Die Frage der Lohngleichheit von Männern und Frauen stellte sich in der Nachkriegszeit unter veränderten gesellschaftlichen Bedingungen erneut. Im Frauenüberschuß und der Verantwortung, die die Frauen in der Produktion (und in der Reproduktionssphäre) übernommen hatten, sahen die fortschrittlichen Kräfte, denen an einer antifaschistischen, demokratisch-sozialistischen Gesellschaft gelegen war, den Anspruch begründet, die Lohngleichheit als längst überfällig zu fordern.
Die Lohngleichheit ist in der Bundesrepublik Deutschland heute immer noch ein aktuelles Thema. So stellt sich die Frage, welchen Stellenwert dieser Forderung in der Nachkriegszeit eingeräumt wurde; eine historische Aufarbeitung unserer gegenwärtigen Gesellschaft läßt eine entsprechende Weichenstellung in dieser Zeit vermuten.
Die Rekonstruktion dieser frühen Nachkriegszeit soll Antwort auf die Fragen geben, ob die Zeit nach 1945, in der eine gesellschaftliche Neuordnung angestrebt wurde, auch eine Chance zur Durchsetzung der Lohngleichheit bot. Wie bedeutsam war also die ungleiche Entlohnung für die Gewerkschaften und hier besonders für die Frauen? Welchen Einfluß nahmen die Gewerkschaften auf die damalige Lohnpolitik?
Nutzten die Frauen ihre zahlenmäßige Überlegenheit und ihre wirtschaftlich notwendige Arbeitskraft dazu, Forderungen zu stellen und durchzusetzen?
Durch die bevorzugte Untersuchung gewerkschaftlicher Publikationen, besonders deren Tagespresse, sowohl in den westlichen als auch in der östlichen Besatzungszone soll auf diese Fragen eine Antwort gesucht werden.
1. Die gemeinsamen lohnpolitischen Ansätze der Alliierten Mächte
Die wirtschaftliche Entwicklung im Nachkriegsdeutschland wurde im wesentlichen von den Alliierten bestimmt. Sie übernahmen mit ihrer Erklärung vom 5. Juni 1945 die oberste Regierungsgewalt, zu deren Ausübung sie am 30. 8. 1945 den Alliierten Kontrollrat einsetzten. Er wurde aus den Oberbefehlshabern der vier Zonen zusammengesetzt und hatte rechtsprechende, vollziehende und gesetzgebende Gewalt.[1] Die Kontrollratsgesetze wurden durch die jeweiligen Militärregierungen der Besatzungszonen umgesetzt und teilweise durch Ausführungsbestimmungen ergänzt.
Für unser Thema von besonderer Bedeutung ist die Direktive Nr. 14 des Kontrollrats vom 12. 10. 1945.[2] Im Rahmen der dort getroffenen grundsätzlichen Vereinbarung, Deutschland als einheitliches Wirtschaftsgebiet anzusehen, wurden preis- und lohnpolitische Maßnahmen einbezogen und hierzu in einem ersten Schritt alle Löhne, einschließlich der Sonderzulagen, auf dem Stand von 1945 festgeschrieben.[3] Unter unserem Aspekt ist entscheidend, daß die Lohngleichheit von vornherein ausgeklammert wurde. § 3 Buchst. a) lautete:
- »Es darf bei der Anwendung der Lohnsätze für Gruppen oder Einzelpersonen kein Unterschied aus rassischen oder religiösen Gründen oder aufgrund von politischer Gesinnung oder von Zugehörigkeit zu einer politischen Partei gemacht werden.«
Von einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts war nicht die Rede. Im Rahmen dieser Anordnung war es sowohl den Gewerkschaften als auch den Arbeitgebern gestattet, Lohnverhandlungen zu führen, »wenn (dies) wegen einer Änderung in einem Fertigfabrikat oder in den zu seiner Herstellung gebrauchten Rohstoffen oder aus ähnlichen Gründen«[4] zweckmäßig erschien.
Die nach dem Modus der Direktive Nr. 14 neu ausgehandelten Lohnsätze mußten von den deutschen Arbeitsämtern genehmigt werden. Bei diesem Verfahren sicherte Punkt 6 der Direktive,[5] daß die zu erteilende Genehmigung grundsätzlich im Sinne des Kontrollrats erfolgte. Durch entsprechenden Beschluß stellte der Kontrollrat sicher, daß er auch im Bereich der Lohnpolitik die letzte Instanz bildete und Lohnvereinbarungen widerrufen oder abändern konnte.[6]
Der wie alle Entscheidungen des Kontrollrats dem Grundsatz der Einstimmigkeit unterworfene Beschluß zum allgemeinen Lohnstop schien den Alliierten notwendig zu sein, da sie annahmen, so die inflationäre Entwicklung stoppen zu können. Sie bestätigten damit allerdings die faschistische Tarifordnung, die mit der Zerschlagung der Gewerkschaften 1933 und dem Lohnstop des Jahres 1934 keine wesentliche Änderung mehr erfahren hatte.[7] So nahmen die Löhne in der ehemaligen Rüstungsindustrie, die aufgrund politischer Zielsetzungen des Nationalsozialismus vom Lohnstop ausgenommen worden waren, auch weiterhin einen Sonderstatus ein.
Für die lohnabhängigen Frauen hatte die Direktive Nr. 14 zunächst zur Folge, daß die Lohnungleichheit weiterhin Bestand haben sollte. Die Direktive Nr. 14 enthielt zwar das Gebot, keine Lohndifferenzen aufgrund rassischer, religiöser oder politischer Unterschiede zuzulassen, geschlechtsspezifische Lohnungleichheiten wurden dagegen nicht berücksichtigt. Obwohl die bereits im II. Weltkrieg im erhöhten Maße notwendig gewordene weibliche Erwerbstätigkeit, nach Kriegsende durch den entstandenen Frauenüberschuß weiter zunahm, wurde die veränderte Stellung der Frau im Erwerbsleben von den Alliierten im Rahmen ihrer Lohnpolitik ignoriert. Tabelle 1 dokumentiert das zahlenmäßige Übergewicht der Frauen.
Tabelle 1: Frauenüberschuß in Deutschland Zahl der Frauen auf 1000 Männer
Gebiet | 1 939 | 1946 |
Britische Zone | 1 026 | 1189 |
Amerikanische Zone | 1 053 | 1205 |
Französische Zone | 1 026 | 1254 |
Sowjetische Zone | 1 034 | 1346 |
Berlin | 1 200 | 1462 |
Quelle: Deutschland in Zahlen, hrsg. vom Wirtschaftswissenschaftlichen Institut der Gewerkschaften, Köln 1949, 9
Nach diesen gemeinsamen Initiativen der Besatzungsmächte im Kontrollrat wurde bald deutlich, daß die Pläne der Alliierten von unterschiedlichen wirtschaftlichen und politischen Interessen geprägt waren. Eine Neuordnung Deutschlands sollte nach den Zielen der westlichen Alliierten im Sinne einer kapitalistischen Restauration erfolgen, die schon nach kurzer Zeit keine Entflechtung der Monopole mehr vorsah. Die Sowjetunion dagegen drängte auf die Einführung einer Volksdemokratie mit dem Ziel einer sozialistischen Gesellschaftsordnung.
Der Auseinandersetzung um die Grundsatzforderung der Lohngleichheit »gleicher Lohn für gleiche Arbeit« sollte bei den sich abzeichnenden unterschiedlichen Entwicklungen eine besondere Bedeutung zukommen.
2. Lohnpolitik in der sowjetischen Besatzungszone
Zur Grundlage aller Entscheidungen über den Aufbau einer neuen Gesellschaftsordnung wurde in der sowjetischen Zone der Befehl Nr. 2 der Sowjetischen Militärverwaltung (SMA) vom 10. Juni 1945. Darin wurde die für eine freiheitliche gesellschaftspolitische Entwicklung notwendige »endgültige Ausrottung der Überreste des Faschismus und die Festigung« demokratischer Grundlagen und bürgerlicher Freiheiten befohlen. Hierzu gehörte auch ein Aufruf zur Konstituierung antifaschistischer demokratischer Parteien und Gewerkschaften.[8]
Den Gewerkschaften wurde mit diesem Befehl gleichfalls das Recht gewährt »Kollektivverträge mit den Arbeitgebern«[9] abzuschließen
Schon relativ früh bestand somit für die neugebildeten Parteien und den am 17. 6. 1945 gegründeten Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB) die Möglichkeit, sich am politischen Geschehen zu beteiligen. Die im Grundsatzentwurf der Freien Deutschen Gewerkschaften vom 21. November 1945 enthaltene Aufgabe »gleichen Lohn für gleiche Arbeit und Leistung« zu sichern, wurde zielstrebig verfolgt.[10]
Das Organ des FDGB, die Tageszeitung »Die Freie Gewerkschaft«, leitete mit ihrem Erscheinen im Oktober 1945 eine Aufklärungs- und Agitationskampagne zur Grundsatzforderung der Lohngleichheit ein.
In fast täglicher Berichterstattung wurde die Lohnfrage oft unter großen Schlagzeilen in den Vordergrund gerückt. Die Gewerkschaften traten bereits zu diesem Zeitpunkt in der Öffentlichkeit, gegenüber den Besatzungsmächten, den Behörden und den Unternehmern dafür ein, daß gleiche Löhne für Frauen und Männer eingeführt werden sollten.[11]
Vereinzelt zeigten sich Frauen durch diese gewerkschaftlichen Initiativen ermutigt, nahmen Verhandlungen mit den Unternehmern auf und wiesen auf ihre unentbehrlichen Leistungen hin. In einer Reihe von Betrieben führten diese Bemühungen zum Erfolg.
So wurde z. B. zwischen »Betriebsleitung und Betriebsrat des Buna-Werkes« im Februar 1946 vereinbart:
»Frauen, die typische Frauenarbeit leisten, erhalten den ihnen nach den Sätzen der Betriebsleitung zustehenden Lohn ihrer Berufsgruppe. . . .
- Frauen, die typische Männerarbeit leisten, erhalten den für die jeweiligen Berufsgruppen geltenden tariflichen Männerlohn.«[12]
Diese offensive Herangehensweise des FDGB knüpfte an verschiedene ältere Forderungen aus der Arbeiterbewegung an. Als älteste Quelle kann hier die Forderung des Delegierten GREULICH genannt werden, der auf dem Gründungskongreß der sozialdemokratischen Partei in Eisenach 1869 die Aufnahme der Lohngleichheit in die Statuten gefordert hatte, diese Stimme blieb allerdings unbeachtet.[13] Auf der Weberinnenkonferenz in Glauchau im Mai 1871 forderte CHRISTIANE PENSCHEL von den Crimmitschauer Gewerkgenossen »gleichen Lohn für gleiche Leistung ohne Unterschied des Geschlechts«.[14] Mit der Unterstützung BEBELS wurde auf diesem Webertag folgende Resolution angenommen:
- »Es ist die Pflicht der Fachgenossen, dahin zu wirken, daß die Frauen in den Fabriken und Werkstätten mit in die Gewerks- und Fachorganisation als gleichberechtigt eintreten, um es dahin zu bringen, daß die Löhne der Frauen und Männer gleichgestellt werden«.[15]
Auch die Entschließung des Internationalen Arbeiterkongresses der europäischen Arbeiterinnen in Paris 1889 zu diesem Thema lautete:
- »Der Kongreß erklärt weiter, daß es die Pflicht der Arbeiter ist, die Arbeiterinnen als gleichberechtigt in ihre Reihen aufzunehmen, und forderte prinzipiell gleiche Löhne für gleiche Arbeit für die Arbeit beiderlei Geschlechts«.[16]
Die Aufklärungsarbeit des FDGB wurde durch zustimmende Aussagen von Betriebsräten und Entschließungen, die z. B. von Betriebsversammlungen gefaßt wurden, unterstützt.[17] So berichtet das Organ des FDGB im November 1945 von den Aktivitäten Berliner Frauen nach der Gründung des Berliner Frauenausschusses beim Magistrat der Stadt Berlin. In ihrem Aufruf »An die Frauen und Mütter Berlins« verlangten sie neben der »Sicherung des Friedens« auch, daß den Frauen, »bei gleicher Arbeit und gleichen Leistungen ... der gleiche Lohn und die gleiche Lebensmittelzuteilung«[18] gewährt werden müsse.Um der Forderung nach Lohngleichheit weiteren Druck zu verleihen, wurden die Handlungen der Frauen vor allem auch auf die Betriebsebene gelenkt. So lautete das Thema des 1. Mai 1946: »Mehr Frauen in den Betriebsrat«. Dies war besonders notwendig, um die erwerbstätigen Frauen vor drohenden Entlassungen bei Betriebsstillegungen oder bedingt durch die Heimkehr der Kriegsgefangenen zu schützen.[19]
Schon im August 1946 konnte durch die zunehmende Interessensvertretung der weiblichen Lohnabhängigen verzeichnet werden, daß die »berufstätige Frau Herr ihres eigenen Geschickes geworden ist«.
- »Sie arbeitet im Betriebsrat, in der Gewerkschaftsleitung mit, wo die Entscheidungen über Einstellungen und Entlassungen zuerst getroffen werden.«[20]
Vor allem den Initiativen der Gewerkschaften in dieser Frage kann es zugerechnet werden, daß die sowjetische Militärverwaltung (SMAD), mit Marschall SOKOLOWSKIJ an der Spitze, mit dem Befehl Nr. 253 der Lohngleichheit am 17. 8. 1946 eine gesetzliche Grundlage schuf. Es heißt dort:
- Die gleiche Entlohnung für Arbeiter und Angestellte für die gleiche Arbeit, unabhängig von Geschlecht und Alter, einzuführen.
- Die entsprechenden Punkte der deutschen Gesetze und Tarifordnungen, die eine unterschiedliche Bezahlung für gleiche Arbeit je nach Geschlecht und Alter der Arbeitnehmer festlegen, vorzunehmen.«
Damit wurden bestehende Gesetze und Tarifordnungen, die der Lohngleichheit widersprachen, aufgehoben.
Aus der Presse war am darauffolgenden Tage zu entnehmen, daß dieser Befehl von den Frauen begrüßt wurde. In einem Brief an Marschall SOKOLOWSKIJ vom 12. Oktober 1946 bedanken sich die Frauen. Mit diesem Befehl sei »eine seit Jahrzehnten von allen fortschrittlichen Frauen erhobene Forderung verwirklicht worden.«[2]
In Konsequenz sah sich der Alliierte Kontrollrat am 13. 9. 1946 dazu veranlaßt, in einer Ergänzung der Direktive Nr. 14 zuzugestehen, daß Frauenlöhne bei gleicher Arbeit und Leistung denen der Männer gleichgestellt werden könnten.[23]
- »Die Löhne für Frauen und Jugendliche dürfen bei gleicher Arbeit und gleicher Leistung bis zur Höhe der Löhne für männliche Arbeitskräfte erhöht werden.[24]
Das im Befehl Nr. 253 enthaltene Prinzip des »gleichen Lohnes bei gleicher Arbeit« für Frauen und Jugendliche warf bei der Umsetzung Probleme auf. Die Maßgabe »bei gleicher Arbeit« gewährte den lohnabhängigen Frauen den gleichen Lohn bei tatsächlicher gleicher Arbeit, d. h. an vergleichbaren Arbeitsplätzen und an Arbeitsplätzen, die zuvor von männlichen Arbeitskräften besetzt waren, an denen inzwischen nur noch Frauen arbeiteten.[25] Bei Akkordarbeiten kam der Aspekt der »gleichen Leistung« hinzu. Der Grundlohn bildete dabei die Ausgangsbasis; der Stücklohn richtete sich nach der erbrachten Leistung, also dem quantitativen Arbeitsergebnis (Produktionsergebnis). Die so fixierte Formel klärte aber nicht die Entlohnung der sog. typischen Frauenarbeiten. An diesen Arbeitsplätzen war in der Regel keine vergleichbare Orientierung an männlichen Tätigkeiten möglich. Auch eine Aufstellung der Tätigkeitsmerkmale, die einen Bezug zu anderen Industriezweigen zugelassen hätten, brachte nicht den gewünschten Erfolg, so daß die Frauenindustrien von der beschlossenen Lohngleichheit nicht gleichermaßen profitierten.
Es war den Unternehmern nun allerdings nicht mehr möglich, auf billigere weibliche Arbeitskräfte zurückzugreifen und von der sogenannten »Schmutzkonkurrenz« zu profitieren. In diesem Zusammenhang äußerte die SPD in ihrem Organ »Der Sozialdemokrat« nur wenige Tage nach der Verkündung des Befehls Nr. 253 die Befürchtung, daß die nunmehr nicht mehr billigeren (weiblichen) Arbeitskräfte zuerst entlassen werden.«[26] Diese am 24. 8. 1946 hervorgehobenen Bedenken standen im krassen Widerspruch zur nur zwei Tage vorher herbeigeführten Entschließung des Parteivorstandes und Parteiausschusses der SPD zur Frauenfrage vom 22. 8. 1946. In ihr wurde nicht nur die Gleichberechtigung, sondern auch »Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, gleiche Ausbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten für Männer und Frauen« gefordert.[27]
Wie sich in der zweiten Hälfte des Jahres 1947 zeigen sollte, verloren zwar die Frauen mitunter ihren Arbeitsplatz, weil die Kriegsheimkehrer, Vertriebenen und die aus der Gefangenschaft entlassenen Männer einen »Konkurrenzkampf« ausbrechen ließen, die Frauen verloren jedoch nicht ihren Arbeitsplatz aufgrund der beschlossenen Lohngleichheit.
Wie nach dem I. Weltkrieg wurde darauf hingearbeitet, daß die Frau den Arbeitsplatz wieder für den Mann als »Familienernährer« verläßt und sich wieder auf ihre Rolle als Frau und Mutter besinnt, soweit diese Politik sich mit dem Frauenüberschuß in Einklang bringen ließ. Als Beleg für die offensichtliche Annahme dieser Politik auch in Teilen der Arbeiterbewegung können Veröffentlichungen in der SPD-nahen Tageszeitung »Freie Presse« gelten. Mit der angestrebten Rollenumverteilung mehrte sich die Zahl der Artikel zu Modefragen; spezielle Rubriken wie »So wünsche ich mir meinen Mann«[8] wurden eingerichtet.
- »Die natürliche Neigung der Frau liegt in ihrem häuslichen Bereich, im Bemuttern von Mann und Kind in der liebevollen Kleinarbeit, die aus vier Wänden ein Heim schaffen, ohne viel Aufhebens zu machen und Aufsehen zu erregen.«[29]
Es kann bereits hier festgestellt werden, daß Widerstände gegen die durchzusetzende Lohngleichheit auf den unterschiedlichsten Ebenen bestanden. Auch in den Betrieben verliefen die Aktionen zur Lohngleichheit nicht reibungslos. In der Gewerkschaftspresse häuften sich die Klagen über Betriebsräte, über Betriebsleitungen und Behördenvertreter, die sich den anstehenden Lohnerhöhungen für Frauen vor allem mit den Argumenten entzogen, Frauen und Jugendliche seien nicht in der Lage, das gleiche zu leisten wie die Männer, und der Lohnstop sei hinderlich für die Realisierung der Lohngleichheit. In dieser Folge ist zu verzeichnen, daß die höheren Männerlöhne den geringen Frauenlöhnen angepaßt wurden oder daß die Zahlung der neuen Löhne an Frauen und Jugendliche mit dem Hinweis auf den späteren Abschluß einer neuen Betriebsvereinbarung hinausgezögert wurde.[30]
Mit der Umsetzung des Befehls Nr. 253 beauftragte Verwaltungsorgane verschleppten die Durchführung der Lohngleichheit, indem sie sich mit noch nicht vorliegenden Ausführungsbestimmungen entschuldigten, obwohl es der Befehl an Deutlichkeit nicht mangeln ließ. So heißt es dort, daß »notwendige Abänderungen, die sich aus dem Befehl ergeben, in den bestehenden Tarifbestimmungen und -verträgen vorzunehmen sind.«[31]
Zum Nachteil der Frauen nahmen die Verwaltungsorgane Eingruppierungen vor, die sich zusätzlich nachteilig auf die Lebensmittelzuteilung und das entsprechende Deputat auswirkte.«[32]Dies zeigt(e) sich wohl besonders deutlich in der Bekleidungsindustrie, in der 77% aller Beschäftigten Frauen sind.«[33] Hier wurden bei gleicher Arbeit Näherinnen »eine Kartenstufe niedriger eingestuft ... als die Kolleginnen mit der Bezeichnung Schneiderin.«[34]
Die organisierte Arbeiterbewegung begegnete den auftretenden Schwierigkeiten mit einer verstärkten Informationspolitik.
Der DGB veranstaltete u. a. eine Frauengroßkundgebung, auf der Berliner Kolleginnen ihr Interesse an der Umsetzung des Grundsatzes der Lohngleichheit dokumentierten. Sie berichteten, daß ihnen nur dann »ein selbständiges, menschenwürdiges Dasein« ermöglicht würde, wenn Frauenlöhne nicht weiterhin als Konkurrenzlöhne angesehen werden.[35] Erst die Lohngleichheit hebe »die Unterbewertung der Frauen- und Jugendarbeit auf und schalte die Frauenlöhne als Konkurrenzlöhne aus.« die Frauen beharren vor allem darauf, daß der Befehl von Marschall Sokolowskij »verpflichtendes Gesetz« für die Betriebe, nicht eine bloße »Kann-Bestimmung« sei.[36] Dieser Kundgebung waren seit dem August zahlreiche Artikel vorausgegangen, die sich gegen die Minderbewertung der Frauenarbeit und für Lohngleichheit aussprachen.[37]
Insgesamt kann jedoch nicht davon gesprochen werden, daß sich in den Gewerkschaften eine Frauenbewegung gebildet hatte, die der Lohngleichheit im vollen Umfang zur Durchsetzung verholfen hätte. Obwohl ein großer Anteil der Frauen erwerbstätig war und die Lohndiskriminierung sie betraf, äußerten sich hierzu nicht genügend Betroffene.
Auch ein Aufruf der KPD-Zeitung »Freiheit«, zur Lohngleichheit Stellungnahmen abzugeben, blieb ungehört.[38] Unter Berücksichtigung der Lebensumstände und des ohnehin geringen Geldwertes in der frühen Nachkriegszeit, in der die Sachwerte mehr zählten (Schwarzmarkt), mag die geringe Resonanz auf diesen Aufruf verständlich sein. Werden die geringe Auflage der »Freiheit«, die finanzielle Möglichkeit der arbeitenden Bevölkerung, überhaupt Zeitungen zu kaufen, die physische und psychische Not der Bevölkerung und ein wahrscheinlicher Mangel am nötigen Schreibzeug in Betracht gezogen, wird dieses Verhalten erklärbar.
Die Hindernisse, die sich der Umsetzung der Lohngleichheit in den Weg stellen, wurden somit zum Teil in der Arbeiterin selbst gesucht. So wurde ihr vorgehalten, daß sie »immer noch zu stark daran gewöhnt (sei), geleitet zu werden«, so daß die Parole ausgerufen wurde: »Jetzt oder nie! ... In der Zone ist der Weg frei!«[39]
Kritisiert wurde auch die Haltung der männlichen Kollegen, »die aus törichtem Männerstolz und Konservatismus« die Lohngleichheit zu verhindern suchten. Durch entsprechende Vorstandsbeschlüsse wurde der Versuch unternommen, Gewerkschaftsfunktionäre und Betriebsräte entsprechend in die Pflicht zu nehmen.[40] Um den Widerstand gegen die Umsetzung der Lohngleichheit weiter zu schwächen, wurde eine »mit Kontrollbefugnissen ausgestattete Frauenkommission« eingesetzt,[41] die gegen die traditionellen Vorurteile ankämpfen sollte.
Gegen Ende des Jahres 1946 vermehrten sich die Erfolgsmeldungen. Gleichen Lohn erhielten die Arbeiterinnen in der Land- und Forstwirtschaft,[42] die Schaffnerinnen der Berliner Verkehrsbetriebe,[43] die Frauen in den Gaswerken[44] und die Schweißerinnen und Lackiererinnen.[45] Zum Ende des Jahres 1946 folgten weitere Tarifabschlüsse u. a. auch in dem Bereich der Industriegewerkschaft Metall.[46]
Tabelle 2: Durchschnittlicher Bruttostundenverdienst gewerblicher Arbeiter in der sowjetischen Besatzungszone
Juni 1974 | Juni 1948 | |
Männliche Arbeiter Facharbeiter und angelernte Arbeiter | Rpf. 109,5 | Rpf. 119,8 |
Hilfsarbeiter | Rpf. 94,9 | Rpf. 102,3 |
zusammen | Rpf. 105,4 | Rpf. 115,3 |
Weibliche Arbeiter Facharbeiter und angelernte | Rpf. 65,7 | Rpf. 79,4 |
Hilfsarbeiter, insb. Bauhilfsarbeiter | Rpf. 69,4 | Rpf. 81,2 |
zusammen | Rpf. 67,7 | Rpf. 80,4 |
Quelle.- Deutschland in Zahlen, hrsg. vom Wirtschaftswissenschaftlichen Institut der Gewerkschaften, Köln 1949, 78
Wie Tabelle 2 zu den durchschnittlichen Bruttostundenverdiensten gewerblicher Arbeiter in der sowjetischen Besatzungszone in den Jahren 1947/48 ausweist, bestanden trotz erkennbarer Fortschritte weiterhin noch unterschiedliche Einkommenshöhen bei männlichen und weiblichen Beschäftigten. Dieser Umstand wird dadurch erklärbar, daß auch in Tarifentwürfen für das Jahr 1947 z. T. noch unterschiedliche Löhne vereinbart wurden. Angelernte Arbeiter erhielten 95 Pfg. und die ungelernte Arbeiterin nur 65 Pfg. Etwas geringer war die Differenz bei den Ungelernten, hier wurden für den Arbeiter 90 Pfg. und für die Arbeiterin 65 Pfg. vorgesehen.[47] Dies zeigt, welche Schwierigkeiten bestanden, die 1946 beschlossene Lohngleichheit in die Praxis umzusetzen. Zur abschließenden Bewertung der Bemühungen in den folgenden Jahren sei lediglich darauf verwiesen, daß es die Staatsführung der neugegründeten Deutschen Demokratischen Republik am 2. 5. 1952 noch für notwendig erachtete, eine Kommission einzusetzen, die mit der »ständige(n) Überprüfung der Einstufung jeder einzelnen Arbeiterin« und mit der »Ausarbeitung einer Analyse über den Anteil der Frauen in den einzelnen Lohngruppen«[48] beschäftigt war. Bei Verletzung des Prinzips der Lohngleichheit hatten die Verantwortlichen mit unnachsichtiger Bestrafung zu rechnen.[49]
3. Lohnpolitik in den Westzonen
Mit der Ergänzung des Alliierten Kontrollrates zur Direktive Nr. 14 am 13. September 1946 erweiterte die Militärregierung den Handlungsspielraum der Lohnpolitik.[50] Diese Ergänzung der Direktive Nr. 14 ist an die Präsidenten der Landesarbeitsämter weitergeleitet worden mit dem ausdrücklichen Hinweis, Lohnerhöhungen für Frauen einzuleiten.[51] Die Möglichkeit, Lohnerhöhungen in dem begrenzten Rahmen durchzuführen, wurden neben dem beratenden Lohnausschuß auch den Arbeitgebern und den Gewerkschaften gewährt. Die Landesarbeitsämter und ihr Lohnausschuß konnten nach den Ausführungsbestimmungen zur Direktive auch von sich aus oder in Zusammenarbeit mit den Tarifvertragsparteien aktiv werden. Dies ist von besonderer Brisanz, da die ergänzende Direktive nicht der deutschen Öffentlichkeit bekanntgegeben werden durfte.[52] Die betroffenen Frauen erfuhren somit von dieser Chance der Lohngleichheit nichts. Die Gewerkschaften waren nun besonders gefordert, da die Arbeitgeber sich aus dem gewinnstrebenden Interesse heraus für die Grundsatzforderung der Lohngleichheit nicht einsetzten.
Tarifverträge konnten aber erst durch eine Anordnung vom 30. 10. 1946 in der britischen und amerikanischen Zone abgeschlossen werden. Aber nicht nur die Behinderung der Tarifabschlüsse bis zu dieser Verordnung machte es den Gewerkschaften in den Westzonen schwerer, tarifpolitische Forderungen zu erfüllen, sondern auch der gesamte gewerkschaftliche Aufbau verlief nicht ungehemmt.
Bei der Konstituierung wirkte sich die Verschiedenartigkeit der Besatzungsmächte hinderlich aus. Obwohl die westliche Militärregierung schon am 30. 5. 1945 in Hamburg durch einen Erlaß »Vorläufige Richtlinien« für die Errichtung von Gewerkschaften herausgegeben hatte, wurde erst am 8. August 1945 von der britischen Militärregierung offiziell bekanntgegeben, daß Gewerkschaften im übrigen Zonengebiet gegründet werden können.[53]
Die westlichen Alliierten waren zunächst nur bereit, den Aufbau der Gewerkschaften auf lokaler und betrieblicher Ebene, aber nicht die von den Gewerkschaften angestrebten zentralen Zusammenschlüsse zu tolerieren. Die westlichen Alliierten wollten hierbei dem demokratischen Prinzip: »von unten« aufzubauen, Rechnung tragen. Viel lag ihnen daran, kommunistische Einflüsse zurückzudrängen
Zu dem kontrollierten Aufbau der Gewerkschaften hatte die britische Militärregierung einen »Drei-Stufen-Plan« entwickelt. Auf der ersten Stufe war eine örtlich begrenzte Gewerkschaftsgründung möglich, deren organisatorische Notwendigkeiten erst mit der genehmigten zweiten Stufe gestattet wurde. Überörtliche Zusammenschlüsse wurden in der dritten Stufe, Mitte des Jahres 1946, genehmigt. Es fanden zwar dennoch überörtliche Kontakte statt, aber grundsätzlich konnte der Drei-Stufen-Plan sich nur hinderlich auf die gewerkschaftliche Arbeit und damit auch auf die Tarifverhandlungen auswirken.
Denn bis die Phase des gewerkschaftlichen Aufbaus in der britischen Zone mit dem Gründungskongreß des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Bielefeld als abgeschlossen bezeichnet werden konnte, war es bereits April 1947 geworden. Gleiches gilt auch für die amerikanische und französische Zone, wo gewerkschaftliche Aufbauarbeit im Mai 1947 zum Abschluß gebracht werden konnte.
Die Folgen dieser langwierigen gewerkschaftlichen Organisierung und die umfangreiche Behinderung durch die westlichen Alliierten hatten zur Konsequenz, »daß die gewerkschaftliche Einflußnahme auf wichtige Entscheidungsprozesse zur wirtschaftlichen und politischen Struktur Nachkriegsdeutschlands nur von einer geschwächten Organisation erfolgen konnte.«[54]
Zur Grundsatzforderung der Lohngleichheit konnte dann auch erst auf der Zonenkonferenz der Gewerkschaften in Bielefeld Ende August 1946 eine Entschließung angenommen werden.[55] Weitere Entschließungen der Einzelgewerkschaften folgten. So nahm der 1. Zonentag der Industriegewerkschaft Textil, Bekleidung und Leder im April 1947 hierzu eine Resolution an.[56] Ein halbes Jahr später stellte die erste Frauenkonferenz des DGB[57] eine gleichlautende Forderung auf. Im März 1946 forderten zwar schon weibliche Delegierte der Gewerkschaften im Bezirk Niederrhein die Lohngleichheit,[58] dennoch blieb es scheinbar bei Forderungen und Resolutionen. Bei der ersten Arbeitstagung der Gewerkschafterinnen in der britischen Zone im November 1946 standen allgemeine Themen wie Berufsaussichten und Organisationsfragen im Vordergrund. Der Tagesordnungspunkt Lohngleichheit fehlte. Auch die Zonen-Frauentagung 1947 brachte hierin keine Änderung. Erst auf der 6. Interzonenkonferenz der deutschen Gewerkschaften Ende Oktober 1947 wurde die ungleiche Entlohnung wieder stärker thematisiert. So wurde beschlossen: »Gleichstellung für Männer und Frauen. Besserung aller besonderen Frauenlohngruppen in den Tarifen. Direkte Einstufung der Frauen in die jeweils gültige Lohngruppe der Angelernten oder Facharbeiter, entsprechend ihrer Arbeit.[59] Frauen stellten demnach zwar die Lohngleichheit heraus, vermochten ihr aber offensichtlich nicht genügend Nachdruck zu verleihen. Sie erfuhren auch keine Hilfe durch die Anfang 1946 in der britischen Zone herausgegebenen »Gewerkschafts-Zeitung«. Dies gilt auch für den 1. Reichsfrauentag der SPD im November 1946 in Frankfurt. Dort forderte die spätere Oberbürgermeisterin von Berlin und Bundestagsabgeordnete LUISE SCHRÖDER die Lohngleichheit.[60] Die der SPD nahestehende Zeitung »Freie Presse« begann nicht mit Informations- und Aufklärungsarbeit die Grundsatzforderung zu unterstützen, so daß keine öffentlich wirksame Arbeit folgen konnte.
Generell kann festgestellt werden, daß für den Zeitraum der Jahre 1945/46 keinerlei Aktivitäten der Gewerkschaften in den Westzonen hinsichtlich der Forderung nach Lohngleichheit festgestellt werden können. Die bürgerliche Presse orientierte sich auf private Hilfeleistungen und verbreitete Appelle zur gegenseitigen Hilfe und Zusammenarbeit. Dies bedeutete eine mehr oder weniger deutliche Abkehr von gesellschaftspolitischen Fragestellungen, in deren Folge dann auch die weibliche Erwerbstätigkeit als Zwang angesehen wurde, der durch die Abwesenheit der Männer bedingt war.[61] Weibliche Erwerbstätigkeit wurde keineswegs als ein Schritt auf dem Wege zur gleichberechtigten Teilnahme von Frauen in der Lebens- und Arbeitswelt angesehen. In diesem Zusammenhang paßt, daß die Juristin und spätere Bundestagsabgeordnete Selbert 1946 den Mangel an politisch aktiven Frauen beklagt.[62]
Wie bereits dargestellt, blieben die lohnpolitischen Initiativen in der sowjetischen Zone nicht ohne Einfluß auf die Handlung der Westalliierten. Aufgrund des ergangenen Befehls Nr. 253 in der sowjetischen Zone sah sich der Alliierte Kontrollrat veranlaßt, die Direktive Nr. 14 vom 12. 10. 45 am 13. 9. 46 um den Aspekt der Lohngleichheit zu erweitern. In § 3e der Direktive war nun enthalten:
»Die Löhne für Frauen und Jugendliche dürfen (Hervorhebung d. d. V.) bei gleicher Arbeit und gleicher Leistung bis zur Höhe der Löhne für männliche Arbeitskräfte erhöht werden.«[63] Die Formulierung macht deutlich, daß es sich im Gegensatz zum Befehl Nr. 253, der Gesetzeskraft hatte, lediglich um eine Kann-Bestimmung handelte, so daß für die Durchsetzung der Lohngleichheit der nötige Nachdruck fehlen mußte. Dennoch konnten besonders vor der Währungsreform Lohnerhöhungen in Verbindung mit dem Grundsatz der Lohngleichheit durchgesetzt werden. Besonders in den sog. Problemindustrien, wie Baugewerbe, Textilindustrie, Bergbau und Reichsbahn, kam es durch die ergänzende Direktive zu neuen Tarifabschlüssen. Die Beschäftigten in diesen Arbeitsbereichen waren aufgrund der Mobilmachung des Nationalsozialismus von Lohnerhöhungen ausgeschlossen worden und befanden sich somit auf einem geringen Lohnniveau.[64]
In diesem Zusammenhang ist auch die Erhöhung der Stundenlöhne, die unter 0,50 RM lagen und nun bis zu dieser Grenze angehoben werden konnten, zu sehen.[65] Die Anhebung der sog. Hungerlöhne wurde notwendig durch die sinkende Kaufkraft, »die sich aus Preissteigerungen, Arbeitszeitverkürzungen, Arbeitsausfällen und erhöhten Abgaben«[66] bei kaum veränderten Löhnen ergab. Das dadurch entstandene Mißverhältnis der Lohn- und Preisschere verschärfte die Not für die ohnehin am Rande der Existenz lebende Bevölkerung der mittleren und niederen Einkommenstufen.[67] Diese konnten weder Verbrauchsgüter noch »die ihnen zugeteilten Rationen« kaufen.[68] Diese Entwicklung ist bei der Bewertung der folgenden Tarifabschlüsse zu berücksichtigen.
Der am 21. 5. 1947 in München für die Bekleidungsindustrie im amerikanisch besetzten Bayern abgeschlossene Tarifvertrag regelte, daß jeder Erwerbstätige - ausschließlich der Lehrlinge und Anlernlinge, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben - gleichgültig, welchen Alters und Geschlechts er ist - bei »gleicher Arbeit und gleicher Leistung« ebenso wie der männliche »Vollarbeiter« entlohnt werden soll.[69]
Auch in der hessischen Landesgewerkschaft »Bekleidung, Textil, Leder« wurde am 8. 6. 1948 tarifvertraglich bestimmt, daß »Jugendliche und Frauen ... bei Erfüllung der gleichen Leistung und Produktivität eines männlichen Vollarbeiters«[70] den gleichen Lohn erhalten sollen.
Der Grundsatz »gleicher Lohn für gleiche Arbeit und Leistung« war auch Bestandteil des Tarifvertrages vom 19. 4. 1948 für die Steine- und Erden-Industrie. Es wurde beschlossen, daß die Arbeitnehmerinnen, sofern sie bei gleicher Arbeit die gleiche Leistung wie die Arbeitnehmer vollbringen, genauso wie der Mann bezahlt werden sollen. Frauen erhielten, falls die beiden Faktoren nicht zusammentrafen, mindestens 75 Prozent des Männerlohnes.[71]
Diese Vereinbarungen zeigen, daß die Grundsatzforderung der Lohngleichheit in den Tarifverträgen vereinzelt Aufnahme fand.
Ob und in welchem Ausmaß eine Annäherung bzw. Erhöhung der Frauenlöhne erfolgte, soll anhand des zur Verfügung stehenden statistischen Datenmaterials dargestellt werden (vgl. Tab. 3).
Tabelle 3: Vergleich der Stundenlöhne[72] von männlichen und weiblichen Spezial- und Hilfsarbeiter(n)innen gemessen an den Facharbeiterstundenlöhnen in den Jahren 1946-1948*
Zeit | Männerstundenlöhne | Frauenstundenlöhne | ||
Spezialarbeiter | Hilfsarbeiter | Fach- u. Spezialarbeiter | Hilfsarbeiter | |
in% der Facharb. |
in% der Facharb. |
in% der Facharb. |
in% der Facharb. |
|
Sept. 1946 | 91,4 | 76,2 | 57,8 | 52,3 |
Sept. 1947 | 92,9 | 77,8 | 59,0 | 53,3 |
Sept. 1948 | 93,9 | 81,5 | 60,7 | 55,0 |
* Diese Durchschnittszahlen basieren auf 21 Gewerbezweigen
Quelle: Gewerkschaftliche Praxis, 3. Jg., Februar 1949 (verändert)
Aus der Aufstellung wird deutlich, daß in den Jahren 1946-1948 sowohl bei den Hilfsarbeiterlöhnen als auch bei den Spezialarbeiterlöhnen beträchtliche Differenzen in der Entlohnung von Frauen und Männern bestanden. So verdienten die Hilfsarbeiterinnen im Vergleich zu den Hilfsarbeitern 1946 23,9 v. H., 1947 24,5 v. H. und 1948 sogar 26,5 v. H. weniger. Die Hilfsarbeiterinnen erhielten also nicht nur eine generell geringere Entlohnung, sondern ihre Lohneinbußen erhöhten sich 1948 gegenüber 1946 noch um weitere 2,6 v. H.
Bei der Analyse der Spezialarbeiterlöhne stellt sich die Situation der Arbeiterinnen noch ungünstiger dar. Hier betrug der Verdienstabstand zwischen männlichen und weiblichen Beschäftigten 1946 33,6 v. H., 1947 33,9 v. H. und 1948 33,3 v. H. Spezialarbeiterinnen und Facharbeiterinnen (!) bekamen also von 1946-1948 rund 1/3 weniger Lohn als ihre männlichen Kollegen. Wie kraß diese Benachteiligung der Frauen zu bewerten ist, wird offenbar, wenn man die Löhne insbesondere im Verhältnis zu den Anforderungen an die zu leistende Arbeit betrachtet. Obwohl die Tätigkeit eines(r) Facharbeiters(in) als vergleichsweise hochqualifiziert zu charakterisieren ist und besondere Kenntnisse und Fertigkeiten voraussetzt, die ein Spezialarbeiter, obwohl auch qualifiziert, nicht aufweist, erreichen Facharbeiterinnen noch nicht einmal den Verdienst des männlichen Spezialarbeiters.
Die Benachteiligung der Frauen wird noch zusätzlich dadurch betont, daß bei ihnen - im Unterschied zu den Arbeitern - keine Trennung zwischen Fach- und Spezialarbeiterinnen vorgenommen wurde, obwohl für diese Tätigkeiten unterschiedliche Qualifikationsebenen erforderlich sind und sich dies auch in den jeweiligen Verdiensten hätte niederschlagen müssen.
Daß es sich bei der Minderentlohnung der Frauen nicht um Einzelerscheinungen handelt, zeigt Tabelle 4, in der die durchschnittlichen Bruttostundenverdienste von Frauen und Männern in der Zeit von 1938-1948 ausgewiesen sind.
Der Lohnabstand zwischen Frauen und Männern bewegt sich in den Jahren 1938 bis 1948 zwischen 34,8 RPf und 44,0 Pf. Diese Daten bestätigen also nicht nur die generell schlechtere Lohnsituation der Frauen, sondern sie belegen darüber hinaus, daß sich die Lohndifferenz von 1938 bis '1948 zwischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern um 9,2 Pf erhöhte. Die Steigerung bewirkte, daß die geringfügige Annäherung der Frauen- an die Männerlöhne praktisch ohne Bedeutung blieb.
Unter der Voraussetzung, daß mit der jeweiligen Berufsbezeichnung (Fach-, Spezial-, Hilfsarbeiter(innen), Arbeiter(innen) gleiche bzw. vergleichbare Tätigkeitsfelder umschrieben werden, ist festzuhalten, daß Frauen durchweg schlechter abschnitten, d. h. sie mußten Lohneinbußen hinnehmen.
Tabelle 4: Durchschnittliche Bruttoverdienste von Frauen und Männer
Bruttostundenverdienst in Pf. Männer |
Bruttostundenverdienst in Pf. Frauen |
Lohnabstand in Pf. |
||
1938 | (Reich) | 85,5 | 50,7 | 34,8 |
1946 | März | 94,7 | 56,2 | 38,5 |
Juni | 95,9 | 57,1 | 38,8 | |
September | 97,3 | 58,5 | 38,8 | |
Dezember | 97,2 | 57,9 | 39,3 | |
1947 | April | 99,0 | 59,6 | 39,4 |
Juni | 103,1 | 58,2 | 44,9 | |
September | 102,2 | 61,4 | 40,8 | |
Dezember | 102,6 | 62,8 | 39,8 | |
1948 | März | 104,0 | 63,0 | 41,0 |
Juni | 106,09 | 63,6 | 42,49 | |
September | 116,2 | 72,2 | 44,0 |
Quelle: Gewerkschaftliche Praxis, 3 Jg., Februar 1949, 35 (verändert)
Die Verdienstabstände zwischen Frauen und Männern wurden selbst dadurch nicht beseitigt, daß im Untersuchungszeitraum eine leichte Erhöhung der Frauenlöhne zu verzeichnen war, da im gleichen Zeitraum die ohnehin höheren Löhne der Männer ebenfalls stiegen.
Die leichte Erhöhung der Frauenlöhne ist zum einen auf die Maßgaben der Direktive Nr. 14 vom 13. 9. 46 und zum anderen auf arbeitsmarktpolitische Überlegungen zurückzuführen. Rückblickend sagt MARLIES KUTSCH, die seit 1953 in der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie für Frauenfragen zuständig war:
- »Die Wirtschaft ... benötigte Frauen als Arbeitskräfte, so daß eine spezielle Erhöhung der Frauenlöhne Anreiz für die Aufnahme oder Weiterführung einer Beschäftigung sein konnte.«[73]
Dieser Anreiz wurde notwendig durch die relative Wertlosigkeit des Geldes. Es veranlaßte verheiratete Frauen dazu, die schlechte Lebensmittelversorgung durch den Tausch von Sachwerten auf dem Schwarzmarkt oder durch Hamsterfahren aufzubessern.
Neben dem lohnbeeinflussenen Faktor der Nachfrage für Arbeitskräfte veränderten auch die vorübergehend sozialisierten Betriebe die Lohnspanne.
In der eisenschaffenden Industrie gelang es Ende 1948, den Lohn der Frauen »allgemein auf den Stand von 90 v. H. des Männerlohnes. »[74] anzuheben. Frauen, die »wirklich gleichwertige Männerarbeit verrichteten«[75], erhielten den vollen Lohn des Mannes. Das bedeutete für einige Unternehmen Lohnsteigerungen bis zu 36 Prozent,[76] die allerdings nur für einen geringen Zeitraum Bedeutung hatten. Mit der Reprivatisierung dieser Betriebe wurde auch die Lohngleichheit wieder rückgängig gemacht, so daß die Lohndifferenzen in der alten Weise beibehalten wurden.
Auch in Berlin wurde das seit 1948 vereinbarte Prinzip des »gleichen Lohnes bei gleicher Leistung« mit den Firmen Osram und Siemens 1950 wieder aufgekündigt. Die Firmen beriefen sich auf die nicht verwirklichte Lohngleichheit in Westdeutschland und die dadurch eingeschränkte Wettbewerbsfähigkeit.[77] Mit der Konsolidierung der wirtschaftlichen Verhältnisse in den Westzonen, besonders durch den Marshall-Plan und die Währungsreform, hatten sich die kapitalistischen Wirtschaftsverhältnisse wieder so etabliert, daß es immer schwieriger wurde, die Lohngleichheit durchzusetzen. Daß es bis zu diesem Zeitpunkt zu keiner überzeugenden Verankerung des Gleichheitsgrundsatzes kam, ist offenbar der Reorganisation der kapitalistischen Verhältnisse zuzuschreiben.[78] Die sich stabilisierenden patriarchalischen Gesellschafts- und Herrschaftsstrukturen mußten der Lohngleichheit zuwiderlaufen.
4. Zusammenfassung
Insbesondere der Initiative der Gewerkschaften in der sowjetischen Zone ist zu verdanken, daß die alte Grundsatzforderung der Lohngleichheit bereits 1946 für diese Region Gesetzescharakter erhielt. Wenn sich auch bei der Umsetzung dieses politischen Grundsatzbeschlusses z. T. erheblich Schwierigkeiten ergaben, waren die Bemühungen der Gewerkschaften im Ergebnis erfolgreich. Für den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaftsordnung mußte die Frage der Lohngleichheit eben grundsätzlich geklärt werden.
- BADSTÜBER schreibt dazu, »daß es der Arbeiterklasse und ihren Verbündeten unter den Bedingungen des Wirkens der Sowjetischen Militärverwaltung (SMA) frühzeitig gelang, eine Vorentscheidung in der Frage der Macht, vor allem der Staatsmacht, zu ihren Gunsten herbeizuführen.«[79]
Demgegenüber nutzten die Gewerkschaften in den Westzonen die Chance zur Herstellung der Lohngleichheit nach der Ergänzung der Direktive Nr. 14 nicht. Dies wird von gewerkschaftlicher Seite mit der vorherrschenden Sorge um die Ernährung, der Umstellung ehemaliger Rüstungsbetriebe auf Friedensproduktion und dem Bemühen um die Verhinderung von Demontagen erklärt.[80]
Unter dieser Prioritätensetzung wurde die ungleiche Entlohnung zu einem Randproblem, da davon ausgegangen wurde, daß die Lohnstruktur zu einem anderen Zeitpunkt geändert werden könne.
BRAUNWARTH erklärt in seiner Untersuchung zur ungleichen Entlohnung von Mann und Frau die Haltung der Gewerkschaften in den Westzonen dadurch, daß sie »bemüht waren, den Anschluß an ihre mehr als ein Jahrzehnt unterbundene Arbeit zu gewinnen [81] daß »durch den Krieg sehr verzerrte Lohngefüge zu normalisieren«,[82] so daß die ungleiche Entlohnung der Frau erst mit dem Jahr 1950 Aufnahme in die Tarifverhandlungen fand. So ist auch erklärbar, warum die Lohnabstände zwischen Männern und Frauen in der sowjetischen Zone geringer waren als in den Westzonen. (vgl. Tab. 5).
Tabelle 5: Bruttostundenverdienst in Pf
Männer | Frauen | Lohnabstand | |
Juni 1947 | 103,1 (105,4)* | 58,2 (67,7) | 44,9 (35,77) |
Juni 1948 | 106,09 (115,3) | 63,6 (80,4) | 42,4 (34,90) |
* In Klammern die Zahlen der sowjetischen Zone; vgl. hierzu die o. a. Quellen
Der Ansicht, daß die Lohnfrage in den ersten Nachkriegsjahren für die lohnabhängigen Frauen nicht das vorrangige Problem gewesen sei, kann durchaus einiges abgewonnen werden; stand doch mehr die Sorge um die Ernährung, die besonders in den Jahren 1946/47 auf ein katastrophales Minimum herabsank, im Vordergrund. Hier liegt auch ein möglicher Erklärungsansatz für die zu geringe Aktivität der Frauen in der Lohnfrage, die auch in der Gewerkschaftsliteratur teilweise bemängelt wird. Der herrschende Mangel am Lebensnotwendigsten konnte auch mit der beginnenden Produktion zunächst nicht behoben werden. So wird verständlich, daß Frauen ihre noch verbleibende Kraft in ihre Reproduktionsarbeit setzten. Bei näherem Hinsehen zeigt sich jedoch, daß diese Verhältnisse in ähnlicher Weise auch in der sowjetischen Zone anzutreffen waren. Im Unterschied zu den westlichen Zonen wurden die Frauen in der sowjetischen Zone aber sowohl in der geistigen als auch in der praktischen Auseinandersetzung um die Lohnfrage unterstützt.
In der sowjetischen Zone fand eine breit angelegte Aufklärungsarbeit statt, die nicht nur Diskussionsanstöße gab, sondern auch zu konkreten Ergebnissen führte.
In den westlichen Medien war die Entlohnung der Frau kein Thema. So wird auch erklärbar, warum in dieser Arbeit die Gewerkschaftspresse des FDGB häufig, die Organe der Gewerkschaften in den Westzonen hingegen kaum zitierfähig waren.
Wenn der Prozeß der Lohngleichheit in der sowjetischen Zone innerhalb der ersten Nachkriegsjahre keineswegs abgeschlossen werden konnte, so zeigt doch die Gegenwart, daß die Lohngleichheit in der DDR nicht nur in der Verfassung (Art. 18) und im Arbeitsgesetzbuch [83]Aufnahme fand, sondern auch in der Praxis ohne Ausnahme umgesetzt wurde.
In den westlichen Besatzungszonen fand die Grundsatzforderung der Lohngleichheit vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes Aufnahme in einigen Länderverfassungen.[84] Die politische Bedeutung dieser Verfassungen war jedoch nicht durchschlagend. Spätere Einschätzungen sprechen davon:
- »daß die Landesverfassungen unter dem Eindruck der unentschiedenen Frage der künftigen deutschen Staatsform entstanden und selbst teilweise keinen Anspruch erheben, endgültige rechtliche Grundlagen zu sein.«[85]
Nur vor diesem Hintergrund wird verständlich, daß die jeweiligen Landesverfassungen »im Volk wenig Echo gefunden und nur eine geringe praktische Bedeutung erlangt haben.[86] Daraus resultiert auch die kaum vorzufindende Umsetzung dieses Grundsatzes, da die Arbeitnehmer ihn »offensichtlich nicht als aktuelles Recht aufgefaßt« haben und somit auch nicht geklagt haben.[87]
Erst mit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes kam durch den Artikel 3 Absatz 2 eine verstärkte Diskussion über die Anwendung der Lohngleichheit auf und beschäftigte in den folgenden Jahren bis heute die Arbeitsgerichte.
In der Bundesrepublik läßt heute die Praxis keine Zweifel offen, daß wir noch weit davon entfernt sind, Lohngleichheit verwirklicht zu haben. Dies zeigt sich in den gewerkschaftlichen Bemühungen, indem besonders die Industriegewerkschaften versuchen, durch Eingruppierungsaktionen oder auf dem Klagewege der Lohngleichheit einen Schritt näher zu kommen.