Von Seneca Falls bis zum Bürgerkrieg

Zur Zeit des Kongresses von Seneca Falls erlebten die Vereinigten Staaten eine unglaubliche Beschleunigung der Entwicklung. Der Ausgang des mexikanischen Krieges trieb die Erforschung und Besiedlung der westlichen Hälfte des Kontinents voran. Die Aufmerksamkeit der Zeitungsleser wurde weg von Artikeln, in denen die Frauenrechte lächerlich gemacht wurden, und hin zu Berichten über Siedlerzüge gelenkt, die in Oregon und im Tal des Sacramento in Kalifornien eintrafen. Im Januar 1848 fand Marshall in Sutter's Creek Gold und ein Jahr später war der Goldrausch ausgebrochen.
Industrielle Entwicklung und territoriale Expansion gingen Hand in Hand. Weben als Handarbeit zu Hause war vollständig dem Weben an Dampfwebstühlen in Fabriken gewichen. Von 1840 bis 1860 vervierfachte sich der Baumwollverbrauch der Textilindustrie, die Zahl der Spindeln wurde mehr als verdoppelt und überschritt die fünf Millionen; zwei Jahre vor dem Bürgerkrieg erreichte der industrielle Ausstoß zum ersten Mal einen Gesamtwert von fast zwei Milliarden Dollar.[1]
Um 1850 waren von fast einer Million industrieller Arbeitskräfte, die ständig mehr wurden, 225 512 Frauen - fast 24 Prozent der Gesamtzahl. Sie fanden sich in allen möglichen Zweigen der Fertigungsindustrie, zum größten Teil aber in der Textil-, Bekleidungs-, Schuh- und Hutindustrie, und immer mehr gingen in die Zigarren- und in die Druckindustrie.[2]
Industrieller und gesellschaftlicher Wandel verschärfte die Auseinandersetzungen in der Nation. Hauptgegenstand waren die Ausdehnung der Sklaverei in die neuen Territorien im Westen und die Frage der Befreiung oder der Fortsetzung der Leibeigenschaft für nahezu vier Millionen Sklaven in den Südstaaten. Die Sklaverei wirkte sich auf die Position der Lohnarbeiter im Norden wie im Süden aus. Sie belastete auch stark die Stellung der weißen Frau im Süden, ob sie nun Plantagenherrin oder die Frau eines armen Farmers war: beide wurden durch die Sklavengesellschaft wirksam von der Bewegung für mehr Gleichheit und bessere Chancen isoliert, die sich im Norden unter den Frauen auszubreiten begann. Aber wie sehr die weißen Frauen die Sklaverei auch individuell verabscheuten oder dagegen opponierten (und daß es eine Menge gab, ist erwiesen), die Gesellschaft des Südens war enorm repressiv, wenn es um die »besondere Institution« ging, und war von daher eher konformistisch als innovativ in allen gesellschaftspolitischen Dingen. Folglich existierte auch im Süden keine Bewegung, weder eine, die weiße Frauen für die Sache der Sklaven einnehmen, noch eine, die ihre eigene beschränkte Lebenssphäre überwinden konnte.
Im Jahr 1850 wurde das Sklavenfluchtgesetz verabschiedet: gutwillige Männer und Frauen befanden sich in einer Situation, in der ihr Gewissen sie zwang, gegenüber einem Gesetz, das ihre tiefste Überzeugung verletzte, entweder ein Auge zuzudrücken oder es zu brechen. Es war die Zeit, in der »Giganten auf der Erden schritten«, und die amerikanische Literatur erreichte ihre schönste Blüte: die Zeit der Emerson, Whitman, Thoreau, Mel-ville und Poe, der Hawthorne, Bryant, Longfellow, Lowell und Greeley. In einem einzigen Jahr - 1851 - erschienen Moby Dick, Onkel Toms Hütte und Das Haus der Sieben Giebel. Waiden, oder Leben in den Wäldern wurde 1854, Grashalme ein Jahr darauf veröffentlicht.
Überall - mit Ausnahme des Südens - wurden die Horizonte weiter, alte Wege neu überdacht, gärten neue Ideen. Transzendentalismus, Abolition, Utopismus und Frauenrechte waren die Strömungen eines breiten Flusses intellektueller Aktivitäten und Reformen. Eine religiöse Erneuerung war in der ganzen Nation im Gange.
Nicht nur drangen Frauen in zunehmender Zahl in die Fabriken ein; manche Frauen leisteten auch einen aktiven und äußerst gewinnbringenden Teil des kulturellen Lebens jener Epoche. Autorinnen wie Catharine Sedgwick, Fanny Fern und Dutzende andere brachten mit unterschiedlichem Erfolg eine neue Art von Belletristik hervor, die sich einen eigenen Namen machte: der »Hausroman«. Oft schrieben sie ihn als Fortsetzungsroman, und in Periodika und Wochenzeitungen bestand eine riesige Nachfrage danach. Die erfolgreicheren Autorinnen erzielten Einkünfte, mit denen viele Schriftsteller nicht mithalten konnten. Obwohl nur wenige dieser Schriftstellerinnen sich für die reformerischen Angelegenheiten ihrer Epoche interessierten Harriet Beecher-Stowe war eine Ausnahme - trug ihr Werk seinen Teil dazu bei, die herrschende Vorstellung zu untergraben, nach der Frauen »Hausfrauen« waren und sonst nichts. Auf der anderen Seite bewies das bloße Ausmaß von Mrs. Stowes Erfolg - 300 000 Exemplare von Onkel Toms Hütte wurden innerhalb eines Jahres verkauft und das, obwohl der Roman in der abolitio-nistischen Zeitung The National Era als Serie abgedruckt gewesen war -, was eine talentierte Frau erreichen konnte.[3]
Dasselbe gilt auch für die heldenhafte Arbeit von Dorothea Dix, die, völlig auf sich gestellt, sich 1838 darangemacht hatte, die entsetzlichen Zustände aufzudecken und publik zu machen, die in Gefängnissen und Irrenanstalten herrschten. Ihre Untersuchungs- und Besuchsreisen, die sie allein und ohne schützende Begleitung in Hunderte solcher Institutionen unternahm, und ihre fundierten Berichte darüber an die Parlamente, welche die erste Reformgesetzgebung bezüglich der Gefängnisse und Krankenhäuser in Gang brachten, waren ein ebenso beredtes Zeugnis dafür, was eine Frau tun konnte, wie ihre »Lobbytätigkeit« bei Senatoren und Kongreßabgeordneten in Sachen einer Bundesgesetzgebung zur Unterstützung von Nervenheilanstalten (man könnte sie mit dem späteren Morrill-Land-Grant-Gesetz bezüglich der Colleges vergleichen), die dann auch im Kongreß 1854 durchkam, aber nicht genügend Stimmen auf sich vereinigen konnte, um das Veto des Präsidenten zu unterlaufen.[4]
In diesem Zusammenhang gesehen ist die Grundsatzerklärung von Seneca Falls mit dem Geist der Zeit eng verwachsen, und es wunderte nicht, daß die darin aufgeführten Ideen, wenn auch langsam, nach und nach an Schlagkraft gewannen. Auf den ersten Blick mögen die Ergebnisse enttäuschend erschienen sein. Aber der nächste Kongreß wurde bereits zwei Wochen später in Rochester (New York) abgehalten und behandelte dieselben Grundsätze. Danach gab es eine Flaute von anderthalb Jahren, bevor ein weiterer Frauenrechtskongreß veranstaltet wurde, wieder in einer kleinen Stadt - Salem (Ohio). Der ungewöhnlichste Zug an diesem Kongreß war, daß die Männer keinerlei Rederecht hatten:
»Nie haben Männer so gelitten. Sie flehten uns an, wenigstens ein Wort sagen zu dürfen, aber nein, die Präsidentin war unbeugsam - kein Mann sollte angehört werden. Wenn sich einer bloß erhob, um einen Vorschlag zu machen, wurde ihm sofort das Wort entzogen. Zum ersten Mal in der Weltgeschichte erfuhren Männer, wie es ist, schweigend sitzenbleiben zu müssen, wenn Fragen diskutiert werden, die sie interessieren.«[5]
Obwohl diese Neuerung den Frauen in Salem augenscheinlich große Genugtuung verschaffte, wurde sie nirgendwo anders übernommen. Im allgemeinen waren die Frauen nur zu froh, etwas von Männern zu hören, ob sie nun Befürworter oder Kritiker waren, das sorgte für lebhaftere Sitzungen. Nichts brachte wirksamere Argumente zusammen als die Wutausbrüche eines empörten Geistlichen, der sich für die Beibehaltung des Status quo aussprach. Andererseits waren viele führende Männer anderer Reformbewegungen unerschütterliche Helfer der Frauen. Zu denen, welche die Einladung zur ersten nationalen Frauenrechtskonferenz 1850 unterzeichneten, gehörten Wendeil Phillips, William H. Channing, Bronson Alcott, William Lloyd Garrison und Gerrit Smith. Reden von Phillips, Thomas Wentworth Higgin-son und Theodore Parker waren jahrzehntelang Standardpropaganda für die Frauenrechte.
Der Kongreß von 1850 fand in Worcester (Massachusetts) statt und wurde weitgehend von Paulina Wright Davis aus Rhode Island organisiert, die Reichtum und gesellschaftliches Prestige in die neue Bewegung brachte. Dieser Kongreß wie auch ein zweiter im darauffolgenden Jahr, der wiederum in Worcester abgehalten wurde, verhalf nicht nur solchen Veteraninnen wie Lucy Stone, Mrs. Mott, Mrs. Davis, Ernestine Rose, Abby Kelley Foster und Angelina Grimke als Führerinnen der aufbrechenden Frauenrechtsbewegung zu nationaler Prominenz, sondern auch neuen Gestalten: Antoinette Brown, auch eine Oberlin-Absolventin, die als erste Frau zur Predigerin berufen werden sollte, Harriot Hunt, eine Pionierin auf dem Gebiet der Medizin,[6] Elizabeth Oakes Smith, die bereits als eine der frühen Dozentinnen literarischer Gesellschaften einen Namen hatte, vorher aber nicht an der Frauenrechtsbewegung teilgenommen hatte,[7] Sojourner Truth, die schwarze Abolitionistin, und viele andere.
Die erste Frauenrechtskonferenz in Worcester hatte unvorhergesehene und anhaltende Wirkung im Ausland. Ein Bericht dieser Versammlung erreichte eine junge englische Frau namens Harriet Taylor, die 1851 in der Westminster Review einen Artikel darüber veröffentlichte, in dem sie über den Verlauf berichtete und die Forderungen nach Wahlrecht und rechtlicher Gleichheit für Frauen zusammenfaßte. Für die Bemühungen, in England einen neuen Status für Frauen durchzusetzen, war das der Startschuß. Miss Taylor heiratete später den liberalen englischen Philosophen John Stuart Mill, der 1869 sein klassisches Werk Die Hörigkeit der Frau veröffentlichte, von dem er versicherte, es habe im wesentlichen die Ideen seiner Frau und ihres früheren Artikels verwertet.[8]
Von 1850 bis 1860 fanden, mit Ausnahme des Jahres 1857, alljährlich nationale Frauenrechtskongresse statt; daneben gab es Versammlungen in kleinen und großen Städten in Ohio, Indiana, New York, Pennsylvania und Massachusetts. Ihre Häufigkeit trug den Frauen den Vorwurf ein, sie täten nichts als reden, aber in diesem Stadium war noch nicht viel mehr möglich. Nachdem sie ihre Unzufriedenheit mit den gegebenen Zuständen demonstriert hatten, mußten sie nun übereinkommen, was sie durchsetzen wollten, und eine Ideologie entwickeln, die sie benutzen konnten, um ihre Kritiker zurückzuweisen und neue Anhängerinnen zu gewinnen. Was war denn nun wirklich die Lage der verheirateten Frauen? Welches sollte der Platz der Frau in Kirche, Gemeinde, Beruf und Staat sein? Auf welcher Grundlage sollte eine Scheidung erlaubt werden (eine Frage, über die gerade unter den Frauen die Meinungen auseinandergingen)? Aus den Versammlungen, in denen diese Fragen gründlich erörtert wurden, gingen neue Denkansätze, neue und ihrer Sache ergebene Führerinnen, breite Publizität und neue Anhänger hervor.
Mit den Jahren veränderte sich der Tenor eines großen Teils der Presse, die mit Ausnahme der Greeleyschen Tribüne zuerst einhellig feindselig gewesen war, dahin, daß die Nachrichtenspalten sachlich und ernsthaft über die Kongresse berichteten, auch wenn der Leitartikel anders war. Ein schönes Beispiel für die Art und Weise, mit der sie anfangs allgemein behandelt wurden, bietet ein Kommentar des New York Herald, der James Gordon Bennett gehörte, zum ersten Worcester-Kongreß von 1850: »Was wollen die Anführerinnen der Frauenrechtskonferenz? Sie wollen wählen und sich an den Wahlurnen mit den Rowdies drängeln. Sie wollen Kongreßmitglieder werden, sie wollen sich in der Hitze des Gefechts denselben groben Witzen und derselben unanständigen Sprache unterwerfen.«
Vermutlich, um den Frauen einen Vorgeschmack auf das zu geben, was sie erwartete, fuhr der Herald fort:
»Sie wollen alle anderen Posten besetzen, die Männer so ehrgeizig beschlagnahmen, Rechtsanwälte, Ärzte, Schiffskapitäne und Generäle im Feld sein. Wie albern wäre es, wenn man in der Zeitung lesen könnte, daß Lucy Stone mitten in einem Plädoyer von Geburtswehen heimgesucht und womöglich im Gerichtssaal einem schönen strammen Jungen das Leben schenken würde! Oder daß Pfarrerin Antoinette Brown mitten in ihrer Predigt auf der Kanzel aus demselben Grund unterbrochen würde und ihrem Ehegatten und der ganzen Gemeinde ein >Liebespfand< präsentieren würde; oder daß Dr. Harriot K. Hunt, während sie eben einen Herren mit Gichtanfall oder Analfistel untersucht, es nötig findet, im selben Moment einen Arzt zu rufen, um von einem männlichen oder weiblichen Kind, womöglich Zwillingen, entbunden zu werden. Ähnliches könnte sich im Sitzungssaal des Kongresses, in einem Sturm auf See oder mitten im dicksten Schlachtgetümmel ereignen, und was soll dann werden aus der Gesetzgeberin?«[9]
Wenn auch solche Schmähreden seltener wurden, tat die Presse doch im allgemeinen nur wenig, um die Sache der Frauen voranzutreiben. Für den dringend benötigten Informations- und Meinungsaustausch mußten sich die Frauen an die Abolitionistenzeitungen und eine Reihe von Blättern halten, die sie selbst, und für sich selbst, herausbrachten: The Lily, herausgegeben von Amelia Bloomer, unter der Überschrift »Den Interessen der Frauen gewidmet«; Paulina Wright Davis' The Una, Jane Swisshelms Saturday Visiter, und den Woman's Advocate, der einer aus Frauen bestehenden Aktiengesellschaft gehörte, von Anna McDowell herausgegeben und ausschließlich von Frauen gedruckt wurde.[10]
In den fünfziger Jahren bildete sich noch keine ständige Organisation der Frauenrechtsbewegung heraus, die mehr als ein locker steuerndes Komitee gewesen wäre, das als »Zentralkomitee« bekannt war und sich aus einer oder mehreren Frauen aus jedem Bundesland, in dem Frauen aktiv waren, zusammensetzte. Die Frauen befürchteten, eine Organisation sei zu schwerfällig, werde den individuellen Einsatz beschränken und dabei gleichzeitig wenig bringen; sie änderten diese Ansichten nicht, bis ihre Erfahrung während des Bürgerkriegs sie eines Besseren belehrte.[11]
Die frühe Frauenrechtsbewegung zeigte nur geringes Interesse an der Durchsetzung des Wahlrechts; nur wenige empfanden damals seine Bedeutung ebenso stark wie Mrs. Stanton. Von viel unmittelbarerem Belang waren für sie Kontrolle des Eigentums, des Verdienstes (das ist durchaus nicht dasselbe), das Sorgerecht für die Kinder, Scheidung, Bildungs- und Berufschancen, Rechtlosigkeit (Frauen durften noch immer nicht schwören oder Zeugenaussagen machen), und die von der etablierten Religion verewigte Vorstellung der weiblichen Minderwertigkeit.
Ein Faktum wurde schnell deutlich: Frauen besaßen keine Waffen, mit denen sie ihre Forderungen durchsetzen konnten; dieses Handikap sollte sie bis zum Ersten Weltkrieg bremsen. Eins der größten Probleme war, wie sie anders als mit Reden und Resolutionen auf ihren Kongressen - Druck zugunsten von Reformen ausüben sollten. Die Möglichkeit, über die Rednertribüne oder mit Hilfe der Presse öffentliche Unterstützung zu gewinnen, stieß auf Grenzen; die Kirche war weitgehend feindlich eingestellt. Wie geht jemand ohne Wahlrecht vor, um Gesetze durchzubringen? Oder wie geht jemand an die Veränderung jener Verhältnisse, die nicht direkt gesetzlich bestimmt werden, zum Beispiel in der Frage der Bekleidung? Eine Kleiderreform war zwar dringend nötig, blieb aber erfolglos, mehr noch, sie machte die Dinge noch schlimmer und mußte aufgegeben werden. Das sogenannte Bloomer-Kostüm stellte zunächst eine Revolte gegen die unvorstellbar unbequeme und ungesunde Tracht dar, die »Damen« und solche, die dafür gelten wollten, zu tragen hatten: die Korsetts so eng geschnürt, daß die Frauen kaum noch atmen konnten, und ein halbes Dutzend Röcke und Unterröcke (mit einem Gewicht bis zu 12 Pfund), die lang genug waren, um Straßendreck und Staub vom Boden damit aufzufegen.
    Das Bloomer-Kostüm bestand aus einer lose in der Hüfte gegürteten Tunika, einem Rock, der nicht länger als bis zum Knie reichte und - der sensationellste Teil - türkische Hosen bis zu den Knöcheln. Der Entwurf wird der Schauspielerin Fanny Kemble zugeschrieben, die es im Ausland trug. Mrs. Stantons Cousine, Elizabeth Smith Miller, sah es in Europa und brachte es ins Land. Sie und Mrs. Bloomer, die es trugen und in der Zeitung von Mrs. Bloomer bekanntmachten, verschafften ihr öffentliche Beachtung.[12] Mrs. Bloomer propagierte das Kostüm in The Lily und trug es selbst; so wurde ihr Name daran geheftet. Mrs. Stanton, wie gewöhnlich geplagt von ihren Haushaltspflichten und ohnehin Anhängerin einfacher Kleidung mit einfacher Pflege, griff es mit Begeisterung auf. Mrs. Stone und Miss Anthony folgten dem Beispiel, und so wurde das Kostüm weit bekannt. Einige Frauen trugen es allein der Bequemlichkeit halber, andere machten aus ihm ein Symbol der Revolte gegen alle sinnlosen Beschränkungen von Frauen. In der öffentlichen Meinung wurden alle Befürworter der Gleichberechtigung zu »Bloomers«.
Nun hatten die Frauen es zwar körperlich bequemer, dafür litten sie aber namenlose seelische Qualen. Sie waren Zielscheibe unaufhörlichen Spotts für jedermann, vom Zeitungsverleger über den Stadtstreicher bis zum kleinen Jungen. Die Verfolgung wurde schließlich unerträglich und der Sache hinderlich. Mrs. Stanton, die das Kostüm als eine der ersten übernommen hatte, war mit ihrem klaren Verstand auch eine der ersten, die gute Miene zum bösen Spiel machte und es wieder ablegte. Sie schrieb an Susan Anthony, die es weiter tragen wollte ungeachtet des Ärgers, den es ihr verursachte: »Wir tragen das Kleid wegen der größeren Freiheit, aber was ist körperliche Freiheit verglichen mit geistiger Knechtschaft?... Es ist nicht klug, Susan, soviel Energie und Gefühl auf diese Art zu verbrauchen. Du kannst sie besser anwenden. Ich spreche aus Erfahrung.«[13] Die Frauen bekamen festeren Boden unter die Füße, als sie dem Beispiel des Kampfes gegen die Sklaverei folgten und Petitionen an die Parlamente der einzelnen Staaten richteten, die für bestimmte Mißstände Abhilfe verlangten. Die größten Erfolge wurden im Staat New York unter der Führung von Susan B. Anthony erzielt, die genug Einsicht besaß, um festzustellen, daß man, wollte man hinauskommen über bloße Petitionen und Parlamentsanhörungen, die man für sich entscheiden konnte, Tausende von Unterschriften sammeln mußte, und zwar nicht nur in den großen Städten, sondern in jedem Distrikt des Staates. Solch politischer Scharfsinn war neu unter den Frauen, ebenso wie die organisatorische Kapazität, die für diese Aufgabe erforderlich war. Wenn Lucretia Mott die moralische Kraft der Bewegung darstellte, wenn Lucy Stone ihre begabteste Rednerin und Mrs. Stanton ihre hervorragende Theoretikerin waren, dann war Susan Anthony ihre unvergleichliche Organisatorin, die der Bewegung ein halbes Jahrhundert lang Kraftquelle und Leitbild war.[14]
Verglichen mit den anderen war sie ein Spätzünder und stieß erst 1851 nach einer Begnung mit Mrs. Stanton dazu. Die Anthonys waren Quäker, und Susan war 1820 in der Stadt Adams in Berkshire (Massachusetts) geboren. Ihr Vater besaß eine kleine Textilfabrik, verlor sein Geschäft aber und mußte in der Nähe von Rochester als Farmer neu anfangen. Die junge Susan half im Haushalt und bei der Farmarbeit und wandte sich dann dem Unterrichten zu, der einzigen Berufung, die einer Frau ohne Schulbildung offenstand. Sie stieg so weit auf, wie es einer Frau möglich war, und wurde »Rektorin« der Frauenabteilung der Canajoharie-Akademie. Aber unzufrieden über die den Lehrerinnen aufgeladenen Ungerechtigkeiten kehrte sie auf die Farm ihrer Familie zurück.
Ihre Mutter und ihre Schwester waren bei dem 1848 in Rochester veranstalteten Frauenrechtskongreß dabeigewesen und weckten mit ihren Berichten davon den Wunsch in ihr, Mrs. Stanton und Mrs. Mott kennenzulernen. Durch ihren Vater, einen glühenden Abolitionisten, traf sie Frederick Dou-glass und andere Führer der Antisklavereibewegung. Sie versuchte, als bezahlte Vertreterin der antialkoholistischen Mäßigkeitsbewegung zu arbeiten, stieß aber dort wieder nur auf engherzige Vorurteile gegen jede Art von gleichberechtigtem Engagement von Frauen. Alle von ihr organisierten Frauen-Temperenzlergesellschaften gingen an Geldmangel ein, und das war ihr eine weitere bleibende Lehre:
»So bekam ich, als ich von Stadt zu Stadt zog, zwangsläufig ein Gefühl dafür, wie übel diese extreme Abhängigkeit der Frau vom Mann ist, wenn es um Mittel geht, die für die Unterstützung von Reformbewegungen notwendig sind. Niemals zuvor habe ich die große Idee finanzieller Unabhängigkeit so tief in mich aufgenommen. Die Frau muß ihr eigenes Portemonnaie haben, und wie kann das geschehen, solange die Gesetze der Ehefrau das Recht sowohl auf eigenen wie auch auf gemeinsamen Verdienst absprechen?«[15]
Miss Anthonys erste Kampagne im Dienste ihrer neuen Sache bestand im Sammeln von Unterschriften für eine Eingabe an die New Yorker Gesetzgeber, in der um drei Reformen gebeten wurde: 1. Kontrolle über die eigenen Einkünfte durch die Frauen selbst, 2. Vormundschaft über die Kinder im Falle der Scheidung, 3. Wahlrecht. Ihre Methode ist heute selbstverständlich, damals war sie eine spektakuläre Neuigkeit. Sie suchte sich sechzig Frauen, je eine aus jedem Distrikt des Bundesstaates, die als »Hauptmann« dienten, und mitten im Winter 1854 brachen sie auf, um Namen zu sammeln. Obwohl bereits mehr Frauen zu solcher Arbeit bereit waren als zwanzig Jahre zuvor, trafen sie doch noch immer auf viele von den Hindernissen -Vorurteile, Feindseligkeit und Apathie -, mit denen Lydia Maria Child zu kämpfen gehabt hatte. Zudem war Mrs. Child noch in ihrer Heimatstadt Northampton herumgezogen; diese Frauen dagegen mußten reisen, und allein reisende Frauen waren immer noch etwas Ungewöhnliches. Für alle außer wohlhabenden Reisenden waren die Bedingungen primitiv, und für allein reisende Frauen waren die Probleme, anständiges Essen zu besorgen und angemessen unterzukommen, niederschmetternd. Die Frauen hatten kein Geld, es sei denn, sie hatten vielleicht ein kleines Vermögen (das kam selten vor) oder Freunde gaben ihnen etwas; hinter ihnen stand keine Organisation. Unter solchen Bedingungen örtliche Versammlungen auf die Beine zu stellen, Plakate drucken zu lassen und eine Notiz in der Lokalzeitung durchzubekommen, reichte aus, alle bis auf die ganz Unbezwingbaren zu entmutigen. Von denen, für deren Sache sie sich abrackerten, wurden sie so empfangen:
»Wie umherziehende Alteisensammler oder Vertreter für Bücher strichen sie durch die Straßen und Landstraßen, klopften an jede Tür, legten ihre Petitionen vor, debattierten mit den Frauen, die ihnen in der Hälfte der Fälle die Tür mit der arroganten Bemerkung vor der Nase zuknallten, sie hätten einen Ehemann, Gott sei Dank, der sich um ihre Interessen kümmerte, und sie brauchten keine neuen Gesetze, um ihre Rechte zu schützen. Nach jeder Abweisung trotteten die Frauen einfach zur nächsten Straße, zur nächsten Häuserreihe, zur nächsten widerstrebend geöffneten Haustür.«[16] Trotzdem konnten sie in zehn Wochen sechstausend Unterschriften sammeln. Als weitere Demonstration des neuen Sinns für Taktik, der zum Arsenal der Frauen hinzugekommen war, hatte Miss Anthony den Plan, einen Frauenrechtskongreß für den Staat New York in Albany zu veranstalten, während das Parlament dort tagte; die Petitionen sollten dazu benutzt werden, eine Anhörung zu den Gesetzesvorlagen, die von den Frauen unterstützt wurden, durchzusetzen. Das Manöver gelang; als erste Frau in New York trat Elizabeth Cady Stanton vor einem paritätisch aus beiden Häusern zusammengesetzten Rechtsausschuß auf. Ihre Rede behandelte die rechtliche Benachteiligung der Frauen; ihre Eloquenz und ihre sorgfältige Dokumentation (sie war nicht umsonst Tochter eines Richters) hätten die Zuhörer eigentlich beeindrucken müssen, nicht nur wegen der Triftigkeit ihres Arguments, sondern auch als Beweis für die intellektuelle Kapazität der Frauen.
Aber natürlich kam das Gesetz nicht durch; das hätte auch bedeutet, zuviel auf einmal zu erwarten. Mehr Unterschriften waren nötig, und Miss Anthony sorgte für sie. Die Geschichte ihrer heldenhaften Tour durch den Staat New York im Winter 1855 hat legendären Charakter. Am Weihnachtstag des Jahres 1854 brach sie auf mit einer Tasche voll Druckschriften, Petitionen und fünfzig Dollar, die sie von Wendeil Phillips geliehen hatte. In jeder Stadt mußte sie alle Vorbereitungen für die Versammlungen selber erledigen: eine Halle beschaffen, Licht und Türhüter besorgen, Flugblätter drucken lassen und verteilen, welche die Versammlung ankündigten. Manchmal war das Publikum freundlich und freigebig, hatte trotz der bitteren Kälte viele Meilen hinter sich gebracht, und sie konnte so viel Geld sammeln, daß sie nicht nur ihre Ausgaben decken konnte, sondern einen kleinen Überschuß machte, der prompt bei ihrem nächsten Halt, wo nur wenig Publikum war oder wo sie vielleicht keinen Versammlungsort finden konnte, wieder verschlungen wurde.
Allein schon die physischen Nöte in einem der schlimmsten Winter aller Zeiten waren Riesenhindernisse:
»Die Schneewehen gehen vielerorts über die Zäune, und die Straßen sind so stark vom Schnee blockiert, daß die Fahrzeuge auf die vereisten Wiesen überwechseln müssen. Susans Füße, die zweifellos erfroren sind, fangen an, ihr ernsthaft Sorgen zu machen. Sie hält sie in kaltes Wasser, wickelt sie dann in Wolle ein, aber der Schmerz verlagert sich bloß in den Rücken. Den ganzen Weg bis nach Malone muß sie zusammengekrümmt sitzen und sich am Vordersitz festklammern, um nicht laut aufzuschreien. Sie hält die Versammlung trotz ihres Leidens ab, fährt nach Ogdensburg, dann nach Canton. Aber als die Zeit kommt, diesen Ort zu verlassen, muß sie auf den Wagen gehoben werden. Zehn Meilen hinter Watertown steigt sie in den Zug um, kaum imstande zu gehen, und als sie spät nachmittags im Hotel ankommt, beschließt sie, ihre »Wasserkur«, probates Mittel der Zeit, ein letztes Mal auszuprobieren. Sie läßt das Zimmermädchen kommen, bestellt zwei Eimer Eiswasser und läßt sich, in einem sargähnlichen Blechzuber sitzend, beide Eimer über ihren schmerzenden Körper gießen. In heiße Decken gewickelt schläft sie die Nacht durch und, ob Sie's glauben oder nicht, erwacht am nächsten Morgen so gut wie neu.«[17]
Als sie völlig erschöpft am ersten Mai nach Rochester zurückkehrt, hat sie in vierundfünfzig von den sechzig Distrikten des Staates New York gesprochen und ihre Petitionen herumgereicht; ihre pedantisch genauen Abrechnungen zeigen, daß sie 2291 Dollar ausgegeben und 2367 Dollar gesammelt hatte, so daß ihr für zukünftige Kampagnen 76 Dollar blieben. Man wundert sich über das Durchhaltevermögen, das nicht nur solchen körperlichen Härten widerstand, sondern auch die Unverschämtheit des Berichts aushielt, den der Rechtsausschuß der Versammlung als Erwiderung auf die von Miss Anthony und ihren Mitarbeiterinnen gesammelten Petitionen herausbrachte und der von der Versammlung mit schallendem Gelächter angenommen worden war:
»Der Ausschuß setzt sich aus verheirateten und alleinstehenden Herren zusammen. Die Junggesellen des Ausschusses haben mit wohlanstehender Zurückhaltung das Thema zum großen Teil den verheirateten Herren überlassen. Diese haben es mit Hilfe der inneren Erleuchtung und der Erfahrung, die das Eheleben ihnen gegeben hat, behandelt. So gerüstet sind sie in der Lage festzustellen, daß die Damen immer den besten Platz und die erlesensten Leckerbissen bei Tisch haben. Sie nehmen in Wagen, Kutschen und Schlitten immer die besten Sitze ein, den wärmsten Platz im Winter und den kühlsten im Sommer. Sie haben die Wahl, auf welcher Seite des Bettes sie liegen möchten, vorn oder hinten. Die Kleidung einer Dame kostet dreimal soviel wie die eines Herren, und zur gegenwärtigen Zeit mit der vorherrschenden Mode nimmt eine Dame dreimal soviel Platz in der Welt in Anspruch wie ein Herr. Es erschien deshalb den verheirateten Herren Ihres Ausschusses, die sich in der Mehrheit befanden (nachdem die Junggesellen aus den erwähnten Gründen und vermutlich auch aus dem weiteren Grund schwiegen, daß sie erst noch Freier um die Gunst des sanfteren Geschlechts sind), daß, wenn es in diesem Fall überhaupt Ungleichheit und Unterdrückung gäbe, die Herren die Leidtragenden seien. Sie haben jedoch keine Petition zur Geltendmachung von Ansprüchen gemacht; zweifellos haben sie sich dazu entschlossen, sich einem unabweisbaren Schicksal zu beugen. Insgesamt ist der Ausschuß zu dem Schluß gekommen, keine Maßnahmen zu empfehlen außer für die seltenen Fälle, wo er die gemeinsame Unterschrift von Mann und Frau unter derselben Petition gefunden hat. In diesen Fällen würde er den Parteien vorschlagen, ein Gesetz zu beantragen, das jenen erlaubt, die Kleider zu wechseln, so daß der Ehemann Petticoats und die Ehefrau Reithosen tragen darf und sie damit ihren Nachbarn anzeigen können, in welcher Beziehung sie zueinander stehen.«[18] Trotz allem, die Welt war in Bewegung. Vier Jahre später, 1860, war Mrs. Stanton wieder in Albany; diesmal hielt sie vom Rednerpult aus eine Rede vor einer gemeinsamen Sitzung beider Häuser. Der Entwurf, der zu jener Zeit im Staat New York Gesetz wurde, war eine beträchtliche Verbesserung gegenüber 1848. Er gab den Frauen das Recht, zusätzlich zum eigenen Eigentum auch ihre Löhne zu behalten, einen Prozeß anzustrengen und im Falle des Todes des Ehemannes ähnliche Eigentumsansprüche zu haben wie dieser hatte, wenn seine Frau vor ihm starb.[19]
Wenn den Frauen auch viele Waffen fehlten, mit denen sie ihre Ziele leichter erreichen konnten, so hatten sie doch einige sehr reale Trümpfe auf ihrer Seite; vielleicht einer der bedeutendsten war die Arbeitsgemeinschaft zwischen Mrs. Stanton und Miss Anthony. Es gibt wenige Verbindungen, die fruchtbarer waren. Ihre Talente und ihre Lebensumstände ergänzten sich. Miss Anthony war die Organisatorin, Mrs. Stanton die Denkerin, Schriftstellerin und Sprecherin. Mrs. Stanton wurde zwanzig Jahre lang durch eine große Familie gebunden; Miss Anthony dagegen war mobiler, konnte entweder herumreisen oder auf einen Notruf aus dem Hause Stanton hin herbeieilen und Kinder und Haushalt versorgen, damit sich Mrs. Stanton selbst zurückziehen konnte, um eine nötige Erklärung oder Rede vorzubereiten. Wenn Mrs. Stanton gelegentlich einen Schritt zu weit ging, brachte Miss Anthony sie wieder auf die Linie zurück. (Die Mitarbeiterinnen der beiden klagten oft, daß Mrs. Stanton ständig neue und kontroverse Dinge aufbrachte - Scheidung, Bibel, das »gebildete Wahlrecht«, die »das Schiff zum Schwanken bringen«.) Obwohl es Differenzen zwischen Susan Anthony und Elizabeth Cady Stanton gab, zerbrach die tiefe Verbundenheit zwischen ihnen nie. In ihren Erinnerungen hinterließ Mrs. Stanton eine lebhafte Skizze ihrer frühen Zusammenarbeit:
»Wenn ich dieses prächtige Quäkermädchen über meinen Rasen kommen sah, wußte ich, daß mal wieder irgendeine glückliche Versammlung der Söhne Adams durch Appelle oder Resolutionen von uns aufgehetzt werden sollte. Das kleine, mit Berichten vollgestopfte Handköfferchen wurde geöffnet und hervor kam, was Reverend John Smith und Honorable Richard Roe behaupteten: falsche Auslegungen von Bibelstellen, Statistiken über Frauen, die ihres Vermögens beraubt, aus gewissen Colleges ausgesperrt und für ihre Arbeit nur halb bezahlt wurden, Berichte über gewisse ungeheuerliche Gerichtsverfahren; genug Ungerechtigkeit, um die Gedanken jeder Frau von Strümpfen und Pudding abzubringen. Wir holten dann unsere Stifte hervor und schrieben Artikel für Zeitungen oder eine Petition ans Parlament, verfaßten Briefe für die Gläubigen hier und da, riefen The Lily, The Una, The Liberator, The Standard auf, das Unrecht gegen uns genauso im Gedächtnis zu behalten wie das gegen die Sklaven. Wir trafen uns nie, ohne einen Aufruf zu irgendeiner Frage zu verfassen... Sie besorgte die Fakten und die Statistiken, ich die Philosophie und die Rhetorik, und zusammen haben wir Argumentationen entwickelt, die den Stürmen von langen Jahren unangefochten standhielten, Argumentationen, denen niemand etwas entgegenzusetzen hatte. Unsere Reden sollen als das gemeinsame Produkt zweier Köpfe angesehen werden.«[20]
Mrs. Stanton hatte einen präzisen Sinn dafür, daß sie in der Welt Spuren hinterlassen würden. 1857, als sie zweiundvierzig und Miss Anthony siebenunddreißig war, schrieb sie, um ihre Freundin zur Hilfe zu rufen:
»Du mußt für eine oder zwei Wochen hierherkommen und wir werden Wunder vollbringen. Mut, Susan - dies ist mein letztes Baby, sie wird im Januar zwei Jahre alt. Noch zwei Jahre und man wird sehen, was passiert! Du und ich haben Aussicht auf ein gutes, langes Leben. Wir werden erst mit fünfzig in der Blüte unseres Lebens stehen und danach noch mindestens zwanzig Jahre zu was taugen.«[21]
Doch ohne die Arbeit zahlloser anderer Frauen hätte auch das Team Stan-ton-Anthony nicht schaffen können, was es schaffte. Hinter ihnen und den anderen Führerinnen - Lucy Stone mit ihrer silbernen Stimme, der weisen Lucretia Mott, Ernestine Rose und Abby Kelley Foster, beide sehr wortgewaltig, und der weitläufigen Paulina Wright Davis - standen unzählige Frauen, aus denen Führerinnen der einzelnen Bundesstaaten wurden: Frances Dana Gage, Abolitionistin aus Ohio, auch bekannt als »Tante Fanny«, die Kindergeschichten schrieb; Clarina Howard Nichols aus Vermont, Zeitungsverlegerin und später Organisatorin im Westen; Matilda Joslyn Gage, die, obwohl jahrelang an ihr Haus und ihre kleinen Kinder in einer Stadt hoch oben im Staat New York gebunden, eine der gelehrtesten von allen wurde; Josephine S. Griffing, Amanda M. Way und Caroline Severance aus Ohio; Hannah Tracy Cutler aus Illinois; Mary Upton Ferrin aus Massachusetts; und die schwarzen Frauen, deren erstes Interesse zwar zwangsläufig im Kampf gegen die Sklaverei bestand, die aber doch durchweg die Verbindung zwischen der Freiheit für die Sklaven und der Gleichheit für Frauen jeder Hautfarbe hervorhoben - Sojourner Truth, Frances E. W. Harper, Sarah Remond.
Keine leistete ihren Dienst tapferer als die fast legendäre Sojourner Truth. Bei Kingston am Hudson River als Sklavin geboren, erhielt sie den Namen Isabella. Sie blieb ihr ganzes Leben lang des Schreibens und Lesens unkundig. Ihr Herr verbot die Heirat mit dem Mann, den sie liebte, und peitschte sie in dessen Gegenwart aus. Nachdem sie schließlich einen Mann geheiratet hatte, der vor den Augen ihres Herrn »bestand«, gebar sie dreizehn Kinder, von denen die meisten als Sklaven verkauft wurden. 1827 befreite der Staat New York endlich per Gesetz seine Sklaven. Die freie Negerin Isabella kam nach New York, machte als Dienstmädchen Hausarbeit und wurde nach einer Phase in der religiösen Erweckungsbewegung aktive Abolitionistin; dabei nahm sie den Namen Sojourner Truth an. Bei einer Frauenrechtsversammlung in Akron (Ohio) im Jahre 1851 schien keine der Frauen in der Lage, einem Schwall von Zwischenfragen zu antworten, und es sah ganz so aus, als ob die Sache der Frauen bei ihrer eigenen Versammlung ins Hintertreffen geraten sollte. Sojourner Truth ging nach vorn und setzte sich auf die Stufen der Kanzel, auf der Frances Dana Gage als Vorsitzende saß. Viele Frauen, die besorgt waren, die Abolitionistenfüh-rerin könnte ihrer Sache abträglich sein, baten Mrs. Gage, ihr keine Redeerlaubnis zu erteilen. Glücklicherweise dachte Mrs. Gage anders: »Sojouner bewegte sich langsam und feierlich nach vorn, legte ihren alten Schutenhut zu ihren Füßen und richtete ihre großen ausdrucksvollen Augen auf mich. Es gab ein zischendes Geräusch der Ablehnung von allen Seiten. Ich stand auf, kündigte an: >Sojourner Truth< und bat das Publikum, für ein paar Minuten zu schweigen.«
Sojourner wandte die ganze Kraft ihrer Beredsamkeit gegen ihren Vorredner, einen Geistlichen, der sich über die Schwäche und Hilflosigkeit der Frauen lustig gemacht hatte, denen deswegen auch kein Stimmrecht anvertraut werden sollte:
»Der Mann da drüben sagt, Frauen hätten es nötig, daß man ihnen in die Kutsche hilft und sie über Gräben hebt und daß sie überall die besten Plätze bekommen. Niemand hilft mir jemals in Kutschen oder über Pfützen oder räumt mir den besten Platz ein -und bin ich keine Frau?«
Mit einer Geste, die das Publikum elektrisierte, hob sie ihren bloßen schwarzen Arm:
»Seht meinen Arm an! Ich habe gepflügt und gepflanzt und geerntet und kein Mann hat mir etwas vormachen können - und bin ich keine Frau? Ich konnte arbeiten und essen wie ein Mann - wenn ich soviel bekam - und gleichermaßen die Peitsche ertragen! Und bin ich keine Frau? Ich habe dreizehn Kinder geboren und zusehen müssen, wie sie die meisten als Sklaven verkauft haben, und wenn ich meinen mütterlichen Schmerz hinausschrie, hörte mich niemand als Jesus - und bin ich keine Frau?« Dann schlug sie andere, schärfere Töne an:
»Wenn mein Krug nur einen halben Liter faßt, eurer aber einen ganzen, wäre es nicht gemein von euch, mir auch noch meinen halben Liter zu verbieten?« Mrs. Gage schrieb über ihren Auftritt:
»Umgeben von Beifallsstürmen ging sie wieder in ihre Ecke und ließ mehrere von uns mit Tränen in den Augen und dem Herzen voller Dankbarkeit zurück. Sie hatte uns in ihre starken Arme genommen und uns sicher durch die Flut von Schwierigkeiten geführt und die Gezeiten zu unseren Gunsten gewendet. Niemals in meinem Leben sah ich etwas wie diesen magischen Einfluß, der den versnobten Geist jener Tage bezwang und Hohn und Spott einer erregten Menge in respektvolle und bewundernde Bemerkungen verwandelte.«[22]
Dieses stürmische Ereignis wurde zu Mrs. Gages eigener Feuertaufe. Sie fand sich als Vorsitzende der Versammlung, obwohl sie, wie sie dem Publikum erzählte, nie zuvor bei einem geschäftlichen Treffen gewesen war und keine Ahnung von parlamentarischen Verfahrensweisen hatte. Sie hielt dann, wie so viele dieser erstaunlichen Frauen, eine gekonnte Jungfernrede, in der sie eine Parallele zwischen den frühen Siedlern in Ohio, die die Sicherheit Neuenglands zugunsten besserer Möglichkeiten verlassen hatten, und der Sache der Frauen zog:
»Das alte Land moralischer, sozialer und politischer Vorrechte scheint zu eng für unsere Bedürfnisse. Sein Erdboden entspricht nicht unserem Wachstum, und wir fühlen, daß wir ganz deutlich ein besseres Land erkennen können, das wir bewohnen könnten. Doch da sind die Gebirge der herrschenden Gesetzgebung und der Sitte zu überwinden, da ist eine Wildnis von Vorurteilen zu bezwingen, ein mächtiger Gegner in Gestalt von Selbstsucht und Eigennutz zu besiegen. Aber um unserer Kindeskinder willen haben wir die Arbeit begonnen.«[23]
Mrs. Gage sah sich bald als Führerin einer Bewegung, die auf dem Boden, der von Rednerinnen wie Abby Kelley Foster und Lucy Stone, durch den Einfluß Oberlins und die Arbeit der »Untergrundbahn« gut vorbereitet worden war, rasch anwuchs. Nicht alle Versammlungen fanden in Kirchen statt. Ein »Kongreß« im kleinen Dorf Chesterfield im Morgan-Distrikt mußte erleben, wie er aus der Kirche, in der er angekündigt war, und ebenso aus dem Schulhaus ausgesperrt wurde. Aber es fand sich ein Versammlungsort auf der »Dreschtenne einer großen Scheune, und wir sahen drei- oder vierhundert Farmer und ihre Frauen, Söhne und Töchter sich versammeln«.[24] Dann gab es »John's Convention«:
»Es war eine Anreise von zwei Tagen mit Dampfer und Eisenbahn. Der Aufruf war unterschrieben von John Andrews, und John Andrews hatte versprochen, sich mit mir bei den Wagen zu treffen. Ich ging hin. Es war fürchterlich kalt, und John war da. Er war ein bartloser, junger Mann von neunzehn Jahren, aber er wirkte noch jünger. Wir reisten sofort zur >Christlichen Kirche<. Auf dem Weg munterte er mich auf, indem er sagte, er fürchte, niemand werde auf seine Bitte hin kommen. Als wir zu dem Gebäude kamen, war kein menschliches Wesen greifbar, kein Feuer in dem rostigen Ofen, und die rohen ungestrichenen Bänke standen kreuz und quer durcheinander. Ich rief ein paar Jungen, die nebenan spielten, fragte sie nach ihrem Namen, schrieb fünf davon auf ein Papier und sagte ihnen: >Geht in jedes Haus dieser Stadt und sagt jedermann, Tante Fanny wird hier um elf Uhr sprechen, und wenn ihr fünfzig zusammenbekommt, gebe ich euch jedem zehn Cents.< Sie rannten los. Ich befahl John, die Bänke zu ordnen, suchte Holzscheite und Anmachkiene zusammen, borgte ein bißchen Glut aus dem nächsten Haus, heizte den Ofen gut durch, wischte den Boden, und war zur angegebenen Zeit bereit für mein Publikum. John hatte gute Arbeit geleistet, und schließlich waren mindestens fünfzig Leute da und ein Pfarrer, der ein Gebet sprach und den hl. Paulus anrief, bevor ich noch ein Wort gesagt hatte. Ich sagte dann, was ich zu sagen hatte, und noch vor ein Uhr vertagten wir uns auf ein weiteres Treffen um drei Uhr nachmittags, eins um sieben Uhr abends und drei weitere am nächsten Tag. Mrs. C. M. Severance kam um sechs, und es war eine durchweg gute Kundgebung. >John's Convention wurde trotz allem als Erfolg bewertet.«[25] Beispiel dafür, wie die neuen Ideen mit dem Strom der Wanderung in den Westen getragen wurden, ist das Leben von Clarina Howard Nichols aus Vermont. Von 1843 bis 1853 war sie Redakteurin des Windham County Democrat, den ihr Mann herausgab, und schon 1847 schrieb sie eine Reihe von Leitartikeln über die Nachteile, die verheiratete Frauen hinsichtlich eigenen Vermögens erlitten. 1852 trat sie vor das Unterhaus des Parlaments zugunsten eines Gesetzentwurfs, der Frauen das Wahlrecht in Schulversammlungen auf der Bezirksebene geben sollte; das war eine Feuerprobe, die ihr so schwere Herzattacken verursachte, daß sie beinahe ihr Plädoyer hätte aufgeben müssen, bevor sie noch richtig angefangen hatte. Sie fand jedoch ihr Gleichgewicht wieder und hielt eine lange Rede, in der sie den Vorwurf, die Frauen wollten sich in der Familie die Hosen anziehen, ihren Widersachern zurückgab:
»Ich will hier nicht an die Galanterie dieses Hauses appellieren, sondern an seine Mannhaftigkeit, wenn nicht böswillige Stichelei von den Gentlemen kommt, die unsere Röcke per Gesetz in ihren Besitz überführt haben. Und ist nicht noch Zeit genug für Sticheleien, wir seien nur hinter ihrer Garderobe her, wenn sie uns endlich unser gesetzliches Recht auf unsere eigene wiedergegeben haben werden?«[26]
Bis 1854 schrieb Mrs. Nichols Leitartikel und hielt Vorträge in ganz Neuengland. Sie verbrachte auch zwei Monate in Wisconsin, wo sie vor einer Mäßigkeitsgesellschaft von Frauen sprach und ihren Vortrag mit Frauenrechtsargumenten spickte. Als sie mit zweien ihrer Söhne, die dort Siedler waren, Kansas besuchte, hielt sie auf Anfrage Frauenrechtsversammlungen auf dem Dampfer ab, der den Missouri hoch nach Kansas City fuhr. 1857 ging sie zurück nach Kansas, um sich dort anzusiedeln, und dehnte ihre Arbeit auf den Nachbarstaat Missouri und später bis nach Kalifornien aus. »Kämpferinnen späterer Tage«, schrieb sie einmal, »werden sich kaum eine Vorstellung machen können von den Mühen ihrer Vorgängerinnen, die von ihrem Sinn für Recht und Pflicht gegen die landläufigen Vorurteile getrieben werden, für die ihre eigene Ausbildung und frühe Denkgewohnheiten sie schmerzhaft empfindlich gemacht haben.«[27]
Immer wieder tauchte diese Zähigkeit auf. Da gab es Mary Upton Ferrin aus Salem (Massachusetts), die im Frühjahr 1848 erfahren mußte, daß nach dem Gesetz in Massachusetts ihrem Mann nicht nur ihr Grundbesitz und alle Nutzungsrechte daraus zufielen, sondern auch all ihre persönliche bewegliche Habe, wenn sie sie nicht versteckte oder nachwies, daß sie nur geliehen war! Kein Anwalt und kein Richter, den sie um Hilfe anging, wollte ihr eine Petition aufsetzen und dem Parlament vorlegen, so daß sie selbst eine verfaßte und sie mit der Bitte um Unterschrift in Umlauf brachte, ebenfalls ohne Hilfe. Das setzte sie Jahr für Jahr fort, reiste über 600 Meilen, einen großen Teil zu Fuß. Andere Frauen schlössen sich an, und schließlich wurde 1854 in Massachusetts ein Gesetz zur Regelung der Vermögensverhältnisse von Frauen erlassen.
Am härtesten war es für die alleinstehende Frau, gegen den Strom zu schwimmen, besonders wenn sie zusätzlich zum Besuch von Versammlungen und Anhören von Rednern noch versuchte, selbst etwas Konstruktives zu leisten. In Ellsworth (Maine) begannen zwei Frauen, einen literarischen Kurs zu organisieren, zu dem sie unter anderem so gegensätzliche Persönlichkeiten wie Wendeil Phillips, Dr. Harriot K. Hunt und Susan Anthony einluden. Eine der Initiatorinnen, Miss Charlotte Hill, war Geigerin, spielte bei Gesellschaften und gab Musikunterricht für Jungen und Mädchen. Als man ihr Vergeltung androhte für den Fall, daß sie nicht abließ, »solche Leute in die Stadt zu schaffen«, antwortete sie: »Sehr schön - ich werde meine Prinzipien aufrechterhalten, und wenn sie meine Klassen stürmen, kann ich immer noch zurück an die Küste und nach Muscheln graben, um zu überleben, wie ich es früher getan habe.«[28]
In diesem besonderen Fall zeigt der Bericht, daß sie nicht zu solch drastischem Schritt Zuflucht nehmen mußte, aber sicher ist, daß sie vollkommen bereit war, lieber das zu tun, als sich zu beugen. Wie bei jeder anderen sozialreformerischen Bewegung lag auch in der Bewegung für die Gleichberechtigung der Frauen die Stärke nicht nur in der Führung, die sie herausbildete, sondern in der zähen Hingabe, mit der sie während des ganzen neunzehnten Jahrhunderts und bis hinein in unseres unzählige einzelne Frauen erfüllte. Die weitaus meiste Zeit bestand der einzige Reichtum der Bewegung aus Frauen, die einen Teil ihres Lebens, manchmal ihr gesamtes Leben dafür hingaben.
Keine Susan Anthony oder Frances Dana Gage hätte im Süden hervortreten können - nicht etwa, weil das Leben dort ein Reigen von Magnolien, Mondschein und Walzern gewesen wäre und es den Frauen an Sicherheit und Würde nicht gemangelt hätte. Es gab Hunderttausende Frauen auf Farmen ohne Sklaven, die der Mittelschicht entstammenden und »armen weißen« Farmern gehörten, oder Frauen, die in großen und kleinen Städten lebten und denselben Realitäten gegenüberstanden wie ihre Schwestern anderswo im Land. Die vorherrschende Haltung gegenüber Frauen, die immer als die »Ritterlichkeit des Südens« bezeichnet wird, war lediglich die Kehrseite einer Ordnung, die sie weitgehend im Kreis des Hauses festhielt. Die agrarische oder Plantagen-Wirtschaft war zwar keineswegs überall verbreitet, aber ihr gesellschaftlicher Kodex war vorherrschend.[29] Aus diesem Grund konnte sich in den Südstaaten keine derjenigen im Norden und Westen vergleichbare Bewegung entwickeln. Das politische Leben spitzte sich zunehmend auf die Verteidigung und Erhaltung der Sklaverei zu, und so gab es für das Wachsen von Reformbewegungen, die anderswo Frauen in neue Aktivitäten hineinzogen, keinen Platz. Bei der geringen industriellen Entwicklung bestand keine Nachfrage nach weiblichen Fabrikarbeitern. Der lähmende Einfluß der Sklaverei schlug sich in dem niedrigen Bildungsniveau nieder, trotz einiger Institutionen für Männer, die College-Status für sich beanspruchten, ein paar kurzlebigen Frauen-»Colleges«, die nicht mehr als Seminare waren, und feinen Schulen für die Pflanzertöchter.
Die Sklaverei lähmte jede Tendenz zur Reform oder zum Dissens. Der Rebell, für den es keine Versöhnung gab, mußte weggehen, wie die Schwestern Grimke, oder mit gesellschaftlicher Ächtung fertigwerden. Für eine Frau von einer Farm im Hochland, aus der eine Lucy Stone hätte werden können, bestand keine Chance, daß sie es wirklich wurde. Es gab kein Oberlin, das sie genährt hätte, kein Forum der Auseinandersetzung, auf dem sie hätte ihre Talente erproben und erweitern können, und tatsächlich trat keine solche Frau hervor. Es gab viele Pflanzerfrauen und -töchter, die großes verwalterisches und organisatorisches Geschick im Umgang mit großen Besitztümern bewiesen und die uns in Briefen und Tagebüchern eine lebendige Darstellung ihrer Pflichten, ihrer Kultur und ihres Charmes hinterließen - und ihres Abscheus gegenüber der Sklaverei, sowohl wegen deren Auswirkungen auf ihr Eheleben als auch wegen deren Auswirkungen auf die Sklaven selbst. Aber das Leben dieser Frauen war festgeschrieben in einem Rahmen, der sich auf menschliche Knechtschaft gründete, und das ließ ihnen wenig Möglichkeit, zu neuen Bereichen von Handeln oder Denken vorzustoßen.
Mit der schwarzen Frau stand es ganz anders. Selbst wenn sie frei war, waren ihre Bildungs- und Verbesserungschancen streng begrenzt - sie war frei in einem Land, das letzten Endes Feindesland war -, und war sie Sklavin, so waren ihre Energien auf ihr eigenes Überleben und das ihrer Familie, auf die Freilassung oder auf die Flucht gerichtet. Der Mythos, daß sie sich demütig ihrem Schicksal ergab, wird Lügen gestraft durch die Annalen der »Untergrundbahn«, die voll sind von Berichten über Frauen, die auf die gefährliche Reise gingen, oft kleine Kinder mitnahmen, selbst Babies auf dem Arm trugen, nach Norden zogen und um jeden Preis der Gefangennahme und der unvermeidlichen Rückkehr in die Sklaverei Widerstand leisteten.[30] Die wieder eingefangene Sklavin Lucy in Onkel Toms Hütte, die sich ertränkte, als man ihr Baby fortnahm, ist kein Hirngespinst aus Mrs. Stowes überreizter Phantasie.[31] Sie hätte auch Margaret Gardner heißen können, eine zweiund-zwanzigjährige Sklavin, die mit ihren vier Kindern den »freien Boden« in Cincinnati erreichte, um sogleich von einer Freischar aus dem Süden wieder verschleppt zu werden. Während sie im Gefängnis saß und ihren Transport erwartete, tötete sie ihre dreijährige Tochter. Auf dem Ohio ließ sie das Baby aus ihrem Schoß ins Wasser rollen, und als der Dampfer Schiffbruch erlitt, wich sie allen Bemühungen um Rettung aus und ertrank.[32] 1838 berichtete John Quincy Adams dem Repräsentantenhaus von einer Sklavin im District of Columbia, die »mitsamt ihren vier Kindern gegriffen, von ihrem Ehemann, der ein Freier war, getrennt und ich weiß nicht wohin gebracht wurde. Jene Frau tötete im Kerker von Alexandria mit eigener Hand zwei ihrer Kinder und versuchte, auch die anderen zu töten«.[33] In Fällen, wo keine Fluchtmöglichkeit bestand, griffen die Frauen zu anderen Formen des Widerstands: Brandstiftung, Gift, Selbstverstümmelungen, Diebstahl und vorgetäuschte Krankheiten waren verbreitet.
Eine ehemalige Sklavin, die zu einer legendären Gestalt wurde, indem sie andere in die Freiheit führte, war die großartige Harriet Tubman.[34] Auf den ersten Blick war sie von unscheinbarem Äußeren - sie war gerade eineinhalb Meter groß -, aber unter dem Turban, der immer ihren Kopf verhüllte, schauten stechende Augen hervor. Den Turban trug sie, um eine tiefe Narbe auf dem Schädel zu verbergen, die von einem Eisengewicht herrührte, das ein Aufseher nach ihr geworfen hatte, als sie erst fünfzehn war. Sie litt ihr Leben lang unter Schüben von Bewußtseinsverlust, ein Ergebnis dieses Schlages. Sie war als Sklavin an der Ostküste Marylands geboren, nicht weit von dem Ort, an dem Frederick Douglass aufwuchs. Daß sie einen freien Neger heiratete, änderte nichts an ihrem eigenen Status; als der Tod ihres Herrn 1849 ihren Verkauf möglich scheinen ließ, bat sie ihren Mann, mit ihr nach Norden zu gehen. Als er sich weigerte, wählte sie die Freiheit ohne ihn und machte sich allein auf ihren riskanten Weg nach Pennsylvania und in die Freiheit. Harriet Tubman war damals fast dreißig Jahre alt. Sie wurde »Schaffnerin« der »Untergrundbahn«. Während zehn Jahren machte sie neunzehn Reisen ins Sklavengebiet und brachte mehr als 300 Männer, Frauen und Kinder heraus. »Moses« nannte man sie, ein magischer Name unter den Sklaven, die vorhatten, den gefährlichen Weg nach Norden zu nehmen. Sklavenhalter würdigten sie mit einer Kopfprämie, die Jahr für Jahr erhöht wurde, bis sie schließlich die für damalige Zeiten riesige Summe von 40 000 Dollar erreichte. Doch sie wurde nie gefaßt oder verletzt, und sie verlor nie einen »Passagier«. Manche glaubten an eine mystische Quelle ihrer Unfehlbarkeit, die sie in Zusammenhang brachten mit den Momenten, in denen sie das Bewußtsein verlor, was gelegentlich auch auf den Reisen mit einer Gruppe von Entflohenen geschah. Aber Abolitionisten, die sie kannten und mit ihr arbeiteten, begriffen, daß sie außerordentlich begabt war mit Scharfsinn und Mut, die ihr, wenn sie ein menschliches Wesen von anderer Rasse und anderem Geschlecht gewesen wäre, Ruhm und öffentliche Anerkennung eingebracht hätten. Stattdessen verlebte Harriet Tubman, obwohl sie als Militärspäherin und Krankenschwester in den Unionsarmeen während des Bürgerkriegs Dienst tat, die meisten ihrer späteren Jahre in Bedrängnis, oft in äußerster Not, um eine Pension kämpfend, die der Kongreß ihr schließlich, als sie achtzig war, zähneknirschend einräumte, in Höhe von 20 Dollar im Monat.
Solche Vernachlässigung war das übliche Schicksal schwarzer Abolitionisten, insbesondere wenn sie Frauen waren: Harriet Tubman und ihre große Zeitgenossin Sojourner Truth werden immerhin noch durch gelegentliche Erwähnung in Geschichtsbüchern gewürdigt, von den vielen anderen schwarzen Frauen dagegen, deren Namen damals weit über die Grenzen der Abolitionistenbewegung hinaus bekannt waren, gibt es nichts dergleichen. Herausragend war Frances Ellen Watkins Harper, bekannt als Dichterin wie als gegen die Sklaverei auftretende Vortragsreisende von nationalem Ruf. »Sie hat einen edlen Kopf, diese bronzene Muse, ein starkes Gesicht mit einem dunklen Schimmer darauf«, schrieb Grace Greenwood, eine der populärsten Schriftstellerinnen jener Tage. »Sie steht ruhig neben ihrem Pult und spricht ohne Notizen, mit wenigen treffenden Gesten. Ihre Haltung zeichnet sich durch Würde und Gelassenheit aus. Sie ist nie anmaßend, nie theatralisch.«[35]
Hinter dieser Erscheinung, die Miss Greenwood so sehr beeindruckte, stand der uns inzwischen vertraute Kampf um Bildung und Lebensunterhalt. Ihre Eltern waren freie Neger, die in Baltimore lebten; aber sie ließen sie noch im Kindesalter als Waise zurück. Sie hatte das Glück, einen Onkel zu besitzen, der eine Schule leitete, die sie besuchen durfte, und später in einem Buchgeschäft arbeiten zu können, dessen Waren sie für sich selbst nutzte, wann immer sie einen Moment Zeit erübrigen konnte. Als 1850 das Sklavenflucht-Gesetz in Kraft trat, war Maryland selbst für freie Sklaven nicht mehr sicher, denn viele von ihnen wurden entführt und im Süden als »Entflohene« verkauft. Mrs. Harper war eine Zeitlang hart bedrängt, für ihren Unterhalt zu sorgen - sie unterrichtete an einer Schule und arbeitete als Hausangestellte, während sie gleichzeitig in Pennsylvania und Ohio für die »Untergrundbahn« tätig war. Aus dieser Erfahrung schrieb sie Gedichte für aboli-tionistische Zeitungen und für ihren ersten Gedichtband von 1854. Als sie im Auftrag von Antisklavereigesellschaften Vorträge zu halten begann und das ganze Land bereiste, kamen die Zuhörer nicht nur wegen ihrer leidenschaftlichen Wortgewalt und ihrer melodischen Stimme zu ihr, sondern auch weil sie die Autorin solcher Gedichte wie »Die Sklavenmutter« und »Äthiopien« war:

»Ja! Äthiopia soll doch weit
Die blutigen Hände recken;
Ihr Marterschrei soll dringen
Bis zum brennenden Thron Gottes.«[36]

Die erste schwarze Frau, die eine Zeitung herausgab, war Mary Ann Shadd Cary, die 1833 in Wilmington (Delaware) als freie Negerin geboren war. Ihr Vater, Abraham Shadd, der von freien Schwarzen abstammte, lebte, gemessen an seiner Rasse und seiner Zeit, in günstigen Umständen. Er war aktiver Abolitionist, und einige seiner Kinder traten in seine Fußstapfen. Seine Tochter Mary Ann unterrichtete an Schulen in Wilmington und nahegelegenen Gemeinden in Pennsylvania, fand aber, daß ihre nützlichste Rolle die einer Führerin für die Schwarzen war, die nach dem Erlaß des Sklaven-flucht-Gesetzes 1850 nach Kanada flüchteten. Sie siedelte sich in Windsor (Ontario), jenseits der kanadischen Grenze gegenüber von Detroit, an und wurde 1854 Verlagsleiterin des Provincial Freeman. Später zog sie nach Chatham (Ontario), um diese Arbeit fortzusetzen.[37] Die Zeitung erschien bis 1858.
Zusätzlich unternahm sie von Zeit zu Zeit Reisen in die Staaten, um Vorträge gegen die Sklaverei zu halten, was immer eine gefahrvolle Tätigkeit war. Aber die unerschrockene Frau mit der gebieterischen Miene wurde spielend leicht fertig mit dem Mob, der eine ständige Bedrohung für die Abolitioni-sten war, besonders für diejenigen schwarzer Abstammung. Als einmal ein entlaufener Sklavenjunge unmittelbar bedroht war, von Sklavenfängern ergriffen zu werden, brachte sie eine gesamte Gemeinde auf, ihm zu helfen, und es gelang ihr, so viel Gefühl aufzurütteln, daß »die Verfolger vor den wütenden Leuten flohen, glücklich darüber, daß sie ohne körperliche Schäden davonkamen«.[38]
Es gab andere Frauen, die in selbstloser Anonymität für die »Untergrundbahn« Vorträge hielten, schrieben oder arbeiteten: Charlotte Forten, Anna Mae Douglass (die Frau von Frederick Douglass), Sarah Remond (deren Bruder Charles Lenox Remond zusammen mit Garrison gegen den Ausschluß der weiblichen Delegierten vom Weltkongreß gegen die Sklaverei 1848 protestierte) und viele andere. Sie verdienen mehr als die Vergessenheit, in die sie gerieten.
Die Bildungsmöglichkeiten für schwarze Mädchen hatten seit den Tagen Prudence Crandalls wenig Fortschritte gemacht. Selbst im Norden waren ihnen die Schulen verschlossen mit Ausnahme von solchen, in denen Schwarze unterrichteten, denen gewöhnlich eine angemessene Ausbildung für diese Aufgabe fehlte. Die Eröffnung der ersten Schule, in der schwarze Mädchen zu Lehrerinnen ausgebildet wurden, in Washington, D.C., im Jahr 1851 war der Anfang eines Kampfes, der kaum weniger hartnäckig und bedeutsam war als der Miss Crandalls, heutzutage allerdings weniger bekannt.
Die Gründerin der Schule, Myrtilla Miner, war eine jener jungen Frauen, an denen Mary Lyons Herz gehangen hatte; sie war arm, kam aus einem kleinen Dorf mitten im Staat New York und hatte einen so verzweifelten Drang nach Bildung, daß sie dem damaligen Gouverneur des Staates, William H. Se-ward, schrieb und ihn um Rat fragte.[39] Ehrwürden, der offensichtlich noch nichts von der Eröffnung des Mount Holyoke Seminars ein Jahr zuvor gehört hatte, sandte ihr lediglich vage Ermutigung und sagte, er hoffe, die Dinge würden sich bald bessern! Das ungeduldige Mädchen wurde schließlich in einem Quäkerseminar in Rochester aufgenommen. Hier befreundete sie sich mit zwei schwarzen Studenten, die ihr von der Sklaverei erzählten. Mehr darüber erfuhr sie, als sie nach dem Schulabschluß einen Posten als Lehrerin in einer Schule für Pflanzertöchter in Mississippi annahm. Als sie um die Erlaubnis bat, die Sklavenkinder der Plantage zu unterrichten, wurde diese Bitte natürlich abgelehnt. Zutiefst aufgewühlt kehrte Myrtilla Miner in den Norden zurück. Nach Beratung mit einigen Freunden und Abolitionistenführern beschloß sie, eine Schule für farbige Mädchen zu eröffnen, die »ausgestattet wäre mit allen Mitteln und Lehrstühlen, die zu einer erstklassigen Schule für das andere Geschlecht gehören«. Der Ort, den sie dafür wählte, war Washington, weil er »allgemeines Eigentum der Nation war und weil die Gesetze des Distriktes ihr das Recht gaben, freie farbige Kinder zu unterrichten, und niemand anderen beabsichtigte sie zu unterrichten«.[40] Trotz allem war während des Jahrzehnts vor dem Bürgerkrieg das politische Klima in Washington den Bemühungen für die Verbesserung der Lage der Schwarzen kaum zuträglich; nicht alle Abolitionisten, die Miss Miner konsultierte, hielten ihren Plan für klug oder durchführbar. Doch ihre Zähigkeit und ihre vorwärtsdrängende Entschlossenheit besiegte oder ignorierte alle Widerstände, selbst die von Frederick Douglass, der sie in Erinnerung hatte als »eine schmale, sehnige, blasse (nicht übermäßig gesunde) aber einzigartig lebhafte Gestalt... eine zarte und zerbrechliche Person, die vor mir stand oder besser, sich vor mir hin und her bewegte, denn einen Stuhl wollte sie nicht annehmen. Sie schien zu erfüllt von ihren eigenen Unternehmungen, als daß sie an ihre eigene Bequemlichkeit hätte denken können, und hielt mich somit während der ganzen Zeit, die sie in meinem Büro war, auf Trab«. Douglass gab sich alle Mühe, sie vor ihrem Ziel abzubringen: »In meiner Phantasie sah ich diese kleine Frau, wie sie vom Gesetz belästigt, auf der Straße beleidigt werden würde, Opfer der Bösartigkeit der Sklavenhalter und womöglich vom Mob zusammengeschlagen . .. Meine Argumente machten auf den heroischen Geist vor mir keinerlei Eindruck.«[41] Miss Miner eröffnete ihre Schule im Herbst 1851 mit sechs Schülerinnen; innerhalb weniger Monate hatte sie vierzig, trotz einer Unmenge ähnlicher Drangsalierungen, wie sie Miss Crandall erduldet hatte: wiederholte Vertreibung, Brandstiftung und andere Formen von Anschlägen des Mobs. Die Schule überlebte, weil, wie im Fall von Miss Crandall, sich der Heroismus von Schülern und Eltern zu dem ihrer Lehrerin fügte; außerdem war die Antisklaverei-Bewegung stärker geworden, und Miss Miner konnte sich in der Hauptstadt der Nation auf Verbündete stützen, die Miss Crandall in ihrem kleinen Dorf hatte entbehren müssen. Sie begann mit dem schmalen Betrag von 100 Dollar, aber bald kamen Beiträge von Wendell Phillips, Charles Sumner, Ellis Loring, Arthur Tappan und von den Quäkern in Philadelphia, New York und Neuengland. Harriet Beecher-Stowe spendete 1000 Dollar aus ihren Einnahmen von Onkel Toms Hütte für ein neues Gebäude; Horace Manns Schwester Lydia bot ihre Hilfe an, und die Bee-chers, Manns und Stowes waren im Treuhänderausschuß, als Spender und als Lehrer aktiv. Trotzdem mußte sich Myrtilla Miner in letzter Instanz auf ihre eigene Stärke verlassen. »Mob in meiner Schule? Wagt das nicht!«, forderte sie ein paar Feinde heraus. »Wenn ihr sie mir über dem Kopf niederreißt, werde ich ein anderes Gebäude finden. Es gibt kein Gesetz, daß mir verbietet, diese Leute zu unterrichten, und ich werde sie unterrichten, selbst wenn das meinen Tod bedeutet.«[42]
Es gab Zwischenfälle mit Steinwürfen, und ein paarmal mußte der Unterricht verlegt werden; aber das Schlimmste passierte erst 1860:
»Um ein Uhr erwachte ich vom Rauch eines knisternden Brandes. Ich horchte und war sicher, daß es nicht aus einem der Öfen kommen konnte, denn sie waren während des Tages nicht an gewesen. Ich öffnete die Tür meiner Kammer, die direkt in die nächste führte und roch den Rauch - warf eilig ein Kleid über, rannte zum vorderen Kammerfenster und schrie Feuer! - Feuer!, mit schrecklicher Wut. Dann rannte ich mit einem Eimer zum Wasser - das Feuer mußte gerade erst ausgebrochen sein. Es schien mir, daß ich es allein nicht aufhalten könnte - aber ich rannte mit dem Wasser und schrie Feuer!, bis ich den dritten Eimer voll hatte. Dann kamen die Nachbarn, und einer stieg aufs Dach und löschte das Feuer dort, aber als ich in unseren Raum zurückkam, war das Feuer da auch schon eingedrungen und hatte die Vorhänge zu meinem Studierzimmer verbrannt und brannte langsam eine Menge Papierabfälle weg... Ein Brandstifter hatte das Feuer zwischen den Schindeln und den Dachlatten gelegt, und es hatte schon viele von ihnen verkohlt, bevor es hervorbrach... Jahrelang hatte ich mit so etwas gerechnet, so daß es mich nicht unerwartet traf, aber in den letzten Jahren waren die Rowdies so ruhig gewesen, daß ich dachte, sie wollten mich endgültig in Ruhe lassen.«[43]
Solch ein Mut konnte nur aus tiefer Überzeugung kommen. »Ich liebe diese meine Schule zutiefst«, schrieb sie an einen Freund, »und wenn ich mit ihnen zusammen bin, fällt mir wirklich nicht ein, daß sie nicht weiß sind, weil ich auf ihren Geist mehr achte als auf ihr Äußeres. Einige, tatsächlich viele Geister hier, mit denen ich in Berührung komme, scheinen viel schwärzer zu sein als sie.«[44]
Leider hatte Frederick Douglass recht, als er bemerkte, daß Miss Miner nicht »übermäßig gesund« aussah, und sie verzehrte sich bei den übermenschlichen Anstrengungen, die nötig waren, um die Schule am Laufen zu halten. Sie setzte Kongreßabgeordneten, Senatoren, Journalisten und Zeitungsverlegern mit Bitten um Hilfe zu, schrieb Berge von Korrespondenzen, viele mit Bitten um finanzielle Unterstützung, neben der alltäglichen Last des Unterrichts und der Verwaltung. Sie nahm Waisenmädchen, die sonst nicht hätten zur Schule gehen können, bei sich zu Hause auf; an Ferien war nicht zu denken, und oft war sie so krank und überlastet, daß sie an ihre Familie und engsten Freunde monatelang nicht schreiben konnte. Gegen 1857 war Myrtilla Miner, obwohl sie eine Institution mit drei Abteilungen - Grundunterricht, Hauswirtschaft und Lehrerbildung - aufgebaut hatte, selbst fast ausgebrannt; 1859 war sie gezwungen, die Schule zu schließen, nicht nur, um ihre Gesundheit wiederzugewinnen, sondern auch um sich auf die Suche nach der Art von Förderung zu machen, die Emma Willard und Mary Lyon für nötig befunden hatten, um ihre Institutionen auf dauerhaften Grund zu stellen. Dann kam der Bürgerkrieg. In seinem Verlauf hatte Myrtilla Miner einen Reitunfall, von dem sie sich nie wieder erholte. Sie starb 1864 im Alter von neun und vierzig Jahren.
Doch sie hatte ein solides Fundament gelegt, auf dessen Boden alle, die sie in ihre Arbeit hineingezogen hatte, am Ende des Bürgerkrieges die Aufgabe übernehmen konnten, den emanzipierten Sklaven Bildung zu vermitteln. Bis 1955 schickte das Miner Teachers College, das nahe der Howard University von einem Hügel aus die Hauptstadt überblickt, seine Absolventen als Lehrer in das ganze Land; heute gehört es zu dem integrierten Distrikt-Schulsystem mit dem Namen District of Columbia Teachers College.