1.
Der löwe richtete sich auf, als ich eintrat, ohne den alten mann wurde er wieder zum raubtier und versuchte, sich auf mich zu stürzen, als ich langsam auf ihn zuging, ich hatte ihn nur noch einmal anfassen wollen, jetzt drehte ich mich in panischer angst um, wollte nach hilfe schreien, aber der purpurne Vorhang erstickte den ton bereits in meiner kehle, ich machte immer wieder denselben schritt vorwärts, ohne mich von der stelle rühren zu können.
Eine kleine schwarze katze tapste in dem augenblick in das zimmer des alten mannes. sie war völlig unbedarft, etwas verschmitzt und hatte ein unglaublich seidenes, glänzendes feil, ich mochte sie sofort, aber verglich ich sie mit dem löwen, kam sie mir unscheinbar vor. als er sie entdeckte, Hess er augenblicklich von mir ab, und ich konnte hinaus.
Dieser traum begleitete mich über jahre wie kein anderer, seine gegenwart verdichtete sich zu manchen Zeiten, verflüchtigte sich zu anderen, der löwe verlor allmählich an bannkraft. die kleine katze
- mein ich, meine Sexualität - rückte in den Vordergrund, nachdem ich lange genug anders zu leben begonnen hatte, konnte ich mich des löwen erinnern und ihm begegnen, ohne mich magisch angezogen zu fühlen.[1]
2.
»Die sprache versagt, sobald ich über neue erfahrungen berichten will «, sagt Verena Stefan in Häutungen, »artikel und bücher, die zum thema Sexualität verfaßt werden, ohne daß das problem spräche behandelt wird, taugen nichts.«
- a. Es gibt die klinische Sprache, Medizinersprache, entfremdet, distanziert. Vagina, Koitus, Penis. Bilder mechanischer Handlungen, Querschnitte der Geschlechtsteile, die schematische Darstellung der Befruchtung. Bilder von Krankenhäusern, Sterilität, Trennung zwischen Körper und Gefühlen.
- b. Es gibt die vulgäre Sprache, Männersprache, direkt, brutal. Votze, ficken, Schwanz. Bilder der Gewalt, der Verachtung, Bilder des Zum-Objekt-gemacht-Werdens. Schimpfworte. Scheißwetter, alte Votze, verarschen, du laberst Scheiße. Trennung zwischen Körper und zumindest meinen Gefühlen.
- c. Neue Versuche, zögernd. Verena Stefan verfällt manchmal in eine Früchte- und Blumensprache, die verhüllt und Klischees enthält, der Vergleich des Frauenkörpers mit der Natur. In Die Scham ist vorbei versuche ich mir die vulgäre Sprache anzueignen. So lange Mose sagen, bis es — statt ein Schimpfwort zu sein — zu einem warmen Teil meines Körpers wird. Das stößt viele Frauen ab, und es gelingt nur teilweise. In die weiblichen Euphemismen (beschönigende Umschreibungen) zurückfallen. Mit jemandem schlafen, zwischen meinen Beinen. Das.
Kindersprache benutzen. Knutschen und streicheln. Unreif und unzulänglich. Als blieben wir in dem stecken, was Männer als Vorspiel definieren. Wir sind noch gar nicht so weit.
Sprache. Eine Frau ficken oder mit einer Frau ficken. Die Wahl zwischen Leideform oder Aktiv. Wie dem auch sei, in der gängigen Sexualsprache sind wir Objekte und keine Subjekte.
3
»Wenn ich ein Wort benutze«, sagte Humpty Dumpty mißbilligend, »bedeutet es das, was ich will, daß es bedeutet, nicht mehr und nicht weniger.«
»Die Frage ist«, sagte Alice, »ob du bestimmen kannst, was ein Wort bedeutet.«
»Die Frage ist «, sagte Humpty Dumpty, »wer der Chef ist, Punkt aus.«[2]
Unterdrückung äußert sich auch in den Definitionen der Wirklichkeit, die aus der Sicht einer herrschenden Klasse aufgestellt worden sind. In den Vorstellungen, die zu den Definitionen gehören. »Zu Hause sitzen« für die Hausarbeit. »Vergewaltigung« für das von einem unheimlichen fremden Mann Ins-Gebüsch-gezerrt-Werden, so daß wir die Vergewaltigung durch den Ehemann oder Freund nicht als Vergewaltigung verstehen. Es gibt nur eine Vorstellung, nur eine Definition von Sexualität in dieser Gesellschaft. Sex ist ficken. Sex ist genital und heterosexuell. Sofern wir heute anerkennen, daß es andere Möglichkeiten gibt, sind dies Variationen des Urthemas.
Sexualität ist heterosexuell, es sei denn, sie ist es explizit nicht. So gibt es in »fortschrittlichen« Büchern über Sexualität irgendwo ganz hinten auch schon mal ein Kapitel über Homosexualität. Oder einzelne Bücher über das Problem der Homosexualität. So haben wir neben den Büchern über »Sexualität« gegenwärtig auch Bücher über »die Sexualität der Frau«. Wie sehr immer noch von den Männern als Norm ausgegangen wird, fiele erst dann auf, wenn wir in Büchern über »Sexualität« einzelne Kapitel über »HeteroSexualität« oder »die Sexualität des Mannes« verfaßten. Homosexualität ist ein Problem, Frauen sind ein Problem. Heterosexuelle Männer sind das NORMALE, wir sind das ANDERE, das erklärt werden muß.
Wie es bei fast allem ist, werden männliche Bedürfnisse im allgemeinen als menschliche Bedürfnisse angesehen. Und wenn sich herausstellt, daß Frauen nicht dieselben Bedürfnisse haben, weichen sie ab, dann haben sie Probleme, dann sind sie ein Problem.
Wie alle unterdrückten Gruppen, übernehmen wir die Definitionen der Herrschenden. Sex ist genital und heterosexuell. Sex ist ficken. Nicht nur ab und zu, sondern regelmäßig. Frauen, die darüber nicht ständig in Ekstase ausbrechen konnten, glaubten, es sei ihre Schuld. Und machten eine Therapie oder spielten ihre Ekstase. Frauen, die offen zugaben, kaum Spaß daran zu haben, wurden prüde oder frigide genannt. Und »prüde« ist ein Schimpfwort, keine Bezeichnung für eine Wahl. Was wiederum bezeichnend für die sogenannte sexuelle Freiheit ist, in der wir gegenwärtig zu leben scheinen.
Bis vor kurzem hatten die meisten von uns nur zwei Möglichkeiten: Sich entweder an die Definitionen der Sexualität anzupassen oder dagegen zu sein. Entweder mitzumachen oder, wenn nicht, als blöde Gans beschimpft zu werden.
Es gab noch keine Alternative. Es existierte kein Freiraum, in dem wir ausprobieren und ohne den Druck der Definitionen herausfinden konnten, was zu uns gehört. Kein Freiraum, in dem wir mit der Sexualität hätten experimentieren können. Nicht nur in anderen Stellungen, sondern in anderen Beziehungen. Zu den vagen Wünschen nach einer einfacheren Form der Körperlichkeit, Zärtlichkeit und Wärme paßten keine Bilder, wir konnten uns so wenig darunter vorstellen. Und so glaubten wir, daß »ficken« realer sei als die warme Körperlichkeit des Kontaktes mit einer Frau und realer als die Lust unseres eigenen Körpers. Wir definierten unsere eigenen Erfahrungen weg, ließen sie nicht zu oder bekamen buchstäblich keinen Raum für sie.
So waren wir gegen oder für Sex, wenn wir gegen oder für genitale Heterosexualität waren. Und wurden entweder den Töchtern der sexuellen Revolution oder dem Lager der Verkrampften, der Prüden, der Rechten zugeordnet.
Sehr lange war die Sexualität an die Fortpflanzung gekoppelt. Jetzt ist sie abgekoppelt, auch für Frauen. Aber die Form der Sexualität hat sich nicht verändert, wir lieben noch immer so, als ginge es weiterhin um die Fortpflanzung. Das Verhältnis von Verhütungsmitteln zur Sexualität wird als so selbstverständlich hingenommen, daß dabei niemand mehr über die vielen möglichen Formen von Sexualität nachdenkt, bei denen Frauen gar nicht schwanger werden können. Es ist auch seltsam, daß wir mittlerweile zwar sehen, wie unterdrückt, wie beschnitten und verformt die weibliche Sexualität ist, aber trotzdem noch glauben, die männliche Sexualität sei »natürlich«. Diese Vorstellung des Viktorianischen Zeitalters hält sich unbeschadet. Noch immer lassen wir uns erzählen, daß wir »die Anderen« sind, das »Problem«. Es gibt erst für sehr wenige Frauen eine Alternative. Es existieren noch fast keine anderen Vorstellungen, es gibt noch kaum eine andere Sprache.
Die »Anklage« ist deutlicher als die Lösung dargestellt worden. Unsere Sexualität — ein kleines Kätzchen — erscheint neben dem allzu bekannten, herrschenden Löwen noch immer unbedeutend.
4
Daß Feminismus und Sexualität etwas miteinander zu tun haben, ist von Anfang an deutlich gewesen. Es gibt keine einzige gesellschaftliche Bewegung, die so in sexuellen Begriffen be- und verurteilt wird wie die Frauenbewegung. Politische Aussagen von Feministinnen werden auf persönliche Frustrationen zurückgeführt. (Was sie natürlich auch sind, es wäre merkwürdig, wenn wir unsere Unterdrückung emotionslos ertrügen.) Frau-Mann-Beziehungen werden im gewöhnlichen Denken in erster Linie als sexuelle Beziehungen und erst in zweiter als gesellschaftliche Verhältnisse gesehen. Und so wird die Beschäftigung mit der gesellschaftlichen Stellung von Frauen schon fast per Definition als die Folge einer persönlichen sexuellen Abweichung betrachtet. Als Unfähigkeit, nicht als Wahl. Feminismus und Sexualität. Zwei angstbesetzte Bilder nebeneinander:
- a. Das der versauerten Männerhasserin. Frigide. Prüde. Lesbisch. Frustriert. Als bilde dieses miteinander ein einziges Krankheitsbild. Feministin zu werden aus deinem Widerwillen gegen Männer oder weil die Männer nichts von dir wollen. »Diese Weiber müssen bloß mal ordentlich gefickt werden.«
- b. Das der losgelassenen Männerfresserin. »Dolle Minas «, die auf der Straße Männern hinterherpfeifen. Emanzipation, Frauen, die einfach mehr davon haben wollen. »Ich dachte, du seist emanzipiert «, sagt ein Mann böse zu einer Frau, die ihm erklärt, daß sie keine Lust hat.
Gloria Steinem sagte in einer Rede vor einem gemischten Publikum, daß es für Männer keinen Grund gibt, Angst vor dem Feminismus zu haben, weil der Sex durch ihn nur besser werden kann. Ein Verkaufsargument. Ein progressiver Journalist einer linken Wochenzeitung sagte einmal, daß Frauen durch die Pille und ihre Emanzipation sicher entgegenkommender werden würden. Als ob wir genau darauf gewartet hätten! Mehr desselben. Mehr von dem, wovon wir doch schon lange die Nase voll hatten.
5 Thema: Verdinglichung
6 Thema: Ware für dein Geld
7
Feministinnen wird Männerhaß vorgeworfen. Männerhaß ist deshalb wahrzunehmen und zu erkennen, weil er ungewohnt ist. Eine Mannerhasserin bist du, wenn du erzählst, wieviel Spaß du in einem Urlaub nur mit Frauen gehabt hast, wieviel dir die Wärme deiner Freundinnen bedeutet, daß ein Leben ohne Mann mittlerweile kein unabwendbares Schicksal mehr, sondern zu einer Wahl geworden ist. Eine Männerhasserin bist du, wenn du all die sexuellen Ausdrucksfomen entdeckst, für die du keinen Mann brauchst, oder wenn du bei Witzen über Vergewaltigung keinen Humor darin sehen kannst. Eine Männerhasserin bist du, wenn du den Frauenhaß beschreibst.
Ich bin eine richtige Männerhasserin, und ich leugne es nicht länger. Ich habe keine Lust mehr, die Wirklichkeit, wie ich sie sehe, freundlicher zu beschreiben, nur um nicht als Männerhasserin bezeichnet zu werden. Allenfalls erkläre ich noch, daß es beim Männerhaß auch feine Abstufungen gebe und er ja nicht einfach aus der Luft gegriffen sei. Daß es wenig mit Männerkörpern, die wirklich schön sein können, zu tun habe, eher mit den Menschen, die in diesen Körpern stecken und ihren Eigenwert daran messen, wie unterdrückt Frauen in ihrer Umgebung sind.
Männerhaß ist die Reaktion auf Frauenhaß, der nichts mit Biologie zu tun hat. Vorläufig erhalte ich mir lieber die Illusion, daß ich über gesellschaftliche Verhältnisse und nicht über angeborene Charaktereigenschaften rede. Wie auch die Unterdrückung der Schwarzen nichts mit der Hautfarbe zu tun hat. Trotz dieser nachweisbaren Tatsache war (und ist?) kein einziger Weißer frei von Rassismus, und Sexismus und Frauenhaß sind ebenso tief in der gesellschaftlichen Struktur und Kultur verwurzelt. Nur wird dies erst von sehr wenigen erkannt: genauso wie der Rassismus nicht erkannt wurde und Rassisten aufrichtig davon überzeugt waren, daß es sich um »natürliche« Unterschiede zwischen verschiedenen Rassen handele.
Frauenhaß tritt in Formen auf, die nicht als Frauenhaß erkannt werden. Zum Beispiel im Leugnen, daß Vergewaltigung eine gewalttätige Handlung ist. Oder in der Blindheit für die »hundert Beleidigungen am Tag« in nahezu jeder Form von Pornographie, Reklame und Frauenbildern in den Medien. Oder im Reduzieren der Frauen auf Gebrauchsgegenstände, auf Konsumartikel.
Frauenhaß kann verleugnet werden, weil Männer aufrichtig überzeugt weiterhin behaupten können, in Frauen vernarrt zu sein und es nicht einen Tag ohne sie auszuhalten. Sie haben sie sicherlich zum Fressen gern, die Frauen. Wie eine Bockwurst aus dem Automaten. Rassismus wird erkannt. Es gehört sich nicht mehr, Schwarze als kindliche Menschen abzustempeln, die zwar ein Gefühl für Rhythmus haben, aber nur einen schwachen Verstand. Man darf es nur denken, aber solche Äußerungen in der Öffentlichkeit sind gesellschaftlich nicht mehr akzeptabel. Ebensowenig die Beschreibung der Juden als krummnasig, schlau und geldgierig. Aber Frauen dürfen als hauptsächlich aus Titten und Ärschen bestehende dumme Blondchen oder als fette, herrische wie auch dumme Schwiegermütter dargestellt werden, ohne daß dieses als das, was es ist, erkannt wird: reiner Frauenhaß.
Wer sich über die sexuelle Ausbeutung der Frauen und den Frauenhaß, der dahinter steht, aufregt, wird prüde genannt. Womit aber bewiesen ist, daß Frauenhaß nicht unmittelbar an die politische Einstellung gebunden ist, denn der Vorwurf, prüde zu sein, kommt hauptsächlich von links.
Die Macher von »Das Da« können ihren »Sozialismus« nur unter's »Volk« bringen, indem sie ausgiebig nackte Mädchen zeigen (das Volk besteht anscheinend überhaupt nur aus Männern), und die niederländische linke Wochenzeitung »De Groene« übernimmt ihre Rechtfertigung des mit Sexismus vermischten »Sozialismus« kritiklos.
Die Frauen, die das Flugblatt »Spanner im Dunkeln« über das Filmfestival der »Rooien flikkers« (Roten Schwulen) nicht in ihrer feministischen Buchhandlung aufhängen wollten, weil sie »spannen« als eine typisch männliche Verhaltensweise ansahen, mußten später entdecken, daß ihre Ladenfassade mit dem Spruch »Frauenkampf - Zimperlichkeit — Schwulenneid« beschmiert war. So werden wir in das Lager der Rechten geschoben. Zum einen ist die Rechtfertigung ihres Kampfes gegen Pornographie seitens der Rechten (die jede öffentliche Äußerung von Sexualität bekämpfen wollen und die Pornographie in einem Atemzug mit Schwangerschaftsunterbrechung, Verhütungsmittel und Homosexualität nennen) nicht die »Würde der Frau«, sondern die »Gefährdung der Sittlichkeit«. Ein unfreiwilliges Bündnis, auf das wir nun bestimmt nicht gewartet haben. Zum anderen können die linken Typen so ihr fortschrittliches Image aufrechterhalten. Wenn die Rechten gegen Pornographie sind, dann ist Pornographie links.
8. Thema: Der normale Frauenhaß
9
Noch einmal nachgelesen: Wolkers und Cremer, die wir doch früher als Vorreiter der sexuellen Revolution gesehen haben.
Cremer gefiel mir schon damals nicht. Wolkers hatte wenigstens noch Gefühle. Verblüffend finde ich, daß wir es damals noch nicht durchschauten, daß wir es nicht als das, was es war, erkannten: Frauenhaß.
Es handelt sich immer um die gleichen Themen in Ik, Jan Cremer 1 und 2 und in Turks Fruit, de Walgvogel und Horrible Tango von Jan Wolkers. Genauso in De Geisha von Kars. Frauen als Gebrauchsartikel:
»Als sie mir wieder ein Glas Bier hinstellte, beugte sie sich dabei tief und unnötig lange, so daß sich mir der Anblick des appetitlichen, rosanen Fleisches bot, das etwas aus dem BH hervorquoll und tausendmal köstlicher als die große, dampfende, rotbraune Schinkenwurst aussah, die sie vor mich hinstellte.«[3]
Frauen als Tierart:
»Im Bett sind sie Tiger, Lämmer, Blutsauger oder Mücken. Und sie sehen dabei aus wie Krokodile.«[4]
Frauen und Verwesung:
»Frauen: Sie riechen nach verdorbenem Sperma, sie schwitzen unter den Achseln, an den Füßen und zwischen den Beinen. Sie schnarchen, rülpsen und röcheln. Frauen: Sie haben Pickel, feuchte Scheiden, verklebte Schamhaare. Sie klatschen, sind herausfordernd und hassen dich.«[5]
Frauen und Rassismus:
»Als sie ihr gelocktes Haar, das ihr auf einer Seite in das Gesicht fiel, wegstrich, um Kaffee zu trinken, bemerkte er auf einmal, daß sie eine ungewöhnlich niedrige Stirn besaß: Das Haar ihrer Schläfen ging fast unmittelbar in ihre Augenbrauen über. Diese Entdeckung rührte ihn kurz: Sie hatte gerade genügend Hirn, um nach ihren Instinkten zu leben, zu Gedanken reichte es nicht. Er fragte sie, welcher Abstammung sie sei. Es stellte sich heraus, daß ihr Vater ein Niederländer war und ihre Mutter negroide, indianische, chinesische und jüdische Vorfahren hatte.«[6]
Sadismus:
»Tu' ich dir weh, sagte ich wollüstig.«[7]
Die doppelte Moral, die »guten« und die »schlechten« Frauen:
»Diese Judith war ein geiles, ordinäres Weib, n 'steiler Zahn, und das fand ich dufte, denn ich hatte ungeheure Lust zu vögeln, und um nur eine Nummer zu schieben, ist es besser, 'ne Hure zu haben als eine liebe Frau wie Laila.«[8]
Der krankhafte Besitztrieb und die Rechtfertigung von Vergewaltigung und Gewalt im Namen der »Liebe«.
In Turks Fruit wird Olga ein blaues Auge geschlagen und später, als sie die Hauptperson verläßt, wird sie vergewaltigt. Jan Cremer versteht davon auch etwas:
»Es kam bei Claudia schon mal zu Ausbrüchen. Wenn ich das Gespäch beenden wollte, klebte ich ihr schnell eine. Ich finde arbeiten wichtiger als streiten. Frauen quengeln gerne immer weiter.«
»Immer wurde es nach einer Stunde wieder gutgemacht. >Je größer der Geist, desto größer das Biest< ist meine Faustregel, und jedes anständige Weib bekommt ab und zu mal Schläge. Claudia ruft in Panik schon mal Freunde von mir an. Sie erzählt dann, daß ich sie zusammenschlagen will oder sie mit einem Messer bedrohe. Das ist dummes Zeug. Ich brauche kein Messer. Meine Hände kann ich als Messer, Hämmer und Beile gebrauchen. Sie macht noch andere merkwürdige Sachen, Claudia.«[9]
Die Rangordnung, die dabei aufgestellt wird: Nette Frauen haben große Titten (bei Wolkers sind sie fest, Cremer gefallen sie leicht hängend besser) und sind willig. Doofe Frauen haben Hängetitten oder einen kleine Busen, oder ihre Beine und Hintern sind häßlich. In keinem dieser Bücher habe ich gefunden, daß eine Frau unabhängig von ihrem Gebrauchswert positiv beurteilt wird; alt oder »häßlich« zu sein, ist gleichbedeutend mit Verachtung. Verachtung übrigens auch für die schönen Frauen, die lediglich unter einer sehr dünnen Schicht der Geilheit verborgen ist.
Am besten noch kommen Tiere weg: Wolkers hat eine innige Beziehung zu einer Möwe, und Cremers potentielle Zärtlichkeit entfaltet sich erst zu vollem Glanz, wenn er über seinen kranken Hund schreibt.
Die absolut schlechteste Art menschlicher Lebewesen sind Schwiegermütter (alte Schachteln), vor allem dann, wenn ihre Töchter bei ihnen Hilfe suchen, weil sie anscheinend doch nicht so glücklich sind mit ihrem Jan.
Hitparade:
- beliebt: Möwen und Hunde
- auch noch beliebt: Frauen mit schönen Titten, die man ficken kann
- unbeliebt: Frauen, die man nicht ficken kann, demnach also auch keine schönen Titten haben
- total unbeliebt: Schwiegermütter
10 Thema: Die unbeherrschbaren Triebe und der Reiz »der Kirschen in Nachbars Garten«.
11
Verflixt! Wir haben wieder vier Mann verloren!
Wir dürfen uns nicht beklagen, Füll.
Der Feind verlor viel mehr Leute.
Vorwärts, zeig den gelben Fressen, wie Piloten der U.S. Navy kämpfen!
Rat-tat-tat ta-tat.
Nein, Elender. Stirb! Blam. Ahh!
Rat-tat-tat-tat
Okay! Vorwärts, Männer! Pow! Aaii! Da! Oh!
Du mußt dran glauben, Hund! Oder du, verflixt! Stirb! Kein Mitleid! Schlag zu!
Vorwärts! Blam! Verdammt! Dich mach' ich selber fertig, Kamerad.
Bitte. Rat-tat-tat! Uh! , Greif doch verdammt noch mal an!
Vorwärts Freddy! Du wirst dran glauben! Aua!
Wenn ich es richtig sehe, ist er der letzte! Aach!
Wenn du dich rührst, bist du tot! Du hast es selbst gewollt! Oooh!
So muß man 's machen! Wir kommen![10]
»Er wollte sie am Kopf packen, so daß er mit seinem Kanonenlauf ganz hineindringen könnte,
um ihre kreisende Zunge unter ihm zu begraben. Sein heißer Kolben stieß wie ein Preßlufthammer zu.
Bei jedem Hineinstoßen schob sich sein Schlagbaum tiefer in ihr Loch.
Oh Gott! Tut das weh! wimmerte sie.
Aber ihre Worte waren nutzlos.
Er dachte nur noch an ihre Votze und seinen bohrenden Schwanz.
Er zog ihn schnell zurück und stieß ihn dann wieder für den zweiten Schuß hinein.
Sein Schwanz feuerte wieder ein Meer von Sperma ab.
Leo wollte schreien. Er wollte vorwärts schießen,
auf ihren sich windenden Körper, ihn auf den Boden schleudern
und ihn mit seinem gnadenlosen Schwanz durchbohren.
Auuuu! Hmmmm! wimmerte sie, als Matts Ständer in ihre Muschi eindrang.
Sein Schwanz war wie ein Speer, der nach der warmen Geborgenheit
heißen Fleisches lechzte.
Oahh! Oahh! Oahh! winselte sie.
Leos Hand glitt wieder unter Lisas Kleid,
und sein Finger bohrte sich wie ein Geschoß tief in ihren Hintern.
Sein Gesicht war eine Grimasse,
seine Hände ballten sich zu Fäusten,
und er bearbeitete ihre Hüften mit leidenschaftlichen kräftigen Schlägen.
Stroud benutzte seine langen Socken, um sie festzubinden.
Sie war ihm jetzt ganz und gar ausgeliefert.
Ha, ja . . . so will ich es haben. Hilflos. . .
Festgebunden wie ein Stier, der gebrandmarkt werden soll. Oaaahh!«[11]
Ein Reim, mit dem in der amerikanischen Armee den Soldaten beigebracht wird, wie sie ihr Gewehr nennen müssen:
Das ist mein Maschinengewehr (Gl hält seine M-16 hoch)
Das ist mein Revolver (faßt an seinen Schwanz)
Das eine zum Töten
Das andere zum Vergnügen.
Eine französische Werbung für Pistolen, abgedruckt in der amerikanischen Frauenzeitschrift Ms vom Dezember 1977: Zwei kleine Jungen, die nebeneinander stehen und ihre kleinen Pimmel vergleichen. Der Text dazu: »Männer sind schon von frühester Kindheit an damit beschäftigt, ihre Waffen zu vergleichen.«
12
»Bumsen. . . als höchste Demonstration männlicher Potenz! Auch ist die psychologische Bedeutung dieses in sich gewaltsamen Aktes des Eindringens für Männer sicherlich nicht zu unterschätzen«, sagt Alice Schwarzer in Der >kleine Unterschied< und seine großen Folgen.
Natürlich stimmt es, wir können sehen, erfahren, nachlesen, daß viele Männer unter Sex das Aufpflanzen einer Fahne im Feindesgebiet verstehen. Aber es geht um den Zusammenhang, die Absicht. Wir tappen selbst in die Falle männlicher Mythen, wenn wir sagen, dann sei jede Form der Penetration gewalttätig. Als sei der Penis wirklich eine Waffe. Es geht auch sehr lieb und zärtlich und lustvoll.
13
»Wie dem auch sei, es war ein herrlich beruhigendes Gefühl in Bernhards Armen zu liegen und sich dabei bewußt zu sein, daß er da war, neben ihr. Ich liebe ihn, dachte sie. Nichts außer diesem herrlichen, ruhigen Gefühl lebte in ihr, eine tiefe Zufriedenheit und eine innige Geborgenheit. Sie hatte ihre Augen geschlossen und schob ihre Hand behutsam unter seine Pyjamajacke und legte sie auf seine Brust. Bernard schloß seine Augen und genoß die sanfte Liebkosung ihrer Hand. Eine warme Zärtlichkeit erfüllte ihn. Er fühlte ihre Arme, die sie, als sie aufwachte, um ihn schlang. Ihre Lippen erwiderten seinen Kuß. Keine Spur dessen, was sie trennte, war noch zwischen ihnen. Teresa war sofort bereit, seinem Bedürfnis nach Liebe entgegenzukommen. Liebkosend berührten seine Hände ihren Körper, und sie gab ihm das, was er verlangte. Teresa! Johannes umarmte seine Frau ungestüm. Er bedeckte ihr Gesicht mit Küssen. Oh Teresa, ist es wirklich wahr?! Ach Liebling, ich bin so glücklich. Johannes nahm seine Geige. Teresa lehnte an der Terrassentür und hörte zu. Er wird es schaffen, stellte sie fest, ja, Jo wird es schaffen! Und während die Geige spielte, liefen ihr Tränen des Glücks über die Wangen.«[12]
»Dr. Harold Pinter streichelte die herrlichen jungen Brüste, nachdem er das rothaarige Weibstück rücklings auf sein Bett gelegt hatte. Nun würde er sich bei ihr revanchieren, sich rächen für die Art, in der sie ihre riesigen Titten ihm praktisch unter seine Nase gehalten hatte, während er verzweifelt versucht hatte, seine Aufmerksamkeit auf den Unterricht, den er zu halten hatte, zu konzentrieren. Er streifte ihr Kleid herunter, bis zur Taille. Nur ihr BH schützte ihre Titten noch vor seinen gierigen Händen. Aber mit diesem letzten Hindernis machte er kurzen Prozeß. Er bekam die ganze Fülle ihrer üppigen Titten nicht auf einmal zu fassen. >Oh Gott<, murmelte er ehrfurchtsvoll. >Was für ein Paar Prachtexemplare von Titten. Ich habe schon eine ganze Menge Titten gesehen in meinem Leben, aber solche herrlichen Exemplare noch nie.< Ehrfürchtig legte er seine Hand unter eine Brust und fing an, das ganze nackte, zarte Fleisch zu kneten, bis es vor Wärme schimmerte. >Er besorgt's ihr ordentlich!< flüsterte Mute mit glänzenden Augen. >Hörst du, wie sie's treiben?< Lauthals schrie er: >Gib's ihr richtig, Wade! Geh' richtig 'ran. Fick sie ordentlich durch!< Von der Gewalt seines Orgasmus ' wurde sie hin- und hergeworfen. >Ja, fick mich!< schrie sie. >Fick mich durch, Loren! Stoß mir deinen Schwanz richtig rein, durchbohr mich! Aaaah! Oh Gott, es kommt, es kommt!«[13]
Wie die Beispiele aus Abschnitt 9 sind dies nahezu willkürlich herausgegriffene Fragmente aus Büchern, die man für ein paar Groschen in der Buchhandlung kaufen kann.)
14
>Twentse Courant<, 31.5.1978:
»Während eines Wochenendurlaubes fuhr er mit dem Auto seines Neffen den Nieuwe Grensweg entlang. In der Nähe von Hengelo sah er ein Mädchen auf einem Fahrrad. Er fuhr sie vorsätzlich von hinten an. Das Mädchen wurde bei dem Zusammenstoß verletzt, woraufhin ihr der Verdächtige anbot, sie nach Hause zu fahren. In Wirklichkeit fuhr er auf einen Sandweg, um sie zu vergewaltigen. (…) Der Verteidiger P. Garretsen (...) meinte, die Vergewaltigung sei nicht von ernsterer Art. >Das Mädchen wohnt alleine, und das zeigt doch wohl, daß sie einiges (in sexueller Hinsicht, A. M.) gewöhnt ist<, lautete die Stellungnahme des Anwalts.«
15
Nur als ein Beispiel: ein Gespräch mit einer kleinen Gruppe von Frauen. Gerade erst ist eine, die wir kennen, vergewaltigt worden. Im klassischen Sinn, draußen ins Gebüsch gezerrt worden, nachdem er sie von ihrem Fahrrad heruntergerissen hatte. Wir zitterten alle. Gott sei dank ist noch nie eine der anderen Anwesenden jemals vergewaltigt worden, aber es kann uns allen jederzeit passieren. Sagen wir.
Wir reden über die Gefahr auf der Straße. Darüber, daß wir die Straßenseite wechseln, wenn uns eine Gruppe lärmender Männer entgegenkommt. Daß ich doch lieber nicht die engen kleinen Gassen nehme, wenn ich vom Hauptbahnhof nach Hause gehe. Dann folgen die Geschichten: gerade noch entkommen zu sein, indem sie sich in einer fast leeren Bahnhofshalle sofort in die Nähe anderer Leute geflüchtet hat. Kleine Kämpfe auf der Straße, der Mann in der Straßenbahn, der seine Hand auf deinen Hintern legt. Die Hand unter deinem Rock, wenn du die Treppe hochgehst. Sich gegen einen Mann wehren, der versucht, dich auf der Straße festzuhalten. Dann die Geschichten von zu Hause: der betrunkene Freund, der dich fragt, ob er auf dem Sofa schlafen darf und dann mitten in der Nacht über dich herfällt. Sich einem Ex-Freund nicht verweigern, weil er nur deinetwegen in die Stadt gekommen ist. Und dann die Ehemänner und Freunde. Nachgeben, weil er sonst eine Scheißlaune bekommt und es bombensicher Krach gibt. Angst haben, daß er sonst zu seiner Freundin geht.
Zwei Stunden später stellen wir verbittert fest, daß nicht eine von uns keine Erfahrungen in irgendeiner Form mit Vergewaltigung gemacht hat. Und daß wir nur deswegen glaubten, uns sei sie noch nicht passiert, weil als Vergewaltiger noch immer der Fremde, der dich in die Büsche zerrt, definiert wird. Wir werden nicht nur durch das konkrete Verhalten der Männer unterdrückt, sondern auch dadurch, daß wir uns und unsere Empfindungen aus ihrer Sicht heraus definieren.
Mindestens eine von zweihundert Frauen wird jährlich das Opfer eines Vergewaltigungsversuches.
Du kannst dich gegen Vergewaltigung schützen, indem du nicht allein auf die Straße gehst oder dich unter die Aufsicht deines eigenen Mannes stellst. Nur: der größte Teil der Schwerverbrechen, die zu Hause verübt werden, sind die, die Männer an ihren Frauen verüben. Und wie definieren wir Sicherheit als ein politisches Problem? Daß der Straßenverkehr gefährlich ist, wissen wir. Zum Beispiel gibt es gleich beim Frauenhaus in Amsterdam eine hervorragende Verkehrsüberführung. Leider schlendern dort immer einzelne Kerle herum. Und die Tatsache, daß viele Frauen lieber das Risiko auf sich nehmen, unter ein Auto als unter einen Mann zu kommen, zeigt, daß unsere Sicherheit darin besteht, quer über die Straße zu gehen. Sexuelle Freiheit, die Freiheit, deine eigene Sexualität zu erleben, wird, jedenfalls von Männern, als Recht auf Sex verstanden. Und da das Recht auf Sex als ein Recht auf Frauen angesehen wird, wird es als normal empfunden, daß Männer sich Frauen nehmen, die sie freiwillig nicht bekommen. Vergewaltigung wird als unkontrollierter Triebanfall infolge sexueller Frustration dargestellt und nicht als eine in den meisten Fällen wohlüberlegte Aggressionshandlung. Wäre Vergewaltigung eine Folge sexueller Frustrationen, so würden Männer ängstlich einen kleinen Umweg machen, wenn ihnen in der Ferne eine Frau nachts auf der Straße entgegen käme.
16 Thema: Vergewaltigung ist schön
17
Partnerwahl
»Der Mann kann nur abwärts ficken«, sagt Volker Elis Pilgrim (ein männlicher Überläufer zum Feminismus). »Der Mann kann prinzipiell nicht >nach oben< schlafen, das heißt, er kann nicht mit einem gesellschaftlich gleichwertigen oder stärkeren Menschen lustvoll kommunizieren.«[14] Das wird natürlich nicht laut gesagt. Anziehungskraft, darüber redet man nun einmal nicht. Und so kommt es, daß die Partnerwahl zwischen Männern und Frauen fast immer so aussieht, daß der Mann der Frau überlegen ist: Er ist meistens größer, älter und besser ausgebildet, oder er hat eine bessere Stellung, oder er hat zumindest doch einige dieser Eigenschaften.
In dem Buch von Shorter,[15] der das Familienleben in einer vorindustriellen, agrarischen Gesellschaft beschreibt, fällt auf, daß Männer oft Frauen heiraten, die groß, älter als sie und stark sind. Verständlich: in einer Zeit, in der es auf das Überleben der Familie ankommt und somit auf die Fähigkeiten beider Ehepartner, heiratet man eine Frau nicht wegen ihrer hübschen Schnute. Da ist eine kräftige Frau, die etwas von ihrer Arbeit versteht, wertvoller als ein zerbrechliches, anhängliches Wesen. Das bedeutet allerdings nicht, daß die Frauen deswegen mehr zu sagen hatten, denn die Mißhandlung von Frauen war eine öffentlich be- und erkannte Tatsache. Was aber bestraft wurde, war der umgekehrte Fall, denn in Anbetracht der Tatsache, daß die körperliche Überlegenheit der Männer nicht ohne weiteres gewährleistet war, konnte es schon mal passieren, daß die Frau ihren Mann aus dem Haus prügelte. Also wurde sie bestraft, aber vor allem der Mann. Denn er hatte sich dazu benutzen lassen, die patriarchale Ordnung zu schädigen. Und deswegen war er ein gefährliches Vorbild für andere Männer.
Aber nur nach unten bumsen zu können, zeigt sich übrigens auch in viel subtilerer Form: Indem Frauen danach eingeteilt werden, ob sie für die Kommunikation oberhalb oder unterhalb der Gürtellinie geeignet sind. Frauen, mit denen man ein intellektuelles Gespräch führen kann, die ihre Arbeit genausogut machen wie er seine, die selbständig sind, werden in den Stand der Männer erhoben und sind damit erotisch nicht anziehend. Erotisch anziehend für die Kommunikation unterhalb der Gürtellinie sind dann jene Frauen, mit denen Männer nicht über ihre Arbeit oder über theoretische Probleme reden können. Darüber können sie sich dann wieder bei den oberhalb der Gürtellinie anziehenden Frauen beklagen. Ein neues Thema in Filmen: Beziehungen, die automatisch entzwei gehen, wenn die Frau erfolgreicher als der Mann wird. Siehe u.a. »A star is born« und »New York, New York«.
18
An einer Gruppe Bauarbeiter vorbei. »Sollen wir uns die mal vornehmen, Kumpels?« »Wie schön deine Titten aber auch wieder wackeln, Süße."»Guck bloß nicht so mürrisch, sonst schieben wir dir einen Besenstiel in die Votze.«
Ich habe es schon lange begriffen, daß solche Bemerkungen nichts mit Sex zu tun haben, sondern mit Macht. Zeigen, daß sie, wenn sie wollen, dir etwas tun können. Oder kurzes Gasgeben an einer Kreuzung, so daß du zurückschreckst. Ich verstehe jetzt auch, woher es kommt. Es ist der Klassenhaß, der in das Sich-von-Frauen-Absetzen umgewandelt werden kann. Abreagieren. Zeigen, daß man vielleicht »nur« ein Arbeiter ist, aber auf jeden Fall doch ein »richtiger« Mann. Nicht ohne Grund tritt das Männchenverhalten häufiger im Beisein anderer Männer auf. Eher, um sich selbst und die anderen zu überzeugen und sich zu amüsieren. Keiner der Männer wird glauben, daß ich jemals wirklich darauf eingehe, aber sie wollen herausbekommen, ob sie mich aus der Ruhe bringen können. Als ich einmal stolperte, weil ich krampfhaft zur anderen Seite sah, konnten sie sich vor Lachen nicht halten.
19 Thema: Besitz
Ich verstehe also, woher der Haß kommt. Ich weiß auch, daß für so unterdrückte Männer das einzige Ventil ist, ihre Aggressionen bei Frauen auszuleben. Zu zeigen, daß man wenigstens ein richtiger »Mann« ist. Aber ich nehme nicht länger hin, daß mein Körper als Schlachtfeld benutzt wird, um den Klassenkampf auszutragen.
20
Forderung: acht Jahre wegen Mordes an der Ehefrau.
Trouw, 17. Januar 1978 (Tageszeitung).
»Wir haben es hier mit dem typischen Beispiel eines Verbrechens aus Leidenschaft zu tun.« Mit diesen Worten schloß Heukels sein Plädoyer für den Angeklagten K. Dieser hatte sich vor dem Amsterdamer Gericht wegen des Totschlags seiner Frau zu verantworten. (...)
Die Ehe, neun Monate alt, drohte zu zerbrechen, als K's Frau ankündigte, mit einem anderen Mann ein neues Leben anfangen zu wollen. K. erklärte, der Gedanke, jemand anders könne seine Frau besitzen, sei ihm unerträglich gewesen. (...) »Ich liebe diese Frau. Ich finde es schrecklich, daß sie nicht mehr da ist«, waren die Worte K 's während der Sitzung.
21 Thema: Die sexuelle Herrschaft am Arbeitsplatz
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Inzest ist ein Euphemismus. Es heißt: Sexualität zwischen Familienmitgliedern. Es ist: bis auf einige Ausnahmen, die unberücksichtigt gelassen werden können, sexueller Mißbrauch von Mädchen durch Männer in einer Situation, in der die meisten Mädchen einfach machtlos sind. Bei der »Onkel Harry« - Diskussion vor ein paar Jahren in der Zeitschrift Sekstant wurde diese Tatsache ordentlich verschleiert. Wenn ein Stiefvater regelmäßig die kleine Tochter seiner Frau sexuell mißbraucht, dann heißt es im Sexuellen-Revolutions-Denken »Freiheit über alles!« — Alles, was zwischen zwei Menschen passiert, die sich mögen, ist gut — Manchmal sind es auch die Kinder, die was wollen — Und wer sagt denn, daß das Mädchen ihn nicht verführt hat? Sexueller Liberalismus!
Neben den anderen verborgenen Problemen wie Vergewaltigung und Mißhandlung ist der Inzest jetzt eines der Probleme, das dank des feministischen Bewußtseinsprozesses zum Vorschein kommt. Die Fakten sind sehr viel weniger fröhlich, als wir in der Zeit der sexuellen »Freiheit« glaubten.
Weit mehr Frauen, als wir dachten, sind in ihrer Jugend von Onkeln, Freunden der Familie, Großvätern, Nachbarn, aber vor allem von Vätern mißbraucht worden. In Amerika wurde jedenfalls in einer Untersuchung nachgewiesen, daß ein Viertel der Frauen vor ihrem achtzehnten Lebensjahr in irgendeiner Weise sexuell mißbraucht wird.[16] In Dreiviertel der Fälle kannte das Opfer den Täter, bei 34% fand die Vergewaltigung im eigenen Haus statt. Eine bedeutende Anzahl der späten Abtreibungen, die in der Klinik gemacht wurden, waren, wie sich herausstellte, Inzestfälle. Das wissen wir auch von den Niederlanden.
Kennzeichnend für den Inzest ist es, daß die betroffenen Mädchen sich immer in einer Situation extremer Hilflosigkeit befinden. Wegzulaufen ist schon für erwachsene Frauen nicht einfach und erst recht nicht für Kinder. Und außerdem: es glaubt ihnen niemand. Schon Freud nahm an, daß all die Erzählungen über Inzest, die er von seinen weiblichen Patienten hörte, Wunschphantasie, »wishful thinking «, waren. Ihm kam überhaupt nicht der Gedanke, daß sie wahr sein könnten. Inzest ist nicht so außergewöhnlich oder selten, wie wir es glauben wollen. Er ist genauso üblich, wie Vergewaltigung und Mißhandlung üblich sind. Männer, die Inzest verüben, sind vor allem autoritäre Väter, und autoritäre Väter sind nur etwas autoritärer als Väter mit der »normalen« Gewalt über ihre Kinder. Oftmals vergewaltigen inzestuöse Väter ihre Töchter, weil sie meinen, sie hätten ein Recht auf Sex, den sie aus irgendeinem Grunde von ihrer Frau (nicht zu Hause, krank, nicht anziehend genug usw.) nicht bekommen. Weil Frauen üblicherweise für die Bedürfnisbefriedigung des Mannes verantwortlich sind, egal, ob es nun um seine Ruhe, sein Essen oder seinen Sex geht, müssen einfach die Töchter herhalten, wenn ihre Mütter ausfallen. Für seine Ruhe, für sein Essen und für seinen Sex.[17]
Sicher werden nicht alle Männer einfach vergewaltigen und mißhandeln, dennoch ganz eindeutig ist der Inzest nur eine extreme Form dessen, was in Wirklichkeit normal ist: die alltägliche Herrschaft der Männer über Frauen und Kinder. Mit freiem sexuellem Erleben hat Inzest also nichts zu tun. Die betreffenden Mädchen sind nicht im geringsten frei. Noch mehr als für erwachsene Frauen gilt, daß die Strafe für das Opfer, wenn das Verbrechen öffentlich wird, häufig schlimmer ist als die für den Täter. Daß Kinder, genauso wie Erwachsene, körperliche Zuwendung brauchen, daß Kinder erotische Wesen sind, hat damit sicher wenig zu tun. Frauen haben von Berufs wegen eine erotische Beziehung zu Kindern. Daß so viele Männer körperliche Zuwendung offensichtlich nur in Richtung genitaler Gewalt lenken können, hat kaum etwas mit Freiheit zu tun.[18] Wenn wir all dies wissen, klingen die Äußerungen des Kinderpsychiaters im niederländischen Rundfunk über künstliche Befruchtung bei lesbischen Frauen um so zynischer: Er verbreitet, daß Kinder ohne Vaterfigur Gefahr laufen, unglücklich zu werden; daß Jungen, die von zwei Frauen erzogen werden, nicht lernen, wie sie später mit Frauen umgehen müssen.
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Mann Ernährer |
Frau Hausfrau |
Trennung zwischen Beruf und Beziehungen. Arbeiten in Lohnabhängigkeit, um Geld zu verdienen, um damit die Familie zu ernähren. Sich zu Hause für den nächsten Tag erholen. An seinem Arbeitsplatz ist er eine Nummer. Hause ist er der Boss. Bei seiner Versorgung wird berücksichtigt, daß er müde von seiner Arbeit kommt. Er schafft es nicht immer, noch zu reden, nett zu sein. Seine Frau weiß schließlich, daß er sie liebt, sie sind doch noch immer verheiratet, er bringt doch jede Woche das Geld nach Hause, schuftet sich für die Familie ab. Selbst wenn er sich öfter mal mit einem Glas Bier auf die Couch flezt und die Füße auf den Tisch packt. Schon wieder hat sie Kopfschmerzen. Sex als Konsum, als Kompensation, als Recht, als Freizeitbeschäftigung. |
Zusammenfallen von Arbeit und Wohnen, zwischen Arbeit und Wohnen, von Beruf und Beziehungen. Sich den ganzen Tag um die Kinder und das Haus kümmern. Essen auf den Tisch bringen. Sich selbst nebenher auch noch versorgen. Er hat ein Recht darauf, zu sehen, daß es seiner Familie gut geht. Schließlich arbeitet er hart genug dafür. Und möchte sich zu Hause auch mal entspannen können. Sie hat den Ehrgeiz, daß der Haushalt gut funktioniert, die Kinder ordentlich angezogen sind, das Haus gemütlich ist. Wenn er nach Hause kommt, hält sie die Kinder ruhig, weil er müde ist. Sie hört sich seine Sorgen an, jedenfalls dann, wenn er Lust hat zu reden. Sie hofft, daß er abends bloß nicht wieder will, wo sie doch so früh für die Kinder aufstehen muß. Sie hatte gestern schon Kopfschmerzen. Aber was macht das schon. Sie macht ihm damit eine Freude. Es kostet doch wenig, angesichts der Mühe, die sie damit hat, für ihn Kaffee zu kochen, Knöpfe ans Oberhemd zu nähen. Sex als Pflicht, als Arbeit, als Ruhigstellung. |
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Aufklärung im Zentrum für junge Arbeiter. Damals (vor ungefähr sieben Jahren) waren die Mädchen- und Jungengruppen noch getrennt. Das paßte mir gut, denn ich hatte schon die Erfahrung gemacht, daß in gemischten Gruppen sich niemand traute, über die Sachen zu reden, die sie wirklich interessierten, und sie alle dasaßen und gespannt auf die Reaktionen des anderen Geschlechts warteten.
Die Jungen. Als ich hereinkomme, kichern sie nervös und schubsen sich gegenseitig von den Stühlen. »Na Kees, nun sag's ihr doch, tu's doch.« Kees wird rot. Wir haben die Abmachung getroffen, daß sie selber Fragen stellen sollen, daß ich nicht mit Bienen- und Blumengeschichten oder Gebärmutterquerschnitten anfange. »Findet ihr es komisch, mit einer Frau über Sex zu reden?« frage ich sie. »Würdet ihr denn den Mund aufkriegen, wenn ihr mich an der Pommesbude getroffen hättet?« »Ja, dann hätten wir schon gewußt, was wir mit dir machen müssen«, ruft Kees. Brüllendes Gelächter.
Dann kommen die Fragen. Wie es bei Frauen funktioniert, ob die auch geil werden und wodurch. Warum sie sich so anstellen und auf halbem Wege aufhören.
Ich gebe die Fragen an sie zurück, bekomme die Diskussion dahin, wie sie mit Mädchen umgehen. »Natürlich versucht man, die Mädchen so weit zu bekommen, wie man nur kann.« »Es sind Mädchen dabei, über die ist jeder schon mal 'rübergestiegen. Das sind richtig abgeleckte Butterbrote. Warum muß so eine noch so tun, als ob sie nicht will?« Ich bemühe mich, ihnen zu erklären, daß es vielleicht für die Mädchen auch nicht so schön ist, wenn jeder Junge — egal, ob er sie mag oder nicht - versucht, sie 'rumzukriegen, und ihr dann übelnimmt, daß er sie 'rumbekommen hat. Und daß die Mädchen womöglich, weil es ihnen allein überlassen ist, sich entweder zu wehren oder nicht, allmählich auch keine Lust mehr auf Sex haben und später, wenn sie verheiratet sind, den Sex nicht mehr so nötig brauchen. Und daß auch die Jungen ihren Anteil dazu beigetragen haben. Betretenes Schweigen. Na ja, so könnte man's auch sehen. Und dann sagt Kees, eindeutig um mir eine Freude zu machen: »Weißt du, wenn es ein wirklich nettes Mädchen ist, steig' ich nicht einfach so über sie 'rüber, verstehst du.«
Die Mädchen. Das Spiegelbild der Diskussion mit den Jungen. Die gleiche doppelte Moral, nur mit umgekehrten Vorzeichen. Sex bleibt ein Begriff, ohne die brennende Aktualität, die er für die Jungen hat. Etwas für später, etwas Schönes sei es, sich ganz und gar jemandem hinzugeben, sagen sie. Mit unbewegten Gesichtern, die nicht danach aussehen, als freuten sie sich besonders darauf. Sie werden lebhaft, als wir nicht mehr über Sex, sondern über Jungen reden. (»Jungen interessieren sich mehr für Sex als für Mädchen, Mädchen mehr für Jungen als für Sex «, sagt Frenken.[19]) Immer wieder das gleiche Dilemma. Um auf einen Jungen anziehend zu wirken, ihn zu halten, müssen Mädchen sexy sein. Wenn sie ihn nicht regelmäßig soundsoviele Zentimeter weitergehen lassen, laufen sie Gefahr, daß er die eine gegen eine willigere eintauscht. Aber wenn eine zu weit geht, ist sie ein abgelecktes Butterbrot, und so eine heiratet er nicht. Und sie vermasselt sich die Chancen bei anderen Jungen, denn sie kann sich ausrechnen, daß die darüber reden.
Sex als Handelsware, sorgfältig verteilt, um sich die eigene Zukunft nicht zu verbauen. Mit eigener Sexualität hat das natürlich fast nichts mehr zu tun. In dem Gespräch geht es kaum darum, ob es auch schön ist. Ein Balanceakt zwischen Hure und blöde Gans. Ein Seiltanz. Ich werde davon depressiv. Hier kann ich mit meinen Sprüchen über fröhlichen Sex und »Freiheit über alles «, die ich in der NVSH (Niederländische Vereinigung für Sexualreform) gelernt habe, nichts anfangen. Von diesen Mädchen kann niemand erwarten, daß sie ihr einziges Machtmittel verschleudern. Freiheit? Pustekuchen.
Mißmutig rede ich mit ihnen noch mal über Verhütungsmittel, damit sie wenigstens nicht auch noch schwanger werden.
25 Thema: Bestrafung der Sünde
26 Sexuelle Freiheit?
Es scheint eine sexuelle Revolution stattgefunden zu haben. Die Sexualität ist nicht mehr an die Fortpflanzung gebunden (obwohl die Art und Weise, wie wir lieben, noch immer an sie gebunden ist; es ist noch immer die gleiche Form des »Geschlechtsverkehrs"). Sicher ist es ein Gewinn, daß wir jetzt frei über Verhütungsmittel verfügen können und damit von der Angst vor einer ungewollten Schwangerschaft befreit wurden. Sicher ist es auch ein Gewinn, daß wir uns von dem Bild der viktorianischen Frau entfernt haben, der nichts am Sex lag, während ihr Mann inzwischen heimlich zu den Mägden ging, die es sich, weil sie von niederem Stande waren, nicht erlauben konnten, sich zu weigern.
Aber sexuelle Freiheit?
Wibaut hat in einer Dissertation die Widerstände der Frauen gegen die Pille untersucht.[20] Mit Recht sieht er eine Beziehung zwischen Verhütung und dem Erleben der Sexualität. Frauen, denen nichts am Sex liegt, beklagen sich häufiger über die Pille, sagt er. Mal abgesehen von der Tatsache, daß mittlerweile schon bewiesen ist, daß die Klagen über die Pille sicher nicht nur subjektiv sind, ist die Art, in der er sexuelles Erleben mißt, schon sehr dubios. 96% der Befragten gaben an, während des Koitus einen Orgasmus zu haben. Hhhm. Und 14% der Frauen behaupteten, sie hätten durch die Pille eine Verlagerung auf das vaginale Empfinden erfahren. Und das 1975! Derweil Masters und Johnson brav herangezogen werden. Und es kam Wibaut noch nicht einmal der Gedanke, die interviewten Frauen könnten vielleicht nur das sagen, wovon sie meinen, man wolle es von ihnen hören. Dreiviertel der Frauen gaben an, gleichzeitig mit dem Partner zum Orgasmus zu kommen. Keinerlei Reaktion bei Wibaut. Ferner wird dann die Frage, ob sie jemals onanierten, haufenweise verneint, und dazu sagt Wibaut dann, dieser Teil der Interviews sei ein Mißerfolg gewesen, da hier doch zu deutlich wurde, daß die Fragen nicht wahrheitsgemäß beantwortet worden seien. Aber der Gedanke, daß vielleicht die ganze Fragestellung, die Art, in der die Frauen interviewt wurden, nichts taugt, kommt nicht auf. Die am Ende des Buches dargelegte Schlußfolgerung ist dann auch beispielhaft. Frauen, die Schwierigkeiten mit der Pille haben, haben ihre Sexualität nicht akzeptiert. Und woraus besteht ihre Sexualität denn nun? Die Sexualität der Frauen selber? »Im übrigen ist es denkbar, daß eine Frau mit einer Abwehrhaltung der Homosexualität gegenüber, mit moralischen Bedenken gegen Ehebruch und einer ablehnenden Haltung gegenüber Masturbation, trotzdem die eigene Sexualität positiv bewerten kann und diese in ihr Leben integriert hat.« Eigene Sexualität? Daß Frauen, die keine oder nur wenig Lust haben, mit ihrem Mann zu bumsen, auch verhältnismäßig weniger Lust haben, die Pille zu schlucken, erscheint mir ohne weiteres einleuchtend. Durch die Pille ist zwar die Selbstbestimmung über die Fruchtbarkeit gegeben, aber nicht mehr die Selbstbestimmung über den Gebrauch deines Körpers. Schließlich war die Fruchtbarkeit unserer Großmütter zumindest ein mehr oder weniger akzeptiertes Argument dafür, nicht immer zur Verfügung zu stehen. Dieses wurde ihnen genommen, ohne daß sich die Machtverhältnisse in der Familie so veränderten, daß sie wirklich über ihre Sexualität bestimmen können, was auch das Recht einschließt, nein zu sagen, ohne sich Lügen dabei ausdenken zu müssen. Keine Lust zu haben, erklärt sich — Wibauts Ansicht nach - aus der kulturellen Tradition, derzufolge Sexualität ohne Fortpflanzung schlecht ist, oder (das schreibt er wirklich) aus dem Mangel an Emanzipation. Daß es in Wirklichkeit an der Form von Sexualität liegt, mit der wir gewohnterweise umgehen müssen, bei der die Befriedigung der Männer im Mittelpunkt steht, und außerdem an den Machtverhältnissen in der Familie, weshalb so viele Frauen ohne erkennbare Gründe keinen Spaß am Sex haben, kommt Wibaut erst gar nicht in den Sinn. Wibaut redet von Frauen, die ihre Sexualität nicht akzeptiert haben. Nach der Lektüre des ganzen Buches wird sehr deutlich, daß mit ihrer Sexualität nicht gerade die An Frauen gemeint ist.
Über meine Sexualität haben die Herren, die noch in Begriffen wie Koitusfrequenz sprechen, jedenfalls nichts zu sagen.
Jos Frenken wollte in seiner Untersuchung über die Ursachen der Ablehnung von Sexualität immerhin gewissenhaft arbeiten.[21] Indem er die Untersuchungsergebnisse der Männer und Frauen einander gegenüber stellte, kamen zumindest mehrere Unterschiede deutlich zum Vorschein. Auf jeden Fall eine vollkommen verklärende, wissenschaftliche Sprache: »Der Mann, der seine Körperfunktionen nach dem Leistungs- und Wettbewerbsprinzip organisiert hat, kann sicher angemessen konkurrieren und effiziente Leistungen bringen, aber er ist bei dem Einbruch von Liebe und Zärtlichkeit in einer soziosexuellen Situation überfordert!« (Wird Frenken nun auch als Männerhasser angesehen? Bestimmt nicht. Vielleicht sollte ich besser auch lernen, so schön 'rumzuschwafeln.)
Die Ergebnisse der Untersuchung sind betrüblich. Von den untersuchten Ehepaaren (Mittelschicht) haben 41% der Frauen kaum Spaß an Sex oder sogar einen richtigen Widerwillen dagegen. Bei den Männern gilt dies nur für 26%. Viele Angaben über die Ursachen, die zu einem solchen Ergebnis führen, werden in der Untersuchung nicht genannt (nur in bezug auf Variable wie Machtverteilung und Selbstbewußtseinsgefühl). Es wird eine Beziehung zwischen einem Schuldgefühl bei der Sexualität und der Lustangst hergestellt. Daß Frauen dabei höher abschneiden, hat Frenkens Ansicht nach etwas mit der Sozialisation der Mädchen zu tun: »Voreheliche sexuelle Verbote wurden ihr schärfer eingeprägt, weil (vor allem früher) mit dem vorehelichen Geschlechtsverkehr mehr negative Festlegungen verbunden waren: der Ruin ihres guten Rufes, ungewollte Schwangerschaft, eine Zwangsehe und somit Verlust der Freiheit und die Furcht >benutzt< zu werden.«
Natürlich entsteht die Ablehnung ehelichen Geschlechtsverkehrs nicht nur aus der vorehelichen Sozialisation. Frenken hat, wie seine Erklärung zeigt, wenig Verständnis für die aktuelle Situation, in der Frauen leben.
Irgendwo in einer kleinen Ecke steht folgender Satz: »…und es gehört zum Wesen einer Frau, von der Berührung eines Mannes, der sie ablehnt oder benutzt oder ihr feindselig gegenüber steht, nicht sexuell erregt zu werden.«
Nun denn! Angesichts der unerhörten institutionalisierten Feindseligkeit gegenüber Frauen in unserer Gesellschaft und der ihr innewohnenden ungleichen Machtverteilung in Mann-Frau-Beziehungen dürfen wir froh sein, daß wenigstens noch 59% Frauen angeben, Spaß an Sex zu haben.
Van Ussel hat in jedem Fall mehr Verständnis für das Verhältnis von Gesellschaft zu dem individuellen Erleben der Sexualität gezeigt. In seinem Buch Intimiteit [22] hat er an verschiedenen Stellen darzulegen versucht, daß die Sicht der Frauen in diesem Punkt vielleicht eine andere ist als allgemein beschrieben:
»In einer Männergesellschaft ist die Sexualität von Anfang bis Ende vom Mann determiniert: Er bestimmt, was die Frau bei ihm machen darf und was sie dabei empfinden soll. Eine andere Vorstellung einer zwischenmenschlichen Beziehung, die weniger unmittelbar genital ausgerichtet ist, die weniger den Koitus und die Ejakulation zum Ziel hat, kurz, ein Zusammenspiel zweier entspannter Menschen ist, ist für viele eine unbekannte Sache. Und die Möglichkeiten, dies zu lernen, sind nicht sehr vielfältig. Die sogenannte >sexuelle Revolution< war vor allem eine Angelegenheit von und für Männer. In der Kultur (Filme, Comic Strips etc.) ist Sex oft mit Macht und Gewalt, die vom Mann ausgeübt werden, verbunden. Diese Unfähigkeit des Mannes, sich der Frau auf eine menschlichere Art zu nähern, verursacht bei Frauen, denen dafür eine Empfindlichkeit beigebracht wird, wieder neue Probleme. Von Tag zu Tag nimmt, hauptsächlich in den großen Städten, die Zahl der Mädchen und Frauen zu, die die körperliche Liebe sehr schön finden, aber von der unvorstellbar groben Annäherung der Männer angewidert sind. Die viktorianische Prüderie war für die Frauen nicht vorteilhaft. Aber manche ziehen sie den Brutalitäten vor, die sie sich in einigen Städten gefallen lassen müssen.«
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Sexuelle Freiheit?
Sie würde auch die Freiheit beinhalten, nicht zu bumsen, wenn wir keine Lust dazu haben, denn sonst wäre der Begriff »Freiheit« nur eine Leerformel.
Und wie frei sind wir?
Uns ist inzwischen ganz klar, daß der Druck, der wegen des Bumsens auf Frauen ausgeübt wird, gewaltig ist. In einer Ehe, aber auch in einer festen Beziehung ist es fast unmöglich, keine Lust zu haben. Einfach so, keine Lust zu haben. Nicht nur einmal oder nur ab und zu, sondern ständig keine Lust, ohne dafür Gründe zu haben (Kopfschmerzen, Streit, Müdigkeit, Unpäßlichkeit). Es ist eine ganz feste Regel, daß Sexualität aus einer Regelmäßigkeit (jeden Tag, dreimal die Woche, am Wochenende) besteht. Es ist genauso eine feste Regel, daß wir in einer festen Beziehung für die sexuellen Bedürfnisse des anderen zuständig sind.
Wir kommen uns nicht normal vor, wenn wir monatelang nicht angefaßt werden wollen. Oder zwar angefaßt, aber nicht gebumst. Vielleicht haben unsere sexuellen Zyklen nicht die Regelmäßigkeit der Uhr, des Mondes. Vielleicht wollen wir wochenlang nichts lieber als den ganzen Tag im Bett liegen und vögeln, und vielleicht ist unser Interesse jahrelang ganz anders gelagert.
Aber einfach wird es uns nicht gemacht, wenn wir von dem üblichen Muster abweichen. Wenn du damit schon keine regelrechten Aggressionen hervorrufst, dann gibt es noch immer die Ideologie des »Normalen «, die dafür sorgt, daß du das Gefühl hast, nichts wert zu sein.
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Lediglich die Frauen aus der Mittelschicht hätten Probleme mit der Sexualität, wird gesagt. Arbeiterfrauen hätten keine. Die hätten ganz andere Sachen im Kopf. Und außerdem würden in Arbeiterfamilien, in der proletarischen Liebe (Friedrich Engels), die Frauen doch nicht von ihren Männern unterdrückt, da schließlich keine ökonomische Ausbeutung vorläge. Spaß an der Sexualität, hängt, wie sich herausgestellt hat, unmittelbar mit dem Platz auf der gesellschaftlichen Leiter zusammen. Je niedriger die gesellschaftliche Stellung, desto geringer der Spaß, und immer haben viel mehr Männer als Frauen Spaß an der Sexualität.
In stärker »segregierten« Beziehungen, d.h. bei einer schärferen Rollenaufteilung in das, was Männer und das, was Frauen zu tun haben, die in der Arbeiterklasse häufiger vorkommen, ist der Unterschied im Erleben zwischen Männern und Frauen am größten. Nur 18% der weißen Frauen in segregierten Ehen geben an, richtigen Spaß am Sex zu haben, bei den schwarzen Frauen sind es 8%.
In segregierten Beziehungen geben nur 37% der Männer an, die Befriedigung ihrer Frau wichtig zu finden, in weniger segregierten Beziehungen sind es 74%.[23] Lillian Breslow Rubin nennt in ihren Interviews [24] keine Zahlen, aber die Reaktionen auf ihre Fragen in Arbeiterfamilien sind deutlich genug: »Obwohl ich es fürchterlich eklig finde (oralen Sex), wenn er es braucht, finde ich, daß ich es tun muß. Ich bin schließlich seine Frau.« »Er kann sicher eine andere finden, die ihm das gibt, also mache ich es dann lieber.« »Ich sage ihm, daß ich es nicht möchte, aber das hilft nichts. Wenn er will, dann machen wir es.« Die Frauen ergreifen selten die Initiative. Weil sie es nicht gelernt haben, weil sie oft mit Recht Angst haben, von ihren Männern für Huren gehalten zu werden. Die Männer wollen gern weiter an ihre Unschuld glauben können, auch wenn ihre Frauen schon zum zweiten Mal verheiratet sind. Wenn sie ihre Hemmungen aber aufgeben und die Initiative ergreifen, wird ihnen manchmal vorgehalten, sie seien nicht »weiblich«.
Mann:
»Es ist nicht so, daß ich es schlimm finde, daß sie mich merken läßt, was sie möchte, sie macht es nur so ungeschickt. Ich meine damit, wenn sie es auf eine nette, weibliche Art täte. Aber Weiblichkeit und ein bißchen Taktgefühl, na ja, das ist nun mal nicht ihre Stärke.«
Frau:
»Ich darf nicht daran denken, daß er mich aggressiv finden könnte, deswegen gebe ich ihm meistens keinen Wink. Meistens wäre das aber besser, weil er dann genau weiß, ob ich in Stimmung bin oder nicht. Aber nicht einfach so, dann warte ich normalerweise.«
Ein Ehepaar, neun Jahre verheiratet, fünfundzwanzig und dreißig Jahre alt.
Frau:
»Ich verstehe ihn nicht, er kann immer. Das war für uns von Anfang ein großes Problem. Wenn wir einander zwei oder drei Tage lang kaum gesehen haben, kann ich nicht einfach so mit ihm ins Bett gehen. Wenn wir Streit haben, dann kann ich den nicht kurz mal abschalten. Es fällt ihm sehr schwer, das zu begreifen. Manchmal glaube ich, daß er nur das EINE will. Ich muß aber wissen, daß er für mich mehr empfindet und ich mehr bin als eine, mit der er ins Bett gehen kann.«
Mann:
»Sie beklagt sich darüber, daß ich nur Sex von ihr will, und ich versuche, ihr klar zu machen, daß dies ein Zeichen für Liebe ist. Ich möchte Sachen wiedergutmachen, indem ich mit ihr schlafe, sozusagen die Liebe wiederbeleben. Aber sie bleibt dann so kalt wie ein Stein, und natürlich werde ich dann ärgerlich. Wie soll es auch anders sein? Da versuch' ich, es wiedergutzumachen, und sie bleibt unnahbar. Ich weiß nicht, warum.«
Frau:
»Er nennt das Liebe, aber ich empfinde es nicht als Liebe. Manchmal komme ich mir schlecht vor, weil ich es so sehe, aber ich kann nichts dran ändern.«
Mann:
»Ich verstehe es nicht. Sie sagt, sie empfindet es nicht als Liebe. Was bedeutet Liebe denn eigentlich? Was glaubt sie, was Liebe ist?«
Frau:
»Ich möchte, daß er sich mit mir unterhält, daß er mir sagt, woran er denkt. Wenn wir Streit haben, möchte ich darüber reden, damit wir es vielleicht klären können. Ich will nicht einfach so mit ihm ins Bett gehen und tun, als ob nichts passiert ist. «
Mann:
»Reden, reden! Was gibt's denn da zu reden? Ich will mit ihr schlafen, und sie sagt, daß sie mit mir reden will. Wie kann Reden sie denn davon überzeugen, daß ich sie liebe?«
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Sechzehn Jahre alt war ich. (Die Geschichte ist ja bekannt. Schwanger, früh geheiratet.)
Erster Schock: Solange ich noch nicht verheiratet war, wurde um meine sexuelle »Gunst« geworben. Verliebtes Drängen gehörte dazu, Liebeserklärungen. Nach der Heirat war das nicht mehr notwendig. Die Beute war im Trockenen. Ich durfte mich nicht mehr verweigern.
»Man rennt doch nicht weiter hinter einer Straßenbahn her, in der man längst sitzt.«
Zweiter Schock: Sex hat offensichtlich nichts mit Wärme, Nähe und Berührung zu tun, denn wenn wir Streit hatten, wollte er genauso gern.
Dritter Schock: Die ganze Sexualität wurde mir immer verhaßter. Ungewolltes Eindringen in meinen Körper. Das Gefühl, wie eine Sache benutzt zu werden. Er verhehlte seine Feindseligkeit kaum. Fast als wollte er mich mit Sex bestrafen. So als haßte er mich für seine Abhängigkeit von mir, der Frau, die sich sträubte und keine Lust hatte, als wäre ich für seine sexuellen Bedürfnisse verantwortlich.
Briefe an den Arzt der Zeitschrift Sekstant; seine Version: Sie will nie. Meine Version: Er will immer, es ist ihm egal, ob ich Lust habe oder nicht. Die milde, väterliche Antwort. An mich: Er ist noch jung. Er wird noch ausgeglichener werden. Streiten Sie deswegen nicht. Es kann doch nicht so schwierig sein, ihm das, was er anscheinend so nötig hat, zu geben. An ihn: Sie ist noch jung. Sie müssen ihr beibringen, es schön zu finden. Widmen Sie ihr etwas mehr Aufmerksamkeit. Dann wird sie sicher lernen, es zu genießen.
Die Ehe besteht darin, ein bißchen zu geben und ein bißchen zu nehmen.
»Sie will fast gar nicht«, sagt Woody Allen zu seinem Psychiater in dem Film »Annie Hall«. »Nur dreimal die Woche.« »Er will immer «, sagt seine Frau zu ihrem Psychiater. »Mindestens dreimal die Woche.«
Als ich endgültig aufhörte, mich Dingen, die ich nicht wollte, unterzuordnen, erkannte ich, daß es nichts anderes als eine Widerstandshandlung war. Seine Aggression hatte ich erwartet. Ich entzog ihm seine »Rechte«.
Ich bezeichnete mich selbst als frigide. Ich las die Prospekte der NSVH, die mir zugeschickt wurden. »Sexuelle Probleme der Frau.« Ich unterstrich:
»Wenn die Frau den Koitus, aus welchen Gründen auch immer, nicht genießen kann und ihm gegenüber einen Widerwillen an den Tag legt, besteht die Gefahr, daß der Ehemann, getrieben von seiner Enttäuschung, irgendwo anders seine Zuneigung auslebt.«
Das hatte ich schon vermutet, und deshalb war es für mich klar, daß ich mein Bestes tun mußte, um meinen Widerwillen zu überwinden. Nicht, weil es schön für mich sein würde, es zu genießen, sondern weil es notwendig war, um die Ehe aufrechtzuerhalten. Zu streiken wagte ich auch erst, als es mir wie ein »Segen des Himmels« vorkam, wenn er seine »Zuneigung« irgendwo anders ausleben würde.
Im Prospekt mit zittrigen Linien unterstrichen:
»Es ist eine unbewußte Reaktion, die aus einer falschen Einstellung zur Sexualität erwächst, eine Einstellung, der sich die Frau nicht mehr bewußt ist, die aber aus einer Erziehung, in der die Sexualität zu etwas Schlechtem oder Angst einflößendem geworden ist, entstanden ist und weiter im Unterbewußten arbeitet.« Tja, über das Unterbewußte kann man natürlich nicht diskutieren. Und tatsächlich: sehr viel sexuelle Freude haben meine Eltern nicht ausgestrahlt. Also akzeptierte ich, daß mein Widerwille an mir lag, an einer Erziehung und nicht an meiner kaputten Situation, einer Scheißehe, an einem kulturellen Schock, am Isoliertsein, an der Perspektivelosigkeit.
Unterstrichen:
»Der Höhepunkt der Erregung wird normalerweise nur auf zwei Arten erreicht, und zwar durch die Reizung der Klitoris (Kitzler) oder Scheide.«
Ich hatte überhaupt keinen Orgasmus, weder einen klitoralen noch einen vaginalen. Da stand, daß der Ehepartner meine sexuellen Gefühle wecken sollte, indem er die Klitoris reizte. Das sei zwar nicht der ideale Fall, »schließlich sei das Ideal eine Geschlechtsgemeinschaft, in der beide Partner zusammen, also gleichzeitig ihren Orgasmus erreichen«, aber es war auch nicht anormal. Ich haßte dieses Gefühl, wenn er, gespannt auf meine Reaktionen, an mir rumfummelte, als drehe er den Knopf am Radio, um den richtigen Sender zu finden. Glücklicherweise stand dann in dem Blättchen auch, daß eine große Anzahl von Frauen keinen kurzen, stürmischen Höhepunkt erlebten, sondern eher eine langandauernde Periode, in der sie sich glücklich fühlen.
Unterstrichen:
»Wenn sie sich nach dem Koitus entspannt und glücklich fühlt, behaglich und träge, und mit der ganzen Welt zufrieden ist, wenn sie sich am nächsten Tag wie neu geboren fühlt und sich freudig und mit neuer Energie an ihr Tagwerk macht, dann hatte sie einen Orgasmus, und es tut nichts mehr zur Sache, ob sie diesen als einen klitoralen, einen vaginalen oder einen diffusen Orgasmus erlebt hat.«
Das Gefühl des Neugeborenseins war manchmal angesichts der Unordnung vom Frühstück, der angebrannten Töpfe von gestern und einem Eimer voller Windeln eher eine Enttäuschung. Trotzdem beschloß ich lieber, daß es das war, was ich hatte. Einen diffusen Orgasmus.
Wie viele Frauen wohl in den sechziger Jahren mit einem diffusen Orgasmus herumliefen?
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Mit Ach und Krach hinterher
Prof. Kuiper: »Es gibt verschiedene Lokalisationen des Orgasmusses, diese Tatsache hat viel Anlaß zum Schreiben gegeben. Anfänglich wurde angenommen, daß die stärksten Reize in der Klitoris, das Analogon zum Penis beim Mann, erlebt werden. (. ..) Man hat diesen aber, um ihn von dem der rhythmischen Kontraktionen in der Vagina zu unterscheiden, eher als den männlichen Orgasmus bei der Frau bezeichnet. (...)
Die Empfindungen in der Vaginalwand treten meistens erst später in der Entwicklung der Frau auf als der klitorale Orgasmus, und der Mann muß damit rechnen, ihr die Zeit zu gönnen, und die Klitoris tüchtig in das Vorspiel mit einbeziehen, beziehungsweise dafür sorgen, daß die Klitoris während des Koitus gereizt wird. (. . .) Bleibt die Vagina aber auf die Dauer auffallend unempfindlich Reizungen gegenüber, und ist es, obwohl man aneinander gewöhnt ist, auch nicht möglich, außer über die Reizung der Klitoris zu einem Orgasmus zu kommen, dann sollte man einen Arzt zu Rate ziehen. Es ist nicht gut, sich zu lange abzumühen. Das beschriebene Symptom kann auf eine Pathologie weisen, die der Behandlung bedarf. (. . . j Das Nichtauftreten eines Orgasmusses bei vaginaler Reizung ist oft der Grund dafür, daß die Partner den Orgasmus nicht gleichzeitig erleben.
Auf die Dauer ein ungewollter Zustand, über den sich der Mann, wenn die Verliebtheit vorbei ist, beklagen wird: 'immer mit Ach und Krach, hinterher', damit ist gemeint, daß die manuelle Reizung, durch die er es seiner Frau nachträglich ermöglicht, an der Freude teilzuhaben, auf die Dauer wohl etwas viel verlangt ist. (...)
Die tieferliegende Ursache dafür ist oftmals die Unzufriedenheit über das Frau-Sein, das besitzen zu wollen, was der Mann hat: Dort ist es schön, nicht da. Diese Ursache ist unbewußt.«[25]
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Die größten Lügen. Auf einem Frauenkongreß in Ockenburgh vor ungefähr fünf Jahren veranstalteten wir eine Arbeitstagung zum Thema Sex. Wir wußten schon aus unseren Gesprächsgruppen, daß viele Frauen häufig so tun, als hätten sie einen Orgasmus. Nur eine von uns hatte noch nie einen Orgasmus vorgespielt und glaubte, daß sie spinnt.
Das Muster:
Es ist spannend das erste Mal. Sehr emotional, wir mußten uns gegenseitig erst kennenlernen. Ein Orgasmus ist weniger wichtig als das intensive Zusammensein mit jemandem. Einen Orgasmus kannst du auch allein haben.
Sich beim vierten Mal nicht mehr trauen zu sagen, daß du keinen Orgasmus gehabt hast. Beim elften Mal ist es unmöglich. Die Angst, daß du ihn verletzt, wenn du keinen Orgasmus hast. Es bedeutet ihm viel, ein guter Liebhaber zu sein. Er kann auch wü tend darüber werden und abhauen. Seine letzte Freundin karr nämlich zum Orgasmus. Sagt er. Sagte sie.
Dreiviertel der anwesenden Frauen geben zu, manchmal (ode regelmäßig) so zu tun als ob.
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Die frau, die sich im koitus mit bewegt kommt von weit her schaut sie genau an die frau, auf der ihr liegt! hinter ihr tun sich wüsten und abgründe auf. sie hat lange strecken von vergessen zurück gelegt, herzbrocken im geröll verstreut, felsen vor frische wunden geschoben ihre gefühle sind abgemagert. jähre auf der eisdecke eurer ängste zugebracht die zacken der gefühlsarmut gerundet so sanft so samten so weich. sie trägt ein meer von angestauten orgasmen in sich, das sie zu keinen lebzeiten wird ausgiessen können die zeit drängt, die gedanken brennen, sie ist eine ruferin in der wüste, die frau auf der ihr liegt schaut sie genau an! nicht dieser warme körper unter euch ist Wirklichkeit was ihr für wirklich haltet, ist nur ein äugen blick, ein innehalten zwischen vielen Wirklichkeiten davor und danach.[26]
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Rein körperlich unterscheidet sich die sexuelle Reaktion der Frauen nur minimal von der der Männer. Die Erregungs- und Entspannungszustände sind bei derselben Reizzufuhr gleich. Masters und Johnson haben dies in Einzelheiten untersucht. Der einzige Unterschied scheint darin zu bestehen, daß Frauen zu mehr Orgasmen hintereinander fähig sind als Männer.
- Die Theorie der weiblichen »Unersättlichkeit« als Beweis ihrer Überlegenheit. Die Sexualität der Frau wurde so lange geleugnet, nun werden wir zeigen, daß wir es noch besser können! Der ganze Mist des Quantität = Qualitätdenkens. Als ob wir nicht ab und zu — trotz unserer Fähigkeiten zu noch einem Orgasmus — uns lieber noch ein bißchen unterhalten oder schlafen oder ein gutes Buch lesen würden.
Betrachten wir es rein körperlich, reagieren Frauen auf Reizungen in der gleichen Weise wie Männer. Das Mißverständnis liegt nur darin, daß das, was wir als natürlichen Sexualakt ansehen, Männer und Frauen nicht in der gleichen Weise erregt. Bei Männern ist das Fortpflanzungsorgan und das Lustorgan ein und dasselbe. Bei Frauen nicht, Frauen haben eine Klitoris und eine Vagina. Rein anatomisch gesehen, ist die Vagina eine ausgezeichnete Umgebung für eine optimale Reizung des Penis. Rein anatomisch gesehen, erleben Frauen beim »klassischen Geschlechtsverkehr« die Art der Reizung, die Männer empfinden, wenn ihre Hoden mehr oder weniger rhythmisch gestreichelt oder berührt werden. Das mag vielleicht ein schönes Gefühl sein, aber für den größten Teil der Frauen ist es nicht genug, um einen Orgasmus zu bekommen, egal, wie lange man damit fortfährt. Wie Masters und Johnson bewiesen haben, befinden sich in der Innenseite der Vagina keine Nervenenden. Natürlich hätten wir das wissen können, zum Leid aller Freudianer, die behaupten, daß wir unsere »infantile, klitorale« Sexualität zugunsten einer »erwachsenen, vaginalen« aufgeben müssen. Wishful thinking! Schon lange wissen wir, daß kleine Operationen an der Innenseite der Vagina ohne Betäubung ausgeführt werden können. Und anstatt mit Plastikpenissen herumzuexperimentieren, hätte man die Frauen auch fragen können.
- »Ich kann mich nicht beklagen «, sagen Frauen, wenn man sie fragt, ob sie mit ihrem Hausfrauendasein zufrieden sind. Bei genaueren Fragen zu der konkreten Arbeit, die sie im Haushalt leisten, stellt sich dann heraus, daß sie ganz und gar nicht zufrieden sind. »Mein Mann hilft oft bei der Hausarbeit« — tatsächlich besteht die Hilfe nur aus einem Bruchteil dessen, wie sie sie dargestellt hat, zeigt sich bei genauerem Nachfragen. Fragen zur Sexualität sind noch bedrohlicher. Sie lügen nicht wirkich, wenn sie lauthals verkünden, daß sie mit ihrem sexuellen Leben ganz zufrieden sind. Und später, in einer vertrauteren Gruppe, durch tiefergehende Fragen stellt sich heraus, daß kaum etwas von dieser Zufriedenheit übriggeblieben ist. Ehrliche Antworten würden Frauen geben, die sich frei genug fühlen, um zu antworten. Und frei ist kaum eine. Schon gar nicht von der herrschenden Ideologie. Gebremst durch die Loyalität zu ihrem Mann, den sie nicht angreifen will. Ohne Vergleichsmaterial. Mit einem Selbstbild, zu dem Unzufriedenheit nicht paßt. Einfaches Fragen hat bis heute wenig gebracht.
Mythen. »Frauen brauchen ein längeres Vorspiel, weil es für sie schwieriger ist, in Wallung zu kommen.« Aber Frauen erreichen bei richtiger Reizung ebenso schnell und genauso leicht einen Orgasmus wie Männer. Das wissen wir aus Erfahrungen über Masturbation von Frauen. Wir kennen auch die Daten über lesbische Beziehungen, die — in Orgasmen ausgedrückt - sehr viel besser abschneiden als die heterosexuellen.
Selbstverständlich. Unter Frauen existiert keine Festlegung darüber, wie Sexualität auszusehen hat. Also machen wir einfach das, was wir am schönsten finden. Wir haben nicht das Gefühl, nicht richtig »gefickt« zu haben, wenn keine »Penetration« stattfand. Die Phantasien über Lesbierinnen, die sich gegenseitig mit Kunstpenissen und verschiedenen Gemüsesorten bearbeiten, existieren lediglich im Gehirn der Männer.
- Unsinn, Befriedigung an Orgasmen zu messen. Es ist der Mythos des Wettkampfsexes. Wie oft habe ich schon hervorragend geliebt, ohne dabei einen Orgasmus bekommen zu haben. Wie oft habe ich mit einem technisch brillanten Menschen geschlafen und bekam davon nur einen fürchterlichen Kater,
Mythen. Man muß gleichzeitig zum Orgasmus kommen. Und wir mühen uns ab. Er muß sich konzentrieren, um seinen Orgasmus hinauszuzögern. Sie muß krampfhaft versuchen, sich zu entspannen, was paradox ist, denn wie kann sie sich entspannen, wenn sie es krampfhaft versucht. Sex ist schön, nicht?
Mythen. Impotenz und Frigidität (die Sprache: impotent bedeutet »machtlos«. Frauen sind nicht impotent, sondern »kalt«, sie können keine Macht verlieren, da sie nie welche besessen haben). Frigidität gibt es nicht.
Es gibt lediglich Frauen, die unter bestimmten Umständen keinen Orgasmus bekommen können. Das ist eine ganz normale Reaktion angesichts der Situation, in der viele Frauen sich befinden. »Frigide ist ein Männerwort für eine Frau, die keinen Orgasmus bekommen kann, wenn ihr Mann auf ihr liegt und sie fünf Minuten lang nur so stimuliert, wie es für ihn gut ist«, sagt Betty Dodson.[27]
Es gibt Männer, die nicht immer, wenn es von ihnen erwartet wird oder sie es von sich selbst erwarten, eine Erektion bekommen können. Eine ganz normale Reaktion in Anbetracht dessen, welch einem Leistungsdruck ein kleiner Körperteil, der sich einige Zentimeter vergrößern muß, unterliegt und welcher Selbstwert diesem beigemessen wird. Und wieviel fröhlicher wäre es, wenn Männer stärker berücksichtigten, daß der Sex nicht durch Vaters Zauberstab entsteht, sondern daneben noch der ganze restliche Körper existiert, mit dem man auch herrlich lieben kann. Betty Dodson sagt:
»In erster Linie ist der Mann für den Ablauf der ganzen idealisierten Fickerei verantwortlich. Von ihm wird erwartet, daß er eine Erektion bekommt (allein schon von ihrer nackten Schönheit), die Erektion aufrechterhält und dann, während er seine Geliebte, ohne irgendeine Information über das, was sie schön findet, zum Orgasmus bringt, die Erektion bis zum Ende aufrechterhält. Sie ist dabei passiv, schön und voller Charme und wartet auf das überwältigende Erlebnis, das Orgasmus heißt, und da nichts passiert, konzentriert sie sich also lieber auf die Liebe, die Stärke und Bedeutung ihrer Beziehung. Das ist eher eine der idealisierten Versionen einer stereotypen Rollenverteilung in der Sexualität.
Ein anderes stereotypes Sexualverhalten zeigt der Mann, der von der Frau erwartet, daß sie ihm eine Erektion verschafft. Sie ist dafür verantwortlich, daß er erregt wird. Sie ist ganz aufsein Vergnügen und seinen Orgasmus ausgerichtet. Sie macht oralen Sex, um ihn »steif zu bekommen, er übernimmt ihn dann wieder und begibt sich in die Grundstellung, steckt ihn rein und zieht die ganze weitere Fickerei so durch, wie es für ihn am besten ist. Sie hilft ihm dabei und stürzt sich in ein herzzerreißendes Theater von Seufzern, Wimmern und Stöhnen, um ihn stärker zu erregen. Er kommt, sie tut nur so, und er pennt, während er sie in seinen Armen hält, langsam ein. Sie fühlt sich hervorragend, weil sie so für sein Vergnügen gesorgt hat, und konzentriert sich auf ihre Liebe und seine Nähe. Ihm geht es blendend, denn ihre Reaktionen haben ihm bewiesen, welch guter Liebhaber er doch ist, und er findet es schön, daß sie verrückt nach ihm ist.«
Der nationale amerikanische Mittelwert für das Andauern einer Erektion nach der Penetration liegt, laut Kinsey, bei zweieinhalb Minuten.
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Wenn es so ist, daß Frauen keinen Orgasmus bekommen, wie es sich in Männerphantasien gehört, kann Mann zwei Dinge tun: Man(n) kann die Phantasie verändern oder die Frauen. Der Gynäkologe James Burt verändert Frauen. Nachdem er an ungefähr 4000 Frauen, die wegen eines Scheidendammschnittes (in Amerika wird routinemäßig bei allen schwangeren Frauen ein Schnitt gemacht, weil das die Entbindung erleichtert, vor allem für den Arzt) bei ihm in Behandlung waren, Versuche durchgeführt hat, spezialisiert er sich jetzt auf Operationen: Er versetzt bei »anorgastischen« Frauen, also Frauen, die beim »normalen« Geschlechtsverkehr keinen Orgasmus bekommen, die Klitoris. Der Vorteil sei, sagt Dr. Burt, der seinen Erfolg an seiner von ihm eigenhändig mit der idealen Vagina ausgestatteten Ehefrau demonstriert, daß die Frauen jetzt »normal« und nicht durch lauter »unnormale« Manipulationen auf eine andere Art als durch die Bewegung des Penis zu einem Orgasmus kommen.[28] Dr. Burt hat eine Public Relations Agentur übernommen, um für seine neue Erfindung zu werben.
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Die Entdeckung, daß es keinen vaginalen Orgasmus gibt, ist mehr als ein medizinisches, sexuologisches Detail. Wutreaktionen zeigen, daß von einer politischen Bedeutung gesprochen werden kann (zumindest dann, wenn — wie ich es tue — jemand die Mann-Frau-Beziehungen als gesellschaftliche und somit als politische Verhältnisse ansieht).
Anne Koedt hat das in ihrem inzwischen zu den feministischen Klassikern gehörenden Artikel Der Mythos vom vaginalen Orgasmus schon vor Jahren analysiert.[29]
Indem wir mit dem Mythos vom vaginalen Orgasmus abrechnen, rechnen wir gleichzeitig mit dem Mythos vom Penis als einzigem lusterzeugenden Organ für die Frauen ab. Wir erkennen, daß Frauen keinen Mann für ihre Bedürfnisbefriedigung brauchen, sondern das Bedürfnis nach einem netten Menschen haben, mit oder ohne Penis, mit dem sie lieben können, oder daß sie sogar allein sehr zufrieden sein können. Das ist ein direkter Angriff auf die patriarchale Machtstruktur. Wenn Frauen schon ihr eigenes Geld verdienen und dann auch noch auf sexuellem Gebiet nicht mehr ausschließlich auf sie angewiesen sind! Welchen Trumpf haben Männer dann noch, um die herrschende Arbeitsteilung, von der sie mitprofitieren, aufrechtzuerhalten? Keinen. Dann bleibt ihnen nichts anderes übrig, als nett zu werden, genauso warm und einfühlend, wie Frauen es füreinander sein können. Die selbstverständlichen Privilegien, die sich aus der ökonomischen Abhängigkeit der Frauen in Verbindung mit der herrschenden Ideologie unter anderem zur Sexualität ergeben, existieren dann nicht länger.
Die Angst vor selbständiger werdenden Frauen sitzt tief. Nicht umsonst sind die Furchtreaktionen gegenüber lesbischen Frauen so heftig, allen mündlichen Beteuerungen, daß Homosexuelle schließlich auch Menschen seien, zum Trotz. Die Aggression, die einfachen Erklärungen, sie seien bisher nur an die falschen Männer geraten. (Nein, bei ihm wärst du nie lesbisch geworden.) Denn noch immer muß die Homosexualität der Frauen »erklärt« werden. Die Angst vor Lesbianismus aber nicht und auch nicht die zwanghafte HeteroSexualität. Niemand wird an unangenehme Erfahrungen in der Jugend denken, wenn eine Frau nervös erklärt, sie habe selbstverständlich nichts gegen lesbische Frauen, nur habe sie zufällig nun mal nie so empfunden. Aggression gegen Lesbianismus muß nicht erklärt werden. Sie kann obendrein immer in normalen, kulturell bejahten Frauenhaß verpackt werden.
Anne Koedts Artikel ging zu Beginn der Neuen Frauenbewegung von Hand zu Hand. Wir erkannten früh, was es war: explosives, aufrührerisches Zeug.
Eine weitere Verbreitung über die Frauenbewegung hinaus war damals noch nicht möglich. Nicht nur Männer hatten Angst davor, sondern auch Frauen.
Aber die Zeiten ändern sich, langsam. Die Frauenbewegung hat sich zur Massenbewegung entwickelt. Der »kleine Unterschied« und seine großen Folgen,[30] in dem Interviews mit Frauen, hauptsächlich über deren Sexualität, enthalten sind, wurde — trotz der antifeministischen Hetze in der Presse — zum Bestseller. Der Mite Report,[31] ein dickes Bündel an Illustrationen dessen, was Anne Koedt schon früher gesagt hat, bekam eine Millionenauflage. Je stärker sich Frauen auf immer mehr Gebieten freikämpfen, desto eher können wir es uns erlauben, unsere eigene Stimme zu erheben, auch zur Sexualität.
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Ein Arbeitsabend im Kino. Wir, Marjan und ich, sehen uns einen japanischen Film an. Nicht zu unserem Vergnügen, behaupten wir, sondern für den Artikel über Sexualität. Doch neugierig. Mit der Vorstellung, daß wir uns sicher wieder schwarz ärgern werden. Was stimmt.
Angekündigt wurde er als ein Film über eine emanzipierte Frau, eine Frau, die endlich mal zu ihren sexuellen Bedürfnissen steht. Wir wissen schon, daß die Frau am Ende den Mann erwürgt und ihm seine Geschlechtsteile abschneidet. Eindeutig hat das etwas mit der anti-feministischen Vorstellung der Männer von der Vorstellung der Frauen zu tun. In derselben Woche lief ein französischer Film, in dem ein Mann seinen Penis mit einem elektrischen Brotmesser abschneidet. Das sind Zwangsvorstellungen der Männer, nicht der Frauen. Ihre Kastrationsangst ist nicht unser Problem. Keine Frau glaubt wirklich, daß die Macht der Männer in ihrem Penis sitzt. Nur Männer können noch Opfer der von ihnen selbst geschaffenen Mythologie werden.
Und richtig. Was als aktive Sexualität einer Frau vorgetäuscht wird, ist eine der unzähligen Versionen der alten Märchen. Was einer Beziehung zwischen einer Frau und einem Mann ähnelt, ist in Wirklichkeit ein Dreiecksverhältnis: zwischen ihm, ihr und seinem Penis, und Pim ist eindeutig der Boss. Sie will zuerst nicht, sie wird vergewaltigt, (von Pim, er scheint kaum Interesse zu haben) was einfach war, weil sie als untergeordnete Frau im Haus sich einem patriarchalischen Herrn gegenüber nicht erlauben kann, sich zu widersetzen. Dann kommt sie auf den Geschmack und kann nicht mehr genug davon bekommen. Von Pim, wohlgemerkt. Die Beziehung zwischen ihm und ihr ist fast unpersönlich. Er gerät auch in eine Abhängigkeit von Pim und will auch nichts anderes mehr als ficken, ficken auf Teufel komm raus, von oben, unten, vorn und hinten.
Zwei Mythen: zum einen der, daß Frauen, sobald sie mit Vaters Zauberstab in Berührung gekommen sind, sich in unersättliche, männerverschlingende Wesen verwandeln. Zum anderen der, daß Männern, von den Begierden ihres Penis übermannt, nichts anderes übrig bleibt, als hinter ihrem Organ herzuhecheln.
Die Dame ist auch unermüdlich und kommt keuchend fortwährend zum Orgasmus, während er wie ein richtiger Mann keinen Ton von sich gibt und dem Zittern seines Kiefermuskels entnommen werden soll, daß er allmählich in höchste Ekstase gerät. Eine Männerphantasie, das ist eindeutig. Die einzige Beziehung zum Feminismus besteht darin, daß der Film eine Reaktion darauf ist. Marjan geht mittendrin lieber raus und setzt sich unten auf die Treppe, um eine Zigarette zu rauchen. Ich habe mir vorgenommen, es bis zum bitteren Ende durchzustehen, obwohl mich das endlose Ineinanderschieben diverser Körperteile inzwischen grenzenlos langweilt. Pornos finde ich in den meisten Fällen ebenso anziehend wie den Anblick nackten Schnitzelfleisches beim Schlachter.
Auf dem Heimweg merken wir, daß Marjans Fahrrad schleift und ungefähr das gleiche Geräusch macht wie die japanische Dame. Ein in die Länge gezogener Nepp-Orgasmus. Wir fallen vor Lachen fast vom Fahrrad.
37 Thema: Zwangsvorstellungen der Männer
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Gespräch
M: »Vor Jahren saß ich um diese Zeit noch erstarrt am Telefon, ob er anrufen würde. Was sage ich, Jahre, so lange ist es noch nicht einmal her, es kommt mir nur wie ein ganz anderes Leben vor.«
A: »Was hast du bloß in ihm gesehen?«
M: »Das weiß ich jetzt selbst nicht mehr. Aber wir schliefen phantastisch miteinander, in der ersten Zeit. Ich war total weg davon.«
A: »Daran kann ich mich noch gut erinnern, du hattest so einen glasigen Blick und liefst andauernd mit einem dümmlichen Lächeln herum. So als seist du nicht von dieser Welt.«
M: »Und wie war's bei dir, mit Dingsda?«
A: »Ach ja, damals war ich auch ganz und gar von allen guten Geistern verlassen. Heute verstehe ich es auch nicht mehr. Ich kann die Partnerwahl der Frauen, die ich kenne, überhaupt kaum noch nachvollziehen. Zum Beispiel, was sich L. jetzt wieder einbrockt. Wofür haben wir das bloß gemacht!«
A. »Ach, doch, ich weiß noch ziemlich genau, was daran so spannend war. Der Kontrast. Auf der einen Seite der Mann, der dir begegnete, so ein beherrschter, rationaler Typ, weißt du. Und dann, im Bett, wurde ein ganz anderer Mensch aus ihm, sanft und verletzbar und leidenschaftlich und emotional. Dieses Aufbrechen von jemandem war für mich schon immer stärker sexuell geladen, als der eigentliche Sex. Und anders funktionierte es ja auch nicht, denn wie kamst du schon jemals anders an einen Mann in so einer gefühlsmäßigen Beziehung heran, wenn nicht über Sex? Ich ging ganz in ihm auf. Eine totale Identifikation. Hättest du mich damals gefragt, ob ich sexuell auch befriedigt sei, hätte ich nicht gewußt, was du damit meinst. Meine Bedürfnisse gingen total in seinen auf. In so einer Beziehung war nicht mehr viel von mir übrig, glaube ich. Und auf der einen Seite fanden die Männer das toll, eine, die ganz und gar auf sie ausgerichtet war. Aber ich glaube auch, daß sie es sehr bedrückend fanden. So eine Krake um den Hals geschlungen zu haben, mit all diesen emotionalen Fangarmen. . . Es waren meistens Männer, die >wer waren<. Im Nachhinein weiß ich auch genau, warum das so war. Durch so eine Beziehung bekam ich auch ein bißchen Zugang zu Welten, in die ich sonst nicht kommen konnte: Theater, Politik, die Welt der Bücher und der Wissenschaft. Nicht wegen der Bekanntheit, sondern nur weil ich glaubte, daß ich aus eigener Kraft nicht dahin kommen könnte. Das würde mir heute nie wieder passieren. Ich bin jetzt selbst >jemand<. Und ich kann es jetzt beobachten, wie sich Menschen in mich verlieben. Es ist das Spiegelbild von dem, wie ich war. Schrecklich.
Ich glaube, daß ich mich nie wieder so in jemand verlieren könnte.«
M: »Die Kraft, die das kostete.«
A: »Ich würde es nicht mehr können. Ich würde dabei ganz bösartig werden. Das Gefühl zu haben, daß du viel mehr als die Hälfte der Arbeit leisten mußt, viel mehr investieren mußt. Männer sollen das lieber ein bißchen untereinander lernen, anstatt immer von uns.«
(Volker Elis Pilgrim beschreibt in Manifest für den freien Mann seine Versuche, seine Beziehungen mit Männern zu verändern: »Damals begann die Schwerstarbeit, nämlich die, den Panzer des anderen zu knacken. Ich hatte schon bei Frauen geübt. Aber bei ihnen reichte schon eine Berührung, dann sprang ihre Seele auf. Ein Mann gibt sich nicht so leicht zu erkennen. Mit einem Schlagbohrer mußte ich ihnen an den Leib: Warum bist du böse? Warum niedergeschlagen, warum verletzt, warum greifst du mich an? Warum bist du so lustlos?«)
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Es ist nicht leicht, die Sexualität in einer Welt voller Frauenhaß zu genießen, selbst wenn wir es wollten. Sehr viele Frauen haben überhaupt keine Lust mehr, jedenfalls nicht auf einen Mann. Auch während der letzten feministischen Bewegung war ein Leben ohne erotische Beziehungen zu Männern für viele Frauen eine akzeptablere Alternative als die Jagd auf die Ausnahme. Diese Tatsache wurde in eine Vorstellung von Suffragetten als versauerten alten Jungfern verkehrt, in der wir erzogen worden sind. Es kam uns nie in den Sinn, anzunehmen, daß die Frauen vielleicht weniger frustriert waren als ihre verheirateten Schwestern, die als Gegenleistung einen ordentlichen Teil ihrer Selbständigkeit aufgeben mußten. Und wer weiß überhaupt, ob sie nicht viel Spaß miteinander hatten?
Nicht umsonst können so viele Frauen ihre Sexualität (mit einem Mann) erst in einer nicht feindseligen Beziehung erleben. Das heißt, mit jemandem, den du lieben kannst und der dich liebt. Das führt wieder zu der Einschätzung, Frauen seien in ihrem sexuellen Erleben reaktionär, denn Liebe ist nun überhaupt nicht in Mode, und seit der Sexuellen Revolution wird von uns erwartet, daß wir unsere Dienste in »Freiheit« anbieten. Sowie Lohnarbeiter im Gegensatz zu den Sklaven heute die »Freiheit« haben, ihre Arbeitskraft zu verkaufen, darf jetzt mit unserer Sexualität »frei« gehandelt werden. Schutz und Sicherheit haben zu wollen, bevor es ans Ficken geht, ist altmodisch. Durch die Bank wird den Frauen, die Sexualität erst in einer warmen, nicht bedrohlichen Beziehung schön finden, der Vorwurf gemacht, sie seien nicht dazu in der Lage, bloße Sexualität zu genießen. Dabei wird nicht bedacht, daß bloße Sexualität oft stark mit Verachtung und emotionaler Unfähigkeit durchsetzt ist.
»Ein mann, der im allgemeinen bedrohlich ist, soll im einzelnen Hebens wert sein, ein männlicher körper, der im allgemeinen gefährlich ist, soll im einzelnen lustvoll werden.«[32]
Sex ist kein Tabu mehr. Liebe ist ein Tabu. So wie Typen wie unser Premierminister Van Aagt nur peinlich berührt das Wort Sex über die verkniffenen Lippen bringen, reden Progressive über Liebe. In Anführungszeichen, mit einer Grimasse und nervösem Gekicher.
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Gespräch
M: »Verliebst du dich manchmal noch in einen Mann?«
A: »Ganz selten einmal. Vielleicht in ein paar Jahren ein einziges Mal. Ich erwarte es nicht mehr.«
M: »Ich finde nur noch wenige Männer anziehend. Mir kommt es vor, als ob ich ihnen fast gar nicht mehr begegne. Natürlich begegne ich ihnen schon, aber es ist so, als ob ich sie anders sehe.«
A: »Genauso wie wir Frauen früher nicht >sahen<. Mir fällt es jetzt richtig auf, wenn ich einen Mann wirklich nett finde. Es überfällt mich dann regelrecht. Während wir früher doch bei jedem Mann automatisch überlegten: Ist das was, kannst du mit dem was anfangen, wie ist er?«
M: »Wir werden auch alt. Kennst du auch das Gefühl, daß alles immer wieder das gleiche ist, so daß. du es ebensogut lassen kannst? Am Anfang ist es immer sehr schön und aufregend, dann fängt die Frau zu mosern an, weil sie es doch nicht so schön findet, dann wird er genervt, dann kommen die Streitereien - du kennst das sicher. Und dann das böse Erwachen.«
A: »Ich weiß gar nicht mehr, wie das abläuft. Ich kann den richtigen Ton beim Flirten nicht mehr finden. Angefangen vom lässigen Aushorchen über das Sich-interessant-Machen bis hin zu den Doppeldeutigkeiten, die du dir anhören mußt. Es langweilt mich tödlich.«
A: »Wenn ich einen Mann richtig nett finde, dann meist deswegen, weil er Frauen ähnlicher als Männern ist. In seiner Art zu reagieren. Eine Art zu empfinden, die du von einem Mann überhaupt nicht erwartest. Und die dann so außergewöhnlich ist, daß sie dich einfach umwirft. Obwohl ich mich bestimmt nicht in jede Frau verlieben würde, die dieselben Empfindungen hat. Aber dann sind sie ja auch normaler.«
M: »Tust du mit so einem Gefühl denn auch etwas?«
A: »Früher nicht. Da wartete ich ruhig ab, bis es vorbei war. Weil es so eindeutig schlecht für mich gewesen wäre. Für meine Ruhe, die mir doch kostbarer war. Du läßt schließlich auch nicht für jede Sahnetorte alles stehen und liegen, wenn du weißt, daß du davon dick wirst und später dafür büßen mußt. Es ist nicht immer falsch, spontane Gefühle zu unterdrücken.
Das letzte Mal, als es sehr hartnäckig war, habe ich doch etwas unternommen. Zuerst habe ich ruhig abgewartet, daß er blöde Sachen sagen würde. Bei der ersten antifeministischen Dummheit ist es bei mir sofort aus, und früher oder später kommen die mit Sicherheit. Aber er sagte nichts Falsches und blieb nur nett, das machte mich richtig betroffen. Da habe ich ihm einfach einen schriftlichen Antrag gemacht. Ich bin darauf noch immer stolz.
Als ich das Ding erst mal abgeschickt hatte, saß ich da und bekam vor Angst das Schwitzen. Schier irrationale Angst. Ich wußte wirklich nicht, wovor ich Angst hatte, aber ich hatte sie. Ich vertraute darauf, daß er sicher richtig reagieren würde, unabhängig davon, ob er darauf eingehen wollte, und das tat er dann auch, aber trotzdem... Offenbar ist da doch dieser Berg von Angst, wenn du gegen die Normen, gegen deine Sozialisation verstößt. Es war auch nicht so, daß ich Angst hatte, es könnte sich herumsprechen, das kann mir bei dem, was die Leute sowieso über mich sagen, doch egal sein. Aber als Frau ergreifst du einfach nicht die Initiative, zumindest nicht so offen und eindeutig.«
M: »Was hättest du gemacht, wenn er ja gesagt hätte?«
A: »Dann wäre ich in Panik geraten, glaube ich. Ich weiß es nicht. Eigentlich hatte ich in meinem Leben noch nicht einmal sehr viel Platz für eine Beziehung neben der mit ... Es wäre ein heilloses Durcheinander geworden. Ich wollte diese komplizierten Geschichten überhaupt nicht mehr. Die ganze Kraft, die so etwas kostet. Alle diese gräßlichen, voraussehbaren Probleme.«
M: »Aber was denn sonst?« A: »Aber was denn sonst? Ich wollte ja etwas mit diesem Gefühl anfangen. Es ist schade, daß es keine Formen dafür gibt. Mit einer Frau wäre es vielleicht irgendwie gegangen, da hast du viel mehr Zwischenformen, um miteinander umzugehen, sich gegenseitig gut zu finden. Mit einem Mann hast du eine sexuelle Beziehung oder eine asexuelle Freundschaft oder gar nichts. Ich weiß auch nicht, was das ist, was mit mir passiert, wenn ich mich in einen Mann verliebe. Ob es nur ein Stück alter Konditionierung ist oder die Vision einer Zukunft, wie sie sein könnte. Es ist nicht viel Gegenwart dabei.«
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Wie es zu so einer erotischen Stimmung kommen konnte, weiß ich nicht mehr. Wehmütige Musik. Das Zimmer einer Freundin. Jemand spielte Gitarre. Räucherkerzen. (In dieser Zeit war das.) Freunde, die spontan vorbeikamen und auf den Kissen, die auf dem Boden lagen, hängen blieben. Ein gemeinsamer Freund von uns, meiner Freundin und mir. Ein Pärchen. Noch eins. Tanzmusik. Einige erheben sich, um zu tanzen. Einem Typen ist es warm, er zieht seinen Pullover aus. Lieb sieht er aus, der nackte Männerkörper. Ein anderer Typ macht das gleiche. Dann tanzen die Frauen miteinander. Uns ist auch warm. Nach und nach ziehen wir unsere Pullover aus. Es ist ja auch Quatsch, daß Männer sehr wohl nackt sein dürfen, wir aber nicht. Unsere Brüste berühren sich beim Tanzen. Um uns herum die Männer. Sie kommen näher an uns heran, als wir, die vier Frauen, einander im Kreis umarmen und uns dabei zur Musik wiegen. Ein schönes Gefühl, warme Haut berührt meinen Rücken, ich weiß noch nicht einmal, zu wem sie gehört. Die Arme um meine Taille berühren mich nicht nur, sondern halten mich fest. Das ist nicht so schön, es behindert mich bei meinem freien Tanzen. Einer der Typen hat ein Mädchen weggezogen. Er tanzt allein mit ihr, seine Arme steif um sie gelegt. Ein anderer Typ versucht, eine der Frauen in eine Ecke zu ziehen. Auf einmal hat sich das Erotische, das in erster Linie zwischen den Frauen war, in Männer, die an ihrer, beziehungsweise ihren Freundinnen zerren, verwandelt. Eine der Frauen und ich schauen einander an. Wir brauchen nichts zu sagen. Wir machen uns los und ziehen unsere Pullover wieder an. Die beiden in der Ecke hören etwas verdutzt auf, die Frau zieht wieder ihren Pullover an, die Freundin geht Tee kochen. Wir reden nicht viel. Allmählich verschwinden sie der Reihe nach. Ein paar Tage später hören wir in der Gesprächsgruppe, daß eine der Frauen, als sie mit ihrem Mann zu Hause angekommen war, mit ihm Streit bekommen hat. Er warf ihr vor, daß sie feige sei, etwas herausfordere und es dann nicht zu »Ende« bringe.
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Erotik
Hackfleisch mit den Händen kneten. An Kleidern schnuppern, ob sie gewaschen werden müssen. Heiße Lauge mit Seifenpulver, das zwar die Umwelt verschmutzt, aber trotzdem gut riecht. Der Geruch von Sonnenöl und dabei an Mykonos und Le Roc denken. Sich umdrehen, um keinen Sonnenbrand zu bekommen. Kühlen Weißwein in einen sonnendurchfluteten Körper fließen lassen. Der Schock, wenn kaltes Wasser an einen warmen Körper kommt. Der Schock, wenn ein warmer Körper einen kalten Körper berührt. Meine Haare unter der Dusche waschen, wenn ich sehr müde bin. Von der kalten Straße kommen und die Füße an den warmen Kachelofen pressen. Neue Schuhe ausziehen. Meine Kontaktlinsen herausnehmen und mir die Augen reiben. Die Strümpfe ausziehen und meine Knöchel kratzen. Ein Kinderhals. Kinderhaare, die nach Straße oder Meerwasser riechen. Noch eine halbe Stunde weiterschlafen, wenn der Wecker schon lange geklingelt hat. Mit bloßen Füßen auf dem frischgescheuerten Küchenboden stehen. Den Wind an den Innenseiten meiner Schenkel spüren. In der Frühjahrssonne ohne Jacke mit dem Fahrrad die Gracht entlangfahren. Morgens um vier nach einer Party Fahrrad fahren. Saar, die auf meinem Schoß liegt und schnurrt, während ich stricke. Stapel von schönen Kleidern im Schrank. Eine Person, die ich gut finde, mit Sonnenöl einreiben. Der Duft wilden Thymians unter meinen Füßen. Das Gezirpe der Grillen. Zum Schwimmen an den Fluß gehen. Im Schatten auf einer Terrasse sitzen, mit Ouzo und Oliven und einem Buch, das ich schon seit Monaten lesen wollte. Arm in Arm mit Barbara über den Markt gehen. Vier Umarmungen am Tag, weil das wegen meiner Radikaltherapie sein muß. Die ganzen unterschiedlichen Gerüche. Ann und Truus duften nach Amazone, wenn sie vorbei kommen. Eau Sauvage von Dior im Sommer und Havoc von Mary Quant im Winter. Der Geruch im Stedelijk Museum. Der Geruch der Londoner Untergrundbahn. Säugen. Preßwehen. Ein Kind, das sich in deinem Bauch bewegt. Joyces Bauch, der immer dicker wird, streicheln. In der Waschschüssel. glatte Kinderkörper einseifen. Ein Babymund, der an meinem Zeigefinger saugt. Plakate mit Kleister auf glatten Marmor kleben. Rias nackten Körper betrachten, wenn sie lässig auf einem Stuhl sitzt. Ihre Hände, mit denen sie redet. Mich in einem bequemen Sessel zusammenrollen. Das große weiche breite Bett mit den sauberen Laken in einem teuren Hotel in Blois, nach zwei Wochen Zelten, in denen ich auf der harten Erde geschlafen habe. Das klösterliche Bett mit den glatten Laken in der Volkshochschule. Reis, der durch meine Finger rinnt. Frischgemähtes Gras. Der Geruch der Stadt, wenn es gerade geregnet hat. Fenster mit einem Ledertuch abreiben. Eine Wand mit dicker weißer Latexfarbe streichen. Sahne steif schlagen. Porree und Zwiebeln schneiden. Tintenfische ausnehmen. Knoblauch kleinschneiden. Die Männerstimme in der Marienmesse von Monteverdi, und dann noch über Kopfhörer. Mit Freundinnen tanzen. Mit einer Freundin tanzen. Allein tanzen. In den Spiegel schauen, wenn ich schön bin. Der Kaffeeduft aus der Küche. Ja, und einen Cognac möchte ich auch gern dazu haben. Meine glatten Schultern. Armins glatte Schultern. Er rückt mir das Kissen beim Fernsehen zurecht. Während im Fernsehen »Dallas« läuft, Chips essen. Es ist mindestens noch eine halbe Flasche Wein da, und ich muß heute abend nicht mehr arbeiten. Vögel in der Prinsengracht. Sonnenflecke im Schatten der Kastanie. Eine Flasche Champagner zusammen mit Hans trinken. Über Beziehungen reden. Sich mit jemand über »Transfer« unterhalten. Die Flasche Sherry in der Dachrinne. Meine kalten Füße im Auto an einer Freundin wärmen. Fürchterlichen Durst haben, und dann ein kaltes Bier. Fürchterlich dringend pinkeln müssen und sich dann endlich zwischen zwei parkende Autos hocken. Tief schlafen, wenn ich blute. Ein Zahnschmerz, der aufhört. Eine Fliege, die an den Innenseiten meiner Schenkel entlangläuft, und dann zu faul sein, sie wegzuscheuchen. Warmer Sand. Der Geruch eines neuen Buches. Der Geruch meines neuen Buches, der glatte Umschlag. Blut von meinem Arm lecken, wenn Saar mich gekratzt hat. Von einer Person träumen, die ich nicht kenne. Croissants und Cafe au lait in der Morgensonne. Sich nackt auf einer Wiese versammeln. Studenten am Nacktstrand von Zandvoort prüfen. Ein Gutenachtkuß von Marien. In der Uni eine Freundin treffen, die ich monatelang nicht gesehen habe. Eine Freundin in der Frauenkneipe treffen. Warmer Kaffee in kalten Händen. Ein neues Schreibheft, neues Schreibmaschinenpapier. Neue Radiergummi, die ich nie benutze, neue Heft- und Büroklammern. Ein eingeschriebener Füllfederhalter. Gähnend neben einer Freundin stehen, in dem Wissen, daß ich mit dem Auto nach Hause gebracht werde und schlafen darf, und dann doch noch ein Gläschen Wein trinken. Sommerkleider anziehen können. Den Knopf meiner Hose aufmachen, weil ich zuviel gegessen habe. In der Badewanne mit einem Glas Wein sitzen und mich mit Ria und Truus unterhalten. Beim Schreiben ganz genau den richtigen Satz zu Papier bringen.
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Zarzuela
Viele verschiedene Sorten Fisch, in Stücken und Scheiben. Tintenfisch, ein paar Muscheln, pro Person eine große Garnele oder einen kleinen Krebs. Oliven.
Gemüse für die Sauce mediterrain: viele Zwiebeln, Knoblauch, Tomaten, Paprika, etwas Auberginen- oder Kürbisfleisch. Mittelmeerkräuter, Thymian etc. Es können auch ein paar Paellakräuter mit hineingegeben werden. Wichtig für die Schärfe: Harissa, eigentlich ein marokkanisches Gewürz; gibt es in kleinen Konservendosen oder in Pulverform. Entweder in den Ferien in Frankreich kaufen oder in einem noblen Feinkostgeschäft oder bei den Fremdarbeitern. Ersatzweise kann man auch andere scharfe Gewürze wie Cayennepfeffer o.ä. nehmen.
Sauce: Die kleingeschnittenen Zwiebeln in Olivenöl glasig werden lassen. Viel Knoblauch dazugeben. Den Rest des Gemüses hinzufügen. Lange schmoren lassen. Dann die Kräuter. Mit dem Harissa aufpassen. Das ganze dann in den Mixer, durch den Wolf drehen oder durch ein grobes Sieb (eine Scheißarbeit) passieren. Es muß zum Schluß eine dickflüssige, rote, duftende Sauce ergeben. Wenn sie gelungen ist, ist sie weder mit Wasser noch mit Bindemittel in Berührung gekommen.
Fisch: Olivenöl in eine möglichst große Bratpfanne geben. Am geeignetesten ist eine Paellapfanne. Wichtig! Denn das Gericht kommt in der Pfanne auf den Tisch. Und wenn es umgefüllt werden muß, bleibt nichts von den schönen Fischstücken übrig. Die ausgenommenen und gewaschenen Fischstücke in die Pfanne geben, den Tintenfisch, die gekochten Muscheln und Garnelen hinzufügen. Von beiden Seiten auf niedriger Flamme garen. Von den Garnelen und den Muscheln etwas in einer Schale beiseite stellen. Die Sauce über den Fisch geben, und dann muß das ganze noch ungefähr zehn Minuten garen, bis der Fisch ganz durch und die Sauce eingezogen ist. Nicht mehr umrühren, sonst wird aus dem Ganzen ein Brei. Der Fisch muß noch zu erkennen sein. Dann die restlichen Garnelen und Muscheln über die Pfanne verteilen. Die Oliven dekorativ dazwischen. Mit etwas Salatähnlichem, Meterbrot und einem Wein, der es mit der scharfen Sauce aufnehmen kann, servieren.
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Die »Klagen« über die herrschenden Verhältnisse in der Sexualität sind inzwischen ausführlich dokumentiert worden. (Hite, Schwarzer etc.) Sehr viel schwieriger ist es, zu beschreiben, was, seitdem die »Klagen« an die Öffentlichkeit gelangt sind, mit uns passiert ist. (Uns: Feministinnen, die schon einige Zeit dabei sind, für sich eine neue Lebensform zu entwickeln.)
Einigen Frauen gelingt es, mit dem Mann, mit dem sie vorher schon zusammenlebten, eine andere Form von Beziehung aufzubauen, in der auch die Sexualität zu etwas anderem als sexueller Gymnastik wird. Sehr viele Frauen aber kennen keinen Mann, mit dem sie so etwas wollen würden, oder sie haben — im Verhältnis zu den anderen Dingen, die sie in ihrem Leben verwirklichen wollen — nicht mehr die Menge an Kraft übrig, die so eine Beziehung kostet. Für Frauen, die schon immer lesbisch waren, bedeutet die Neue Frauenbewegung, daß sie nach außen hin offener leben können. (Obwohl, wie sich gezeigt hat, antilesbische Haltungen leider auch in der Frauenbewegung möglich sind.)
Was habe ich inzwischen gelernt?
Vielleicht hört es sich paradox an, daß ich in meinen zwei »zölibatären« Jahren mehr über meine Sexualität erfahren habe als zuvor in meiner ganzen sexuellen Praxis. Zum Beispiel, wie viele meiner Bedürfnisse ich immer in das, was als Sexualität bezeichnet wurde, hineinzustopfen versuchte. Das Bedürfnis nach Wärme und Nähe, das Gefühl, zu jemandem zu gehören, mich emotional nicht einschränken zu müssen, »anerkannt« zu werden. Offen reagieren zu können, offen meine Gefühle zu zeigen. Früher war das fast nur in einer stark sexuell geprägten Beziehung zu einem Mann möglich. In den Stunden des Privatlebens. Während des Fickens oder rund um das, was so hieß.
Viele dieser Bedürfnisse stecken nun in meinen Beziehungen zu anderen Frauen. Es ist möglich geworden, weniger mißtrauisch, weniger zurückhaltend, wärmer, körperlicher mit Menschen umzugehen, zumindest mit Frauen. Selbst mit »netten« Männern gelingt mir das kaum. Die Gesten, die bei meinen Freundinnen selbstverständlich sind — ein Kuß ist ein Kuß, ein warmer Arm, der sich um dich legt, ist ein warmer Arm, nicht mehr und nicht weniger —, sind in meinem Umgang mit Männern nicht selbstverständlich. Sie bedeuten da immer etwas anderes. Ein Kuß ist eine Einladung oder Aufforderung, oder er gibt ihnen vermeintlich das Recht dazu, weiterzugehen. Ein warmer Arm ist ein Teil des Vorspiels, und wenn es nicht so gemeint war, ist es Schikane. (»Cock teasing« — Männerverarschung - nennen sie das in Amerika, und eine Frau, der es einmal passierte, daß eine spontane Geste als Einleitung zu einer halben Vergewaltigung aufgefaßt wurde, behält in Zukunft ihre Flossen bei sich.) Und deshalb habe ich körperliche Wärme erst kennengelernt, als ich nicht mehr so fixiert auf Männer war. Und jetzt merke ich, daß ich nach einem lustigen Abend mit ein paar Freundinnen zufrieden ins Bett gehen kann, ohne dabei das Gefühl der Unzulänglichkeit und Einsamkeit zu haben wie früher manchmal nach einer Party. Meine Erotik hat sich über einen viel größeren Teil meines täglichen Lebens verteilt. Ich habe es nicht mehr so nötig, sie mir aus den paar Stunden schöner Bumserei zu holen.
Auch eine andere Entdeckung habe ich erst in dem Freiraum ohne feste Beziehung machen können: Wie sehr ich verlernt hatte, für mich selbst zu sorgen. In welchem Ausmaß ich mich für meine Bedürfnisse unnötig abhängig von anderen gemacht hatte.
Dornröschen und der Prinz. Er küßt sie. Sie erwacht. So dachten wir früher über die Sexualität. Erotik war etwas, das du von anderen bekommen mußtest, du selbst hattest es nicht. Blumen, kleine Geschenke, schönes Essen, romantische Musik zu hören, teuren Wein zu trinken, schöne Kleider anzuziehen und sich vorher mit teurer Seife zu waschen. (Ich kam gar nicht auf den Gedanken, daß ich auch für mich selbst eine teure Flasche Wein aufmachen könnte, daß ich gar nicht auf Blumen und Geschenke warten müßte und daß es keinen einzigen Grund dafür gäbe, schlechter zu essen, wenn ich allein bin. »Masturbation is lovemaking with the one you trust best« (Onanie ist Liebemachen mit derjenigen, der du am meisten traust), sagt Robin Morgan. Zu lange benutzten wir Solosex/Onanie/Selbstbefriedigung (es gibt noch kein Wort, das mich nicht stört — vielleicht mit sich selbst Liebe machen!) als Mittel gegen Einsamkeit. Und das funktionierte natürlich nicht, denn weniger einsam wirst du davon nicht. Aber es ist schon ein schöner Teil meiner erotischen Beziehung zu mir selbst. Kein überflüssiger Luxus, um sich von seltsamen Schuldgefühlen (ich nehme mir etwas, das eigentlich für jemand anderen bestimmt ist) zu befreien oder von der merkwürdigen Angst, du könntest abhängig davon werden und es schöner finden als »normalen« Sex. Und noch eine Entdeckung: Ich habe mein Leben wahnsinnig beschränkt, indem ich für mich selbst annahm, nur heterosexuell zu sein. Dabei hatte ich die Vorstellung, daß du nur lesbisch bist, wenn du einen starken Widerwillen gegen Sex mit Männern hast, und den hatte ich nicht (lediglich einen bestimmten Widerwillen gegen bestimmte Männer). Also warum ich nicht lesbisch? Innige Gefühle ließ ich nicht zu, denn ich war, glaube ich, ein ganz schwerer Fall, was das »Heruntergucken auf Frauen und Aufsehen zu Männern« anging. Und ich hatte nicht gelernt, ein inniges Gefühl in Erotik umzusetzen. Bis ich es nicht mehr verleugnen konnte. (Ich hatte mich in eine Frau verliebt. Die bekannte Geschichte: Die Scham ist vorbei. Gibt es in allen guten Buchläden zu kaufen.
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Sicher ist es befreiend, wenn du deine Fähigkeit, Beziehungen zu Frauen aufbauen zu können, entdeckst. Sicher ist es auch eine Perspektive, daß wir unsere Energie nicht an Beziehungen verschwenden, die perspektivlos, einengend sind und dich kleiner machen, als du bist. Wir brauchen auch nicht dafür zu büßen, indem wir einsam, kalt und ohne Sexualität leben müssen. Angesichts der gewaltigen Propaganda für die Institution »Heterosexualität« kann das Gegengewicht gar nicht übertrieben genug sein. Ich bin dafür, die lesbische Alternative laut von den Dächern zu pfeifen, offen, schamlos, laut und stolz. Ich finde es auch notwendig, daß alle Frauen sich dessen bewußt werden, daß der Schauder, der sie befällt, wenn sie an eine Beziehung zu einer anderen Frau denken, etwas mit dem »Herabsehen« auf das eigene Geschlecht und dem Ekel vor ihren eigenen Körpern zu tun hat. Wer sich selbst genügend respektiert, den eigenen Körper genügend liebt, kann sich vorstellen, als Möglichkeit, einen Menschen mit dem gleichen Körper zu lieben. Damit habe ich nicht gemeint, daß alle Frauen über kurz oder lang lesbisch werden müssen und anders nicht feministisch sind. Das stimmt nicht mit der Realität überein. Ich kenne Frauen, die ihre Verbindung mit einem Mann als zu wertvoll empfinden, um sie abzubrechen. Männer, die aufrichtig versuchen, sich zu verändern, sind zwar spärlich gesät, aber an sich denkbar. Ich kenne auch Frauen, die ihre Beziehungen mit Männern nicht mehr über ihre Aktivitäten, über ihre Beziehungen zu Frauen stellen. Die realistisch einschätzen, wie wertvoll für sie die Beziehung ist, wieviel sie geben möchten, ohne dabei unterzugehen. Ich sehe auch, daß Beziehungen zu Frauen für viele von ihnen ein Luxus sind, den sie sich nicht leisten können und deswegen auch keinen Zugang zu dem Denkbaren bekommen. Ich brauche keine Angst mehr vor dem Vormund meines Kindes zu haben. Ich lebe selbständig, ich brauche keine Angst mehr vor einem Leben unterhalb des Existenzminimums zu haben, das vielen Frauen droht, wenn sie sich scheiden lassen. Ich kann wegen meines ungewöhnlichen Verhaltens nicht mehr entlassen werden, ich arbeite in einer Umgebung, in der die einzige brawerheiratete Kollegin sich allmählich als Minderheit zu fühlen beginnt, in der alle links und feministisch eingestellt sind. Und ich lebe in einer Umgebung, in der ich die Menschen, die mich nicht akzeptieren, übersehen und ablehnen kann.
Auch wenn wir uns über jede neue Beziehung zwischen Frauen freuen, auch wenn wir verlangen können, daß über die Selbstverständlichkeit der Herrschaft der Heterosexualität nachgedacht wird, Befreiung läßt sich nicht verordnen.
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»Die hand auf dem weg zur klitoris
einer andern frau
legt Jahrhunderte zurück.
sie kann sich tausendmal verirren, oder erstarren.
sie kämpft sich durch brocken von Zivilisation.
mehr noch, der weg, den sie zurücklegt,
führt zu einer stelle, die keinen namen hat.«[33]
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»Eine kleine schwarze katze tapste in dem augenblick in das Zimmer des alten mannes. sie war völlig unbedarft, etwas verschmitzt und hatte ein unglaublich seidenes, glänzendes feil, ich mochte sie sofort, aber verglich ich sie mit dem löwen, kam sie mir unscheinbar vor. als er sie entdeckte, liess er augenblichklich von mir ab, und ich konnte hinaus.
Dieser traum begleitete mich über jahre wie kein anderer, seine gegenwart verdichtete sich zu manchen Zeiten, verflüchtigte sich zu anderen, der löwe verlor allmählich an bannkraft. die kleine katze - mein ich, meine Sexualität - rückte in den Vordergrund, nachdem ich lange genug anders zu leben begonnen hatte, konnte ich mich des löwen erinnern und ihm begegnen, ohne mich magisch angezogen zu fühlen.«[34]