Die Versammlung von Seneca Falls, 1848

Der Anfang war gemacht, und hier und da gab es engagierte Frauen, die sich ihren Weg gegen Vorurteil und Gesetz bahnten; aber sie waren verstreut und voneinander isoliert. Klagen, selbst beredte Stimmen der Unzufriedenheit reichen nicht aus, um eine Reform bewegung ins Leben zu rufen. Nötig war ein kräftiger Anstoß - Führung und vor allem ein Programm. Sie sollten das Ergebnis der Versammlung von Seneca Falls im Sommer 1848 sein, die allgemein als Gründungsdatum der amerikanischen Frauenrechtsbewegung angesehen wird.
Gewiß war sie das natürliche Ergebnis der unbefriedigenden Stellung der Frauen in einer sich wandelnden Welt und der Arbeit von Pionierinnen während der voraufgegangenen dreißig Jahre, aber faktisch geht diese Versammlung auf den Sommer 1840 zurück. Am Weltkongreß für die Abschaffung der Sklaverei in London nahm auch eine amerikanische Delegation teil, bei der sich einige Frauen befanden; doch trotz der starken Einwände einiger amerikanischer Führer entschied die Versammlung nach einer heißen Debatte, daß nur männliche Delegierte einen Sitz erhielten.[1] Unter jenen während der folgenden zehn Tage auf die Galerie und in die Passivität gezwungenen Frauen befanden sich Lucretia Mott und die junge Frau eines Aboli-tionistenführers, Elizabeth Cady Stanton.
Nach den Sitzungen gingen die beiden Frauen in den Londoner Straßen spazieren oder saßen auf einer Bank im Britischen Museum, während der Rest der Gesellschaft dessen Schätze betrachtete, und sprachen darüber, wie absurd es sei, daß aufopfernden Dienern der abolitionistischen Sache bei Beratungen jede Stimme verweigert wurde, nur weil sie Frauen waren, und diskutierten die Notwendigkeit von Aktionen.
Mrs. Mott war die Erfahrenere in diesen Gesprächen; dank ihrer Herkunft und ihres Glaubens hatte sie sich schon vieler Fesseln entledigen können, die andere Frauen noch hemmten.[2] Sie war 1793 auf der Insel Nantucket vor Cape Cod geboren, einem Zentrum der Walfang-Industrie Neuenglands. Dort gab es eine ungebrochene Tradition weiblicher Gleichberechtigung, denn die Männer waren lange Zeit auf See, und während dieser Zeit erledigten die Frauen die Geschäfte. Lucretia Coffins Vater war Kapitän eines Walfängers, und ihre Mutter betrieb einen Laden. Sie wurden Quäker, wie viele andere in Nantucket. 1804 zog die Familie aufs Festland. Die junge Lucretia wurde noch als junges Mädchen Lehrerin und erfuhr sehr schnell, daß Frauen viel weniger verdienten, obwohl sie dieselbe Arbeit wie Männer taten. Nach ihrer Heirat mit James Mott, den sie im Nine-Partners-Internat im Staat New York kennengelernt hatte, siedelten sie sich in Philadelphia an. Mrs. Mott unterrichtete kurze Zeit in einer Quäkerschule. Mit achtundzwanzig wurde sie von ihrer Quäker-»Versammlung« zur Predigerin ernannt, womit sie die unschätzbar wertvolle Gelegenheit gewann, sich selbst als öffentliche Rednerin zu vervollkommnen. Als die Quäker sich wegen Uneinigkeiten in Fragen der Lehre spalteten, schlössen sich die Motts dem liberalen Flügel, auch Hicksite-Flügel genannt, an. Sie wurden als Abolitionisten immer aktiver; ihr Heim war ein geschäftiger Bahnhof der »Untergrundbahn«, und Mrs. Mott war eine Gründerin der ersten Female Anti-Slavery Society. Sie war bereits eine öffentlich bekannte Persönlichkeit, als sie nach London fuhr.
In einer Epoche, die stürmische Persönlichkeiten im Überfluß hervorbrachte, welche, auch wenn sie dieselben Ziele verfolgten, andauernd zusammenstießen, war Mrs. Mott eine allseits beliebte Frau. Hinter ihrer ruhigen Art, ihrer heiteren Miene und ihrer sanften Stimme verbargen sich unbeugsame Redlichkeit und Treue zu ihren Grundsätzen. Zwar war sie anfänglich in einigen Punkten eher konservativ (so nahm sie anfangs Abstand von Forderungen, die sie für verfrüht hielt, z. B. Frauenwahlrecht und Gesetze zur Erleichterung der Scheidung), aber sie scheute keine Konsequenz, die ihrem furchtlosen und vernünftigen Geist nötig erschien.[3] Was sie für die Förderung des begabten und eifrigen Geistes von Elizabeth Cady Stanton geleistet hat, ist unschätzbar, denn aus der jüngeren Frau sollte die führende intellektuelle Kraft für die Emanzipation der amerikanischen Frauen werden.[4]
Elizabeth Cadys Vater war Richter, und das Haus der Cadys in Johnstown (New York), in der Nähe von Albany, gehörte zu den ersten. Die 1815 geborene Elizabeth erhielt die bestmögliche Erziehung: Sie besuchte die Schule von Mrs. Willard in Troy. Noch bedeutsamer waren auf lange Sicht die vielen Stunden, die sie als Kind in der Ecke des Büros ihres Vaters kauernd verbrachte, wo sie den Leuten zuhörte, die mit ihren rechtlichen Problemen zu ihm kamen. Viele von ihnen waren Frauen und Töchter von Farmern; oft hatte der Ehemann ihren kleinen Besitz veräußert oder ihr Einkommen zum Trinken verbraucht oder bekam bei Scheidungstallen das alleinige Sorgerecht für die Kinder. Richter Cady war freundlich und griff oft in die eigene Tasche, um den Frauen zu helfen, aber auch er konnte nur geduldig und endlos wiederholen, daß die Frau keinen Anspruch auf Rechtshilfe hatte, und seine Tochter wurde durch dieses Wissen für ihr Leben geprägt.
1840 heiratete sie Henry B. Stanton, einen Abolitionistenführer, der selbst mit wütenden Angriffen des Mobs fertiggeworden war. Sie freundete sich auch mit den Schwestern Grimke an. Nach ihrem Zusammentreffen in London wurde die Freundschaft zwischen ihr und Lucretia Mott, als die Stantons nach Boston zogen und ihr erstes Heim errichteten, durch Briefe aufrechterhalten. Als Mrs. Stanton einen Besuch in Johnstown machte, wurde sie bei den Parlamentariern von Albany zugunsten der Vorlage des Gesetzes zur Regelung der Vermögensverhältnisse verheirateter Frauen tätig, das schließlich Anfang 1848 im Staat New York in Kraft trat. Aber die entscheidende Wende in ihrem Leben kam, als die Familie nach Seneca Falls im Gebiet der Finger-Seen im Staat New York umzog und Elizabeth Cady Stanton plötzlich mit der ganzen Plackerei und Isolation einer Hausfrau in einer Kleinstadt konfrontiert war. Ihr Mann war oft geschäftlich unterwegs, und sie blieb mit einer immer größer werdenden Zahl lebhafter Kinder, die meisten von ihnen Jungen, die ständig etwas anstellten, zurück. Es gab das übliche Dienstbotenproblem, und selbst wenn sie eine Hilfe hatte, tat sie wie alle anderen Hausfrauen ihrer Zeit noch immer einen Riesenberg Arbeit selbst: Backen und Kochen, Waschen und Nähen und jedes neue Baby versorgen. Für ihren ruhelosen und wachen Geist war diese Situation unerträglich, trotz der Zeit, die sie ihr fürs Lesen noch abtrotzen konnte:
»Jetzt verstand ich vollständig die praktischen Schwierigkeiten, mit denen sich die meisten Frauen in ihrem isolierten Haushalt herumzuschlagen hatten, und die Unmöglichkeit für eine Frau, sich wirklich zu entfalten, wenn sie den größten Teil ihres Lebens mit Dienern und Kindern verbringen muß... Emerson sagt, >eine gesunde Unzufriedenheit ist der erste Schritt zum Fortschritte Die allgemeine Unzufriedenheit, die ich über das Dasein der Frau als Ehefrau, Mutter, Haushälterin, Ärztin und Seelentrösterin empfand, das Chaos, in das ohne ihre ständige Überwachung alles gerät, und das müde und bekümmerte Aussehen der meisten Frauen schafften in mir ein starkes Gefühl dafür, daß irgendwelche Aktivitäten ergriffen werden müßten, um das gesellschaftliche Unrecht allgemein und im Hinblick auf die Frauen besonders wiedergutzumachen. Meine Erfahrungen beim Weltkongreß gegen die Sklaverei, alles, was ich über den Rechtsstatus von Frauen gelesen hatte, und die Unterdrückung, die ich überall sah, jagten mir durch die Seele und gewannen jetzt durch meine eigenen Erfahrungen an Intensität. Es scheint, als hätten sich alle Elemente verschworen, um mich zu einem Schritt nach vorn zu treiben. Ich konnte noch nicht sehen, was zu tun oder wo zu beginnnen war - mein einziger Gedanke war eine öffentliche Diskussions- und Protestversammlung.«[5]
Die Möglichkeit einer solchen Versammlung hatten Mrs. Stanton und Mrs. Mott vom Beginn ihrer Bekanntschaft an diskutiert. Aber es ergab sich keine Gelegenheit, sie zu verwirklichen, bis die Motts in Waterloo (New York) bei Seneca Falls einen Besuch machten und Mrs. Stanton dort einen Tag mit ihnen zusammen verbrachte. Sie traf dort auch die Gastgeberin der Motts, Jane Hunt, Martha Wright (Mrs. Motts Schwester) und Mary Ann McClin-tock, alle Quäkerinnen. Über sie »kippte ich an jenem Tag den ganzen Strom meiner lange angestauten Unzufriedenheit derart vehement und entrüstet aus, daß ich mich selbst wie den Rest der Gesellschaft dazu anstachelte, alles zu tun und zu wagen«.[6]
Um einen Mahagony-Tisch sitzend (er steht heute in der Smithsonian Institution in Washington), beschlossen die fünf Frauen, einen Kongreß einzuberufen (heute würden wir es einfach Versammlung nennen, zumal es auch keine gewählten Delegierten gab), und verfaßten eine Ankündigung, die am nächsten Tag, dem 14. Juli, im Seneca County Courier erschien:
»Frauenrechtskongreß - Ein Kongreß zur Diskussion über die gesellschaftlichen, bürgerlichen und religiösen Rechte der Frau wird am Mittwoch und Donnerstag, 19. und 20. des laufenden Monats Juli in der Wesleyan-Kapelle von Seneca Falls (New York) abgehalten, Beginn 10 Uhr morgens. Während des ersten Tages wird die Versammlung ausschließlich für Frauen abgehalten werden, die hiermit zur Teilnahme dringlich eingeladen werden. Das allgemeine Publikum wird gebeten, am zweiten Tag anwesend zu sein, wenn Lucretia Mott aus Philadelphia und andere Damen und Herren vor dem Kongreß Ansprachen halten werden.«[7]
Nachdem sie die Notiz verfaßt hatten, waren die Frauen ziemlich ratlos, wie sie weiter vorgehen sollten. Selbstverständlich war eine politische Grundsatzerklärung erforderlich, wie sie es aus ihren Erfahrungen mit Versammlungen gegen die Sklaverei gut kannten. Als Mrs. Stanton laut aus der Unabhängigkeitserklärung vorlas, schien sie sich geradezu anzubieten für ihre Zwecke; die daraus entstehende Paraphrase des Originals, Satz für Satz und Paragraph für Paragraph, wurde zur Grundsatzerklärung, die für drei Generationen von Frauen von Nutzen war:
»Wenn es im Zuge der menschlichen Geschichte für einen Teil der Menschenfamilie notwendig wird, unter den Mächten der Erde einen Rang einzunehmen, der verschieden ist von dem bisher innegehabten...
Erachten wir folgende Wahrheiten als selbstverständlich: daß alle Männer und Frauen gleich geschaffen sind; daß sie von ihrem Schöpfer mit gewissen, unveräußerlichen Rechten ausgestattet sind; daß dazu Leben, Freiheit und das Streben nach Glück gehören...
Die Geschichte der Menschheit ist eine Geschichte von unentwegtem Unrecht und ständigen Übergriffen von Seiten des Mannes gegen die Frau, die alle auf die Errichtung einer absoluten Tyrannei über sie abzielen. Zum Beweise dessen seien der gerecht urteilenden Welt Tatsachen unterbreitet.«[8]
Die unterbreiteten Tatsachen erstreckten sich auf jeden Aspekt der Stellung der Frau. Zum Schluß erklärte die Deklaration, ausgehend von ihrem Vorbild:
»Wenn wir dieses vor uns liegende große Werk in Angriff nehmen, rechnen wir mit einer nicht geringen Zahl von Mißverständnissen, Verdrehungen und Spott; aber wir werden alle in unserer Macht stehenden Mittel einsetzen, um unser Ziel zu erreichen. Wir werden Vertreter beschäftigen, Traktate kursieren lassen, Petitionen an die Bundes- und Staatenparlamente richten und urs bemühen, Kanzel und Presse für unsere Sache zu gewinnen. Wir hoffen, diesem Kongreß wird eine Reihe weiterer Kongresse folgen, die jeden Teil des Landes erfassen.«[9]
Die schließliche Abfassung von Resolutionen zur Vollendung der Deklaration wurde Mrs. Stanton übertragen, und die Motts fuhren heim nach Philadelphia und überließen die junge Frau wieder ihrem Haushalt und einem wachsenden Gefühl von Panik. Dieses wurde keineswegs gemildert, als sie ihrem Mann den Entwurf einer Resolution vorlas, in der sie die Forderung nach dem Wahlrecht für Frauen vorschlug; Henry B. Stanton erklärte nämlich, daß er, sollte diese Resolution dem Kongreß vorgelegt werden, mit der ganzen Angelegenheit nichts mehr zu tun hätte und die Stadt verlassen würde. (Das tat er auch.) Um das Maß voll zu machen, traf ein Brief von Mrs. Mott ein, in dem sich Ermutigung und Vorsicht mischten: »Ich bat Mary Ann McClintock... Ihnen zu sagen, wie schlecht es meinem Mann geht, und daß es nicht so aussieht, als ob ich früher als am Morgen des ersten Tages nach Seneca Falls kommen kann. Ich hoffe jedoch, er kann am zweiten Tag dabeisein... James sagt, Sie müssen Ihre großartige Rede für den zweiten Tag aufheben, so daß er und andere sie hören können. Der Kongreß wird nicht so groß sein, wie er sein könnte, das liegt daran, daß die Farmer zur Zeit sehr beschäftigt sind mit der Ernte usw. Aber er wird ein Anfang sein, und wir hoffen, ihm wird zur rechten Zeit ein Kongreß allgemeineren Charakters folgen.«[10]
Keine der Frauen, nicht einmal Lucretia Mott, hielt sich der Aufgabe einer Vorsitzenden für gewachsen, und so war geplant worden, daß James Mott den Posten übernehmen sollte. Glücklicherweise erholte er sich rechtzeitig, und die beiden Motts trafen pünktlich in Seneca Falls ein. Weniger glückversprechend war Mrs. Motts Reaktion auf die Resolution zum Wahlrecht: »Sie werden uns lächerlich machen. Wir müssen langsam vorgehen.« Nur Frederick Douglass, der schwarze Abolitionistenführer, der im nahen Rochester seine Zeitung The North Star herausgab, stimmte Mrs. Stantons kühnem Vorschlag zu; unterstützt durch sein Versprechen, er wolle anwesend sein und das Wort zu ihrer Unterstützung ergreifen, entschied sie sich, doch an ihrem Ziel festzuhalten.
Der 19. Juli 1848 war ein schöner Sommermorgen, und trotz der Erfordernisse der Erntezeit und der Tatsache, daß nur eine Ausgabe des Seneca Courier die kurze Notiz gebracht hatte, traten Mrs. Motts Befürchtungen nicht ein. Aus einem Umkreis von fünfzig Meilen kamen Leute in die kleine Wesleyan-Kapelle, deren Tür die Initiatoren des Kongresses bei ihrer Ankunft verschlossen fanden. (Vielleicht hatte ein widerwilliger Geistlicher das rasche Handeln bedauert, mit dem er sein Gebäude bei einem solchen Ereignis zugänglich gemacht hatte.) Aber die Verzögerung dauerte nicht lange, ein Neffe von Mrs. Stanton wurde durch ein Fenster gehoben, und die sich sammelnde Menge strömte hinein.
Eine der Frauen erzählte ungefähr sechzig Jahre später, welchen Eindruck der Verlauf auf eine Farmertochter gemacht hatte. Die neunzehnjährige Charlotte Woodward, die sich sehnlich wünschte, Setzerin zu werden und in einer Druckerwerkstatt zu arbeiten - ebensogut hätte sie auch den Wunsch, zum Mond zu fliegen, haben können -, las die Notiz im Courier, rannte von einer Nachbarin zur anderen und stellte fest, daß die anderen sie bereits gelesen hatten, einige mit amüsierter Ungläubigkeit, andere ebenso aufgeregt wie sie selber. Sie und ein halbes Dutzend Freundinnen beschlossen, am Kongreß teilzunehmen, und machten sich früh am Morgen des 19. Juli in einem von Ackergäulen gezogenen Wagen auf den Weg, etwas ängstlich, daß sie die einzigen anwesenden Frauen sein könnten. Aber je näher sie Seneca Falls kamen, desto mehr Wagen mit demselben Ziel trafen sie. Zwei Tage lang saß Charlotte Woodward bis spät abends auf einer Hinterbank in einem Publikum von etwa dreihundert Leuten; am ersten Tag waren nicht weniger als vierzig Männer erschienen, obwohl der Tag eigentlich den Frauen vorbehalten sein sollte, und hatten die Frauen gezwungen, diese Beschränkung aufzuheben.[11] Sie hörte Elizabeth Cady Stanton in ihrer Jungfernrede:
»Ich wäre eigentlich viel zu schüchtern, in diesem Moment vor Ihnen aufzutreten, denn ich habe nie zuvor in der Öffentlichkeit gesprochen, wäre ich nicht ermutigt von einem Gefühl von Recht und Pflicht; fühlte ich nicht, daß die Zeit dafür gekommen ist, daß das Unrecht an Frauen der Öffentlichkeit dargelegt wird; glaubte ich nicht, daß die Frau selbst dieses Werk tun muß; denn die Frau allein kann Größe, Tiefe, Länge und Breite ihrer Degradierung verstehen.«[12]
Es folgte eine Rede, die man von einem Neuling nie erwartet hätte: lang, gelehrt und doch beredsam, von der Art, wie sie Mrs. Stantons Zuhörern während der nächsten fünfzig Jahre vertraut werden sollte. Es gab noch andere Rednerinnen und eine Menge lebhafter Diskussionen, insbesondere über die neunte Resolution, die von Mrs. Stanton verlesen wurde: »Beschlossen, daß es die Pflicht der Frauen dieses Landes ist, sich selbst ihr heiliges Recht auf die Teilnahme an Wahlen zu sichern.«[13] Dies war die einzige Resolution, die nicht einstimmig verabschiedet wurde; sie kam mit knapper Mehrheit durch. Am Ende der Konferenz setzten achtundsechzig Frauen und zweiunddreißig Männer (ein Drittel der Anwesenden) ihre Unterschrift unter die Grundsatzerklärung. Zu ihnen gehörte Charlotte Woodward, die als einzige der anwesenden Frauen, und inzwischen als Mrs. Pierce, so lange lebte, daß sie 1920 noch den Präsidenten der Vereinigten Staaten wählen konnte.[14]
Den Kongreß von Seneca Falls als Geburt der Frauenrechtsbewegung anzusehen, ist nur sinnvoll, wenn wir daran denken, daß die Geburt nur eine Stufe in einem umfassenden Wachstumsprozeß ist. In diesem Fall hatte der Prozeß bereits ein halbes Jahrhundert früher eingesetzt. Diese Ansicht schmälert nicht die Bedeutung des Kongresses oder die Weitsicht und den Mut der Frauen, die ihn zustandebrachten. Sie selbst waren sich der vollen Bedeutung des Schritts, den sie unternahmen, bewußt; bisher ist nur unzureichend anerkannt worden, wieviel wir ihnen noch heute verdanken. Die Wesleyan-Kapelle, die diese überwältigende Versammlung erlebt hatte, ist nur noch durch ein Hinweisschild auf dem Fußweg markiert. In den fünfziger Jahren dieses Jahrhunderts diente sie als Tankstelle und Garage, danach als Waschsalon. Täglich könnte ein Bulldozer sie zugunsten eines Parkplatzes abreißen.[15]
Seit 1848 war es Frauen, die gegen die Umstände ihres Lebens rebellierten, möglich zu erfahren, daß sie nicht allein waren - auch wenn die Nachrichten oft nur in Form einer beißenden Predigt oder eines beleidigenden Leitartikels zu ihnen drangen. Aber eine Bewegung war in Gang gesetzt worden, der sie sich entweder anschließen oder die sie übersehen konnten, die das Leben ihrer Töchter und der Frauen auf der ganzen Welt prägen würde.