Die mißverstandene Emanzipation

Kritik zu Schrader-Klebert

Der zunehmende Bedarf an Frauen in der Wirtschaft, also an berufstätigen Frauen, die neue Wohnsituation für viele Frauen, die rings um die Großstädte in den „grünen Höllen" in kleinen „sozialen Wohnungsbauheimen" ihr Leben mit Warten verbringen, die abnehmende, weil mehr und mehr rationalisierte und durch Maschinen ersetzte Hausarbeit in den „Mittelschichten" und andere Faktoren mehr (wie z. B. auch die Stellung der Frau in den sozialistischen Nachbarstaaten), ließen in den letzten Jahren das „Frauenproblem" akut werden. Es beschäftigten sich nicht nur intensiv die Massenmedien aus verschiedenen Interessen mit diesem Thema, sondern es wurden auch in vielen westlichen Ländern in zunehmendem Maße, inzwischen etwa in fast allen Großstädten der BRD, Frauengruppen gegründet, die mehr oder weniger bewußt irgendwie die Emanzipation oder die Befreiung der Frau sich zum Ziele machten. Subjektiv war der Auslöser für den Zusammenschluß nicht viel mehr als ein Unbehagen an der eigenen individuell erfahrenen Situation. Die auf diese Weise konstituierten Gruppen verfolgten mit den verschiedensten Methoden das Ziel, unmittelbar etwas für sich zu ändern — angefangen von Selbsthilfeorganisationen (Kinder- und Schülerläden) über psychoanalytische Zirkel, in denen die erfahrenen Versagungen hin- und hergeredet wurden, bis hin zu spektakulären Aktionen wie Gefangennahme von Männern, Büstenhalterverbrennungen usw., die aus der Presse weitgehend bekannt sind. Die prinzipielle Erfolglosigkeit dieser Arten von „Praxis", sowie die dennoch schnelle zahlenmäßige Zunahme dieser Gruppen bewirkten vielerorts eine Umorientierung. Die individuellen Erfahrungen mußten nicht nur verallgemeinert werden, sondern über die Verallgemeinerung hinaus galt es, die Ursachen und somit die Wege für eine wirkliche langfristige Veränderung ausfindig zu machen. Es begann eine Phase, die vielleicht am ehesten mit dem Begriff „Lernbewegung" zu fassen ist. Frauen aus den verschiedensten Berufen, untere und mittlere Angestellte, Kindergärtnerinnen, Lehrerinnen, Krankenschwestern, Studentinnen und Hausfrauen schlössen sich zusammen, um die gesellschaftlichen Zusammenhänge begreifen zu lernen, aus denen ihre spezifische Situation und Stellung resultierte. Ihre Schulung konnte ohne weiteres auf die Klassiker des Marxismus-Leninismus zurückgreifen, soweit es die allgemeinen Bewegungsgesetze der Gesellschaft zu erfassen galt; Schwierigkeiten tauchen aber dort auf, wo die spezielle Situation der Frau in der heutigen Gesellschaft zu bestimmen ist. Die benachteiligte Stellung der Frauen im allgemeinen reflektiert sich im Nichtvorhandensein von Untersuchungen, Analysen und Arbeiten zu ihrer Situation. So wurde und wird mit Heißhunger schlechthin alles ergriffen, was sich, wie einseitig und verkehrt auch immer, überhaupt mit dem Thema „Frau" befaßt. In dieser Situation der großen Nachfrage ist es zwar vom kommerziellen Standpunkt aus verständlich, vom Standpunkt der Nützlichkeit aber unverzeihlich, mit schlechter und irreführender Theorie die Bedürfnisse abzuspeisen.
Letzteres geschieht im Kursbuch 17, dessen prominentester und wohl auch heute noch am meisten gelesener Aufsatz von Karin Schrader-Klebert hier exemplarisch kritisiert werden soll. Eine solche Kritik stößt auf vielfältigen Widerstand, denn, so möchte man einwenden, schreibt schon einmal eine Frau in solch engagierter Weise gegen die Unterdrückung der Frauen, so sollte man hauptsächlich dankbar sein; — auch hat eine vom verantwortlichen Redakteur des Kursbuch in seinem Bekanntenkreis unternommene Umfrage ergeben, daß alle „linken" Frauen und Männer von diesem Aufsatz begeistert waren, auf Ablehnung stieß er nur bei Liberalen und Konservativen. Aber ist etwas schon deshalb richtig, weil es von traditioneller Warte her gesehen für falsch gehalten wird? Oder ist es richtig, weil alle sich neu konstituierenden Gruppen bis heute mit genau den Praktiken beginnen, die sich zwingend aus der von Schrader-Klebert dargelegten Theorie ergeben bzw. umgekehrt die Theorie diese Praktiken widerspiegelt? Gerade dieses letzte Phänomen zwingt zur Beschäftigung mit den Darlegungen der Autorin. Falls Aufklärung überhaupt sinnvoll sein soll, gilt es, solche falschen Theorien zu widerlegen, um Sackgassen und Irrwege zu vermeiden, um die kollektiven Energien in Bahnen zu lenken, die etwas anderes bewirken als das Bürgertum mit neuartigen Zirkusclownerien zu belustigen.
Der Titel des Aufsatzes von Schrader-Klebert „Die kulturelle Revolution der Frau" ist eher zu bescheiden. Es wird nämlich nicht weniger unternommen, als die Geschichte der Unterdrückung der Frau über mehr als tausend Jahre zurückzuverfolgen; mehrere Wissenschaften und Wissenschaftssprachen werden bemüht, um auf „radikalste Weise die Misere der Frau" darzustellen und zur Veränderung aufzurufen.
Von einem weiblichen Standpunkt — es wird noch darzustellen sein, welcher Klassenstandpunkt es ist — wird die ganze Geschichte linear zurückverfolgt als eine Geschichte zunehmender Unterdrückung der Frau — mit den Worten der Autorin: als eine „Geschichte der Männer". Sie ist „eine Geschichte der Gewaltanwendung" gegen die Frauen, und es gilt, „die Gewalt, deren Produkt sie sind, gegen die Unterdrücker selbst zurückzuwenden, sich vom Status des Opfers und Objekts in den des Subjekts und Handelnden zu versetzen" (1/2). Die elitären Begriffe und die Sprache des wissenschaftlichen Jargons, die den Aufsatz für eben die Gruppe, für die er geschrieben sein soll — nämlich alle unmündig und bewußtlos gehaltenen Frauen — nicht nur zu einer Zumutung, sondern schlechthin unverständlich machen, bedürfen der Entzifferung.
Zunächst wird eine neue Klasse ausgerufen: Die Frauen aller Länder. Da die Geschichte eine Geschichte der Gewaltanwendung aller Männer gegen alle Frauen sein soll, gelingt sofort eine erste Gleichsetzung, die in ihrer zunächst nur sprachlichen Radikalität sicher viele Sympathisanten findet: „die Frauen sind die Neger aller Völker und der kollektiven Geschichte" (1). Aber alle, die sich gegen Gewalt wenden, sind so den Frauen gleich bzw. die Frauen ihnen: sie entsprechen den „unterdrückten, entmenschten Völkern", die sich richten gegen „imperialistische und kolonialistische Gewalt", den „Entmündigten und politisch entrechteten Gruppen innerhalb der monopolkapitalistischen Länder" (1). Nachdem so schon auf Seite 1 ganz bombastisch das Feld des eigentlichen revolutionären Potentials aufbereitet ist, die Autorin sich der Zustimmung derer, die politisch auf Seiten der kämpfenden Neger, allgemeiner der unterdrückten Völker stehen, versichert hat, können die Feinde, gegen die diese kämpfen, fallengelassen werden; vergleichbar war ja ohnehin nur das Mittel, nämlich die Gewalt, die angeblich alle Männer gegen alle Frauen nahezu seit Ewigkeiten einsetzen. Es geht also um eine Solidarisierung aller Frauen gegen alle Männer. Beklagt wird, daß sich fälschlich die weiße Frau mit dem weißen Mann solidarisiert, statt mit der schwarzen Frau, die bourgeoise Frau mit dem bourgeoisen Mann, die Proletarierfrau mit dem Proletariermann usw., statt alle in der neuen weiblichen Klasse. So abstrakt hat man auf den ersten Blick sicher das Gefühl, da sei irgend etwas richtig, Frauen seien eben im ganzen irgendwie von den Männern unterdrückt.
Auf den zweiten Blick wird es schon fragwürdiger: betrachtet man die empirische Realität, wer möchte da nicht lieber Studentin sein als Straßenfeger, lieber Bankdirektorsgattin als Grubenarbeiter? Aber, so wird man einwenden, dies ist nicht der richtige Vergleich:  es müßte heißen Student oder Studentin, Bankdirektor oder Bankdirektorsgattin, Grubenarbeiter oder Grubenarbeiterfrau — hier ist man schon nicht mehr so ganz sicher — auch nicht beim Straßenfeger, vielleicht nicht beim gesamten Proletariat? Doch da ist es wieder ganz deutlich beim Unterschied zwischen Proletarier oder Proletarierin, d. h. Frau aus der Arbeiterklasse im Produktionsprozeß. Schon aus dieser einfach zu betrachtenden Wirklichkeit ergibt sich klar, daß es ganz offensichtlich eine Unterdrückung oder Benachteiligung der Frau gegenüber dem Mann aus der gleichen Klasse, insbesondere aus dem gleichen Beruf gibt. Sie werden also alle unterdrückt, aber trotz diesem gemeinsamen Dritten, der Unterdrückung, sind die Frauen aus den einzelnen Klassen so weit entfernt voneinander, wie nur Klassen voneinander entfernt sein können. Nicht nur wird es unmöglich, den Ursprung, das Wesen, die historische Notwendigkeit der Unterdrückung der Frauen überhaupt zu begreifen, wenn man, wie Schrader-Klebert,   über   die  Klassenschranken  hinweg  das  Allgemeine, Verbindende verkündet, sondern darüber hinaus bzw. aus dem Nichtbegreifen notwendig folgend, wird die revolutionäre Lösung so bescheiden sein, wie der revolutionäre Kampf abstrakt. Man    braucht bloß die Männer dahinzubringen, etwas freundlicher und weniger egoistisch zu sein. Mit einem bißchen guten Willen von ihrer Seite wäre das Spiel schon gewonnen.
Wenn aber die Wirklichkeit so offensichtlich schon die Klassenunterschiede aufnötigt, so bleibt die Frage, wie dann diese doch auch für die Autorin sichtbare Welt in die allgemeine Gleichheit eingezwängt werden kann? Das geht ganz einfach. Auf S. 12 heißt es: „Entweder sie (die Frau) wurde geschunden und verbraucht, war bald alt und häßlich, dann war ihre einzige Erwartung der Tod; oder der Mann, der sie besaß, war reich, dann diente es seinem Prestige, wenn sie nichts tat, schmarotzte und in einem goldenen Käfig ihren Körper nach den Wünschen des Mannes als Objekt darbot."
Wer die Wirklichkeit so bloß noch als Bildmaterial benutzt, bei dem verwundert ein Satz wie der folgende nicht: „Zu meinen, den Mangel der Frau, der ein Produkt der Jahrtausende ist, durch einen ökonomischen Mangel kompensieren zu können, ist naiv oder zynisch" (5). Trotz dieser Skepsis gegenüber der Ökonomie, die dieser Satz wohl dokumentieren soll, basiert die gesamte Analyse Schrader-Kleberts auf ökonomischen Kategorien. Man wird sehen müssen, wie sie eingesetzt werden.
Es beginnt sogleich mit der Geschichte der Unterdrückung, die auf der Arbeitsteilung basieren soll. Nun ist Arbeitsteilung an sich nichts Böses, sondern im Gegenteil, der Beginn von Kultur und Fortschritt in der Gesellschaft überhaupt, und es dürfte schwerfallen, eine wünschenswerte Gesellschaft sich vorzustellen, die nicht — wenn auch in anderer Form und für den einzelnen in abnehmendem Maße einseitig und folgenreich für seine Klassenlage — auf der Arbeitsteilung basiert. Das allein kann es also nicht sein. Es muß etwas Spezifisches zur Arbeitsteilung hinzukommen. Brecht läßt Meti dazu sagen: „Die Arbeitsteilung ist gewiß ein Fortschritt. Aber sie ist zu einem Werkzeug der Unterdrückung geworden. Wenn man dem Arbeiter sagt, er solle vor allem ein guter Autobauer sein, sagt man damit, er solle z. B. die Festsetzung seines Lohnes anderen überlassen, die darin sich gut auskennen, guten Unternehmern oder guten Politikern. Wenn man dem Arzt sagt, er solle vor allem ein guter Schwindsuchtforscher sein, sagt man damit, er solle sich nicht um den Wohnungsbau kümmern, der die Schwindsucht erzeugt. Man ordnet die Verteilung der Arbeit so an, daß die Ausbeutung und Unterdrückung dazwischen bestehen kann, als wäre sie auch eine Arbeit, die einige zu besorgen hätten" (Brecht: Gesamtausgabe, Prosa 5, Meti, S. 130/131).
Es hilft auch nicht weiter, die spezifisch häusliche Arbeit als „immanent" und vom „Wiederholungszwang" (10) geprägt zu beschreiben. Ob ich Koch bin oder zu Hause Essen koche (ganz zu schweigen vom Beruf des Kellners), Fensterputzer oder meine eigenen Fenster putze, die Tätigkeiten selber dürften sich nur quantitativ, d. h. in ihrem Ausmaß voneinander unterscheiden. — Der Wiederholungszwang als spezifisch für eine Tätigkeit ist im übrigen besonders aus der Fließbandarbeit geläufig. Verglichen mit dem minütlich gleichen Griff oder Knopfdruck ist die Hausfrauenarbeit, gerade zum Beispiel das Kochen, ausgesprochen schöpferisch.
Die Autorin kommt der Wahrheit nur wenig näher, wenn sie schreibt: „Das geschichtliche Prinzip dieses Gewaltmonopols ist die Nichtbeteiligung der Frau am Produktionsprozeß. Sie nimmt nicht an der Aneignung der Natur weil, so auch nicht an der Beherrschung der Natur und deren Konsequenzen, der Herrschaft des Menschen über den Menschen" (5). Aber der Begriff „Produktionsprozeß" wird fern von jeder Realität, von allen tatsächlichen ökonomischen Strukturen wieder nur als Reizwort benutzt, um den Anschein zu erwecken, es handle sich wirklich um eine grundlegende Theorie. Zunächst einmal ist vom Kapitalismus nicht die Rede, so daß der Produktionsprozeß nicht als der Ort der Mehrwertproduktion, der Prozeß der Produktion von Waren begriffen wird, welcher grundlegend die Beziehungen der Menschen bestimmt. Der Produktionsprozeß ist für Schrader-Klebert der Ort, an dem die Aneignung der Natur geleistet wird, also die Beherrschung derselben und als Resultat die Herrschaft des Menschen über den Menschen; dies alles wird monopolisiert von den Männern. Sie haben auch die „Umverteilung von Besitz und Gewalt" (6) vorgenommen. Die „Produktivität der Arbeit" ist ihr „Privateigentum". — An dieser Stelle wird mit der Einführung des Begriffs Privateigentum wieder Kapitalismusverdacht mobilisiert, jedem wird bei einigem Nachdenken klar sein, daß die Verwendung des Begriffs hier nichts mit dem wirklichen Privateigentum zu tun haben kann. Privateigentum kommt historisch zunächst als Privateigentum an Grund und Boden vor, später als Privateigentum an Produktionsmitteln mit der Möglichkeit andere Menschen für sich arbeiten zu lassen.
Die „Möglichkeit" der „Selbstveränderung durch Handlung", der „Veränderung der eigenen Lebensbedingungen, der eigenen Bedürfnisse", „der Beherrschung der Produktionsbedingungen" (6) gelte nur für den Mann. An einem bestimmten Zeitpunkt der Geschichte sei „aber die Monopolisierung der Produktionsbedingungen für den Mann in einem Maße ökonomisch effizient geworden, daß eine Freisetzung der Frau eine Destruktion der gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse bedeutet hätte" (8). Dieser Satz ist derartig aus der Luft gegriffen, daß er eigentlich nur in die Reihe der Mythen und Märchen gehört. Aber die kann man ja erklären. Ein Versuch der Entzifferung bringt hier hingegen weiter nichts, als daß vielleicht die schon zu Monopolkapitalisten gewordenen Unternehmer fürchten, daß bei einer Teilung ihrer Kapitale mit ihren Frauen sie nicht mehr konkurrenzfähig auf dem Weltmarkt sind. Das aber kann hier kaum gemeint sein.
Der Mann hat „die Verfügung über gesellschaftliche Produktionsmittel" (16). Eine solche Betrachtungsweise mag zwar vorübergehend das berechtigte Gefühl der Frauen, daß Männer ihnen gegenüber im Vorteil sind, befriedigen; doch macht man sich die Mühe, darüber nachzudenken, von welchen Männern hier überhaupt nur die Rede sein kann, so sieht man, es müßten die Kapitalinhaber sein. Der Standpunkt, von dem aus hier betrachtet wird, ist demnach ein Oberklassenstandpunkt. Wovon hier die Frauen der Kapitalisten ausgeschlossen werden, ist nicht der Produktionsprozeß; der Produktionsprozeß selber, von dem die Frauen der Arbeiter keineswegs immer ausgeschlossen sind, ist mit solch euphemistischen Worten wie etwa „Selbstveränderung durch Handlung" sicher nur bei völliger Verachtung der Wirklichkeit zu beschreiben. (Es empfiehlt sich, hierüber, und auch spezifisch über Frauenarbeit, Engels „Lage der arbeitenden Klassen in England" zu lesen.)
Aber auch die Kategorien Proletarier, Ware, Preis, Wert und Kapital werden von der Autorin in Anspruch genommen. Man wird, inzwischen mißtrauisch geworden, sehen, wofür.
Da die Frauen vom Produktionsprozeß ausgeschlossen sind, welcher Aneignung der Natur bedeuten soll, mit dem Resultat der Herrschaft des Menschen über den Menschen, folge daraus die Herrschaft des Mannes über die Frau. Irgendwie sei ihr Körper enteignet. Die Frau wird auf S. 19 zunächst zur „Ware", „die den Gesetzen des Marktes unterliegt"; „Der Preis der Ware ist ihr Wert"; der Mann „investiert" in sie „Kapital", worauf der „Gewinn" steigt. Auf S. 21 gar wird „ihr Körper ihr Kapital". „Das Begehren des Mannes ist der Kredit." „Mit dem Trauschein geht der Körper in den Besitz des Mannes über, er erhält das Nutzungsrecht und damit die rechtliche Verpflichtung, diesen Besitz zu schützen und zu halten" (21). Offenbar definieren sich nach Ansicht der Autorin Kapitalbesitzer durch die rechtliche Verpflichtung, ihren Besitz zu schützen und zu halten. „Der Warenwert muß seinen Konsumbedürfnissen entsprechen und muß sich bei entsprechender Investition steigern." Hier geht wegen der radikalen Phrasen so viel durcheinander, daß es schwer wird, überhaupt einen Anfang zu finden.
Zunächst zum Warencharakter der Frau. Eine Ware ist verkäuflich. Wer tritt also als Käufer auf, wer als Verkäufer? Man denkt sogleich an Prostituierte, sie verkaufen sich auf dem Markt und haben einen Preis. Die Prostitution taucht aber bei Schrader-Klebert an ganz anderer Stelle auf, bei ihrer großen Entdeckung, daß es in unserer Gesellschaft eine Klasse gibt, die fortwährend verkauft, was ihr nicht gehört. Es ist dies: die Arbeiterklasse. „So wie der Proletarier nur seine abstrakte Arbeitskraft ist, die er verkaufen muß, um eben diese abstrakte Arbeitskraft zu erhalten — wobei ihm weder Arbeitskraft noch Produkt gehören —, so muß die Prostituierte sich allen Männern verkaufen, um eben diesen Körper zu erhalten, den sie verkaufen muß" (15). Dem Proletarier gehört also nicht seine Arbeitskraft, die er verkauft, die Prostituierte ist ihres Körpers, den sie verkauft, enteignet wie alle Frauen. Beide müssen also, bevor sie auf den Markt gehen, kriminell werden, denn in welcher Gesellschaft kann man schon etwas verkaufen, was einem nicht gehört. Eine Grundbedingung für die Entstehung des Kapitalismus aber war die Ablösung von Sklaverei und Leibeigenschaft durch das Recht des Menschen, über seinen Leib selber zu verfügen. Da der Kapitalismus aber ohnehin in der gesamten Analyse der Autorin nur eine sehr untergeordnete Rolle spielt, sollte man vielleicht auch nicht auf seinen wesentlichen Elementen beharren? Wo kommen aber dann Proletarier, Waren und Kapital her?
Zurück zum Warencharakter der Frau. Bleiben wir bei der Voraussetzung: sie gehört sich nicht, wird aber ge- und verkauft. Zweite Möglichkeit: Der Mann verkauft sie. Dies wäre wieder das Sonderbeispiel des Zuhälters in bezug auf die Prostitution. Dritte Möglichkeit: Der Mann kauft sie, vielleicht von ihren Eltern. Mit einiger Gewaltsamkeit ließen sich bürgerliche Ehen, die aus Gründen der ökonomischen Bereicherung geschlossen werden, so interpretieren. Aber was in einem solchen Fall nach Kauf der Ware konsumiert wird, dürfte weniger die Frau sein, als vielmehr der Nutzen, der aus dem angeheirateten Besitz springt. Zudem paßte auch nur der kleine Teil der besitzenden Frauen in das Interpretationsschema, die Masse der Bevölkerung bzw. der Anteil an Frauen in ihr, die Besitzlosen werden vernachlässigt, oder sie sind eben keine „Waren". Um überhaupt den Gedankengang weiter verfolgen zu können, soll an dieser Stelle die Vorstellung,  die Frau gehöre nicht sich  selbst, fallengelassen werden. Dann könnte sie sich selber an den Mann verkaufen, nicht in einem einzigen Tauschakt, sondern zum Beispiel das lebenslängliche Nutzungsrecht an ihr gegen die Sicherung ihrer Ernährung, Wohnung, Bekleidung usw. Diese Feststellung bringt wenig weiter, insbesondere nicht als eine, die beweisen soll, daß es dem Manne grundsätzlich anders geht als der Frau. Schließlich verkauft er, wenn er nicht Kapitalist ist, im allgemeinen auch seine Arbeitskraft als Ware auf dem Markt,  um seinen Lebensunterhalt zu sichern. Den Gesetzen des Marktes soll die Frau durch die Ausstattung ihrer Erscheinungsweise (19) mit „Gegenständen des Konsummarktes" unterliegen. Diese bestimmen ihren Preis und Wert. Soll das heißen, daß Frauen in Mittelklassen mehr Haushaltsgeld ausgeben als in Arbeiterfamilien, so ist das eine Binsenweisheit und hätte einfacher gesagt werden können. Da die Frauen aber eben nicht wirklich durch eine einzige finanzielle Transaktion gekauft werden, läßt sich der Satz anders nicht interpretieren. Die Tatsache, daß die Eheschließung unversehens zu einer Art Geschäft wird, läßt sich aber nur dann der männlichen Bosheit und Herrschaft anlasten, wenn man dem Kapitalismus mit seinen objektiven Gesetzen und Lebensbedingungen so gleichgültig gegenübersteht wie die Autorin. Hierzu sagt Brecht: „Meti wurde gefragt, ob es gegen die Gute Sitte verstoße, wenn eine Ehefrau ihrem Mann gegenüber untreu wird. Er sagt: ,In einem Land, wo der Mensch alles kaufen muß, die Tasse Tee und das Bett und das Buch und das Geschlechtsteil einer Frau, darf man ihm nicht verwehren, wenn er das Gekaufte für sich beansprucht. Wenn ich in einem Haus eine Wohnung habe, darf dann der Wirt auch andere in dieser Wohnung beherbergen? Es ist unsittlich, wenn die Frau, die das Geld nimmt für die Vermietung ihres Geschlechtsteils, dieses dann auch anderweitig vermietet, ausgenommen, es ist ausgemacht. Allerdings findet die Frau in solchen Ländern auch keinen Bissen zu essen, noch eine Lagerstatt, wenn sie nicht ihr Geschlechtsteil vermietet, so daß ein Betrug von ihr eigentlich nur einen unsittlichen Vertrag bricht. Hat sie doch nichts, schamhaft ihre Blöße zu verdecken, wenn sie diese nicht verkauft! Ich meine: in einem Lande wie dem unsrigen ist alles unsittlich, sowohl der Ehebruch wie die Ehe" (Meti, a.a.O., S. 68).
Nicht genug. Schrader-Klebert verwandelt den Körper der Frau schließlich sogar von einer Ware in Kapital, d. h. in sich selbst verwertenden Wert. Lassen wir die Prostitution und Anna aus Brechts „Sieben Todsünden", deren „kleiner weißer Hintern" mehr wert war als eine „kleine Fabrik", weg und betrachten die absolute Unvernunft der Frauen, die dieses Kapital, mit dem sie schon auf die Welt kommen und für das sie auch schon „durch das Begehren des Mannes Kredit gewinnen", einfach abgeben. Statt den Gesetzen des Kapitals zu gehorchen und dasselbe ständig zu vermehren, indem sie andere für sich arbeiten lassen, übereignen die Frauen das ganze einfach, vielleicht aus purer Dummheit, an die Männer. Aber jetzt haben wir eine neue Gesellschaft, die Gesellschaft, in der alle Männer Kapitalisten sind. „Nun kann er investieren und das Kapital arbeiten lassen. Der Körper muß schön sein, gepflegt sein, immer bereit sein, soll nicht fordern und zu allem verwendbar sein; muß Kinder gebären, sich im Haushalt abnutzen lassen oder sich in einem untergeordneten Beruf verbrauchen, um zum gemeinsamen Konsum, Prestige beizusteuern"  (21).  Ein in  sein Kapital investierender Arbeiter ist schlichter Hohn, ebenso die Beschreibung seiner Frau mit Sätzen aus „Brigitte" und „Jasmin". Eine Kapitalistenfrau, die sich im Haushalt abnutzen oder sich in einem untergeordneten Beruf verbrauchen läßt ist gleichfalls Hohn von der anderen Seite. Wie sich der Warenwert dann noch bei entsprechender Investition steigert, bleibt dunkel. Vielleicht bekommt sie Spezialnahrung und kriegt dann mehr Kinder, und diese werden verkauft? Aber dann erfüllte sie nicht so sehr die Funktion der Ware als vielmehr die des Produktionsmittels. Abgesehen davon sollte man einmal wirklich außerhalb der amerikanischen Vulgärsoziologie, in der durch die Einführung des Begriffs Prestige offenbar solches vollbracht wird, versuchen, realökonomisch mit Tauschwerten Tauschwerte anzulocken. Nichts anderes bedeutet es, wenn einer sich vorstellt, er hängt seiner Frau einen teuren Schmuck um den Hals und dann steigt sein Einkommen. Es ist etwa so, wie der Aberglaube, man müsse nur ein paar Silbermünzen in der Hand haben, wenn der erste Kuckucksruf im Frühling ertönt, um zu großem Reichtum zu kommen. Ein auch nur oberflächlicher Blick auf den kapitalistischen Verwertungsprozeß,  auf  die Lohnkämpfe zu allen Zeiten zeigt sogleich, daß hier andere Gesetze regieren, als es sich ein im Privatauftrag der Verhüllung und Vernebelung arbeitender Soziologie amerikanischer Machart träumen läßt.
Der oben zitierte Satz macht zudem in affirmativer Negation noch einmal mit, was Reklame, die zum Warenabsatz im Kapitalismus immer notwendiger wird, suggerieren will. Versprechen etwa die Waren der Kosmetikindustrie durch ihre Reklame Schönheit, Gepflegtheit usw.  und somit Liebe und Erfolg,  so lastet Schrader-Klebert, den Betrug immerhin spürend, dies aber keineswegs den Verwertungsgesetzen des Kapitals, sondern der Bosheit der Männer an. Gerade diese Betrachtungsweise in Kombination mit dem hilflosen, weil falsch gerichteten Protest gegen das Hausfrauendasein spielte und spielt noch eine große Rolle in den verschiedenen Frauengruppen. Logisch führt dieser Standpunkt zur verbal außerordentlich radikal klingenden, praktisch völlig folgenlosen passiven Verweigerung, die aus der Phase der antiautoritären Studentenbewegung schon bekannt ist.
Schließlich wird das Fundament angegeben, auf dem das Ganze ruht, die wirklich tragenden Säulen einer „Gesellschaft, die auf Ausbeutung des Menschen durch den Menschen gegründet ist": nämlich „Ehe (Familie) und Prostitution". Sie sind „Institutionen", die der Mann sich „geschaffen hat", um sich das „Gewaltmonopol" der „Fesselung" der Produktivkraft der Frau zu sichern (16). Da die Formel „Gesellschaft, die auf Ausbeutung des Menschen durch den Menschen gegründet ist" u. a. die Formel für den Kapitalismus ist, sollte man annehmen, daß es sich im folgenden um diesen handelt. Wer beutet im Kapitalismus wen aus und zu welchem Zweck? Doch hauptsächlich die Kapitalistenklasse die Arbeiterklasse zum Zwecke der Kapitalakkumulation; dabei würde es ihnen allerdings im Traum nicht einfallen, die Produktivkraft, die die Quelle der Wert- und Mehrwertproduktion, also die einzige Quelle ihres Reichtums ist, in der Weise zu fesseln, wie Schrader-Klebert dies für die Männer den Frauen gegenüber vorsieht. Zudem dürfte es schwerfallen, die Gewalt bei der Aneignung der durch die Arbeiterklasse geschaffenen Reichtümer so unmittelbar zu entdecken. Vielleicht ist hier doch nicht vom Kapitalismus die Rede, denn die gemeinte Ausbeutung der Frauen von Seiten der Männer hat bislang noch nicht dazu geführt, die Männer zu Kapitalisten zu machen, außer in der oben beschriebenen Wendung der Autorin. Gleichwohl soll den Voraussetzungen der Autorin gefolgt werden, um zu sehen, wie Ehe und Prostitution zu tragenden Säulen werden. Zunächst gelten ihr Ehe und Prostitution als das gleiche (15). Einmal wird der Körper von vielen genutzt, das andere Mal hat ein einziger das Nutzungsrecht. Beide Körper sind enteignet. Wie man dann noch seinen Körper verkaufen kann, bleibt nach wie vor das Geheimnis der Autorin. Nach der Gleichsetzung kann sie die Prostituierte fallenlassen und sich allein der Ehefrau zuwenden. Wir wissen schon,  daß ihr die „Verfügung über die gesellschaftlichen Produktionsmittel genommen ist" (16) — die haben die Männer — und daß ihr „die Potenz, sich Natur anzueignen" abgesprochen wird. Diese beiden Kriterien sind der Grund dafür, daß sie sich „selbst nicht als menschliche Existenz setzen kann". Das heißt, sie ist kein Mensch. „In die Sphäre der Produktion konnte sie aber erst dann massenhaft eindringen, als mit der Entwicklung der Manufaktur die Arbeitskraft den Arbeitenden enteignet wurde. Denn die Arbeit, die der männliche Lohnsklave leistet, ist ebenso abstrakt und entfremdet wie die, die die Frau für den Mann seit Jahrtausenden tut. Frauen und Kinder waren deshalb ein so billiges Potential für die Unternehmer, weil sie keine Menschen waren und für diese Sklaverei bereits die richtige Mentalität mitbrachten "(17). Wie schon weiter oben entwickelt, wurde die Arbeitskraft dem Arbeitenden nicht enteignet, auch nicht mit der Entwicklung der Manufaktur, sondern er kann im Gegenteil frei über sie verfügen. Überlegungen zu den falsch verwandten Begriffen „abstrakt und entfremdet" sollen hier beiseite gelassen werden, um sehen zu können, daß die Arbeiter das gleiche tun, wie die „Frauen seit Jahrtausenden". Also könnten jetzt eigentlich die Proletarier aus den Gesamtmännern, von denen bislang die Rede, herausgenommen und die Gesamtheit der Frauen dieser Klasse zugeschlagen werden? Aber das geht nicht, denn die Frauen sind ja keine Menschen, wenn sie auch eine Mentalität, nämlich die der Sklaven haben, weshalb sie so billig sind. Daß der Preis der Ware Arbeitskraft Frau für die Unternehmer billiger war als der der Männer, hängt, wie ein nur flüchtiger Blick in die Kapitalismusgeschichte zeigt, sicher nicht mit ihrem Nicht-Mensch-Sein zusammen, sondern damit, daß der Lohn der männlichen Arbeiter für die Reproduktion der gesamten Familie berechnet war. Die Frauen traten also nicht nur als zusätzliche Verdienerinnen auf — ihr Lohn mußte nicht für die gesamte Familie ausreichen — sondern zugleich als Konkurrentinnen auf dem Arbeitsmarkt, was wiederum den Kapitalisten die Möglichkeit bot, sowohl den Lohn der Frauen als auch den der Männer noch niedriger anzusetzen.
Schrader-Klebert muß das Nicht-Mensch-Sein der arbeitenden Frauen einführen, denn sonst fiele mindestens eine Klasse aus ihrer gesamten Analyse heraus, die Klasse der Proletarierinnen. Da sie im Produktionsprozeß sind, wie auch die Kinder, müßten sie wie vorher bei den Männern beschrieben, über die Produktionsmittel herrschen, sich fortwährend Natur aneignen — aber über wen haben sie das Gewaltmonopol? Und die nicht arbeitende Frau? „Das Verhältnis, das sie zur Welt hat, ist ein dingliches und beschränkt ihr Bewußtsein auf die Ideologie des Habens: Sie hat einen Mann und Kinder genauso wie sie Blumentöpfe und Silberbesteck, Perserteppiche und Modellhüte hat" (27). Die Besitztümer, die hier maßgeblich für die Frau schlechthin genannt werden, geben den Klassenstandpunkt, von dem aus gesprochen wird, ohne weitere Analyse ganz offenkundig wieder.
Die Ehe ist ferner „die Vernichtung von Liebe, Eros oder Sexualität"; sie ist die „Negation von Autonomie, Freiheit und Selbstverfügung". Sie ist „Agent der Klassenherrschaft". „Heute vermittelt sie das Interesse der Herrschaft, die für die Aufrechterhaltung der monopolkapitalistischen Produktionsverhältnisse notwendige Atomisie-rung des Menschen zu erzeugen. Die gesellschaftlichen Zwänge, mit denen die Monogamie heute verbunden ist, dienen der Notwendigkeit, die Menschen in Abhängigkeit und Sterilität festzuhalten. Umgemünzt in psychische Zwänge ergeben sie das Bild der alltäglichen Quälerei zwischen den Ehepartnern und die Unfähigkeit des einzelnen, sich gegen den Ichverlust, den er von der Gesellschaft erleidet, zu wehren. Die Institution der Ehe schließt aus: die Selbstbestimmung des Menschen; die Selbstverfügung der Frau über den eignen Körper; die freie Weiterentwicklung zu anderen angemessenen Formen der sozialen Beziehung. Sie schließt Liebe aus, weil sie Liebesfreiheit und Verlangensfreiheit ausschließt. Die Institution der Ehe stabilisiert: die Atomisierung des Menschen, insofern sie die Fixierung des Menschen auf nur einen anderen Menschen vorschreibt, damit die Beziehung zu allen anderen Menschen zweitrangig und gegen Gewalt und Grausamkeit gegenüber anderen Menschen gleichgültig macht" (26).
Jetzt ist die Aktivität klar bestimmt: man braucht überhaupt nur die Ehen oder Familien, die Säulen des Kapitalismus aufzulösen, bzw. um im Bild zu bleiben, zum Zusammenbrechen zu bringen, — schon ist es aus mit dem Kapitalismus, d. h. mit Abhängigkeit, Quälerei und der Atomisierung des Menschen. Möchte man auch dieser vergleichsweise einfachen Prozedur zustimmen, so wird vielleicht doch ein Unbehagen sich ausbreiten, ob nicht unterderhand eine tragende Säule vergessen wurde. Vielleicht ist die Familie nur Ausdruck von etwas, das seine Ursachen ganz woanders hat? Wer allerdings so mit der Betrachtung der ökonomischen Wirklichkeit umgeht, wie Schrader-Klebert, darf sich nicht wundern, wenn die große Revolution nurmehr einen Kratzer auf dem Firniß der gesellschaftlichen Machtverhältnisse   hinterläßt.   Wer  die  Warenproduktion  als  der Industriegesellschaft zugehörig beschreibt (18), mit der sie nicht viel mehr zu tun hat als der Kapitalismus mit dem Menschen überhaupt, dem kann auch die Ehe zur Ursache der Atomisierung des Menschen geraten. „Im 19. Jahrhundert, der Blütezeit der bürgerlichen Kaufehe, war der Heiratsmarkt vorwiegend Aktienbörse: die Frau war das, was sie an ökonomischen Werten repräsentierte — Kapital, Kredit, ein .guter Name' etc. Mit der zunehmenden Verselbständigung des kapitalistischen Systems gegenüber den Individuen wurde der Heiratsmarkt sukzessive zum Fleischmarkt und zur Gefühlsbörse (24)." Wieder werden mit den Bestimmungen „Aktienmarkt", „Kapital", „Kredit",   „guter  Name"   usw.  die  wenigen  reichen  Bürger- und Patrizierfrauen zum weiblichen Teil der Bevölkerung schlechthin verallgemeinert. Der Abstieg des Bürgertums zugunsten weniger Kapitalbesitzer trifft die Autorin dann auch so, daß sie von einer Verselbständigung des kapitalistischen Systems gegenüber den Individuen spricht. Hiermit kann sie kaum etwas anderes meinen als den Untergang der kleinen und mittleren Kapitalbesitzer im Konkurrenzkampf, denn die Arbeiter und andere Lohnempfänger waren noch nie eins mit dem Kapital. Die beklagte Verselbständigung des Kapitals soll eine Umwandlung des Heiratsmarkts von der vorherigen „Aktienbörse" zum „Fleischmarkt" und zur „Gefühlsbörse" nach sich gezogen haben. Dies soll eine gesellschaftskritische Übersetzung der Tatsache sein, daß die besitzlosen Individuen nicht des Geldes wegen, sondern wegen der vermeinten Schönheit des Partners und aus Liebe heiraten, eine Freiheit, die schon Marx und Engels dem Proletariat im Gegensatz zum Bürgertum zuschrieben. Bei Schrader-Klebert ist dies allerdings kein Schritt zur Humanisierung und Emanzipation, sondern der Kulturverfall bewegt sich von der eher vornehmen Aktienbörse zum vulgären Fleischmarkt.
Wer also verzichtet auf die Analyse der grundlegenden verursachenden Widersprüche wird immer nur die Probleme auf der Oberfläche hin- und herschieben. Wer am Ende den schwarzen Peter in der Hand behält, ist mehr oder weniger zufällig. Auch die Auseinandersetzung mit all den Mythen und Märchen, die Männer (welche Männer?) schon irgendwann einmal über Frauen geschrieben haben, bringt da keinen Schritt weiter. Die Autorin wird sich sicher der Sympathie vieler Frauen versichern, weil sie vielfach Meinungen und Gefühle ausdrückt, die aus dem unmittelbar Erlebten sich aufdrängen. Wenn aber der Wille zur Veränderung aus der Privatsphäre sich hinauswagt, wenn aus dem Wunsch, selber einen netteren Mann zu haben oder ein befriedigenderes Leben, der Wunsch zur allgemeinen Befreiung des Menschen wird, wird man nicht darum herumkommen, den privaten Kampf zum politischen umzumünzen, wirklich radikal zu werden, d. h., das Übel an der Wurzel zu packen.
Zu leisten wäre eine Analyse, die den Prozeß der Vergesellschaftung der Menschen in seiner Koppelung an die Entwicklung und schließliche Abschaffung des Kapitalismus beschreibt. Die Vergesellschaftung, d. h. die Entwicklung der vereinzelt oder in Kleingruppen autonom produzierenden Menschen zu Gliedern einer Gesamtgesellschaft, in der, wenn auch nur durch den Austausch vermittelt, alle für alle produzieren und für alle da sind, ist unbedingt zu bejahen, und ohne sie wäre Sozialismus nicht denkbar. Man muß weiter untersuchen,   wie  die historisch stattgefundene  Vergesellschaftung  der Menschen bestimmt ist durch die kapitalistische Ausbeutung, von der bei der zunehmenden Arbeitsteilung die Frauen weitgehend ausgenommen werden — dies aus Gründen sowohl der Notlage der arbeitenden Klassen als auch aus dem kapitalistischen Verwertungsinteresse, das einfach nicht alle Arbeitskraft auf einmal ausbeuten konnte. Dies ist aber nur eine Frage der Zeit. Die Herausnahme der Frauen aus dem Verwertungsprozeß des Kapitals wäre gut, wenn sie nicht verbunden wäre mit der Herausnahme aus der Gesellschaft überhaupt, wie schlecht sie immer sein mag. Es scheint der Weg über den Produktionsprozeß, über den freiwilligen Verkauf der Arbeitskraft  an  den Kapitalisten  zugunsten seiner Bereicherung unumgehbar.
Der Kapitalismus zwingt die Menschen in erbitterte Konkurrenz gegeneinander. Man muß beständig auf der Hut sein, daß man nicht übervorteilt wird, jeder ist ein möglicher Feind, der mein eigenes Interesse beschneiden muß. Dies kann man als Atomisierung des Menschen bezeichnen. Deren Ursache ist also nicht die Ehe, sondern diese ist vielmehr im Gegenteil der verzweifelte Versuch, aus diesem Gegeneinander von Konkurrenz, Neid und Not herauszubrechen. Der Versuch, die Isolation wenigstens in der kleinsten Einheit 2 oder 2 + Kinder zu durchbrechen. Wo alle sich als Tauschende, Berechnende gegenübertreten, wo erbitterte Konkurrenz herrscht (Konkurrenz wird übrigens von der Autorin innerhalb ihrer Analyse ganz folgerichtig nicht als der Warengesellschaft, insbesondere dem Kapitalismus eigen, sondern als männliche Norm bezeichnet), wo also solche Zustände herrschen, sollte die Familie die Zufluchtstätte darstellen, in der persönliche Beziehungen die sachlichen überwiegen. Immer noch gilt, wie Brecht in „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny" sagt: „Denn wie man sich bettet, so liegt man / Es deckt einen keiner da zu / Und wenn einer tritt dann bin ich es / Und wird einer getreten, dann bist's du" ( Brecht, Gesamtausgabe, S. 209). Daß der Rückzug in die Familie innerhalb einer solchen Gesellschaft kaum durchführbar ist, daß die Bewußtseinsdeformation diese Beziehungen bis zum Unerträglichen strapaziert, daß die Herausnahme der Frauen aus der Gesellschaft verheerende Folgen für sie und rückwirkend auf die Partner hat, liegt auf der Hand.  Sichtbar wird das insbesondere bei den Frauen der Mittelklasse, bei denen der Zusammenschluß in der Ehe nicht zusätzlich durch ökonomische Not diktiert ist. Durch ihr Privileg, eben nicht bis zur Bewußtlosigkeit arbeiten zu müssen, spüren sie etwas von der Vergeblichkeit des Bestrebens, zu Hause eine Idylle aufrechterhalten zu sollen, ohne daß sie gleichzeitig die Ursache der Unzufriedenheit und damit den Weg zur Veränderung  erkennen können.  Da sie von der Gesellschaft wenig mehr als ihren eigenen Mann erfahren, scheint er die Ursache von allem zu sein. Was ihr versagt ist, geschieht scheinbar durch ihn. Sie neidet ihm die Welt, in der er ist, aber dank ihrer Erziehung geht sie nicht selber hinaus in diese, sondern versucht ihn zurückzuholen, und insofern kann die Familie auch zum reaktionären Potential werden. Grausamkeit und Gewalt, die die Familie gegen andere Familien richtet ist nichts Typisches für sie, sondern ist bloß die gleiche Gewalt, die in der kapitalistischen Welt alle gegen alle zwingt. Es geht also nicht an, das Resultat schlicht zur Ursache zu erklären und das, was als Ausbruch aus der Isolation gedacht war, erst einmal zu zerstören und dann zuzuhören, wie „die Totenglocke des Kapitalismus  läutet".  Zudem  wird  der  Kapitalismus  selbst  im  Zuge  der Rekrutierung der Frauen auf dem Arbeitsmarkt die Familien selber zerstören. Würde er allerdings gleich ganz radikal die Familien und ihre Sozialbeziehungen auflösen, müßte er zusätzlich zu den vielen Dienstleistungsunternehmen,  Kindergärten etc. mit einer ziemlich großen Quote von psychisch Zerstörten rechnen, was die Ausbeutungsmöglichkeiten   allzustark  vermindern  würde.   (Über  die  Zunahme der Geisteskrankheiten und die Sterblichkeit der Kinder bei der ersten Auflösung der Familien durch den Kapitalismus kann man nachlesen bei Marx im 1. Bd. des Kapital, MEW 23, S. 384 ff.) „Diese inneren Veränderungsprozesse" (Abtrennung der Privatsphäre und die Folgen), sagt Schrader-Klebert, „bedeuten eine Zersetzung der bürgerlichen Kultur in Richtung auf die Orwell'sche Utopie einer bewußtlosen, atomisierten Masse hin. Bezeichnenderweise sind in der Orwell'schen Utopie Ehe und Familie funktionslos geworden" (39). Hier kann man wirklich nur sagen: Eben.
Nach einer so durch und durch falsch angelegten Analyse, die wirklich nur auf den allerersten Blick sympathisch sein kann, verwundert das winzige Mäuschen, das aus der Kraftanstrengung der Autorin schließlich herausspringt, überhaupt nicht.
Was am Ende nach der erfolgreichen Revolution herauskommt ist vielleicht nicht zufällig nur amerikanisch ausdrückbar. Was uns erwartet, ist eine „Society of friends" (44).