Während der letzten Monate des Jahres 1862 berichten verstreute Eintragungen in Louisa May Alcotts Tagebuch von ihrem Entschluß, freiwillig als Krankenschwester in einem Lazarett zu dienen:
»November - dreißig Jahre alt. Entschlossen, als Krankenschwester nach Washington zu gehen, wenn ich einen Platz finden könnte. Helfer nötig, und ich liebe Krankenpflege und muß meine aufgestaute Energie auf irgendeine neue Weise herauslassen... Ich wünsche mir neue Erfahrungen und bin sicher, sie zu machen, wenn ich gehe. So habe ich meinen Namen eingesandt.
Dezember - Ich bin zu meiner langen Reise aufgebrochen, voll von Hoffnung und Sorge, Mut und Plänen. Eine höchst interessante Reise in eine neue Welt voller verwirrender Anblicke und Klänge, neue Abenteuer und ein immer stärker werdendes Bewußtsein der großen Aufgabe, die ich mir gestellt hatte. Ich sprach Gebete, während ich durch das von Zelten weiße Land eilte, sie waren voll des Patriotismus, aber auch schon rot von Blut. Eine erhebende Zeit, aber ich bin froh, in ihr zu leben; und bin sicher, es wird mir gut tun, ob ich nun lebend oder tot aus ihr hervorgehe.«[1]
Die düstere Notiz kam der Prophetie leider sehr nahe: Louisa May Alcott wäre beinah an Typhusfieber gestorben und war innerhalb von drei Monaten wieder zu Hause, noch immer furchtbar krank und mit einer für immer angegriffenen Gesundheit. Trotzdem bestand sie darauf, daß die kurze Erfahrung von bleibendem Wert war: wieviel mehr muß das erst für Frauen gegolten haben, die die gesamten vier Jahre oder den größten Teil davon bei solchen neuen Tätigkeiten verbrachten?
Oft waren ihre Gründe ebenso vielfältig wie die, von denen die Autorin der Linie Women (Vier glückliche Schwestern) so freimütig berichtet; sie setzten sich zusammen aus Patriotismus, instinktiver Ablehnung der Sklaverei und der Unruhe, die in zwanzigjähriger Agitation geschaffen worden war und die nun nach Freisetzung verlangte. Sie mochte hervorgegangen sein aus dem Gärstoff der letzten zwei Jahrzehnte, aus dem, was Frances Wright und Margaret Füller gelehrt hatten, oder vielleicht aus einer Petition, die ihnen an der Tür von einer unbekannten Frau vorgelegt wurde und das Wahlrecht forderte.
Für viele bestand der Hauptantrieb in der Notwendigkeit, daß sie Familien zusammenhalten mußten, deren Männer in die Armee gegangen waren, und für Wohnungen, Kleidung und Nahrung zu sorgen hatten. Das Eindringen von Frauen in die Lehrberufe und ihr Eintritt in die Regierungsbüros datierten aus dem Bürgerkrieg. Tausende von Frauen kehrten Herd und Waschzuber den Rücken, um in den Städten nach Arbeit zu suchen, oder leisteten die schwere Handarbeit, die erforderlich war, um das Familienanwesen zu erhalten. So erinnert sich Anna Howard:
»Das Problem des Überlebens wurde von Tag zu Tag härter. Wir streckten unsere geringen Einkommen auf alle möglichen Arten, nahmen Arbeiter aus den Holzfäller-Lagern in Miete, stellten Decken her, die wir verkauften, und ließen keine Gelegenheit aus, um auf irgendeine rechtschaffene Art einen Pfennig dazuzuverdienen. Wieder übernahm meine Mutter außer Haus jede Näharbeit, die sie sich sichern konnte, und doch wurde die Kluft zwischen unserem Einkommen und unseren Ausgaben mit jedem Monat unserer Anstrengungen größer und die Preise für die nackten Grundbedürfnisse stiegen und stiegen. Die höchste Summe, die ich mit Unterricht verdienen konnte, war sechs Dollar in der Woche, und unser Schuljahr hatte nur zwei Semester von jeweils dreizehn Wochen. Es war ein unablässiger Kampf, unser Land zu halten, Steuern zu bezahlen, zu leben. Kattun wurde zu fünfzig Cent pro Yard verkauft, Kaffee zu einem Dollar das Pfund. Es waren keine Männer mehr da zum Kornschroten, zum Einbringen der Ernte oder für die Versorgung des Viehs; und um uns herum sahen wir unseren Kampfsich widerspiegeln im Leben unserer Nachbarn.«[2]
Frauen in günstigeren Umständen gelang es, neue Bereiche zu schaffen, in denen ihr Geschlecht sich nützlich machen konnte. Dorothea Dix, wegen ihrer Arbeit für die Gefängnis- und Irrenanstaltenreform schon bekannt, wurde - im Alter von sechzig Jahren - Leiterin des Krankenpflegedienstes in den Lazaretten der Union. »Eine freundliche alte Seele, aber schrullig und launisch«, kommentierte Miss Alcotts Tagebuch.[3] Sicher, ihre Erfahrung als einsame, aber standhafte und hingebungsvolle Lobbyistin war kaum die beste Voraussetzung für die riesigen Verwaltungsaufgaben, besonders wo die Ärzteschaft sich der Armee gegenüber weitgehend feindselig verhielt -wie Miss Nightingale in der Krim festgestellt hatte. Doch wenn Miss Dix auch gerügt wurde wegen ihres Mangels an Takt und Flexibilität, ihre Hingabe oder die Tatsache, daß sie einigen Anteil daran hatte, eine gewisse Ordnung in das Chaos zu bringen, ließen sich kaum bezweifeln. Andere Frauen wie »Mutter« Bickerdyke und Clara Barton fanden Möglichkeiten, viele Menschenleben zu retten, indem sie unmittelbar hinter den Kampflinien folgten.[4] Tatsächlich hatte Miss Barton, nachdem sie Jahrzehnte ihres Lebens danach gesucht hatte, zum ersten Mal ein befriedigendes Ziel ihres Daseins gesehen, als sie auf den Schlachtfeldern von Antietam, Chancellorsville und Fredericksburg die Verwundeten pflegte und Sterbenden den Kopf hielt.
Nach und nach wurde aus einer völlig neuen Einrichtung, der Sanitäts-Kommission, der rechte Arm des Lazarett- und Gesundheitsdienstes der Union. Hinter dem berühmten Gruß »Hallo Sanitäterin«, der aus den Reihen der Kojen widerhallte, wenn die Frauen Marmelade, Obst, saubere Kleider, Seife und andere Grundstoffe für die zerlumpten Männer brachten, steckte die Arbeit einer weitverzweigten Organisation, die gegen Ende des Krieges etwa 7000 örtliche Gesellschaften im ganzen Norden und Westen zählte und die Riesensumme von 50 000 Dollar aufbrachte und ausgab.[5] Der Anstand - und das aus der Erfahrung der Vergangenheit entsprungene strategische Geschick ließen es ratsam erscheinen, daß die Führung der Organisation aus Männern bestand. Aber zusammen mit Dr. Henry Bellows, einem unitarischen Geistlichen, der auch ihr Präsident war, und dem begabten Generalsekretär Frederick Law Olmstedt arbeiteten Frauen wie Mary A. Livermore aus Chicago und Louisa Lee Schuyler aus New York. Die weitgefächerten Aktivitäten der Kommission und das zu ihrer Ausführung nötige Geld verdankten sie einer Menge anonymer Frauen, die zahllose Bazare veranstalteten und eine Art von Rotkreuz-Programm durchführten, das bis dahin nicht seinesgleichen hatte.
Es gab nur wenige Bereiche des Krieges, abgesehen von Militärstrategie und tatsächlichen Schlachten, in denen die Sanitäts-Kommission nicht ihre Finger hatte. Sie rekrutierte Krankenschwestern für den Lazarettdienst (von denen Miss Dix verlangte, daß sie älter als dreißig sein sollten, einfach, ohne Wespentaillen, stark genug, um einen erwachsenen Mann im Bett umzudrehen, und willens, die niedersten Arbeiten zu verrichten - eine Zusammenstellung von Tugenden, die zu finden oft schwer für die Sanitäts-Kommission war!).[6] Sie beschaffte Verbandszeug, Medikamente und Verpflegung zusätzlich zu den höchst unzureichenden Krankenhausrationen und veranstaltete Kampagnen gegen Skorbut und für bessere sanitäre Einrichtungen in den Armeelagern. Sie errichtete und unterhielt Sanitätsschiffe, Erholungslager und Heime für Rekonvaleszenten. Sie half den Verwundeten auf ihrem schmerzhaften Heimweg und den aufgeregten Verwandten bei ihrer Suche nach den Vermißten. So manche Kleinstadt- oder Farmerfrau, die nur einen kleinen Aufgabenbereich gehabt hatte und deren Horizont eng gewesen war, aber auch die Dame aus der Stadt, die zuvor nur mit Mode und Vergnügen beschäftigt gewesen war, war nicht mehr dieselbe, nachdem sie an irgendeiner Stelle der Kommissionsarbeit eingespannt worden war.
Ein Aspekt des Krieges, der eine nachhaltige Wirkung auf viele in den Lazaretten und auf dem Schlachtfeld arbeitende Frauen hatte, war das riesige Ausmaß von Leid, das durch die damals verfügbaren primitiven Mittel nicht nennenswert gelindert werden konnte. Die rohe Chirurgie war wegen der nachfolgenden Wundbrände oft zum Scheitern verurteilt. Zerschmetterte Glieder mußten ohne Schmerzmittel mit betäubenden Mengen von Alkohol amputiert werden; es gab weder Analgetika (außer einer begrenzten Anzahl von Morphinen) noch irgendwelche Antibiotika oder Beruhigungsmittel, mit denen man den Männern helfen konnte, die oft genug wußten, daß sie sterben würden. Ebensowenig ließ sich zur Milderung der winterlichen Kälte des Winters, der Sommerhitze oder gegen die quälenden Fliegen tun, die über den eiternden Wunden kreisten. Es war eine Sache, solchen Bedingungen innerhalb des üblichen Familienlebens ausgesetzt zu sein, wo ihnen die Medizin jener Tage auch häufig hilflos gegenüberstand, aber es bedeutete etwas ganz anderes, sich mit ihnen auseinanderzusetzen, wenn sie tausend- und abertausendmal vervielfacht waren.
»Krankenpflege« konnte unter solchen Bedingungen nur wenig Befriedigendes für die provisorisch ausgebildeten Frauen bringen, die trotz allem tapfer ihre Pflicht taten, bis sie selbst nicht selten aus Schwäche oder Überarbeitung zusammenbrachen. Für die Frauen des Südens - und ihre Patienten - war es noch schwieriger, denn die undurchlässige Blockade der Union beeinträchtigte sowohl den Nachschub an Medikamenten wie an Nahrung, und es gab kein Pendant zur Sanitäts-Kommission des Nordens, das die stümperhaften Leistungen der militärischen Autoritäten hätte ergänzen können.
Der Bürgerkrieg stellte noch viel unerhörtere Anforderungen an die Frauen als Krankenpflege oder Erholungsarbeit; er verschaffte ihnen noch über andere Angelegenheiten als das eigene Wahlrecht Eintritt in die Politik der Nation. Er bot der jungen Anna Dickinson Gelegenheit, eine der gefeiertsten Rednerinnen des Nordens zu werden, obwohl sie erst siebzehn war, als ihre kometenhafte Karriere begann.[7] Republikanische Parteiführer, die auf ihre Jugend, Schönheit und Eloquenz setzten, waren bereit, sie für sich reden zu lassen trotz ihrer extremen Kritik an den Copperheads, den demokratischen Kriegsgegnern im Norden, und ihres Eintretens für die Emanzipation. Sie war, so beobachtete Wendell Phillips, »der Jungelefant, der vorgeschickt wurde, um zu prüfen, ob die Brücke sicher genug war, damit die älteren sie beschreiten konnten.«[8] Nachdem sie den republikanischen Kandidaten bei den heiß umstrittenen Kongreßwahlen in New Hampshire und Connecticut im Jahre 1862 zu einem Wahlsieg verholfen hatte, stieß sie in größere Höhen vor und erreichte den Gipfel ihrer politischen Karriere am Abend des 16. Januar 1864, als sie vor einer großen Versammlung in der Kammer des Repräsentantenhauses eine Rede hielt. Im Publikum, das Eintritt bezahlt hatte (die Einkünfte waren für das National Freedmen's Relief Bureau, eine Organisation zur Unterstützung der freigelassenen Schwarzen, bestimmt), saßen Mitglieder des Kongresses und des Obersten Bundesgerichts und Präsident Lincoln persönlich.
Der letzte Frauenrechtskongreß vor dem Bürgerkrieg hatte im Februar 1861 in Albany stattgefunden; danach waren alle Aktivitäten für das Frauenrecht zum Stillstand gekommen. Im Gegensatz zur Mehrheit ihrer Mitarbeiter nahmen weder Elizabeth Cady Stanton noch Susan Anthony diese Tatsache mit Wohlwollen auf. Vielleicht wären sie eher bereit gewesen, die Frauenrechtsfrage aufzuschieben, hätten sie für die anfängliche Hinhaltepolitik der Lincoln-Administration Sympathien übriggehabt; aber wie viele andere Abolitionisten mißtrauten sie Lincoln und waren gegen jeden Kompromiß mit den Sklavenstaaten.
Sie hielten beachtlich lange an ihren Prinzipien fest. In den ersten Monaten nach der Wahl Lincolns, als die Sezession noch am seidenen Faden hing, gehörten Mrs. Stanton, Miss Anthony und Lucretia Mott zu einer Gruppe von Rednern, die mit Slogans wie »Kein Kompromiß mit Sklavenhaltern« und »Sofortige und bedingungslose Emanzipation« durch den Staat New York fuhren, und sie zogen sich in jeder Stadt zwischen Buffalo und Albany, in der sie hielten, rüdeste Angriffe auf ihr Leben durch den aufgebrachten Mob zu. In Syracuse drang eine Horde von Messer und Pistolen schwingenden Männern in den Saal. Alle Damen wurden aus dem Saal gebracht außer Miss Anthony, die sich so lange nicht vom Fleck rührte, bis der Mob auf die Plattform kam und sie einkreiste, während der Polizeichef sich weigerte, auch nur den Finger zu ihrem Schutz zu heben. Bürgermeister Thacher in Albany war aus anderem Holz. Er begleitete die Gruppe der Redner persönlich in den Saal und saß während der ganzen Dauer mit einer entsicherten Pistole im Schoß auf dem Podium. Trotzdem bezweifelte er, daß er imstande sein würde, auch bei einer angekündigten Abendveranstaltung das Heft in der Hand zu behalten, und bat deshalb, daß sie ihm zuliebe abgeblasen würde, eine Bitte, der gern entsprochen wurde.
Bei Ausbruch des Krieges fanden sich Mrs. Stanton und Miss Anthony in einer Situation der Ungewißheit; zu sehr gewöhnt an intellektuelle und politische Aktivitäten - und an Führungsaufgaben - paßten sie schlecht in die Notstandsarbeit hinein. Außerdem blieben sie weiterhin äußerst kritisch gegenüber der Politik der Regierung in Sachen Sklaverei, und selbst die Proklamation der Emanzipation konnte ihren Pessimismus nicht zerstreuen. Es blieb Henry B. Stanton vorbehalten, einen Weg zu weisen, auf dem sie einer wertvollen Sache dienen konnten. Charles Sumner hatte dem Kongreß einen Verfassungsänderungsantrag vorgelegt, der die Sklaverei ein für allemal verbieten sollte (die Lincoln-Proklamation hatte lediglich Sklaven in Gebieten befreit, die noch im Aufstand waren), und im düsteren Anfang des Jahres 1863 nach einer Folge von Siegen der Konföderierten schien es unsicher, ob diese Maßnahme die nötige Zweidrittelmehrheit beider Häuser würde gewinnen können. Im Januar schrieb Stanton an Miss Anthony: »Das Land war nie so schlimm dran wie in diesem Augenblick... Du machst Dir keine Vorstellung, wie dunkel die Wolke ist, die über uns hängt... Wir dürfen unsere Seelen nicht mit dem schmeichelhaften Balsam beträufeln, die Proklamation könnte uns von irgendwelchem Nutzen sein, wenn wir geschlagen werden und die Union sich auflöst. Hier also ist Arbeit für Dich, Susan, steig in Deine Rüstung und zieh los.«[9] Wie gewöhnlich schnallten Mrs. Stanton und Miss Anthony zusammen die Rüstung um. Nach Beratung mit Abolitionistenführern sandten sie einen Aufruf an Frauen im ganzen Land, die ihnen von der Arbeit für die Abschaffung der Sklaverei und für die Sache der Frauen her bekannt waren, und riefen für den 14. Mai 1863 in New York zu einem Treffen der »Loyalen Frauen der Nation« auf. Die Einladung trug die unverwechselbaren Züge ihrer Autorinnen:
»Diese Stunde erfordert dringend den höchsten Einsatz jedes Mannes und jeder Frau. Dem Mann wird einmütig das Rednerpult, das Lager und das Feld eingeräumt. Was das legitime Werk der Frau ist und wie sie es am besten erfüllen kann, ist unserer ernsthaften gemeinsamen Beratschlagung wert... Die Frau ist ebenso wie der Mann interessiert daran und verantwortlich dafür, wie dieses Grundproblem der Selbstregierung gelöst wird; deshalb laßt jetzt niemanden als müßigen Zuschauer dabeistehen.«[10]
Hunderte von Frauen strömten genau zehn Tage nach der letzten Niederlage der Armeen des Nordens bei Chancellorsville in Dr. Cheever's Puritaner-Kirche am Union Square. Viele von ihnen hatten die nächsten Familienangehörigen in der Truppe, und Gedenken und Kontroverse wechselten sich während der Verhandlungen ab. Einige fanden jede Erwähnung der Frauenrechtsangelegenheit in den zur Debatte stehenden Resolutionen falsch, während andere sogar abolitionistische Gesinnung für fehl am Platze und die Unterstützung der Politik von Präsident Lincoln für die einzige Lösung hielten.
Es bedurfte der gemeinsamen Eloquenz nicht nur von Miss Anthony und Mrs. Stanton, sondern auch von Lucy Stone, Ernestine Rose und Angelina Grimke Weld, die aus der Zurückgezogenheit wieder herausgekommen war und ihre Stimme mit all ihrem alten Feuer erhob, um ein gewisses Maß an Übereinstimmung zu erzielen.[11] Die angenommenen Resolutionen gelobten die Unterstützung der Frauen für die Regierung, solange diese einen Krieg für die Freiheit führte; sie gelobten ebenfalls, Millionen von Unterschriften für eine Petition zu sammeln, mit der der Kongreß um die Verabschiedung des Dreizehnten Verfassungszusatzes ersucht wurde. Da viele der anwesenden Frauen aus der Praxis wußten, was es bedeutete, Unterschriften für eine Petition zu sammeln, war es kein hohles Gelübde. Bevor sich die Versammlung vertagte, bildete sie die National Woman's Loyal League mit Mrs. Stanton als Präsidentin und Miss Anthony als Sekretärin. Gegen Ende Mai konnte ein winziges Büro in Cooper Union aufgemacht werden, und das gigantische Projekt war im Gange.
Fünfzehn Monate lang schufteten Mrs. Stanton und Miss Anthony. Ein Strom von Briefen ergoß sich aus dem winzigen Büro, die die Verbindung zu Frauen sogar aus Kalifornien, Wisconsin und Michigan festigten. Gut zweitausend Männer, Frauen und Kinder brachten die Petitionen in Umlauf und die Liga wuchs auf fünftausend Mitglieder an.[12] Wenn Arbeitskräfte zum Sortieren, Zählen und Verpacken der Petitionen fehlten, heuerte Mrs. Stanton Kinder an, ihre eigenen Söhne darunter, und bot allen Jungen und Mädchen ein Ehrenabzeichen, die einhundert Petitionen herbeischafften. Miss Anthony erfuhr zum ersten Mal, was Büroarbeit ist, was ihr für die späteren Jahre von Vorteil sein sollte. Sie lebte von 12 Dollar die Woche (die Wendell Phillips ihr aus einem von Charles F. Hovey hinterlassenen Fonds für die Arbeit zur Abschaffung der Sklaverei und für das Frauenrecht zur Verfügung stellte), wohnte bei Mrs. Stanton, gab zehn Cents pro Tag für Essen aus und legte die großen Entfernungen in der Stadt zu Fuß zurück. Eine Million Unterschriften, das bedeutete die Namen eines Zwanzigstels der Bevölkerung der Nordstaaten, ein unmögliches Ziel; und doch hatte die Liga bis zu ihrer Auflösung im August 1864 fast 400 000 gesammelt, damals wie heute keine schlechte Zahl.[13] Am 9. Februar 1864 trugen zwei große Schwarze, symbolische Figuren, riesige Bündel aus Petitionsrollen in die Kammer des Senats und legten sie auf den Tisch des Senators von Massachusetts, Sumner, welcher sich erhob und sprach:
»Herr Präsident, ich biete eine Petition an, die jetzt hier vor mir auf dem Tisch liegt. Sie ist zu schwer, als daß ich sie hochheben konnte. Ich brauche nicht hinzuzufügen, daß sie für jeden Boten dieser Körperschaft zu schwer zu tragen ist... Man wird bemerken, daß die Petition in Rollen gepackt ist. Jede Rolle repräsentiert einen Staat. Hier zum Beispiel ist New York, mit einer Liste von siebzehntausendsiebenhundert-und-sechs Namen; Illinois mit fünfzehntausenddreihundertundzwanzig und Massachusetts mit elftausendsechshundertundeinundfünfzig... Diese Petition ist unterschrieben von 100 000 Männern und Frauen, die sich auf diese Art, die keine Parallele hat, für die Unterstützung ihrer Bitte zusammenschließen. Sie kommen aus allen Teilen des Landes und allen Lebensumständen. Sie leben an der Küste unter den freien Lüften des Ozeans, am Mississippi und in den Prärien des Westens unter den freien Lüften, die jene weitläufige Region befruchten. Sie kommen aus den Familien der Gebildeten und der Ungebildeten, der Reichen und Armen, aus jedem Beruf, Geschäft und Stand dieses Lebens, repräsentieren jede Gesinnung, jedes Denken, Hoffen, Versprechen, jede Tätigkeit und jede Intelligenz, die alle unser gesellschaftliches System inspirieren, stärken und zieren. Hier sind sie, eine mächtige Armee, 100 000 Leute stark, ohne Waffen oder Banner, die Vorhut einer noch größeren Armee.«[14]
Vielleicht bestand die weitestreichende Wirkung der Arbeit der Liga darin, Frauen damit vertraut zu machen, daß Organisierung ein wertvolles Mittel war, ihre eigenen Ziele zu erreichen. Ihre Erfahrung in der Liga, verstärkt durch viele Aktivitäten, die sie während des Krieges betrieben, wirkte wie ein kräftiges Lösungsmittel bei der Änderung ihrer früheren Ansicht, eine Organisation sei nur beengend und schädlich.
Die heutigen Geschichtsbücher mögen zwar Anna Dickinson noch erwähnen, aber über die Arbeit der National Woman's Loyal League geben sie kaum eine Notiz. Der Grund ist leicht zu finden: Die Errungenschaften der Liga werfen die anerkannte historische Zeittafel über Bord. Zu einer Zeit, in der selbst die fortschrittlichsten Frauen sich angeblich nur mit der Besserung ihrer eigenen Lage oder mit Wohltätigkeit beschäftigten, gab es einige, die in der Politik der Nation aktiv waren und eine nicht unbedeutende Rolle spielten.
Die Frauen der Konföderation hatten keine der Loyal League oder der Sanitäts-Kommission vergleichbare Organisation. Keine Führung war herausgebildet, keine Gruppe von Frauen geschult worden für die gemeinsame Arbeit auf Ziele hin, über die es ein breites Einverständnis gab. Die Frauen des Nordens stießen bei dem männlichen medizinischen und Krankenhaus-Personal auf großen Widerstand; aber im Süden, wo die Grenzen dessen, was »für unsere Frauen« zulässig war und was nicht, weitgehend unangetastet geblieben waren, sah es noch unendlich viel schlimmer aus. Ein paar Frauen, die über eigene Mittel und starke Willenskraft verfügten, brachten es tatsächlich so weit, eigene Krankenhäuser zu gründen oder als Leiterinnen der Krankenpflege von der Armee anerkannt zu werden. Viele andere - alleinstehend, volltauglich, hingebungsvoll und gequält von der Not, die sie sahen - wurden trotz allem als Krankenschwestern abgelehnt und mußten sich darauf beschränken, in örtlichen Unterstützungsgesellschaften oder Nähkreisen zu arbeiten, die unvermeidlichen Binden zu wickeln und Leckerbissen für die Verwundeten zu sammeln.[15] Der größte Bruch mit der Vergangenheit fand für die Südstaaten im ökonomischen Bereich statt. So manche Frau eines Plantagenbesitzers übernahm die Geschäfte und hielt sie auf dem Laufenden, während ihr Ehemann beim Militär diente, obwohl Arbeitskräfte immer knapper und dank der Nachrichten, die mit dem Wind herübergeweht kamen, immer undisziplinierter wurden - die Freiheit war im Anmarsch!
Viele weiße Frauen arbeiteten in Jobs, von denen sie ein paar Jahre zuvor nicht einmal geträumt hätten - in Einzelhandelsläden oder sogar in Industriebetrieben. In einigen Städten nahmen Frauen an den Brotaufständen von 1863 und 1864 teil, zu denen hohe Preise und Nahrungsmittelkürzungen geführt hatten.[16]
Die Sklavengesellschaft wurde zerschmettert durch den Krieg selbst, die Proklamation der Emanzipation und die nachfolgenden Verfassungsänderungen. Es brauchte unendlich viel länger, bis das Bild der »Lady des Südens« verschwand und die männliche Haltung gegenüber Frauen sich in entsprechender Weise veränderte. In einer Zeit, als ein gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Erdrutsch eine große Menge von Frauen aus jeder illusionären oder nostalgischen Abhängigkeit von vergangenen Zuständen riß, und sie begannen, ihre Gedanken einem Job, der Bildung, sogar dem Wahlrecht zuzuwenden, schien es, als ob viele Männer des Südens sich mit Hilfe eines Bildes von der »weißen Frau« an der Vergangenheit festzuklammern versuchten, das niemals wirklich der Realität entsprochen hatte und nun einen immer größeren Widerspruch dazu bildete.
Aber wenn schon die weiße Frau des Südens gefesselt von ihrer eigenen Vergangenheit und der Starrköpfigkeit männlicher Vorurteile in die Zukunft blickte, so war das Los der schwarzen Frau unendlich viel härter. Die Proklamation der Emanzipation und des Dreizehnten Verfassungszusatzes hatten der Sklaverei ein Ende gemacht; Familien konnten nicht mehr von Sklavenhändlern auseinandergerissen werden. Wie allerdings die neu befreiten Sklaven existieren, an Bildung kommen, einen Lebensunterhalt verdienen und die für einen amerikanischen Staatsbürger üblichen Rechte ausüben sollten, welche Art von Freiheit das Los der schwarzen Amerikaner sein sollte - diese Fragen waren unbeantwortet geblieben; nur wenige gaben zu, daß sie sich überhaupt stellten, noch weniger widmeten sich ihrer Lösung. In der Zwischenzeit waren schwarze Kinder geboren worden, mußten Familien ernährt, Wohnungen beschafft werden. Die Mutter genauso wie der Vater einer Familie wurden in einem wirtschaftlichen Vakuum zurückgelassen, das sofort entstand, wo der »Master« nicht mehr seine Sklaven zu füttern und die »Missus« nicht mehr für ihr Wohlergehen zu sorgen hatten.[17] Wieder einmal stand die schwarze Frau Problemen gegenüber, die sie auch von der ärmsten weißen Frau aus dem Süden oder dem Norden trennten. Und doch bleibt ihre Chronik Teil des Kampfes um gleiche Rechte und Chancen für amerikanische Frauen und muß festgehalten werden, obwohl ein solches Vorhaben durch den Mangel an Aufzeichnungen während einiger der entscheidenden Jahre erschwert wird.