An Grenzen rütteln

Über Probleme von Frauen in Gewerkschaften

»Die Männer sind neidisch auf die Frauenverbände. Welche andere Ursache könnte dies haben als den Despotismus des Mannes? In diesen Zeiten lehnen sich die Knechte gegen die Herren auf. Warum sollte der Despotismus noch in den Knechten selbst herrschen? Dieses eifersüchtige Geflüster zeigt es deutlich genug: die Männer sind genauso schlecht wie ihre Herren.«
(Eine Frau, zitiert in: Barbara Taylor, The Men are as bad as their masters, 1834.)

»(...) der maßgebende Gesichtspunkt für die Theilung der Arbeit (ist) nicht das Recht der Frau, sondern der Vortheil der Männer (. ..)«
(Hedwig Dohm, Die Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau, 1874, aus: Brinker-Gabler, G. [HG.], Frauenarbeit und Beruf, FFM. 1979, S. 124.)

Einleitung

Die Geschichte des Verhältnisses zwischen Frauen und Gewerkschaft ist genauso alt wie die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte der Arbeiterbewegung und verschiedener feministischer Bewegungen. Die Probleme von damals sind den Problemen von heute leider sehr ähnlich. Immer noch werden Frauen mit denselben leeren Worten abgespeist: »Es ist nur eine Frage der Mentalität.« Immer noch ist es so, daß männliche Gewerkschaftsfunktionäre es schon gut finden, wenn eine Frau in der Gewerkschaftsführung vertreten ist oder wenn ein frauenfreundlicher Antrag angenommen wird (der wahrscheinlich zehn oder fünfzig Jahre später von neuem angenommen werden muß, weil sich dadurch nichts verändert hat). Immer noch werden Fraueninteressen als Interessen einer Minderheit und nicht als Gewerkschaftsinteressen betrachtet.
Selbst an Problemen, die auf der Hand liegen, ist nahezu nichts getan worden. Ein Beispiel: Die Unterbringung von Kindern. Im März 1848 schickte eine Gruppe französischer Arbeiterinnen eine Petition für die Errichtung von Kinderkrippen an die derzeitige Regierung.[1] Mehr als ein Jahrhundert später ist es noch immer notwendig, den Gewerkschaften deutlich zu machen, daß die Unterbringung von Kindern und die häusliche Aufgabenverteilung etwas mit der Stellung der Arbeiterinnen zu tun haben. Kollektive Kinderbetreuung ist zwar im Programm der FNV (Bund der niederländischen Gewerkschaften)-Frauen enthalten, aber die FNVGesamtleitung hat dies noch immer nicht übernommen. Und im ABVA (Allgem. Beamtenbund) waren es wieder einmal die Frauen selbst, die dafür sorgen mußten, daß an dem Konferenzort während der Frawewseminare ein Kinderhort eingerichtet wurde. Nach dieser düsteren Einführung will ich nun die Aufmerksamkeit auf einige strukturelle Ursachen richten, die das Verhältnis zwischen Frauen und Gewerkschaftsbewegung so kompliziert gestalten. Ich will mit einigen einleitenden Bemerkungen über die neue Frauenarbeit und die neuerliche Entstehung von autonomen Frauengruppen innerhalb der Gewerkschaften beginnen. Es sollte klar sein, daß ich keine vollständige Betrachtung der Probleme liefern kann. Ich beschäftige mich zum Beispiel nicht mit der Entwicklung der Gewerkschaften zu einer großen allumfassenden Bürokratie, die die Beteiligung von der Basis her selbst für Männer schwierig macht. Ich beschäftige mich auch nicht mit der Machtlosigkeit der Gewerkschaftsbewegung in Zeiten der Sparmaßnahmen und Arbeitslosigkeit, obwohl gerade dies auch für Frauen viele Folgen hat. Ich beschränke mich in diesem Artikel auf eine Anzahl von Problemen, von denen ich glaube, daß sie bislang zuwenig Beachtung gefunden haben. Teil 1 beinhaltet einige Bemerkungen über die neuen Frauengruppen innerhalb der Gewerkschaften. Teil 2 behandelt das Verhältnis zwischen der Stellung von Frauen als Hausfrauen und als Arbeiterinnen, und in Teil 3 geht es um das historische Dilemma von Frauen in der Gewerkschaftsbewegung: Wollen wir als »Frauen« oder als »Menschen« behandelt werden? In Teil 4 beschreibe ich die Wechselwirkung zwischen Produktion und Reproduktion und welche Konsequenzen dies für die Organisationsformen hat, die Frauen mit in die Gewerkschaften einbringen. Bevor unsere Forderungen auf den Verhandlungstisch kommen, haben sie schon einen langen Transformationsprozeß innerhalb der Gewerkschaften selbst durchgemacht. Um die »Filter«,  durch die unsere Forderungen hindurch müssen, geht es in Teil 5. Das letzte und sicher nicht am einfachsten zu beseitigende Problem ist die Frauenfeindlichkeit der Männer in der Gewerkschaftsbewegung (Teil 6). Danach arbeite ich auf die Schlußfolgerung hin, daß wir es uns nicht erlauben können, eine getrennte Gewerkschaft zu gründen.

I. Integration?

Daß Frauen in der Gewerkschaftsbewegung nicht besonders zahlreich vertreten sind, dürfte mittlerweile wohl bekannt sein. Mit dem Wiederaufleben des Feminismus in den letzten zehn Jahren wurde diesem Problem erneut Aufmerksamkeit geschenkt. In der Geschichte des Verhältnisses zwischen Frauen und Gewerkschaftsbewegung wurden über den niedrigen Organisationsgrad der Frauen schon viele Krokodilstränen vergossen.[2] Die Ursache hierfür wurde und wird noch immer bei den Frauen selbst gesucht. Man kann nicht sagen, daß die Gewerkschaften darüber jubeln, wenn jetzt immer mehr Frauengruppen in der Gewerkschaftsbewegung aktiv werden, und sie scheinen nicht einmal froh darüber zu sein, daß die bedeutendste Zunahme der Mitgliederzahlen in den meisten Gewerkschaften den Frauen zu verdanken ist.[3] Teilweise liegt dies natürlich daran, daß nicht alle Frauen, die Mitglied der Gewerkschaften werden, sich geräuschlos einfügen, sondern eigene Strukturen aufbauen und ihre Forderungen nicht nur an den großen Feind von außen richten, sondern auch an die Gewerkschaften selbst. Nicht nur die gesetzteren Herren in den Gewerkschaften haben damit Schwierigkeiten, sondern auch ein Teil der älteren Jahrgänge von Gewerkschaftsfrauen. Gerade letztere haben nämlich immer für die Integration von Frauen in die Gewerkschaften gekämpft. Sie wehrten sich seinerzeit dagegen, daß Arbeiterinnen an erster Stelle als (zukünftige) Hausfrauen und Mütter betrachtet und deshalb gemeinsam mit den Ehefrauen von Arbeitern an die Frauengruppen verwiesen wurden. Sie wehrten sich dagegen, daß sie auf diesem Wege von den »allgemeinen« Gewerkschaften kaum ernst genommen wurden. Sie fanden, daß  Frauen als Lohnabhängige genausoviel Recht auf Arbeit hatten wie Männer und daher nicht in einen gesonderten Kindergarten geschickt werden mußten, wo sie sich mit »weiblichen« Problemen beschäftigen sollten. Sie haben stets darauf gepocht, daß Frauen an den Stellen, an denen Beschlüsse gefaßt wurden, eine den Männern gleichwertige Position bekamen. Nun können sie oft nur mühsam verstehen, weshalb die neue feministische Generation nicht mit dem Versprechen der Integration zufrieden ist, sondern wieder auf die altmodisch scheinenden Waffen der autonomen Frauengruppen zurückgreift.[4] Der Ruf: »Männer und  Frauen müssen  doch  zusammenarbeiten«,  ist dann auch regelmäßig zu vernehmen. Daß diese Zusammenarbeit vor allem aus der von Frauen mit Männern bestand und kaum aus der Zusammenarbeit von Männern mit Frauen, wird nun sehr deutlich, und damit auch die Notwendigkeit, nicht nur zu »integrieren«,  sondern daneben auch die eigene Autonomie zu bewahren. Dank dem FNV (früher NW: Niederländischer Verband der Gewerkschaften)-Sekretariat für weibliche   Arbeitnehmer und dem Druck der Frauenbewegung von außen hat sich in der Gewerkschaftsbewegung schon seit einigen Jahren ein neues Interesse für den niedrigen Organisationsgrad von Frauen entwickelt, aber der Grund für die Tatsache, daß verhältnismäßig wenig Frauen organisiert sind, wird vornehmlich bei den Frauen selbst gesucht. In fast allen Berichten der letzten Jahre, die von den Gewerkschaften erstellt wurden, wird der »Doppelbelastung« von Frauen mittlerweile Aufmerksamkeit geschenkt.[5] Die Doppelbelastung wird als ein Problem von Frauen betrachtet, allerdings wird die Doppelbelastung an sich nicht kritisiert, sondern muß lediglich erträglich gemacht werden. Und es sind hauptsächlich die Frauen selbst, die sich verändern müssen. Frauen müssen informiert, stimuliert, geschult, aufmerksam gemacht werden. Sie müssen die sozialen Fertigkeiten, um innerhalb der Gewerkschaft funktionieren zu können, lernen, zur Not in getrennten Frauenseminaren. Es müssen ihnen spezielle Einführungsveranstaltungen geboten werden mit Themen, die für Frauen interessant sind, um sie auf den Geschmack zu bringen und sie im Anschluß daran in die fadere »allgemeine« Gewerkschaft zu schleusen. Wenn in den Gewerkschaften selbst nach Störungen gesucht wird, wie zum Beispiel in der Notiz »De integratie van de vrouw in de vakbeweging« (Die Integration der Frau in die Gewerkschaftsbewegung), dann wird vorsichtig davon geredet, daß diese »untersucht« werden müssen. Nur vereinzelt findet man zwischen den Zeilen etwas über den hemmenden Einfluß von Männern auf die Teilnahme von Frauen am Arbeitsprozeß und an Gewerkschaftsaktivitäten. Es mag zwar zu den Zielen der Frauenarbeit des FNV gehören, daß auch den Männern die Chancenungleichheit zwischen Männern und Frauen bewußt gemacht werden muß, aber es steht nirgends, wie dies geschehen soll.[6] Solange Frauenprobleme als Frauenprobleme und nicht als Gewerkschaftsprobleme betrachtet werden, wird der Blick weiterhin auf die Frauen gerichtet und nicht auf die Strukturen der Gewerkschaften und die Männer darin als Teil des Problems. Mit gerade diesem Teil des Problems werde ich mich jetzt beschäftigen.

II. Frauen als Lohnarbeiterinnen und das »Privatleben«

Inzwischen dürfte wohl bekannt sein, daß die Stellung von lohnabhängigen Frauen damit zusammenhängt, daß sie die Verantwortung für ihre eigene Versorgung und die ihrer Männer und ihrer Kinder zu tragen haben. Trotz des Gesetzes, das gleichen Lohn für die gleiche Arbeit fordert, verdienen Frauen immer noch weniger als Männer, und zwar aufgrund unterschiedlicher Funktionszuordnungen und anderer, in der Lohnarbeit selbst begründeter Ursachen, aber vor allem aufgrund ihrer Verantwortlichkeit für die Hausarbeit. Weil Frauen nicht nur an ihrer »Arbeitsstelle« arbeiten, sondern auch zu Hause, sind sie häufiger mit Teilzeitarbeit und den dazugehörigen schlechten Aufstiegsmöglichkeiten 113 und der schlechteren sozialen Versorgung zufrieden. Weil die Kinderziehung viel Energie kostet und die Familien heutzutage gewiß kleiner sind als früher und keine weiteren Familienmitglieder Unterstützung bieten können, unterbrechen Frauen häufig ihre berufliche  Laufbahn.  Als vorbeugende Maßnahme dagegen erhalten Frauen selten »verantwortliche« Arbeit. Wenn sie wählen müssen zwischen der doppelten Belastung durch Haushalt plus miserabler Arbeit oder ein paar Jahren Fulltime-Hausfrauendasein, fällt die Wahl ziemlich einheitlich auf letztere Möglichkeit. Und dies erschwert ihre Stellung auf dem Arbeitsmarkt wieder erheblich, wenn sie in den Beruf zurück wollen, denn Erfahrung mit Hausarbeit zählt nicht als Berufserfahrung, selbst wenn viele typische »Frauenberufe« (wie Putzfrau, Verkäuferin, Serviererin) eine Fortsetzung von Hausarbeit darstellen. (In diesen Berufen wird  dann   auch   »ungelernte«  Arbeit  verrichtet,  die deshalb schlecht bezahlt wird.) Aber auch Frauen ohne »Familienverantwortlichkeit« sind nicht in der gleichen Situation wie Männer. Während Männer meistens von einer Frau versorgt werden (2,7% der niederländischen Männer müssen sich selbst versorgen, gegenüber 96,5% der Frauen), müssen Frauen nach ihrem »Arbeitstag«  ihre  eigenen   Einkäufe  erledigen,  ihren  eigenen Haushalt versorgen.[7] Wohl alle erwerbstätigen Frauen verrichten ein doppeltes Tagewerk. Die sogenannte »Benachteiligung« von Frauen auf dem Arbeitsmarkt ist somit strukturell mit ihrer Position als Hausfrau verbunden, ein beinahe unlösbares Problem, will man sich nicht auf ihr »Privatleben« beziehen.
Wenn ein Gewerkschaftskongreß sich dafür ausspricht, »gleiche Behandlung und gleiche Chancen für weibliche und männliche Arbeitnehmer zu unterstützen,   weil  sie  in  gleicher Weise  am gesellschaftlichen Leben und insbesondere am Arbeitsprozeß teilhaben können«,[8] bleibt dies reine Rethorik, sofern innerhalb der Gewerkschaftsbewegung nicht an den bedeutendsten Ursachen der »Chancenungleichheit« gearbeitet werden kann, weil das »Privatleben« der Mitglieder nicht zu ihrer Aufgabenbeschreibung dazugehört. Das sind bekannte Klänge. Der naive Gedanke, daß im Produktionsbereich Gleichheit zwischen Männern und Frauen hergestellt werden kann, ohne sich um die andere Hälfte des Lebens zu kümmern, finden wir bei den frühen Sozialisten wie Engels, Bebel und Zetkin wieder, die darin großen Einfluß auf die Strategie der Gewerkschaftsbewegung in bezug auf die »Frauenfrage« ausgeübt haben. Auch in den Niederlanden finden wir diese Vorstellung wieder, unter anderem bei Henriette Roland Holst.[9]
Den meisten Sozialistinnen [10] zufolge ist die Unterdrückung der Frauen vor allem ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit vom Mann zuzuschreiben. Ab dem Moment, in dem Frauen genauso wie Männer Lohn erhalten, könne von einer Ungleichheit zwischen Männern und Frauen nicht mehr die Rede sein, und es bleibe nur noch der gemeinsame Kampf gegen die kapitalistische Ausbeutung. Aus dieser Sicht ist die Stellung der Frauen zu Hause eine unmittelbare Folge ihrer Stellung im Produktionsprozeß, aber nicht umgekehrt. Viele Sozialisten aus der Zeit von Roland Holst schenkten der Arbeit, die Frauen zu Hause verrichteten, wenig Aufmerksamkeit. Sie sahen darin vornehmlich eine »Behinderung« des wahren Kampfes. Soweit darüber gesprochen wurde, ging es immer um die »Kollektivierung« von Hausarbeit, aber niemals um eine Aufgabenverteilung zwischen Frauen und Männern. Daß Frauen diejenigen waren, die die Hausarbeit verrichteten, stand niemals zur Diskussion. Hier kommen wir einem Dilemma auf die Spur, das bis heute nicht gelöst wurde. Betrachten wir Frauen als Menschen, die im Prinzip dieselben Interessen auf dem Arbeitsmarkt haben wie die Männer, und versuchen deshalb, innerhalb der gewerkschaftlichen Organisationsstruktur für Frauen die gleiche Position zu erreichen, wie die Männer sie haben? Oder sind wir der Meinung, daß Frauen im Prinzip andere Interessen haben als die Männer, daß sie ihre Arbeit unter anderen Bedingungen leisten, und müssen wir deshalb in den Gewerkschaften an anderen Regeln für Frauen arbeiten? Mit anderen Worten: betrachten wir Frauen als »Menschen« oder als »Frauen«?

III. Menschen oder Frauen

Frauen haben immer schon zwischen der einen oder der anderen Taktik wählen müssen. Wenn man berücksichtigt, daß Frauen an erster Stelle für den Haushalt verantwortlich sind oder sein werden, ist es logisch, daß man versucht, die Arbeitssituation von Frauen daran anzupassen. Viele Arbeitsschutzmaßnahmen, kurze Arbeitszeiten, Nachtarbeitsverbot, ein arbeitsfreier Samstag oder sogar ein totales Arbeitsverbot für verheiratete Frauen dienten dazu, den Frauen zu ermöglichen, ihre Arbeit als Mütter und Ehefrauen weiter verrichten zu können. Für viele Frauen war dies ein Segen.
Aber diese Art von Maßnahmen bedeutete auch, daß Frauen auf dem Arbeitsmarkt in eine schwächere Position gerieten. (Das Nachtarbeitsverbot kann beispielsweise auch dazu gebraucht werden, Frauen aus »Männerberufen« zu verdrängen — in typischen »Frauenberufen«,  beispielsweise als Krankenschwester, hat dieses Verbot dann auch nie gegolten!) Es waren daher nicht nur verschiedene Gegensätze, die einander gegenüberstanden und von verschiedenen Teilen der Gewerkschaftsbewegung vertreten wurden, es gab auch Gruppen von Frauen mit unterschiedlichen Interessen. Für welche Interessen Frauen in den Gewerkschaften auch arbeiteten und kämpften, sie schnitten sich jeweils ins eigene Fleisch. Denn es ist immer noch so, daß Frauen, die versuchen, als »Menschen« behandelt zu werden, also gleiche Bezahlung, Arbeitszeiten und Arbeitsplätze wie für die Männer fordern, zusehen müssen, wie sie ihre eigene Versorgung und eventuell die von Mann und Kindern in ihrer »Freizeit« erledigen. Wenn sie versuchen, als »Frauen« behandelt zu werden, also zusätzlich Schwangerschaftsurlaub und Teilzeitarbeit fordern oder bei den kranken Kindern zu Hause bleiben wollen, werden sie als weniger produktiv betrachtet und geraten daher in eine schwächere Position auf dem Arbeitsmarkt als die Männer.
 Weder Gewerkschaftler noch Feministinnen haben dieses Dilemma zuvor vollständig erkannt. Denn in Wirklichkeit ging es darum, daß der männliche Arbeiter als Maßstab für »den Menschen« galt. Und gleichzeitig war es selbstverständlich, daß Frauen die Kinder versorgten, den Haushalt führten und ihre Erfüllung in ihrer Position als Ehefrauen finden sollten. Frühere Feministinnen haben zwar die Unterdrückung der Frauen angeklagt, aber sie haben selten daran gezweifelt, daß die Sorge für die Lebensqualität untrennbar mit der weiblichen Natur verbunden ist.[11] Erst seit die männliche und weibliche »Natur« von der neuen Frauenbewegung als historische Erscheinung und als gesellschaftliche Arbeitsteilung entlarvt worden sind, wird eine Lösung dieses Dilemmas sichtbar, und wir erkennen, daß »Gleichheit« im Arbeitsprozeß nicht möglich ist, wenn die Ungleichheit in anderen Bereichen nicht in gleicher Weise verändert wird. Als Frauen in den Gewerkschaften und im Arbeitsprozeß können wir niemals »gleich« werden, solange »Gleichheit« als eine Einbahnstraße betrachtet wird: Frauen versuchen, den Männern »gleich« zu werden, während die Männer sich nicht verändern und das »Privatleben« der Bereich von »Frauenproblemen« bleibt. Oder um es konkreter auszudrücken: wenn wir Teilzeitarbeitsplätze fordern, weil wir sonst überlastet sind, während die Männer weiterhin ganztags arbeiten und daher immer einen Grund haben, ihren Anteil an der Hausarbeit und der Kinderversorgung auf uns abzuwälzen, werden wir die Verlierer bleiben. Deshalb müssen wir darauf hinarbeiten, daß Männer Teilzeitarbeitsplätze fordern. Und ein anderes Beispiel: wir müssen nicht unseren »Schutz« gegen Nachtarbeit im Namen von Emanzipation und Gleichheit aufgeben, sondern die Männer müssen fordern, daß sie den gleichen Schutz gegen unmenschliche Arbeitsbedingungen erhalten wie wir.[12]

IV. Feministische Organisationsformen

Aus eigenen Erfahrungen wissen wir, wie sehr unser Leben mit unserer Arbeit und unserer Stellung in den Gewerkschaften zusammenhängt. Für die Mutter eines kranken Kindes bedeutet dies entweder, mühevoll eine Aufsicht zu besorgen oder mit einem unguten Gefühl zur Arbeit zu gehen, und dann ist es nicht mehr nur ein Problem der freien Zeit. Wenn die Frau zu einem Gewerkschaftsseminar will, und der Mann meckert, weil sie wieder einen Abend nicht zu Hause ist und er sich selbst um sein Essen kümmern muß, und wenn scheinbar viele Frauen damit Probleme haben, dann handelt es sich nicht nur um eine individuelle Angelegenheit. Für diese Art von »Arbeitsproblemen« ist jedoch in den meisten Gewerkschaften kein Platz. Und doch sind es gerade derart ,,banale« Dinge, die unsere Arbeitserfahrung zu einem großen Teil bestimmen.
Nicht nur für die privaten Probleme haben die Gewerkschaften kein Auge. Auch am Arbeitsplatz geschieht viel, was sie als Privatprobleme definieren, während es natürlich Arbeitsprobleme sind. Beispielsweise daß Frauen in bestimmten Arbeitsbereichen nur Röcke tragen dürfen, weil sie gleichzeitig mit ihrer Arbeitskraft auch ein Stück »weiblichen Charme« verkaufen müssen, oder daß eine Frau kündigt, weil ihr Chef mehr als Schreibarbeiten von ihr verlangt, und sie dann die größte Mühe hat, zu erklären, daß diese Kündigung nicht »freiwillig« ist.[13]
Um diese Art von Vorkommnissen nicht nur als persönliche Probleme zu erkennen, sondern auch untersuchen zu können, inwiefern sie strukturell bedingt sind, ist ein Vorgehen nötig, mit dessen Hilfe persönliche Probleme in politische übertragen werden können und umgekehrt. Wir können zwar untersuchen, wovon das Verhalten der Männer abhängt, aber das hilft uns nicht, standhaft zu bleiben, uns durch die Widerstände zu Hause und in den Gewerkschaften durchzuboxen und unser eigenes Übermaß an Verständnis und Schuldgefühlen zu überwinden. Es kommt daher nicht von ungefähr, daß die Frauengruppen in den Gewerkschaften zu einem Teil nach dem Gesprächsgruppenmodell arbeiten oder sich als kleine Arbeitsgruppen neben der »normalen« Arbeit in Form von Versammlungen und Kongressen treffen. Die Kampfformen, die die Gewerkschaftsbewegung entwickelt hat, sind sehr beschränkt. Sie sind jedenfalls wenig wirksam im Umgang mit Arbeitsproblemen, die etwas mit der Familiensituation zu tun haben. Was fängt man beispielsweise mit dem Streikmodell zu Hause an? Und eine Ortsversammlung ist nicht gerade der vertrauenerweckendste Ort, um über die Widerstände des Mannes gegen die Tatsache, daß die Frau genausoviel oder gar mehr verdient als er, zu reden. Auch bei dem Versuch, das Verhalten von Gewerkschaftsführern auf die Tagesordnung zu setzen, wirkt ein Kongreß eher einschüchternd als ermutigend. Dennoch sind es gerade diese »persönlichen« Probleme, die die »Mobilmachung« der Frauen behindern.
Die meisten gewerkschaftlichen Frauengruppen werden daher versuchen, einige Organisationsprinzipien, die sie aus der Frauenbewegung mitgebracht haben, auch innerhalb der Gewerkschaften anzubringen: Raum für eigene Erfahrungen, gegenseitige Unterstützung, um davon ausgehend neue Einsichten und neue Strategien zu entwickeln.[14] Das Paradoxe daran ist, daß — je nachdem ob die Gewerkschaften sich diesen Bestrebungen eher widersetzen oder versuchen, sie als etwas, das nichts mit Gewerkschaftsinteressen zu tun hat, auszublenden — die Notwendigkeit dieser Art von Arbeitsformen nur noch größer wird.

V. Der lange Marsch

Die »Übersetzung« direkter Erfahrungen in Gewerkschaftsstrategien hängt nicht nur davon ab, daß mehr Platz für feministische Organisationsformen geschaffen wird. Sie hat auch etwas mit der Gewerkschaftsbürokratie zu tun, einer Struktur, durch die die Kluft zwischen den Erfahrungen der Mitglieder und konkretem Handeln immer größer wird. In den frühen Gewerkschaften, die in enger Verbindung zur direkten Arbeitssituation standen (zum Beispiel ein Verband von Schneiderinnen oder ein Verband von Rosettenschleiferinnen) gab es noch nicht so eine starre Trennung zwischen persönlichen und wahrgenommenen Arbeitsproblemen. Auch in vielen ausländischen Beispielen sehen wir, daß sich gerade die Frauenverbände mit einem viel breiteren Gebiet beschäftigen als die moderne Gewerkschaftsbewegung. Die bereits zu Beginn dieses Artikels erwähnten Frauen von 1848, die Waschfrauen, die Handschuhmacherinnen, die Hebammen, setzten sich nicht nur für die Höhe ihres Lohns ein, sondern auch für Pläne zu kollektiver Kinderversorgung, gemeinschaftlichen Mahlzeiten, besserer Ausbildung.[15]
Dies finden wir ebenso bei den frühen Frauenverbänden in England und Amerika.[16] Als die kleinen syndikalistischen Verbände in einer größeren und stärkeren Arbeiterbewegung aufgingen, verloren die Frauen ihre früheren Führungspositionen. Und seit die moderne Gewerkschaftsbewegung dabei ist, sich immer mehr auf direkte Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern auf höherer Ebene zu beschränken, sind die Aktivitäten der Mitglieder selbst in den Hintergrund gerückt. Damit ist auch der Blick für den Zusammenhang verschiedener Lebensbereiche verloren gegangen. Unter anderem ist es nun die Frauenbewegung, die erneut von unten her und ausgehend von dem Zusammenhang und der Wechselwirkung zwischen den verschiedenen Lebensbereichen neue Themen und Arbeitsformen mitbringt und an einigen historisch gewachsenen Grenzen der Gewerkschaften rüttelt.
Aber inzwischen werden wir von der Struktur der Gewerkschaften gezwungen, die Totalität unserer Erfahrungen in Stückchen zu zerlegen, die von dieser Maschinerie verarbeitet werden können. Ich will dies illustrieren anhand der »Filter«,  die ich zwischen dem Moment sehe, in dem wir als Frauengruppe formulieren, was alles für eine wirklich lebenswerte Existenz von Frauen notwendig ist, und was am Ende der gewerkschaftlichen Verhandlungsprozesse davon übrig bleibt. Manchmal ist das Produkt kaum mehr als unsere eigene Idee zu erkennen. Der erste Teil dieses Prozesses besteht darin, unsere Erfahrungen der Unterdrückung öffentlich zu machen, so wie wir es in den letzten Jahren schon getan haben. Die Stellung der Hausfrauen ist dargestellt worden und damit auch die Wechselwirkung zwischen Produktion und Reproduktion. Die Heterosexualitätsnorm, die unsere Arbeitsbestimmungen und unsere Gesetzgebung prägt, wurde als erstes von den ABOP (Allgem. Bund der Erziehungsberufe)-Frauen zum Thema gemacht. An diesem Darstellungsprozeß arbeiten wir immer noch. Nahezu kein einziger Lebensbereich scheint sich verändern zu können, ohne daß andere Bereiche sich ebenfalls verändern. Eine erste Selektion findet bereits dadurch statt, daß nur solche Dinge, die als kollektive Probleme gelten, zur Diskussion stehen. Beispielsweise die Doppelbelastung von Frauen. Daß in den Gewerkschaften Frauengruppen, Gesprächsgruppen und feministische Untersuchungsformen als außergewöhnlich verdächtig gelten, trägt nicht sonderlich zum Akzeptieren unserer Definitionen von Problemen bei.

Der erste Filter

Sodann müssen die Probleme, die wir schon erkannt haben, in Forderungen umgesetzt werden, bei denen die Gewerkschaften begreifen können, daß sie etwas mit dem direkten Produktionsprozeß zu tun haben. Wir müssen sie daher in sozial-ökonomische Forderungen umformen.
Den gesamten Bereich Mutterschaft (Kinder ja oder nein, unter welchen Umständen, wie sollen sie erzogen werden, wer übernimmt dies, woraus besteht überhaupt unsere Sorge und Verantwortlichkeit für die kommende Generation?) müssen wir dann beispielsweise auf ein paar »Forderungen« reduzieren: Schwangerschaftsurlaub und Kinderbetreuung. Es dürfte deutlich geworden sein, daß sogar durch die schönsten Kinderkrippen und Schwangerschaftsurlaub auch für Männer nur ein sehr kleiner Teil der Probleme in bezug auf Mutterschaft gelöst wird. Den gesamten Komplex der häuslichen Arbeitsteilung müssen wir schließlich in die begrenzte Forderung nach allgemeiner Arbeitszeitverkürzung umsetzen, den der ökonomischen Abhängigkeit von Frauen in die Forderung nach Abschaffung des Begriffs »Ernährer« in der Gesetzgebung (womit ich absolut nicht suggerieren will, daß diese Forderungen nicht wichtig sind).

Der zweite Filter

Danach müssen unsere Wünsche und Forderungen noch von den Gewerkschaften akzeptiert werden. Das erste Problem hier besteht darin, daß wir selbst schon gezwungen sind, Prioritäten zu setzen, wenn wir eine Chance haben wollen, auf die »allgemeine« Prioritätenliste zu gelangen.[17] Liefert man ein ganzes Paket von Forderungen ab, dann wird es höchstwahrscheinlich zum soundsovielten Male als Beilage an das eigentliche Programm angehängt. Dies kann auch zu einer Politik des »Divide et impera« (teile und herrsche) unter den Frauen selbst führen, denn nicht jede hat jederzeit die gleichen Prioritäten. Ältere unverheiratete Arbeitnehmerinnen sind beispielsweise mehr an frühzeitiger Pensionierung als an allgemeiner Arbeitszeitverkürzung interessiert. Junge Frauen ohne Kinder streben wahrscheinlich eher nach einem langen Wochenende, während die Frauen mit Männern und Kindern eher für eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung sind, weil sie damit in jedem Fall eine gerechtere häusliche Arbeitsverteilung erzwingen könnten. Ein zweites Problem ist, daß die Frauengruppen in den Gewerkschaften und im FNV-Sekretariat für weibliche Arbeitnehmer nur beratende Funktion haben. Sie können nichts erzwingen. Selbst wenn alle organisierten Frauen hinter der Forderung nach allgemeiner Arbeitszeitverkürzung stehen, sagt dies noch nichts darüber aus, was die Gewerkschaften weiterhin damit anfangen werden. Von einem zahlenmäßigen Übergewicht der Frauen in den Gewerkschaften kann nicht gesprochen werden. Je weiter der Zusammenschluß von NW und NKV (Niederl. Katholischer Gewerkschaftsverband)-Gewerkschaften fortschreitet, desto schwieriger wird die Lage der Frauen: Diese beiden Gewerkschaften, innerhalb das FNV tonangebend, weil sie die  größten Verbände darstellen, sind ausgerechnet auch die Gewerkschaften mit dem geringsten Frauenanteil. Der Industrieverband hat sehr wenig weibliche Mitglieder und der ABVA besteht nur zu einem Viertel aus Frauen. Zudem sind vom NKV wenig progressive Maßnahmen zu erwarten. Von einem qualitativen Übergewicht kann noch weniger die Rede sein. Dank der Doppelbelastung der Frauen und einigen unangenehmen Ursachen, auf die ich noch zu sprechen komme, scheint es in den meisten Gewerkschaften ganz genauso wie im Arbeitsleben zuzugehen: Die Frauen sitzen in den unteren Positionen und die Männer an der Spitze. Oft sogar bekommt ein männliches Vorstandsmitglied Frauenangelegenheiten auf den Schreibtisch gelegt, meistens zusammen mit anderen unpopulären Angelegenheiten, die wenig Prestige einbringen. Es hängt daher immer noch vom Wohlwollen und der Einsicht männlicher Gewerkschaftler und Funktionäre ab, ob ein Frauenproblem zu einem »allgemeinen« Problem wird. Und um Wohlwollen und Einsicht ist es sehr schlecht bestellt.
Ein Beispiel: im ABVA nahmen die Mitglieder der Sondergruppe Frauen nach harter Arbeit und vielen Versammlungen in den Abteilungen ein Arbeitsund Aktionsprogramm »Frauenarbeit« an. Das Aktionsprogramm wurde dem zuständigen Mann anvertraut, der im geschäftsführenden Ausschuß Frauenangelegenheiten vertrat, und in einer beschlußfassenden Versammlung wurde bestimmt, welche Punkte in das »allgemeine« Programm des ABVA hineinpaßten. So wurde der Punkt »kollektive Kinderversorgung als Basiseinrichtung« wieder ausgestrichen. Die ABVA-Frauen sollten ihr Aktionsprogramm nicht als Ganzes einbringen können. Der einzige Weg, Punkte für das »allgemeine« Programm akzeptabel zu machen, führte über Abteilungsversammlungen und Fachgruppen. In einem Brief an die ABVA-Frauen schreibt der Geschäftssekretär: »Der geschäftsführende Vorstand ist der Meinung, daß das allgemeine Arbeitsund Aktionsprogramm als Leitfaden für alle anderen Aktionsprogramme, sowohl der Arbeitsgruppen als auch der speziellen Gruppen, dienen muß. Schließlich ist es ja undenkbar, daß mit den Arbeitgebern Verhandlungen über Dinge geführt werden, die gegen die allgemeinen Gewerkschaftsrichtlinien verstoßen. Dies würde den ABVA in eine unglaubwürdige Position bringen.«[18] Frauen als »Sondergruppe« müssen daher ihre Forderungen den »allgemeinen« Grundsätzen, die auf der Position von Männern basieren, anpassen.

Der dritte Filter

Um die »allgemeinen« Grundsätze verändern zu können, müssen Frauen daher nicht nur in ihren Frauengruppen Forderungen formulieren und Prioritäten setzen, sondern müssen auch noch zusehen, daß sie in den Abteilungen und Fachgruppen zu Wort kommen. Manche Fachgruppen, z.B. die der Feuerwehr, bestehen beinahe gänzlich aus Männern. Aber auch in Fachgruppen, in denen mehr Frauen vertreten sind, beispielsweise in der Gemeinwesenarbeit, ist es nicht einfach. Die Tatsache, daß die Frauengruppe des ABVA verhältnismäßig wenig Energie in die Fachgruppenarbeit hatte stecken können, wurde unmittelbar bestraft: Die Fachgruppe Gemeinwohl (sie) lehnte die Kinderbetreuung ebenfalls ab.

Der vierte Filter

»Frauen, die den Männern gleich werden wollen, sind nicht ehrgeizig genug.« (Aus: Spare Women's Diary 1980.)
»Gibt es im ABVA-Gewerkschaftsapparat Frauen?« Auf diese Frage konnte Jan Dutman bekräftigend erwidern: »Mehr als die Hälfte der Verwaltungsstellen sind von Frauen besetzt.« (Aus: Kenya-vrouwen ontwaken. Anläßlich des Besuchs von Herrn Dutman, Vorsitzender des ABVA, gerichtet an einen kenianischen Kongreß weiblicher Gewerkschaftsmitglieder in: De Bondgenoot, 17. Januar 1980.)

Sollten die Gewerkschaften dann beschließen, einen »Frauengegenstand« zu einem »allgemeinen« Gegenstand zu ernennen, sind es vor allem Männer, die für die Durchsetzung der Forderungen sorgen müssen, und die haben sich bisher nur selten für Fraueninteressen eingesetzt. Auch unter dem Druck der wirtschaftlichen Umstände (Arbeitslosigkeit, Sparmaßnahmen) werden Frauenangelegenheiten wieder in den Hintergrund gerückt. In den höheren Reihen der Gewerkschaften sind Frauen praktisch nicht vertreten. Ein wichtiges Hindernis für Frauen ist die Tatsache, daß Gewerkschaftsfunktionäre momentan die Art von Arbeitstag ableisten (von sechzig bis siebzig Wochenstunden), von denen sie erreichen wollen, daß ihre Mitglieder sie nicht ableisten müssen. Ohne eine Frau zu Hause, die die Hausarbeit macht, ist dies natürlich nicht durchzuhalten. Obendrein wird von ihnen erwartet, daß sie überall im Land eingesetzt werden können. Und dies in einem Land, in dem die Tradition von den Frauen fordert, daß sie ihrem Mann an den Ort seiner Arbeitstätigkeit folgen (ein niederländisches Gesetz, das in Kürze verändert werden soll, besagt sogar, daß »der Ehegatte« verpflichtet ist, dem Ernährer — sprich: Mann — an den Ort seiner Arbeitstätigkeit zu folgen). Welche Frau könnte ihren Mann dazu bewegen? Für Frauen, die auf eine feste Verbindung (mit einem Mann) verzichten, ist dies wahrscheinlich weniger ein Problem, wenn sie akzeptieren, daß ihnen wenig soziale Kontakte übrig bleiben.
Weil vornehmlich Mitarbeiter zwischen fünfundzwanzig und fünfunddreißig Jahren — das ist genau die Zeit, in der Frauen Kinder bekommen — gesucht werden, ist eine Gewerkschaftsfunktion augenscheinlich nur von Frauen zu erfüllen, die auf ein Familienleben und Kinder verzichten und ein volles Gehalt bekommen, um Dienstleistungen bezahlen zu können, die Männer von ihren Frauen gratis bekommen.[19] Ich kenne fast keine Frauen, die Kinder haben und in die Spitze einer Gewerkschaft vorgedrungen sind. Ich vermute, daß viele Männer sehr wohl Kinder haben, aber da dies Privatdinge sind (und vielleicht auch, weil sie sie obendrein selten sehen in Anbetracht ihrer Arbeitswoche), reden sie nicht häufig darüber. Frauen müssen eine Entscheidung treffen, vor die Männer niemals gestellt werden: Kinder oder eine Gewerkschaftskarriere.

6. Männliche Frauenfeindlichkeit

Die Frauenfeindlichkeit männlicher Arbeiter und Gewerkschaftsaktivisten hat eine lange Geschichte. (Frauenfeindlichkeit erscheint als ein gewichtiger Begriff für Blauäugigkeit und passiven Widerstand. Ich benutze ihn vor allem, um aufzuzeigen, daß die Männerherrschaft aus einem Komplex von Verhaltensweisen und Strukturen besteht, genauso wie das kapitalistische System: daß individuelle Einstellungsänderungen allein daher keine Lösung darstellen und Männer deshalb nicht von weiterem Handeln freigesprochen sind, nur weil sie als Privatperson ihre Frau nicht schlagen und auch schon mal beim Abwasch helfen.)
Die Frauenfeindlichkeit der Männer war häufig in der Bedrohung, die die Lohnarbeit von Frauen für die Position der Männer auf dem Arbeitsmarkt darstellte, begründet. In den Niederlanden hat die Industrialisierung spät eingesetzt. Als der Handelskapitalismus langsam durch den industriellen Kapitalismus ersetzt wurde, gab es eine breite Schicht verarmter Männer, die bereit waren, zu niedrigen Löhnen in der Fabrik zu arbeiten. Verglichen mit anderen Ländern arbeiteten zu Beginn der Industrialisierung wenig Frauen und vor allem wenig verheiratete Frauen als Lohnabhängjge. Wahrscheinlich ist deshalb die offene Frauenfeindlichkeit in der niederländischen Gewerkschaftsbewegung niemals so stark gewesen wie in den benachbarten Ländern und in Amerika, wo die Konfrontation zwischen Frauen, die ein Recht auf Arbeit forderten, und Männern, die jene als Bedrohung betrachteten, härter war. Außer in einigen Berufen, die eine Ausbildung erfordern, etwa als Handelsangestellte, Kontoristen, Beamte und Lehrer, stellten Frauen in den Niederlanden niemals eine wirkliche Bedrohung für die Position der Männer dar. Frauen, die auf dem Arbeitsmarkt erschienen, waren meistens unverheiratet, sahen ihre Arbeit als vorübergehend an und begnügten sich mit der Art ungelernter Arbeit, um die die Männer sie nicht beneideten. 1948 gehörten die Niederlande dann sogar noch zu den vier Ländern auf der Welt, in welchen Frauen allein aufgrund ihrer Heirat entlassen werden konnten. Natürlich hatte und hat die Frauenfeindlichkeit in der Gewerkschaftsbewegung verschiedene Ausprägungsgrade. Die konfessionellen Gewerkschaften fanden, daß Frauen mit Kindern hinter den Herd gehörten und nicht in die Fabrik; die meisten Sozialisten verkündigten, jedenfalls verbal, daß alle Frauen ein Recht auf Arbeit hätten. Bezüglich der verschiedenen Strömungen angesichts der »Frauenfrage« in den Gewerkschaften verweise ich auf den in Anmerkung 2 genannten Artikel von Joyce Outshoorn. An dieser Stelle will ich mich vor allem mit dem Zusammenhang zwischen dem Widerstand der Männer dagegen, daß Frauen aktiv werden, und der Stellung der Männer selbst beschäftigen und schließlich betrachten, wie damit in der Gewerkschaftsbewegung umgegangen wird. Die Beschuldigung, daß Frauen »Lohndruckerinnen« seien, die den Kampf für bessere Lebensbedingungen für Arbeiter »unterliefen« und »unmöglich« machten,[20] hat immer so etwas wie einen Sündenbockeffekt gehabt. Die Opfer wurden als die eigentlichen Schuldigen ausgegeben. Dies ähnelt sehr der ersten Reaktion von Arbeitern, die ihr Elend den Maschinen zuschrieben statt den Besitzern der Maschinen.
Die tatsächliche Ursache der gegenseitigen Konkurrenz innerhalb der Arbeiterklasse lag in der Entwicklung, wonach jede geschulte Facharbeit aufgelöst wurde, solange bis sie durch ungelernte Teilarbeiten zu verrichten war. Die Schuld lag daher nicht bei den Frauen, sondern bei dem konsequent durchgeführten kapitalistischen Produktionssystem.
Bei dem Argument, Frauen seien Lohndrückerinnen, wird die Konkurrenz männlicher ungelernter Arbeiter meistens vergessen. Und das Argument, Frauen hätten weniger Recht auf Arbeit als Männer, weil Männer die Ernährer der Familie sind, wird niemals gegen unverheiratete Männer verwandt. Schon sehr früh begriffen einige Frauen und auch Männer, daß die besten Waffen gegen den lohndrückenden Effekt der Frauenarbeit darin bestanden, dafür zu sorgen, daß Frauenlöhne den Männerlöhnen angeglichen würden und Frauen die gleichen Arbeitsplätze bekämen wie Männer. Folglich mußten Frauen erst recht in die Gewerkschaften aufgenommen statt ausgeschlossen werden, so daß die verschiedenen Gruppen innerhalb des Proletariats nicht gegeneinander ausgespielt werden könnten. Aber diese rationalen Überlegungenkonnten die Widerstände von Männern gegen Frauen in der Gewerkschaftsbewegung und in »ihren« Berufen nicht beseitigen. Es steckte und steckt noch immer mehr dahinter.

Auch im vorigen Jahrhundert gab es Feministinnen, die einsahen, daß die Frauenfeindlichkeit der Männer nicht nur der Bedrohung ihrer Arbeitsplätze entsprang. Die Männer fürchteten auch, daß ihre Frauen durch Lohnarbeit unabhängiger werden könnten, daß ihre Stellung zu Hause, ihre Überlegenheit als Ernährer und ihre Versorgung, auf die sie im Tausch für ihre Lohntüte einen Anspruch hatten, angetastet würde. Und es ist genau dieser Teil der Geschichte, der in der Gewerkschaftsbewegung niemals auf die Tagesordnung kommt, weil diese als (persönliche) Probleme zwischen den Menschen zu Hause bezeichnet werden, mit denen die Gewerkschaft sich nicht zu beschäftigen braucht — weil die Art und Weise, in der Männer sich gegenüber Frauen verhalten, ein »Frauenproblem« ist, das Frauen selbst lösen müssen.

7. Männlichkeit und Arbeiterkultur

Neuerliche feministische Untersuchungen über das »Privatleben« machen vieles von der männlichen Frauenfeindlichkeit deutlich. In der hervorragenden Untersuchung von Lillian Breslow Rubin[21] stellt sich zum wiederholten Male heraus, wie bedroht Männer sich fühlen, wenn ihre Frauen außer Haus arbeiten gehen. In mehr als einem Drittel der Familien klagt der Mann darüber, daß seine berufstätige Frau zu selbständig wird. Die Bedrohung wird noch größer, wenn die betreffende Frau einen Lohn erhält, der nah an die Höhe seines eigenen heranreicht: solange er sich die Illusion bewahren kann, daß seine Frau vorübergehend für die kleinen Extras etwas hinzuverdient, wird sein Selbstwertgefühl noch nicht verletzt werden. Dies erklärt zum Teil, weshalb Männer sich noch nie sehr stark für die gleiche Bezahlung von Frauenarbeit eingesetzt haben. Denn obwohl Männer objektiv gesehen ein Interesse daran haben, daß ihre Frauen soviel wie möglich verdienen und der gemeinsame Lebensstandard steigt, haben sie subjektiv mehr Interesse daran, daß der Lohn ihrer Frau ein gutes Stück hinter ihrem eigenen zurückbleibt.
Zu den Widerständen der Männer gegen die Berufstätigkeit der Frauen (und daher ebenfalls gegen ihre Aktivitäten in den Gewerkschaften) gehört auch der Aspekt des Eigeninteresses. Wenn Frauen mehr Zeit außerhalb des Hauses verbringen, bleibt weniger Zeit für die Hausarbeit übrig und daher für die Versorgung der Männer. Nicht von ungefähr haben die Männer die wenigsten Einwände gegen »arbeitende« Frauen, deren Frauen ihre Arbeit so einteilen, daß sie davon nicht belastet werden, und die auch nicht erwarten, daß ihre Männer im Haushalt häufiger mitanpacken.[22] Es gehört auch noch eine psychologische Ebene dazu. Der Widerstand von Männern, im Haushalt »Frauenarbeit« zu verrichten, ist mehr als nur der Abscheu gegen Bügelbrett und Schrubber. Der Widerstand gegen die Berufstätigkeit von Frauen ist mehr als die Angst vor dem Qualitätsverlust der häuslichen Dienstleistungen. »Frauenarbeit« zu verrichten oder nicht mehr der einzige »Ernährer« zu sein, rührt an das männliche Prestige.
Für diese Art von Problemen verfügen wir noch kaum über Begriffe.[23] Das normale »männliche« Bewußtsein ist bisher praktisch nicht untersucht im Gegensatz zum »weiblichen« Bewußtsein, das als Abweichung von der Norm interessant war. Aus eigener Erfahrung wissen wir einiges über das Bewußtsein von Männern, weil wir als Frauen immer die psychischen Nährmütter des männlichen Ego darstellten. Aber wir haben dies immer isoliert voneinander getan, und es lastet ein großes Tabu darauf, unsere Erfahrungen damit öffentlich zu machen. Schnell ist die Rede von »schmutzige Wäsche waschen«. Auch für Männer besteht eine Wechselwirkung zwischen Lohnarbeit und Privatleben, ebenso wie für Frauen. Aber es ist sehr schwierig, unsere Erfahrungen mit ersterem genauso öffentlich zu machen wie mit letzterem.
Eine der wenigen Untersuchungen über das »männliche« Bewußtsein stammt von Andrew Tolson. Er zieht eine direkte Verbindung zwischen der Stellung von Männern im Betrieb und ihrer Definition davon, wie ein Mann zu sein hat. Er macht interessante Unterscheidungen zwischen der Definition von »Männlichkeit« durch die Mittelschicht und der von männlichen Arbeitern. Er beschreibt, wie eine sexistische Kultur im Arbeitsbereich Kompensation für das verletzte Selbstwertgefühl bietet. Die männliche Rhetorik, mit der Arbeiter ihre Position im Betrieb zu behaupten versuchen, reicht bis in die Jamilie hinein und beherrscht jede Form des Arbeiterkampfes. Je härter Männer an ihrem Arbeitsplatz kämpfen müssende kaputter sie nach Hause kommen, desto höhere Anforderungen stellen sie an ihre »Freizeit«,  in der Kompensation durch die Frauen und durch Konsum geboten werden muß.[24] Genauso erwarten Mittelschichtsmänner, daß die Frauen sich an ihre Arbeitssituation anpassen, nämlich indem sie ihre Männer tatkräftig beim Aufbau ihrer »Karriere« unterstützen und andere Interessen zurückstellen. Sind die Formen auch verschieden, so mögen es die Männer doch in beiden Fällen nicht, daß eine Frau zu selbständig ist oder ihren eigenen Lebensunterhalt verdient. Mag auch bei den Mittelschichtsmännern der Spielraum, den sie ihren Frauen zugestehen können, bevor sie bedrohlich und unattraktiv werden, größer sein.
Paul Willis hat eine interessante Untersuchung durchgeführt über den Zusammenhang zwischen der »Kultur« in der Fabrik, Männlichkeit und dem Lohnfetisch.[25] Wenn wir an »Arbeiter« denken, dann denken wir nahezu immer an einen Mann — und zwar einen von der muskulösen Sorte. Bauarbeiter, Stahlarbeiter und Hafenarbeiter stehen in unserem Bewußtsein Modell. Der psychologische Mechanismus, mit dem die Männer ihre Ausbeutung haben durchhalten können, bestand in dem Stolz, mit dem sie schwere Arbeit vollbringen konnten. Das Vollbringen einer schweren körperlichen Arbeit und der Begriff »Männlichkeit« ist zu einem Bild zusammengeschmolzen, zu dem auch gehört, daß man sich tüchtig einen hinter die Binde gießen kann und sich nicht von einer Frau auf der Nase herumtanzen läßt.
Größtenteils kommt es bei der Arbeit nicht mehr auf Muskelkraft an. Trotzdem wird dieses Stereotyp in der Arbeiterkultur und somit auch in der Gewerkschaftsbewegung aufrechterhalten. Markige Sprache, die Faust auf den Tisch, hart sein, durchhalten. Männer lassen sich dieses Bild nicht leicht nehmen, selbst wenn es schon lange ein Mythos ist. Daß Frauen nur mühsam in »technische« Berufe eindringen, hängt teilweise von dem großen irrationalen Widerstand der Männer ab, wenn sich zeigt, daß eine Frau ihre Arbeit genauso gut verrichten kann. Viele Männer würden alles daran setzen, um zu beweisen, daß Frauen nicht zimmern, klempnern und mauern können.[26]
Viele Arbeiter haben offensichtlich ein subjektives Interesse daran zu zeigen, daß ihre Arbeit nicht von Frauen gemacht werden kann. Dies geht auch aus Bemerkungen hervor, daß beispielsweise Hafenarbeit keine Arbeit für »Schwiegermütter« und für »Homosexuelle« sei.[27] Sie werfen damit nicht nur Frauen Knüppel zwischen die Beine, sondern sich selbst und den Kollegen ebenso. Ein Beispiel: eine Frau arbeitete auf einer Baustelle und trug lieber zweimal einen kleinen Sack Zement als einmal einen großen. Die Männer fanden das herrlich, denn damit war bewiesen, daß Frauen nicht so hart arbeiten können wie Männer. Aber indessen  erreichen Bauarbeiter selten das Rentenalter, weil sie einen kaputten Rücken haben. Ihre Vorstellungen von »Männlichkeit« hindern sie daran, so wie die betreffende Frau zweimal mit einem Sack Zement zu laufen, selbst wenn sie objektiv gesehen wissen, daß sie sonst an ihrer Arbeit kaputtgehen. Oft erzählen Männer, wie hart ihre Arbeit ist, aber es gibt keine Anzeichen, daß sie daran etwas ändern. In Interviews mit Hafenarbeitern [28] und den Frauen von Hafenarbeitern sind es die Frauen, die sich Sorgen um die Gesundheit ihrer Männer machen, nicht die Männer selbst. Auch Gewerkschaftsfunktionäre scheinen beinahe stolz darauf zu sein, daß sie sich kaputtarbeiten.
Die Frau eines streikenden Hafenarbeiters sagte in einem Fernsehinterview, ihr Mann habe so schwer zu arbeiten, daß er abends zu nichts mehr zu gebrauchen sei und daß er daher höheren Lohn fordere. Klagen über die Schwere der Arbeit werden häufig in höhere Lohnforderungen umgeformt anstelle von Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen. Ich unterstelle damit nicht, daß die Höhe des Lohnes unwichtig ist oder die fraglichen Hafenarbeiter kein Recht auf höheren Lohn haben sollten, aber ich unterstelle sehr wohl, daß wir hierbei auf einen männlichen Mechanismus stoßen. Paul Willis nennt dies »männlichen Lohnfetischismus«: nicht nur die Höhe des Lohnes zählt, sondern auch die »männliche« Art, auf die er erworben wurde, nämlich in Konfrontation mit dem »wahren« Leben, das für Frauen zu hart ist. Die Lohntüte wird zu einem Symbol männlicher Überlegenheit, an die alle anderen männlichen Symbole anknüpfen: das ewige Pin-up über der Maschine, der sexistische Sprachgebrauch untereinander, die Erwartung, daß die Frauen sie zu Hause als das Familienoberhaupt empfangen.
Außer den Untersuchungen von Tolson und Willis besitzen wir nur unsere eigenen Erfahrungen über die Wechselwirkung zwischen Produktion und Reproduktion, die auch für Männer besteht, selbst wenn eine noch so starre Trennung zwischen der Arbeit und dem Leben von Männern zu bestehen scheint. Es dürfte auch für Männer kein besonders attraktives Untersuchungsgebiet sein, wenn sie dort die peinliche Entdeckung machen müßten, daß sie ein subjektives Interesse daranhaben, Frauen aus ihren Berufen und aus leitenden Positionen in den Gewerkschaften auszuschließen, um auch zu Hause ihre Überlegenheit aufrechtzuerhalten. Das »männliche« Bewußtsein stellt ein großes Hindernis für die gleichberechtigte Stellung von Frauen und Männern im Betrieb, in der Gewerkschaftsbewegung und im Privatleben dar. Und bei vielen Männern besteht die Neigung, ihre eigene Ausbeutung und unterdrückerische Arbeitsverhältnisse bestehen zu lassen und nach »männlicher« Kompensation in der Privatsphäre  zu  suchen,   in Männerherrschaft,  in gesteigertem Konsum und in höherem Lohn.

SchlußfoIgerungen

Die Gewerkschaftsbewegung ist eine sexistische Hochburg wie jede andere, eine Männerhochburg unter den Männerhochburgen. Das zeigt sich auf vielen Ebenen trotz einiger aufgeklärter Männer und vereinzelter schöner Anträge. Es zeigt sich im individuellen Bewußtsein der meisten Mitglieder, in der irrationalen Abwehr, die manchmal unter einer dünnen Schicht Emanzipationsrhetorik verborgen liegt. Es zeigt sich in dem Organisationsmodell, das die Beteiligung von Frauen fast schon von vornherein unmöglich macht. Es zeigt sich in einem Arbeitsstil, der auf die männliche Kultur eingeschworen ist, welche nur wenige Frauen imitieren wollen, und es zeigt sich in einer »Allgemeinheitsideologie«,  wobei Frauen ihre Interessen nur verteidigen können, wenn sie in das von männlichen Interessen ausgehende Raster passen. Nach diesem Raster werden »Privatleben« und anerkannte Gewerkschaftsarbeit streng getrennt, so daß eine Anzahl wesentlicher Probleme nicht zu lösen ist.
Indes besteht ein großes Problem darin, was geschehen muß, um die Einstellungen von Männern zu verändern. Es wird sich nicht viel verändern, solange die Verantwortlichkeit für die Veränderung von Männern vornehmlich den Frauen zugeschoben wird. Außer wenn sie in einer direkten Verbindung zu einer Feministin leben, können Männer es sich noch immer erlauben, Feministinnen als eine Minderheit mit eigenen Problemen zu ignorieren. Es gibt noch wenig Anzeichen, daß die Männer in der Gewerkschaftsbewegung sich darüber klar werden, daß Feminismus sich auch mit dem »Männerproblem« beschäftigt. Jene Männer, die sich mit der Stellung von Männern auseinandersetzen, werden sich in der männlichen Hierarchie genauso unwohl fühlen wie die Feministinnen. Sie stehen noch viel mehr auf verlassenem Posten als wir, die wir zumindest eine Gruppe haben, die uns Rückhalt bietet. Ich habe auch nur einen einzigen ernstzunehmenden Artikel finden können, in welchem das Verhalten von Männern von einem Mann untersucht wird, dieser Artikel ist wenig optimistisch.[29]
Was fangen wir damit an? Aus den Gewerkschaften austreten und unsere eigenen Gewerkschaften gründen? Könnten wir es uns nur erlauben. Dieselben Gründe, die es uns so schwer machen, in den Gewerkschaften zu arbeiten, sind genau die Gründe, zu bleiben. Wir können nicht weiterhin akzeptieren, daß Kindererziehung als ein Frauenproblem definiert wird. Wir können nicht zulassen, daß Männer für wöchentliche Arbeitszeitverkürzung kämpfen, während wir für tägliche Arbeitszeitverkürzung kämpfen. Wir können uns nicht weiter an Teilzeitarbeit anpassen, während die Männer weiterhin ganztags arbeiten. Wenn wir etwas an unserer Stellung verändern wollen, dann werden wir einen Fuß zwischen die Tür setzen müssen.
Dabei wird es darauf ankommen, wie es uns gelingt, die eingeschlagene Doppelstrategie in den Gewerkschaften fortzuführen — mit Organisationsformen, in denen wir Unterstützung finden und unsere eigenen Probleme und Problemlösungen neben der Arbeit in den bestehenden Strukturen definieren können. Folglich sowohl mit Autonomie als auch mit Integration in die Entscheidungsstrukturen der Gewerkschaftsbewegung. Aus der Vergangenheit lernen wir, daß autonome Gruppen allein machtlos sind, weil wichtige Beschlüsse, die auch unser Leben beeinflussen, an anderer Stelle getroffen werden, daß aber Integration allein uns zermürbt und mundtot macht. Wir brauchen daher beides, genauso wie überall, wo wir uns um die Veränderung bestehender Machtverhältnisse bemühen. Und wie überall sind es die Frauen, die vor einer doppelten Aufgabe stehen.

Anmerkung zu obigem Kapitel:
Beim Schreiben dieses Artikels erhielt ich sehr viel Unterstützung von verschiedenen Frauen, aber vor allem will ich mich bedanken bei: Mac Vijn, Joyce Outshoorn, Tineke de Rijk, Marijke van der Werf, Siety de Jager und Ellen Santen. Weil ich selbst im ABVA bin, stammen die Beispiele in diesem Artikel aus der Arbeit in diesem Verband. Damit will ich nicht sagen, daß es im ABVA viel besser oder schlechter wäre als anderswo. Die Art der Erfahrungen trifft auf Frauen in allen Gewerkschaften zu.