den Geschlechtern zugeschriebenen Begabungsarten, durch eine Orientierung an den bisher üblichen Tätigkeitsbereichen und Qualifikationen für Mädchen und Frauen sowie durch unterschiedliche Lehr- und Erziehungsziele die Mädchen in Familie und Schule vom Beginn ihres Lebens an nicht oder weniger gefördert werden als die Jungen. Die Systematik der Studie ergibt sich aus der Themenstellung. Ehe in jedem Abschnitt der Arbeit die besondere Behandlung der Mädchen in den verschiedenen Schularten dargestellt werden kann, müssen die spezifischen Tendenzen der Entwicklung und der Reformen interpretiert werden. Nur auf diesem Hintergrund wird die Situation der Mädchen transparent.