Der Konzentrationsprozeß in der kapitalistischen Industrie

1. Die Verdrängung der Landwirtschaft durch Industrie

Das kapitalistische Wirtschaftssystem beherrscht nicht nur die soziale Organisation, sondern auch die politische; es beeinflußt und beherrscht das Fühlen und Denken der Gesellschaft. Der Kapitalismus ist die leitende Macht. Der Kapitalist ist Herr und Gebieter der Proletarier, deren Arbeitskraft er als Ware zur Anwendung und Ausnutzung kauft, und zwar zu einem Preise, dessen Höhe sich wie bei jeder anderen Ware nach Angebot und Nachfrage richtet und um die Herstellungskosten, bald über, bald unter ihnen, oszilliert. Der Kapitalist kauft aber die Arbeitskraft nicht um »Gottes willen« und um dem Arbeiter einen Gefallen zu erweisen - obgleich er es so darstellt - sondern um aus dessen Arbeit einen Mehrwert zu erhalten, den er in der Form von Unternehmergewinn, Zins, Pacht, Bodenrente einsteckt. Dieser aus dem Arbeiter gepreßte Mehrwert, der, soweit er ihn nicht verjubelt, bei dem Unternehmer sich wieder zu Kapital kristallisiert, setzt diesen in die Lage, stetig seinen Betrieb zu vergrößern, den Produktionsprozeß zu verbessern und immer neue Arbeitskräfte in Anwendung zu bringen. Das ermöglicht ihm wieder, seinem schwächeren Konkurrenten wie ein geharnischter Reiter einem unbewaffneten Fußgänger gegenüberzutreten und ihn zu vernichten. Dieser ungleiche Kampf entwickelt sich mehr und mehr auf allen Gebieten, und in ihm spielt die Frau als die billigste Arbeitskraft, nach der Arbeitskraft der jungen Leute und der Kinder, eine immer wichtigere Rolle. Die Folge eines solchen Zustandes ist die immer schroffere Scheidung in eine verhältnismäßig kleine Zahl mächtiger Kapitalisten und in eine große Masse kapitalloser, auf den täglichen Verkauf ihrer Arbeitskraft angewiesener Habenichtse. Der Mittelstand gelangt bei dieser Entwicklung in eine immer bedenklichere Lage.
Ein Arbeitsgebiet nach dem anderen, auf dem bisher das Kleingewerbe immer noch herrschte, wird von der kapitalistischen Ausnutzung erfaßt. Die Konkurrenz der Kapitalisten unter sich nötigt sie, immer neue Gebiete für ihre Ausbeutung ausfindig zu machen. Das Kapital geht einher »wie ein brüllender Löwe und suchet, welchen es verschlinge«. Die kleinen und schwächeren Existenzen werden vernichtet, und gelingt es ihnen nicht, sich auf ein anderes Gebiet zu retten - was immer schwieriger und unmöglicher wird - so sinken sie in die Klasse der Lohnarbeiter oder der katilinarischen Existenzen herab. Alle Versuche, den Niedergang des Handwerkes und des Mittelstandes zu verhindern durch Gesetze und Einrichtungen, die nur aus der Rumpelkammer der Vergangenheit genommen werden können, erweisen sich als wirkungslos; sie mögen diesen und jenen eine kurze Weile über seine Lage hinwegtäuschen, aber bald schwindet vor der Wucht der in die Erscheinung tretenden Tatsachen die Illusion. Der Aufsaugungsprozeß der Kleinen durch die Großen tritt mit der Macht und der Unerbittlichkeit eines Naturgesetzes jedem sichtbar und mit Händen greifbar vor die Augen.
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Das Resultat ist, daß die landwirtschaftliche Bevölkerung, das heißt der eigentliche konservative Teil der Bevölkerung, der die Hauptstütze der alten Ordnung der Dinge bildet, immer mehr zurückgedrängt und in immer schnellerem Tempo von der Industrie, Handel und Verkehr treibenden Bevölkerung weit überflügelt wird.
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Charakteristisch ist auch die geringe Zunahme der Erwerbstätigen im häuslichen Dienste und die direkte Abnahme der Dienstboten, was dafür spricht, erstens, daß relativ die Zahl derjenigen abnimmt, deren Einkommensverhältnisse ihnen die Beschäftigung solcher Personen gestatten, und zweitens, daß dieser Beruf unter den Proletarierinnen, die größere persönliche Unabhängigkeit erstreben, je länger desto weniger beliebt wird.

2. Konzentration des Reichtums

Es ist ein ökonomisches Gesetz, daß mit der Konzentration der Betriebe und steigender Produktivität die Zahl der Arbeiter relativ abnimmt, dagegen konzentriert sich der Reichtum prozentual zur Gesamtbevölkerung in immer wenigeren Händen.
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»Die wachsende Ungleichheit« - sagt G. Schmoller - »ist unbestreitbar ... Es wird nicht zweifelhaft sein, daß die Vermögensverteilung Mitteleuropas von 1300 bis 1900 eine steigend ungleiche wurde, allerdings in den einzelnen Ländern in sehr verschiedenem Maße ... Die neuere Entwicklung hat mit den steigenden Klassengegensätzen die Vermögens- und Einkommensungleichheit stark vermehrt.[6] Dieser kapitalistische Entwicklungs- und Konzentrationsprozeß, der sich in allen Kulturstaaten vollzieht, ruft aber bei der Anarchie in der Produktionsweise, die bisher noch keine Trust- und Ringbildung zu verhindern vermochte, mit Notwendigkeit die Überproduktion, die Absatzstockung hervor. Wir gelangen in die Krise.