In diesem Buch geht es um Frauen, die Karriere machen. Zuerst wollten wir diesen Ausdruck, der kontrovers ist, vermeiden, einfach um Mißverständnisse zu verhindern. Denn bei »Karriere« denken alle gleich an Aktenkoffer und Nadelstreifen, und das traf auf unsere Gesprächspartnerinnen nicht zu. Aber alles andere waren Hilfsausdrücke und genauso mißverständlich. »Berufstätig« - das war zu wenig. Aktiv, engagiert - das hat eine politische, eine soziale Note und klingt außerdem bewertend. Brav, du engagierst dich. »Erfolgreiche« Frauen vielleicht? Denn das waren sie, aber sie bestimmten selbst und oft sehr unterschiedlich, was sie damit meinten. Die eine freute sich über sich selbst, weil sie erstmals in der Lage war, Aufträge auch abzulehnen, statt sie mit übermäßigem Fleiß und Dienstelfer immer auszuführen. Die andere freute sich ebensosehr, weil sie es geschafft hatte, ihre Familie aus dem sonnigen Paradies, wo sie sich zur Auskostung der Idylle niedergelassen hatte, zum »Wledereinstieg« in das harte Leben einer nördlichen Stadt zu bewegen. Nach den Jahren auf der »Insel« erschien der Büroalltag ihr herrlich, wohltuend stressig. Für die eine war »Erfolg« an Bilanzkurven abmeßbar, ganz objektiv. Für die andere hatte der geschäftliche Erfolg nur deswegen einen Sinn, weil sie darüber menschliche Kontakte und sozialen Einfluß erzielte. Was all diese Frauen miteinander verband, war ihre Mög1.Ichkeit, nach eigenem Willen und Gutdünken ihr Leben zu gestalten. Nicht immer; sie kannten Zwänge, Rückschläge, tote Punkte. Aber auch dann lag es an ihnen, diese zu überwinden.
Unsere Auswahlkriterlen für die Gespräche waren äußerst flexibel, und so wurde die Gruppe, die wir zusammenbrachten, entsprechend bunt. Wir trafen die Leiterin eines Kernkraftwerks und die Gründerin eines militant umweltfreundlichen Kosmetikkonzerns; hektische Börsenfrauen und sensible Künstlerinnen; Frauen, die meinten, ohne FamiIie sei ihr Arbeitsleben emotional untragbar, und Frauen die froh waren, unbelastet durch private Verpflichtungen voll ihren Ambitionen frönen zu können; Frauen, die das Arbeitsleben als völlig geschlechtsneutral erlebten und Frauen, die umfassende Strategien für den Umgang mit Männern im Job entwarfen. Unseren Entschluß, keine ideologischen oder strukturellen Bedingungen zu entwerfen, haben wir nicht bereut. Jede Frau hatte ihre sehr eigene Geschichte, und in manchen Dingen waren sich alle Geschichten sehr ähnlich: Jede Frau hatte - mit Eleganz und Elan oder mit Hartnäckigkeit und zäher Ausdauer, oft mit Humor und nie ohne Überwinden zahlreicher absurder Hindernisse ihren Weg gemacht. Und diese Phrase, ihren »Weg machen«, war selten so angebracht wie bei diesen Frauen. Viele hatten ihre Jobs selber erfunden und dem Arbeitgeber dann eingeredet, daß ein solcher Posten von Vorteil sei. Viele hatten gerade die Eigenschaften, die man Frauen gerne abspricht: Risikofreude, langfristiges Planen oder eine allergische Abneigung gegen abhängige Arbeit.
Auf Auswahlkriterien stringeiiterer, inhaltlicher Art mußten wir eigentlich sogar verzichten. Denn wir wollten vor allem zweierlei wissen: Was wollen Frauen machen, und wie wollen sie es machen? Und auch noch: Wie geht es ihnen dabei? Die letzte Frage war die leichteste: Es geht ihnen sehr gut dabei, immer besser. Das >was< und das >wie< war vielfältiger und komplizierter. Manche Frauen wählten bewußt Sparten und Lebenswege, die »männlich« waren. Waren sie darin dann sehr anders? Ja, aber nicht in der pauschalisiert einfachen Form, wie es von manchen erwartet wird.
Wir haben schon sehr viele Forschungsprojekte gemacht; dieses war vielleicht das erfreulichste. Gewiß erfuhren wir auch viel über nachhaltige Benachteiligungen, über Probleme und Ungerechtigkeit und starre Strukturen. Aber das war der geringste Teil. Wesentlich einprägsamer war die Erfahrung, an den ungewöhnlichsten Orten sehr ungewöhnliche Frauen anzutreffen, denen ihre gewählte Arbeit Spaß machte. Die mit Einfallsreichtum auftretende Blockierungen übersprungen hatten, die die Welt mit- und umgestalteten. »Es ist noch nicht genug passiert«, »viele erreichte Dinge werden wieder rückgängig gemacht«, das sind Meldungen, die es bezüglich der Frauenfrage immer wieder gibt. Nach unserem informellen Rundgang durch die Welt des Kommerz, der Wissenschaft, der Kunst, des Kapitals und des sozialen Engagements wissen wir, daß ein kritischer Punkt erreicht und überwunden wurde. Der qualitative Sprung ist getan; diese Frauen schickt niemand mehr »heim«, weil sie dort, wo sie sind - in der Klinik, der Bank, dem Institut, der Firma - daheim sind.
In diesem Buch werden Sie, mit uns, die unterschiedlichsten Frauen kennenlernen. Nicht jeder Lebensweg wird Sie ansprechen, aber von fast jeder Frau können wir etwas lernen. Vor allem aber wird erst in dieser Summe deutlich, welche Veränderungen schon stattgefunden haben, und welche wir uns noch wünschen. Aber eines ist klar: Daß dies alles nur passiert, wenn wir uns dafür einsetzen und daran mitwirken. Und daß es dann, wenn wir es tun, auch möglich ist.