Sind die Rollen vertauschbar?

Fragen stellen heißt einen Sachverhalt in Frage stellen, ihn überprüfen, fordert Parteinahme für das Richtige und fördert den Erkenntnisprozeß. Fragen stellen ist also nützlich. Wie steht es mit der Frage nach der Austauschbarkeit der Rollen von Mann und Frau? Sie beinhaltet schon eine solche Menge von Vorannahmen, vorweggenommenen Antworten, Kurzschlüssen, merkwürdigen Zusammensetzungen und Unterstellungen, daß ihre Beantwortung zunächst erst die Suche nach dem in Frage gestellten Sachverhalt erfordert; d. h., die Beantwortung kann selber eigentlich nur die Analyse der Fragestellung sein. (Wenn im folgenden die von der Redaktion des Radius vorgegebene Formulierung der
Diskussionsfrage  immer wieder Gegenstand  der  analytischen Betrachtung ist, darf dies keinesfalls als eine Auseinandersetzung mit den Redakteuren des Radius mißverstanden werden. Es kommt ihnen, im Gegenteil, das Verdienst zu, genau die Vorstellungen, wie sie einem tagtäglich begegnen, Meinungen, die gleichsam in der Luft liegen, das Klima, in dem der Sachverhalt zum Problem wird, durch ihre Wortwahl wiedergegeben zu haben. Es sollte in den Ausführungen deutlich werden, daß die allgemeine Bewältigung des Problems, wie sie sich in solchen Begriffen wie denen vom Rollentausch der Geschlechter widerspiegelt, Gegenstand meiner Überlegungen ist.)
In der Frage wird zunächst einmal behauptet, daß das, was als Mann und Frau jeweils vorhanden ist und vorgestellt wird, Rollen sind, d. h. bestimmte feste Aufgaben-, Verhaltens- und Wertmuster, verbunden mit den dazugehörigen sozialen Feldern. Je länger bestimmte Aufgaben und Verhaltensweisen an ein Geschlecht gekoppelt bleiben, desto größer das Volksvorurteil von der wesensmäßigen weiblichen oder männlichen Art, dem Beruf, der Empfindungswelt bis hin zur Seinsweise überhaupt, desto unantastbarer die Domänen. Spricht man dagegen statt vom männlichen und weiblichen Wesen von ihren Rollen, so setzt dies schon einen Auflösungsprozeß voraus, verbirgt sich im Namen Rolle selbst schon die Unsicherheit, daß hier etwas vorgespielt wird, was sich ebensogut in anderer Besetzung darstellen ließe.
Die Rollenmetapher führt also schon die Antwort auf die Austauschbarkeit bejahend mit sich. Dies kommt nicht von ungefähr, denn es liegt von der Entwicklung der Gesellschaft her genau diese Art der Fragestellung auf der Hand; sie ist bewußtloser Reflex tatsächlich ablaufender Prozesse.
Denn diese Redeweise spiegelt im großen und ganzen eine Situation wider, in der Frauen aller Schichten vermehrt in den gesellschaftlichen Arbeitsprozeß einbezogen werden, also berufstätig sind - dies aber unter Bedingungen, in denen das Problem der Hausarbeit und Kindererziehung ungelöst ist, und unter Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen, in denen ihre Berufstätigkeit selber zwar erwünscht ist, aber - ähnlich wie bei Gastarbeitern - am liebsten nur, um jeweils auftretende Arbeitsmarktlücken zu stopfen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach der Austauschbarkeit der Rollen von Mann und Frau konkreter, läßt sich beantworten, warum sie so und nicht anders formuliert wird, wem dies nützt - und läßt sich ferner beantworten, was vom jeweiligen Standpunkt unter der Frage gemeint ist und in welchem Interesse, nach welchen Bedürfnissen und in welchem Ausmaß Zustimmung bzw. Ablehnung erfolgen werden.
Nennt man die Interessen beim Namen und übersetzt man die    scheinbar allgemeine Frage nach dem Wesen von Mann und Frau ins tatsächlich Gemeinte, fragt man nach Nutzen und Bedeutung, müßte es leichter fallen, die Richtung der Entwicklung genauer anzugeben, erstrebenswerte Veränderungen vom Rückfall in die Barbarei oder von seelenlosen Warenbeziehungen zu unterscheiden und den Gang des Prozesses positiv eingreifend  zu beschleunigen.
Noch ein weiteres Element ist Grund für die Fragestellung zum heutigen Zeitpunkt, für ihre Aktualität, ihre Verbreitung und ihre scheinbar leichte Verständlichkeit: Die Formulierung vom Rollentausch der Geschlechter unterstellt zwar, daß hier beide, Mann wie Frau, etwas ganz anderes tun, und zwar beide in gleicher Weise, jedoch hat die Frage in Wirklichkeit wesentlich ihre Ursache in der Aktivierung und Politisierung der Frauen, in ihrem Kampf um gleiche Rechte, Chancen, Möglichkeiten - also in  einer Bewegung des weiblichen Teils der Bevölkerung, der in traditionell männliche Bereiche vorzudringen beginnt, Menschenrechte für sich beansprucht, aber keineswegs mit einem Aufbruch der Männer in die «Frauenwelt».
Die gleichartige Behandlung, die in der Frage nach der Austauschbarkeit der Rollen von Mann und Frau sich widerspiegelt, ist also doppelt scheinhaft. Denn einmal geht es gar nicht - oder doch nur am Rande - darum, daß Männer Frauenrollen ergreifen sollen, zum anderen unterstellt die Art der Formulierung, also die Wortwahl, daß hier Gleichwertiges nach dem Äquivalenzprinzip austauschbar wäre, unterstellt also für die Frauen, daß sie auf dem Rollenmarkt etwas anzubieten hätten, das einzutauschen sich verlohnte. So vordergründig auf die Austauschsphäre bezogen, treten die Frauen von vornherein als ungleiche Geschäftspartner auf und könnten es nur durch Betrug vermeiden, den kürzeren zu ziehen, denn in ihrem Kampf um gleiche Rechte ist die Ungleichheit ja selber das konstitutive Element, ist also die in der Rede vom Rollentausch schon unterstellte Gleichheit überhaupt das zunächst erst zu erreichende Ziel.

Konkrete Probleme in abstrakten Gewändern

Den konkreten einzelnen Forderungen, um die es bei dem so fragwürdig formulierten Problem geht,  schnell  ablehnend zu begegnen,  dürfte den Gegnern  des  abstrakten  Rollentauschs schwerfallen. Sie betreffen etwa die Berufstätigkeit der Frauen, eine bessere Ausbildung und damit tendenziell die Zugänglichkeit aller Berufe, gleichen Lohn für gleiche Arbeit und ähnliches mehr. Die abstrakte Art der Fragestellung aber verdeckt nicht nur die konkreten Belange, um die es eigentlich geht, sie hebt das Problem auch notwendig auf die Ebene allgemeiner Überlegungen zum Wesen von Mann und Frau. Es ist aber die Frage, was also männlich, was weiblich wäre (zieht man das historisch Gewordene,  spezifischen  Gesellschaftsformationen  Geschuldete ab) überhaupt erst zu beantworten, wenn klar wäre, was eigentlich das Wesen des Menschen ist. Es ist dies aber eine Frage, die konkret auszumachen höchst spekulativ und müßig ist, wenn auch eine allgemeine Vorstellung dessen, was Menschen sind, was menschlich oder menschenwürdig ist, vorhanden sein muß, um überhaupt erst zu bestimmen, was als Deformation, Verstümmelung, Verkrüppelung an den konkreten Menschen zu beklagen ist.
Die konkretere Überlegung, die weiterbringende Analyse ginge nicht den Weg, nach dem eigentlichen Wesen von Mann und Frau, nach ihrer Wesensgleichheit oder -Ungleichheit zu fragen - da die Entfaltung der Menschen erst unter anderen gesellschaftlichen Bedingungen, die Möglichkeit des Erweises spezifischer Wesensmerkmale erst dann unter gleichen Voraussetzungen gegeben wären -, vielmehr ist aufzuweisen, unter welchen Bedingungen jeweils Mann und Frau vereinseitigt, spezifisch deformiert, jedenfalls in ihren Entfaltungsmöglichkeiten behindert werden und welche Veränderungen kurz- und langfristig erreicht werden müssen.

Sonderinteressen

Der eigentliche Witz bei der Frage der Vertauschbarkeit der Rollen von Mann und Frau hegt in der Tatsache, daß sie einerseits die Entwicklung der Menschen zu freieren, emanzipierteren Wesen widerspiegelt, andererseits durch die reduzierte Form das Verständnis und damit den befördernden Eingriff wiederum verstellt.
Der Fortschritt der Menschheitsentwicklung zeigt sich in der Bewegung der Gesellschaft sich verdankenden - Denkmöglichkeit einer Gleichheit der Menschen. Zugleich mit der Frage nach der Berechtigung der prinzipiellen Andersartigkeit und der damit gegebenen Unterordnung der Frauen stellt sich die Frage nach der Unterschiedlichkeit der Mensdien, nach dem Herr-Knecht-Verhältnis überhaupt, von dem die Frauen nur einen Teil ausmachen. Die Hereinnahme der Frauen in den allgemeinen Gesellschaftsprozeß, ihre praktische Teilhabe an der Entwicklung der Gesellschaft, tätiges Eingreifen statt bewußtloses Erleiden, Planung und Gestaltung der gesellschaftlichen Bedingungen, unter denen sie und ihre Kinder zu leben haben, ist unabdingbarer Bestandteil der Menschwerdung der Frauen wie der der Menschen überhaupt. Denn es sind nicht etwa Geburt und Aufzucht des Nachwuchses (was als eigentlicher Bereich der Frauen gilt), die den Menschen vom Tier unterscheiden darin sind sie im Gegenteil gleich -, sondern daß er sich denkend, planend und gestaltend in gemeinsamer Arbeit von der Herrschaft der Natur befreit und damit die Möglichkeit von Freiheit überhaupt erst gewinnt.

Deutet sich so einerseits der Aufbruch der Frauen und seine Möglichkeit in der genannten Fragestellung an, so wird durch die Formulierung andererseits nicht nur so getan, als ob das Ziel der Bewegung und Entwicklung mit einem schlichten Austausch der «Rollen» von Mann und Frau schon erreicht sei (so als ob jeder von beiden den halben Menschen schon verkörpere), sondern - schwerwiegender noch - die Vorstellung einer solchen Austauschbarkeit ruft die Gegner wie die Befürworter einer für alle glücklicheren Menschheitsentwicklung ununterscheidbar auf den Plan; ein Vorgang, der sich praktisch so auswirkt, daß die bewußtlosen  Hoffnungen  der  einer  besseren  Gesellschaft  verpflichteten Kräfte in den Dienst reaktionärer Sonderinteressen genommen werden.

Vorteile der Union von Gleichheit und Ungleichheit für das Kapital

Vom Standpunkt des Kapitals, also der Unternehmer her gesehen, der ohne Zweifel für die wirkliche Bewegung wie für die Bildung allgemeiner Urteile große Relevanz hat, ist die Frage nach der Austauschbarkeit von Mann und Frau lange beantwortet. Seit Beginn der Industrialisierung unterwirft es Frauen wie Männer der Maschinenarbeit, ohne Rücksicht auf irgendeine wesensmäßig weibliche Rolle, welche die'Frauen etwa für Heim und Kinder geeigneter machte. Vom Ausbeutungsstandpunkt her betrachtet sind also Frau und Mann prinzipiell gleich, nämlich Arbeitskraft. Daß dennoch von dieser Seite für den Abbau von Vorurteilen nichts getan wird, liegt in dem zusätzlichen Vorteil, den die faktische Unterordnung der Frauen mit sich bringt, die aus historisch vor dem Kapitalismus liegenden Epochen, aus vorindustriellen Zeiten stammt.
Die untergeordnete Stellung der Frau ermöglicht es, Frauen schlechter zu bezahlen, (z. B. sie in «Leichtlohngruppen» einzustufen); sie im Produktionsprozeß als Konkurrentinnen gegen die männlichen Arbeiter zu benutzen; ihnen untergeordnete, monotonere Arbeiten zuzuweisen, die bei männlichen Arbeitern eher auf Widerstand stoßen würden (so sagt etwa die Arbeitgeber-Expertin Helga Läge: «Arbeiterinnen mit geringer geistiger Beweglichkeit genügen die einförmigen, unterteilten und sich stets wiederholenden Handgriffe meistens vollauf. Die Frau neigt mehr zur Passivität, zum Mit-sich-geschehen-lassen» (zit. nach SPIEGEL, 5/71). Außerdem bieten die herrschenden Vorurteile über Frauen den Unternehmern die Möglichkeit, sie in Krisenzeiten - mit berechtigter Hoffnung auf weniger soziale Unruhe als von den männlichen Arbeitern zu erwarten wäre - an den heimatlichen Herd zurückzuschicken.
Der Standpunkt der Betroffenen selber, also der Männer und Frauen, soweit sie nicht Kapitalgesetze repräsentieren, ist einmal nach den Geschlechtern zu differenzieren, hierbei aber gleichzeitig nach den Schichten, weil nur die soziale Lage die Standpunkte überhaupt begreifbar werden läßt. Ganz allgemein zwingt die jeweilige Lage auf dem Arbeitsmarkt die Männer dazu, berufstätige Frauen als Konkurrentinnen um den Arbeitsplatz zu erfahren, demnach Berufstätigkeit als männliche Domäne zu behaupten, in. der Frauen wesensmäßig nicht zu Hause seien. Je schlechter die Arbeitsbedingungen sind, je mehr also Arbeit als Fluch empfunden wird, desto eher wird zusätzlich der individuelle Arbeiter eine Situation befürworten, in der «seine Frau nicht arbeiten muß».
Da andererseits die Arbeit im Haus und die Erziehung der Kinder individuell geleistet werden müssen, wo die Gesellschaft die Unterstützung versagt, wäre es unvernünftig zu verlangen, daß die berufstätigen Männer sie zusätzlich erledigen sollten, wenn ihre Frauen sonst nichts tun. Wo die Frauen berufstätig sind, müssen die Männer die häusliche Mehrarbeit als eine Bedrohung ihrer Freizeit empfinden, die sie, bequem das Vorurteil von der typisch weiblichen Arbeit benutzend, abzuwehren suchen. Unter diesen Gesichtspunkten wird man bei allen Männern, mehr oder weniger kunstvoll begründet, eine Ablehnung der völligen Austauschbarkeit der «Rollen» von Mann und Frau finden, um so der Sozialisierung der Verluste zu entgehen.

Falsche Suche nach dem Glück

Es darf aber keinesfalls außer acht gelassen werden, daß die Befürwortung einer völligen Austauschbarkeit der Rollen von Mann und Frau die Menschen einer Utopie berauben würde, die die Arbeitenden die Entleerung ihrer Arbeit ertragen ließ und die sie zumindest als notwendige Hoffnung aufrechterhielt. Denn was den Frauen eigentlich zugemutet wird, was als «das Weibliche» Heim und Familie zur Zuflucht machen soll, sind neben den leichter zu durchschauenden Rationalisierungen und der der Bequemlichkeit entspringenden Vorurteilen alle jene Ideale, auf deren Suche sich die Menschheit seit mehr als tausend Jahren befindet. Was die Gesellschaft ihren Mitgliedern versagt, wird ins Private verlagert, kehrt zum großen Teil als von den Frauen zu Verkörperndes wieder: So wird in der Familie, durch Frauen getragen, Glück gesucht, Harmonie und Liebe. Frauen sollen zärtlich sein und verständnisvoll. Wo in der Gesellschaft Kampf herrscht, sollen Frauen Frieden bringen; wo «draußen» Mißtrauen herrscht, soll zu Hause Vertrauen sein. Wo alle Leistungen käuflich sind, seien es ihre nicht; die Fürsorge, die die Gesellschaft ihren Mitgliedern nicht angedeihen läßt, sollen die Frauen - insbesondere deutlich im Mutterbild, wie es in vielen Religionen tragend ist - ersetzen. Wo Egoismus herrscht, gedeiht das Frauenbild der Selbstlosigkeit.
So wird die Frage nach der Austauschbarkeit der Geschlechterrollen auch bei jenen auf Verneinung stoßen, die mehr oder weniger bewußtlos an den Idealen und der Glückssuche der Menschheit festzuhalten suchen. Die Bewußtlosigkeit der Sehnsüchte jener Kräfte, die einem in die Zukunft weisenden Menschheitsideal verhaftet sind, statt sich mit der Gleichgültigkeit der versachlichten Tauschbeziehungen abzufinden, macht sie für einen doppelten Betrug geeignet:
Daß sie unzähliger, immer aufs neue gemachter, gegenteiliger individueller Erfahrungen zum Trotz daran festhalten, Glück und Menschlichkeit in der Familie zu suchen, statt die Abwesenheit von Glück am Arbeitsplatz als Skandal zu empfinden, macht sie nicht in erster Linie zum Stabilisator der «reaktionären Kleinfamilie», wie linke Kritiker kurzschlüssig gerne behaupten, sondern zwingt ihren Widerstand gegen die der kapitalistischen Gesellschaftsformation anzulastenden unmenschlichen Bedingungen und Beziehungen in die Vergeblichkeit der Selbstzerstörung. Je mehr die einzelnen Männer ihre Frauen von der Gesellschaft abzuschirmen suchen, damit sie ihrer glückbringenden Bestimmung um so besser nachkommen können, desto unfähiger, unzufriedener, neurotischer werden die so von jeder gesellschaftlichen Tätigkeit Ausgeschlossenen. Je weniger die individuellen Familien das Glück erfahren, für dessen Aufbau sie die ihnen als vernünftig suggerierte Arbeitsteilung in «Geld-verdienen» und «das eigentliche Leben gestalten> auf sich nahmen, desto eher sind sie davon überzeugt, daß die Fehler beim jeweiligen Partner - bestenfalls auch bei ihnen selbst - zu suchen sind.

Erste Schritte zum Ziel

Hohe Selbstmordraten, insbesondere bei jüngeren Frauen, der bekannte Alkoholismus der «grünen Witwen», die überdurchschnittliche Neurosen- und Psychosenhäufigkeit bei den «Nur-Hausfrauen», die ständig wachsenden Scheidungsquoten wie auch alle persönlichen Erfahrungen - soweit sie nicht durch Selbstbetrug verklärt sind - müßten bei einigem Nachdenken auf zweierlei aufmerksam machen:
Einmal, daß das zu Recht verlangte Glück nicht außerhalb der gesellschaftlichen Tätigkeit - in der privaten Familie - zu finden ist; zum anderen, daß die vermeintlichen «Glücksspender», die Frauen, die die Defizite der gesamten Gesellschaft ausgleichen sollen, die am meisten um ihr Leben Betrogenen sind.
Ihre Hereinnahme in die gesellschaftliche Arbeit - also die Möglichkeit adäquater Ausbildung und lebenslänglicher Berufstätigkeit mit entsprechender Entlastung von der Hausarbeit -deren weitgehende Vergesellschaftung Voraussetzung wie Folge dieses Prozesses ist - ist ein notwendiger erster, wenn auch für beide Teile - Männer wie Frauen - nicht bequemer Schritt, aber nicht schon das Ziel einer menschenwürdigeren Gesellschaft, wie die Kritiker der Frauenbefreiungsbewegung wie überhaupt jeden Fortschritts gerne behaupten (etwa die Zeugen Jehovas, wenn sie die Frauen aller Klassen und Schichten polemisch fragen: «Wollt ihr etwa Seite an Seite mit Euren Männern in den Bergwerken Kohlen schippen?»; oder wenn Antikommunismus mobilisiert wird, indem man empört darauf verweist, daß es in sozialistischen Ländern vorkomme, daß Frauen zu Soldaten gemacht werden (wobei niemand auf die Idee kommt, nach dem Bild des Mannes oder seiner «Menschlichkeit» zu fragen, wenn er seinesgleichen, einschließlich Frauen und Kinder tötet oder töten soll, um z. B. den Wirtschaftsunternehmen profitliche Absatzmärkte zu erhalten!).
Wenn alle gesellschaftlichen Bereiche für die Frauen geöffnet werden, bedeutet das nicht, daß alle Männer jetzt plötzlich vorgeblich den Frauen wesenseigene Rollen, wie Liebe, Zärtlichkeit, Geborgenheit und Glück darstellen müssen - eine Zumutung, der sie sich zu Recht nicht gewachsen fühlen, da sie als individuelle Aufgabe auch von den Frauen nie einlösbar war.
Die Hereinnahme der Frauen in die gesellschaftliche Arbeit ist eine erste Vorbedingung für die von Frauen und Männern dann erstmalig gemeinsam versuchte Bewältigung aller Aufgaben, für die Erkenntnis der gesellschaftlich bedingten Zwänge, die einem glücklicheren Leben entgegenstehen, für den gemeinsamen Kampf um eine bessere, menschenwürdigere Gesellschaft, in der Glück und Liebe - Gemeinsamkeit - auf einer höheren Stufe überhaupt erst möglich werden.