Stöhnen mit 49 Mann, ist das Befreiung

Noch wurde nicht das letzte Wort über Pornographie gesprochen. Ist es für Frauen genauso befreiend, wenn wir die alten sexuellen Tabus durchbrechen, wie Männer dies behaupten? Sind wir prüde, wenn wir an Abbildungen von Frauen, die einander mit Gurken zu Leibe rücken, oder von kleinen Mädchen, die von erwachsenen Männern mißbraucht werden, nichts Schönes finden? Sind wir nicht »emanzipiert«, wenn es uns anwidert, daß neunundvierzig stöhnende Männer sich im Dunkel eines kleinen Kinos einen runterholen? Im vergangenen Jahr haben Frauen das Schweigen über Pornographie durchbrochen, und es haben Aufsehen erregende Aktionen und Demonstrationen stattgefunden. Warum regen sich Frauen über Pornographie auf?

Eine von tausenden Frauen, die in der Demonstration gegen Pornographie mitmarschierten, war Anja Meulenbelt. Für die Rundfunksendung »Hoor haar« (Hör her) sprach sie mit Djoeke Veeninga und Hanneke Groenteman. Dieser Artikel ist eine überarbeitete Version des Interviews.

ANJA: Ich habe schon früher an Demonstrationen teilgenommen, aber ich war noch nie so nervös wie vor dieser. Ich hatte ebensoviel Angst vor der Aggression der Männer, denen wir unterwegs begegnen würden, wie vor unserer eigenen Aggression. Ich hatte das Gefühl, daß diese beim geringsten Anlaß losplatzen könnte, daß Männer uns provozieren, war zu erwarten. Ich habe sehr lange nicht über Pornographie nachdenken wollen. Natürlich begegnete ich ihr, aber es war immer einfacher, in eine andere Richtung zu schauen, daran zu denken, daß die Männer in meinem Umkreis zumindest nicht von der Sorte sind, die in Sexshops herumhängt. Aber auf die eine oder andere Weise gelingt es mir nicht mehr, Pornographie zu ignorieren. Wie andere Frauen auch, spüre ich in mir so eine schreckliche, tiefe Wut über den Haß und die Geringschätzung, die in Pornographie versteckt ist. Und bei dieser Demonstration erhielt ich den Eindruck, daß wir nun wirklich an der Grenze dessen stehen, was Männer von der Frauenbewegung noch tolerieren werden, ohne zurückzuschlagen.

HOOR HAAR: Was macht Pornographie deiner Meinung nach mit den Frauen?

ANJA: Was Pornographie mit uns macht ist, daß wir als Dinge abgebildet werden, als Gebrauchsgegenstände, die man(n) sich nehmen kann, Frauenkörper als Belohnung, als käufliche Ware. Sie weckt bei Männern die Vorstellung, das Recht auf freie Sexualität (für das wir auch sind) sei dasselbe wie das Recht auf den Körper einer Frau. Und was man nicht geschenkt bekommt, kann man(n) sich daher nehmen. Oder kaufen. Gegen Haushaltsgeld beispielsweise.
Ich glaube nicht so sehr an die Harmlosigkeit von Pornographie. Wenn wir in einer freien Welt lebten, wäre mit Pornographie vielleicht nichts los, dann ginge es vielleicht wirklich um muntere Abbildungen von Menschen, die »freien« (vrijen: in Anlehnung an »Für uns selbst"). Aber es ist die Frage, ob Pornographie verbreitet wäre, wenn wir frei wären; ob die Menschen ein großes Bedürfnis nach Abbildungen hätten, wenn es möglich wäre, eine Menge angenehmer Dinge zu tun, statt sie sich anzuschauen.
Meines Erachtens muß Pornographie im Rahmen der bestehenden Machtverhältnisse betrachtet werden. Frauen haben in dieser Welt wenig zu sagen, weder am Arbeitsplatz noch in ihrem Privatleben. Männer haben am Arbeitsplatz meistens auch nicht viel zu sagen, aber zum Ausgleich dafür haben sie ja gerade eine Frau. Bei der Beschäftigung mit Pornographie haben wir es mit einem ganzen Spektrum zu tun: auf der einen Seite die »unschuldigen« Abbildungen, z.B. nackte Frauen, um schnelle Autos zu verkaufen; auf der anderen Seite wirklich sadistische Pornographie. Ich denke, daß viele Menschen nicht wahrhaben wollen, wie schlimm es schon ist, daß es bei Pornographie schon lange nicht mehr um lustig vögelnde Menschen geht, sondern um gefesselte und mißhandelte Frauen, um Kinder, die vergewaltigt werden, um wirklichen Sadismus. Und ich glaube, daß es noch schlimmer werden wird. Je nachdem, wie viele erwachsene Frauen ihre eigenen Bedingungen an sexuelle Verhältnisse stellen, wird es Männer geben, die sich nicht dementsprechend verändern können und wütend werden.
Ich glaube nicht, daß Pornographie Vergewaltigungen geradewegs verursacht. Ich glaube auch nicht, daß Männer durch Pornographie geradezu auf die Idee kommen, sich eine Frau zu schnappen. Es ist viel komplizierter. Pornographie ist nur einer der Faktoren, die bewirken, daß Männer Frauen für Gebrauchsgegenstände halten, das Eherecht und die wirtschaftliche Abhängigkeit von Frauen gehören genauso dazu. Aber es besteht kein Grund zu behaupten, Pornographie sei nicht schädlich.

HOOR HAAR: Nun gibt es progressive Männer und einige progressive Frauen, die sagen: »Ok, wir können uns vorstellen, daß ihr Pornographie immer noch für Männersache haltet, aber dann macht doch eure eigene Pornographie.«

ANJA: Ja, das ist ein alter Gedanke. Wenn die Frauen anfangen, sich zu emanzipieren, soll das gleiche herauskommen wie jetzt, nur umgekehrt. Frauen, die Männern nachpfeifen, mit einem hübschen Jungen herumziehen, Photos von nackten Männern über ihren Schreibtisch hängen usw. Daran glaube ich nicht. Ich glaube, daß die Art von Pornographie bei den meisten Frauen gewöhnlich nicht funktioniert. Nicht etwa, weil Frauen so eine Abscheu vor Sex haben, sondern weil die Abbildungen von Fleischbrocken gewöhnlich nicht aufregend sind. Es hat einmal bereits eine Zeitschrift gegeben, die kleine Schwester vom Playboy, Playgirl hieß sie, aber die wurde vornehmlich von homosexuellen Männern gekauft. So ein nacktes Fleischstück ist einfach nicht erotisch. Ich denke nur: wenn der sein Maul aufmacht, kommt bestimmt nichts Gescheites heraus, außerdem ist er auch kein attraktiver Typ. Ich kann mir auch nicht vorstellen, was ich mit so einem dummen Körper anfangen sollte, wenn darüber hinaus der Mensch nicht zufällig nett ist. Man kann ihn auf den Kopf stellen und hier und dort etwas hineinstecken, aber was ist schon dabei? Ich kann mir mit einem widerspenstigen Körper keinen Spaß vorstellen.
Die meisten Frauen, die ich kenne, sind weniger nur auf Körperteile oder nur aufs Anschauen fixiert. Ich stecke ganz in meinem Körper drinnen, von dort kann ich fühlen, riechen, alles erleben. Ich finde es schwierig, den Unterschied zu erklären. Frauen, die darüber nachgedacht haben, genügen meist schon ein paar Worte. Wenn ich erklären muß, woraus Frauenerotik für mich besteht, gerät daraus immer etwas mit schlüpfrigen Benennungen. Es klingt kindisch, wenn zum Beispiel erzählt wird, wie erotisch es sein kann, mit einem kleinen Kind zu freien. In den Köpfen vieler Männer tauchen dann offensichtlich sofort Bilder über Pädophilie auf — aber mit dem Hineinstecken von Körperteilen in Körperöffnungen hat dies nichts zu tun. Wohl aber mit der Spannung zwischen Menschen, dem Gefühl der Wärme fremder Haut auf der eigenen, wie jemand riecht.
Es hat auch etwas mit dem Verhältnis zu meinem Körper zu tun, wie ich in meinem eigenen Bereich lebe, der Gemütlichkeit meines Hauses, meiner Musik. Meine Erotik hängt auch eng mit meinem Intellekt zusammen. Von einem neuen Gedanken oder etwas, das ich lese, kann ich auch sehr erregt werden. Es ist ein sehr breites Spektrum erotischen Erlebens, das ich mit den meisten Frauen teile. Manchmal ist es auch ein Stück aus einem Film, in dem gut gefreit wird, oder eine erotische Passage in Büchern. Aber nicht dieser platte Rauf-Runter-Sex. Die zweieinhalb Minuten genitale Gymnastik, die viele Männer Sex nennen, empfinde ich als eine armselige Angelegenheit. Macht über sich selbst, über das eigene Leben, das finde ich erotisch. Macht, die jemand anders über mich hat, überhaupt nicht. So ein Pornoproduzent wie Wilhelmus sagt, er begreife nicht, warum dieselben Frauen, die früher für Nacktstrände und »Oben ohne« gekämpft haben, jetzt böse werden, wenn er nackte 208 Brüste in seinen Zeitungen abbildet. Also begreift er nicht, daß es immer noch einen Unterschied macht, ob ich entscheide, was ich mit meinem Körper mache, oder ob er etwas damit tut.

HOOR HAAR: Glaubst du nicht, daß Frauen selbst Porno auch schön finden?

ANJA: Ich glaube, daß ich da am besten von mir selbst ausgehen kann. Ich glaube, daß meine Reaktion eine doppelte ist. Bei mir besteht eine Art Kluft zwischen meiner alten und meiner neuen Sexualität. Ich bin in letzter Zeit ein Stück weniger geil und entdecke allerlei angenehme Dinge, die ich in meinem Leben tun kann, und damit bin ich sehr zufrieden. Aber ich weiß noch sehr gut, daß ich früher viel weniger mit meinem Leben anzufangen wußte, viel einsamer war und auch viel mehr fixiert auf sexuelle Beziehungen mit Männern, beinahe besessen davon. Der Gipfel des Ganzen war, wenn ich das Gefühl hatte, daß ich einen Mann verrückt machen konnte. Wenn ich das Gefühl hatte, daß ich bei ihm etwas auslösen konnte, das war für mich Ekstase. Es war auch ein Stückchen Macht, das ich als Frau auf beinahe keine andere Art und Weise erlangen kann, als wenn ich merke, daß ein Mann sexuell von mir abhängig ist, daß er mich nötig hat, daß er muß. Die Phantasie, von einem Mann, der an nichts anderes denken kann, überwältigt und von seinen Trieben übermannt zu werden, stammt auch aus dieser Zeit. Die Art von Bildern, die dazugehört, kann sich gehörig im Kopf festsetzen.
Vieles von dem, was ich sehr lange als Sexualität definiert habe, hing stark von diesen Bildern ab. Meine Erregung war eine Reaktion auf seine Erregung. Ich hätte nicht gewußt, was meine Bedürfnisse waren, außer daß ich Um nötig hatte, um für jemand anderen nötig zu sein. Von dort ist es nur ein kleiner Schritt zu der Interpretation, die manche Männer daraus ziehen: daß Frauen danach verlangen, übermannt und vergewaltigt zu werden. Doch praktisch keine Frau findet so etwas schön. Und für mich ist ganz deutlich, daß ich mit dieser Form von Sexualität immer weniger anfangen kann, je mehr der Rest meines Lebens fröhlicher und reicher ist. Das brachte mich auf die Idee, es könne kein Zufall sein, daß gerade solche Männer, die selbst die meisten Schwierigkeiten haben, am meisten über Sexualität abreagieren müssen, an Frauen.

HOOR HAAR: Manchmal wird gesagt: vor zehn oder fünfzehn Jahren haben wir hart für eine sexuelle Revolution gekämpft, auch für die sexuelle Befreiung der Frauen, und jetzt sind es die Frauen, die das Rad wieder zurückdrehen wollen. Undankbar sind sie und prüde.

ANJA: Undankbar? Schau, ich bin selbst eine von denen gewesen, die vor fünfzehn Jahren für eine sexuelle Revolution gekämpft haben. Ich war ein typisches Kind der sexuellen Revolution und jahrelang sehr aktiv im NVSH (Niederländische Vereinigung für neue Sexualität). Ich bin noch immer für sexuelle Freiheit. Aber sexuelle Freiheit bedeutet, das tun zu können, wozu jemand Lust hat. Und genau das beobachte ich momentan nirgends.

HOOR HAAR: Die Freiheit besteht mehr für die Männer als für die Frauen.

ANJA: Wir haben nun die Freiheit zu vögeln. Aber die Freiheit, nicht zu vögeln, ist sehr beschränkt. Während die Frauen es früher nicht durften oder zwar mußten, es dann aber nicht schön finden durften, ist die Angelegenheit heute umgekehrt. Nun müssen wir, und wir müssen es schön finden, sonst werden wir als rechts oder prüde abgestempelt und als zu häßlich, um vernascht zu werden. Wir werden demselben Lager zugerechnet wie die rechten Moralapostel und der CDA (Christen-Democratisch Apell: der CDU entsprechend) und van Agt (niederländischer Premierminister) Leuten, die gegen jegliche Form der Selbstbestimmung von Frauen über ihren eigenen Körper sind.
Die Schwierigkeit mit den Durchschnittsmännern ist, daß sie über Sexualität wenig nachgedacht haben. Wir haben darüber nachgedacht, was unsere wirklichen Bedürfnisse sind, was wir tatsächlich wollen, und geschah dies auch nur, weil die meisten von uns doch einige Jahre sehr unglücklich mit der sexuellen Revolution gewesen sind. Ich kenne nur wenige Männer, die darüber nachdenken, worin ihre wirklichen Bedürfnisse bestehen. Ihre Form von Sex wird, ohne darüber nachzudenken, als feststehend betrachtet. Viele Männer gehen davon aus, daß der »sexuelle Trieb« etwas Selbstverständliches und es eigentlich normal ist, wenn man sich einen Frauenkörper nimmt, sobald man einige Wochen keine Frau »gehabt« hat. Aber woraus der sexuelle Notstand besteht, das begreifen sie offenbar selbst noch nicht. Nur das Bedürfnis nach Befriedigung kann es nicht sein, denn dafür hat man niemanden nötig. Ich meine, es kann sicherlich viel schöner sein, mit jemand zusammen zu freien, aber daß man dazu kommt, sich einfach eine Frau zu packen, das kann doch nicht allein durch den sexuellen Trieb erklärt werden. Meine vorsichtige Theorie darüber ist, daß Männer gelernt haben, die Frustrationen, denen sie in der Welt ausgesetzt sind, in Sexualität umzusetzen, und es deshalb bei manchen Männern ein sehr aggressiver Akt ist. Sex als Kompensation, um sich wieder als richtiger Mann zu fühlen, wenn man zum Beispiel am Arbeitsplatz erniedrigt wurde. Und als eine Art gefühlsmäßiges Ventil. Aber ich kann einfach nicht begreifen — und es geht wirklich über meinen Horizont —, daß man es schön finden kann, gefesselte Menschen anzuschauen, und daß man davon einen schöneren Orgasmus bekommen soll.

HOOR HAAR: Die Aggression äußert sich nicht nur in Schlagen und Vergewaltigen. Ich kenne eine Menge Männer, die wahrscheinlich niemals eine Frau schlagen oder vergewaltigen, die aber trotzdem schrecklich wütend auf die Frauen bei der Pornodemonstration reagierten. Ganze Schimpfkanonaden: diese schrecklichen lesbischen Weiber, diese Frauen konnten keinen Mann abbekommen, derlei Dinge.

ANJA: Frauen, die gegen Pornographie demonstrieren, werden sofort als häßlich und frustriert und versauert kategorisiert. Das ist eine Abwehrreaktion. So brauchen die Männer nicht an sich herankommen zu lassen, daß vielleicht etwas falsch läuft. Und scheinbar ist es für die Männer sehr beängstigend, wenn immer mehr Frauen sich verweigern. Offenbar ist das, was sie unter »sexuellem Notstand« verstehen, so schlimm, daß sie ängstlich oder hysterisch werden, wenn wir damit drohen, es ihnen wegzunehmen (sie meint mit »es« wohl das, was mann zur Behebung dieses Notstandes braucht; Anmerkung der Übers.). Weil viele Männer nicht ohne Frau zurechtkommen, hingegen offenbar immer mehr Frauen ohne Mann sehr wohl zurechtkommen, wird dies als Macht erlebt, die wir über sie besitzen. Und das darf es nicht geben. Also werden wir als abartig beschimpft, damit sie denken können, daß wir im Grunde doch wollen, aber einfach neidisch sind, weil wir nicht hübsch genug sind. Damit ist es für sie weniger bedrohlich, als wenn wir die Frauen wären, die es früher zwar noch taten, es nun aber nur noch unter unseren eigenen Bedingungen tun.

HOOR HAAR: Wir hören, wie immer mehr Männer in allen Diskussionen sagen: aber ihr verallgemeinert dermaßen. Ihr redet ständig nur über »die Männer«, aber ich bin nicht so, ich bin kein Vergewaltiger, und ich halte sogar nichts von Pornographie.

ANJA: Natürlich gibt es da Abstufungen. Ich kenne auch Männer, die anders mit Sex umgehen, die nicht vergewaltigen und Pornographie auch nicht aufregend finden. Aber ich halte es trotzdem für eine seltsame Reaktion, wenn sie sich solche Sorgen um ihr eigenes Image machen und nicht darüber, was mit uns angestellt wird. Als ob nichts wäre, wenn andere Männer etwas tun. Als ob es dann nicht mehr ihr Problem wäre. Ich finde, es ist eine üble Reaktion, wenn ich erlebe, daß Männer, die ich für sich genommen sehr nett finde, eigentlich unterstellen, wir übertrieben, nur weil sie sich selbst in den anderen Männern nicht wiedererkennen können oder wollen. Sie geben sich dann auch absolut keine Mühe, die anderen Männer trotzdem kennenzulernen. Sie überlassen uns das Problem. Gleichzeitig würden dieselben Männer vermutlich ganz anders reagieren, wenn es um Rassismus oder die Unterdrückung anderer Gruppen als Frauen ginge. Dann sind sie wohl davon betroffen, nach ihrem Gefühl.
Ich denke, daß etwas dahintersteckt. Nicht nur Dummheit und Immer-noch-nicht-erkennen-Wollen, daß es nicht um individuelle Fälle geht. Sie wollen auch nicht feststellen, daß viel mehr sexuelle Gewalt vorhanden ist, als an die Öffentlichkeit dringt. Somit müssen sie auch nicht über ihre eigene Einstellung nachdenken. Natürlich haben sehr viele Männer eine Vergewaltigung im klassischen Sinn des Wortes nicht auf dem Gewissen. Aber würden wir wirklich einmal nachschauen, auf welche Art und Weise sie Frauen unter Druck setzen, um ihren Willen zu bekommen, dann wäre es nicht mehr so einfach, eine scharfe Grenze zwischen »guten« und »schlechten« Männern zu ziehen, zwischen ihnen selbst und den anderen. Meines Erachtens durchschauen nur wenige Männer, welche Machtmittel sie benutzen: nicht nur plumpe Drohungen oder Fremdgehen, sondern auch, indem sie die Atmosphäre im Haus vergiften oder der Frau das Gefühl vermitteln, daß mit ihr etwas nicht stimmt. Was dies betrifft, so haben Männer das gesamte gesellschaftliche System als Rückendeckung hinter sich, um ihren Willen zu bekommen. Der Gedanke, daß sie das »Recht« auf Sexualität mit einer Frau haben, die Tatsache, daß Frauen häufig wirtschaftlich abhängig von ihnen sind, Ärzte und Therapeuten, die den Frauen erzählen, sie seien krank, wenn sie nicht vögeln wollen — um sich all dem zu widersetzen, muß eine Frau über gehörige Kraft verfügen. Und ein Mann muß über gehörige Kraft verfügen, keinen Mißbrauch damit zu betreiben, wenn sich zufällig einmal die Gelegenheit dazu ergibt. Und sei es auch nur Mißbrauch der Tatsache, daß die Frau den Mann mag und nicht ertragen kann, wenn er unglücklich ist. Ich glaube, alle Männer, wenn sie ehrlich sind, müssen zugeben, daß sie schon einmal eine Frau unter Druck gesetzt haben, um zu bekommen, was sie wollten. Ich wünschte mir, daß sie darüber einmal nachdenken.
Was Pornographie betrifft, sehe ich keine einfachen Lösungen; sie ist nur ein kleiner Bestandteil übergreifenderer Machtverhältnisse. Ich weiß auch nicht, ob ein Verbot sehr viel helfen würde. Kurzfristig gesehen, halte ich es für einen wichtigen Effekt von Aktionen, daß die Leute anfangen, darüber nachzudenken. Daß Frauen es nicht mehr absonderlich finden, wenn sie keine Lust haben, Sexunterwäsche zu tragen und sich jeden Samstagabend in eine andere Stellung zwingen zu lassen. Ich will, daß Frauen für sich selbst eintreten und wissen, sie stehen nicht allein da. Und ich will, daß Männer anfangen, über das nachzudenken, was sie eigentlich tun. Die Männer, die glauben, Pornographie nötig zu haben; aber auch die Männer, die glauben, sie stehen darüber.