Vorwort zur überarbeiteten Auflage

Diese Darstellung der Frauenrechtsbewegung in den Vereinigten Staaten wurde Mitte der fünfziger Jahre geschrieben und 1959 erstmals veröffentlicht. Kaum ein größerer Unterschied ist denkbar als der zwischen der Lage der Frauen damals und heute. Damals befaßten sich erst wenige Frauen mit Fragen wie Diskriminierung, Lohnungleichheit oder gleiche Aufstiegschancen für Frauen. Alle Konflikte und Probleme, von denen eine Frau bedrängt war, die gleichzeitig für eine Familie zu sorgen hatte und an einer beruflichen Karriere interessiert war, wurden gewöhnlich zugunsten der Familie gelöst und blieben in jedem Fall ihre Privatangelegenheit. In dem halben Jahrhundert seit der Verabschiedung des neunzehnten Verfassungszusatzes, der alle amerikanischen Frauen zur Wahl zuließ (oder zumindest ihr Wahlrecht gesetzlich verankerte), hat sich kaum jemand mit der unterschiedlichen Bezahlung von Männern und Frauen, mit der geringen Zahl von Frauen im politischen Leben und in öffentlichen Ämtern, mit dem tatsächlichen Rückgang der Zahl von Frauen in den Bereichen Forschung, Bildung und Wirtschaft beschäftigt. Eine winzige Gruppe, die Women's Party (Frauenpartei), forderte lautstark einen weiteren Verfassungszusatz zur Frage der Gleichberechtigung; andere fürchteten, er würde all den mühsam eroberten Schutz aufs Spiel setzen, den die staatliche Arbeitsgesetzgebung für berufstätige Frauen vorsah.
Heute hat ein neuer Begriff Einzug in unseren Wortschatz gehalten: »Women's Lib«, gleichermaßen von Anhängern und Gegnern als Ausdruck ihrer Sympathie bzw. Geringschätzung benutzt. Nach ihrer Bedeutung als heiß umstrittenes Thema sozialen, politischen und ökonomischen Interesses kann sich nur die Rassendiskriminierung mit den Frauenrechten messen. Darüber hinaus hat »Women's Lib« Fragen aufgeworfen, die in der früheren, Frauen betreffenden Reformbewegung noch keinen Platz gehabt hatten. Die jetzige Generation von Feministinnen (von neun bis neunzig) stellt einige der grundlegendsten Voraussetzungen der »Rechte der Frau«, wie sie während der ersten Jahrzehnte dieses Jahrhunderts formuliert worden waren, in Frage. Die erste »Welle« von Feministinnen hatte darauf bestanden, daß Frauen ebensogut Mütter, Hausfrauen, politisch aktiv wie ganztags berufstätig sein können; die heutige »Lib« nimmt diese doppelte Belastung von Frauen nicht mehr hin und zieht in Zweifel, daß Mütter (oder Eltern überhaupt) tatsächlich durch die Sorge für die Kinder eingeengt werden müssen. Die früheren Militantinnen behaupteten noch, daß Aktivitäten und Verantwortung außerhalb des Hauses keine schädlichen Auswirkungen auf ihre Weiblichkeit hätten; heute wird die Frage gestellt: Was ist Weiblichkeit? Radikale Ideologinnen stellen sogar in Frage, ob es wirkliche genetische Unterschiede zwischen Mann und Frau gibt — ob nicht vielmehr alle Unterschiede umweltbedingt, kulturell und somit weitgehend bedeutungslos sind. Es gibt eine Menge weiterer Fragen, die sich früheren Feministinnen nicht einmal stellten, weil sie zum großen Teil überhaupt erst entstanden mit den sich vollziehenden eindrucksvollen technologischen Veränderungen und der Zunahme an menschlichen Kenntnissen, die immer schneller voranschreiten. Eine dieser Veränderungen ist der Trend zu kleineren Familien, eine Entwicklung, die Margaret Sanger 1910 als erste wahrgenommen und befürwortet hatte und die jetzt, angesichts des größer werdenden Drucks auf unser zerbrechliches ökologisches Gleichgewicht, zentrales Anliegen der Menschheit geworden ist. Bevölkerungskontrolle ist erst seit kurzer Zeit praktikabel und möglich geworden - durch die »Pille« und andere Formen der Empfängsnisverhütung.
Seit Jahrzehnten ist eine wachsende Zahl von Frauen aus der Kategorie der Vollzeit-Hausfrau und Mutter übergewechselt in die der Voll- oder Teilzeitbeschäftigten. Dieser Wandel hatte die verschiedensten Ursachen: Inflation und der Wunsch nach einem höheren Lebensstandard; Langeweile bei der in häuslicher Routine und Kinderaufzucht eingesperrten Frau; frühere Heirat; die Fähigkeit der Frauen, eine wirkliche Wahlfreiheit auszuüben hinsichtlich der Frage, wann sie wieviele Kinder bekommen möchten und ob überhaupt; schließlich die Entwicklung von mechanischen Haushaltsgeräten und die »schnelle Küche«. Alle diese Dinge haben dazu beigetragen, die häusliche Rolle der Frau zu erleichtern.
Gleichwohl sind Frauen, wo und wann immer sie ihren Weg in die größere Welt der Industrie- und Bürojobs gemacht haben, auf ein breites Spektrum von Ungerechtigkeiten gestoßen, was die Zahl und Art der ihnen offenstehenden Jobs, die dafür gezahlten Löhne und die Aufstiegschancen betrifft. Es überrascht angesichts der Hartnäckigkeit und des Ausmaßes dieser Ungleichheiten, daß es nicht schon früher Revolten dagegen gegeben hat, die wirksam genug gewesen wären, um dauerhafte und grundlegende soziale Veränderungen durchzusetzen.
Zweifellos haben die Suffragetten zuviel versprochen - und erwartet. Auch als sich in ihrem eigenen individuellen Leben wenig veränderte, obwohl sie das Wahlrecht gewonnen hatten, waren sie bereit zum »Abwarten und Zusehen«. Sie brauchten Führung, Vorbilder und die allmähliche Aushöhlung der alten Maßstäbe und Handlungsweisen. Europa war erschöpft durch zwei Weltkriege, in denen es die Hauptlast von Tod und Zerstörung getragen hatte. Amerikanerinnen waren von allen Frauen der Welt am besten dran (das wußte jeder!) - wogegen hatten sie schon zu revoltieren? Unter den Frauen in den Vereinigten Staaten entstand kein echter Aufruhr, bevor nicht eine andere Art von Revolte ausgebrochen war - der Rassenaufruhr in den fünfziger Jahren, der durch die Entscheidung des Obersten Bundesgerichts gegen »getrennte, aber gleiche« Bildungseinrichtungen ausgelöst worden war, sich zu Sit-ins in Restaurants mit Rassentrennung und Kampagnen für die Registrierung von Schwarzen als Wähler ausweitete und schließlich auf alle Gesellschaftsbereiche übergriff. Frauen wurden zuerst im Süden und schließlich im ganzen Land in diese Kämpfe hineingezogen. Einige weiße Frauen erfuhren hier, in welchem Ausmaß schwarze Frauen schlechter dran waren als sie selbst oder als schwarze Männer. Weiße und schwarze Frauen lernten, was die wenigen in der organisierten Arbeiterbewegung aktiven Frauen viel früher hatten lernen müssen: daß Frauen selbst in den radikalsten Bewegungen typischerweise von den Führungspositionen ausgeschlossen bleiben, in denen die Politik gemacht wird. Das war eine Lektion, die in den politischen und Friedenskampagnen der späten sechziger Jahre immer wieder von neuem gelernt werden mußte.
Eine mächtige Waffe in diesem Kampf war ein Buch, Betty Friedans Der Weiblichkeitswahn.[1] Die Hauptthese dieses polemischen, sich oft wiederholenden, aber leidenschaftlichen Buches war, daß die amerikanischen Massenmedien die in Colleges ausgebildeten Frauen auf die Rolle von Haushälterinnen programmierten, deren Anliegen nicht Lebensqualität zu sein hatte, sondern ein unersättliches und unsinniges Niveau des Konsumismus. Nur eine sinnvolle Karriere, so argumentiert die Autorin, könnte gebildeten Frauen angemessene Alternativen zur Langeweile bieten, welche sie andernfalls in Psychoanalyse, außereheliche Seitensprünge, Alkoholismus, sinnlose Hobbies, immer mehr ziellose »Erwachsenenbildung«, oder einen gleichermaßen bedeutungslosen »Wohltätigkeitsfimmel« trieb. Der Weiblichkeitswahn wurde ein Bestseller. Er offenbarte, daß viele Frauen bereit waren, Betty Friedans Entwurf eines »Plans für ein ganz neues Leben« sofort in die Tat umzusetzen. 1966 war sie eine der Gründerinnen der National Organization of Women (NOW), die sich selber hoffnungsvoll als Speerspitze für die rasch anschwellende Woge neuer militanter Feministinnen verstand. Es wurde jedoch sehr schnell deutlich, daß keine einzelne Organisation die stürmisch eskalierende »Lib«-Bewegung zusammenfassen oder vereinheitlichen konnte, und inzwischen ist sie in viele Organisationen und Gruppen aufgesplittert. Vielleicht ist die Durchsetzung des Verfassungszusatzes zugunsten der Gleichberechtigung das Ziel, das die größte Übereinstimmung findet. Andere Ziele, für die es große Übereinstimmung gibt, sind: die gründliche Revision der Institutionen Ehe und Familie, der Angriff auf die traditionellen Rollen von Männern wie von Frauen und auf die konventionellen Verhaltensweisen gegenüber der Kinderaufzucht, die Befürwortung der Geburtenkontrolle und der Abtreibung, wann immer die Frau sie wünscht. Selbst die traditionelle Sexualität ist unter Beschuß geraten; Homosexualität hat viele Verfechter, nicht nur im Hinblick auf ihre Legalisierung, sondern als akzeptabler alternativer Lebensstil. Innerhalb des Jahrzehnts, in dem »Women's Lib« für außerordentlich rasante Änderungen in der Situation und Perspektive der amerikanischen Frauen sorgte, hat die Bewegung eine Schar brillanter Journalistinnen und Polemikerinnen hervorgebracht.[2] Im Gegensatz dazu war mein Vorhaben mit Hundert Jahre Kampf begrenzter und historischer, wie der Untertitel andeutet: Die Frauenrechtsbewegung in den Vereinigten Staaten. Das Buch sollte sich auf die Ereignisse und Personen beschränken, die eine organisierte Bewegung während einer bestimmten Epoche - 1820 bis 1920 - konstituierten, in der begrenzte Ziele erreicht wurden: verfassungsmäßiges Wahlrecht, höhere Bildung für Frauen (zumindest in der Theorie), Eröffnung von Chancen für Frauen in qualifizierten Berufen, ihr Auftreten in Gewerkschaften.
Diese überarbeitete Fassung hat denselben engen Rahmen; ich habe nicht vor, die Darstellung über ihren ursprünglichen Endpunkt hinaus - Verankerung des Frauenwahlrechts als Verfassungszusatz - bis auf den heutigen Tag auszudehnen, jedenfalls nicht mehr als in Form einer kurzen Zusammenfassung der herausragenden Ereignisse der letzten Jahre, die ich im Schlußkapitel vornehme. Ich habe versucht, die Darstellung auf den neuesten Stand zu bringen, indem ich die massenhaft hervorquellenden Forschungen und Veröffentlichungen heranzog, die zeigen, daß der Historikerstand endlich der Tatsache Rechnung trägt, daß Frauen Teil des amerikanischen Geschehens sind.
Bereits 1928 hatte der verstorbene Arthur Schlesinger seine Kollegen wegen ihres Versäumnisses ins Gebet genommen:
»Bei Durchsicht der Standardwerke zur Geschichte der Vereinigten Staaten und der in unseren Schulen benutzten Geschichtsbücher drängt sich die Frage auf, ob Frauen jemals irgendeinen Beitrag zum nationalen amerikanischen Fortschritt geleistet haben, der der Erinnerung wert wäre. Wenn das Schweigen der Historiker etwas zu bedeuten hat, dann könnte es scheinen, daß eine Hälfte unserer Bevölkerung ein vernachlässigenswerter Faktor in der Geschichte unseres Landes gewesen ist... jede Erörterung des Anteils von Frauen an der amerikanischen Geschichte muß den langanhaltenden Kampf dieses Geschlechts um größere Rechte und Chancen einschließen, eine Geschichte, die allein schon eines der edelsten Kapitel in der Geschichte der amerikanischen Demokratie ist.«[3]
Die meisten seiner Zeitgenossen haben diese Lektion noch immer nicht gelernt. Das bezeugt Samuel Eliot Morisons Oxford History of the American People,[4] der man kaum entnehmen kann, daß das amerikanische »Volk« Frauen ebenso umfaßte wie Männer: Die Eroberung des Frauenwahlrechts durch den 19. Verfassungszusatz wird gerade mit zwei Sätzen innerhalb eines Kapitels über »Schmuggel und andere Kurzweil« abgehandelt, das sich mit den Entwicklungen nach dem Ersten Weltkrieg befaßt. Die Prohibition dagegen erhält drei Seiten.
Mit dem Heranwachsen einer neuen Historikergeneration, die immer mehr Frauen einschließt, wandelt sich das Bild nicht nur für den Bereich der Geschichte, sondern auch für die ihr angeschlossenen Disziplinen: Soziologie, Ökonomie, Psychologie, politische Wissenschaft. 1971 erschien Notable American Women, 1607-1950, ein dreibändiges biographisches Nachschlagewerk, beispielhaft in Stil und Gelehrsamkeit, eine enzyklopädische Informationsquelle.[5] Es enthält mehr als 1300 größtenteils von qualifizierten Wissenschaftlern verfaßte und durch bibliographische Hinweise auf ungedruckte Quellen und neuere Sekundärliteratur ergänzte Artikel. 1974 erschien dieses Werk, das allein schon die historische Forschung über amerikanische Frauen revolutioniert hätte, als Paperback.
Im Rückblick und angesichts des Materials, das im vergangenen Jahrzehnt veröffentlicht wurde, erscheint das ursprüngliche Vorhaben von Hundert Jahre Kampf nicht so sehr ehrgeizig als vielmehr vermessen: einen Überblick über die Lage der Frauen während der Kolonial- und Revolutionszeit zu geben, bevor noch eine Bewegung tatsächlich begonnen hatte; deren Entwicklung aufzuspüren von vereinzelten Anfängen im frühen neunzehnten Jahrhundert an verschiedenen Fronten - Bildung, Erwerbstätigkeit, gewerkschaftliche Organisierung, qualifizierte Berufe, Gesetze, Wahlrecht - bis hin zur Verankerung des Wahlrechts 1920; diesen Kampf in ein Verhältnis zum Wachstum dieser Nation und verwandter Reformbewegungen wie der Abschaffung der Sklaverei, der Mäßigkeitsbewegung und der Organisation von Gewerkschaften zu setzen - und dabei im Auge zu behalten, daß diese Frauen zu keiner Zeit ohne die Unterstützung weitblickender und loyaler Männer blieben.
Es gibt neuerdings die Tendenz, die Eroberung des Frauenwahlrechts als die überragende Leistung, für die die im Kampf stehenden Frauen sie gehalten hatten, eher abzuwerten; die Tatsache, daß ein Viertel dieser Darstellung den letzten zwölf Jahren der Wahlrechtskampagne gewidmet ist, verlangt deshalb eine Erklärung.
Das volle politische Bürgerrecht war für die Frauen, wie für jede andere dieses Rechts willkürlich beraubte Gruppe, ein lebenswichtiger Schritt zur Gewinnung der vollen Menschenwürde und zur Anerkennung der Tatsache, daß auch Frauen mit der Gabe der Vernunft, der Kraft des Urteils, der Fähigkeit zu gesellschaftlicher Verantwortung und wirksamer Tätigkeit ausgestattet sind. In der Tat legt der Widerstand gegen das Frauenwahlrecht in pervertierter Form Zeugnis von dessen Bedeutung ab: Nichts Unbedeutendem wäre so hartnäckiger Widerstand entgegengesetzt worden. Wenn man an all die schwarzen und weißen Menschen denkt, die noch vor ein paar Jahren ihr Leben dafür aufs Spiel setzten, daß schwarze Männer und Frauen im Süden in die Wahllisten eingetragen wurden und dann tatsächlich wählen konnten, so scheint klar, daß ihre Anstrengungen und Opfer keine Sandkastenmanöver in Edelmut waren und daß ohne ihr Wahlrecht eine Sozialoder Rechtsreform weder möglich noch dauerhaft gewesen wäre. Die Eroberung des Wahlrechts für Frauen war außerordentlich schwierig, unendlich viel schwieriger als es sich die meisten vorstellen: denn jene, die diesen Kampf in die Geschichte dieses Landes hätten einfügen sollen, tilgten die ganze Angelegenheit schlichtweg aus dem Gedächtnis. Was das Wahlrecht mehrere Generationen von amerikanischen Frauen gekostet hat, wird am besten von zwei Frauen zusammengefaßt, die den großen Kampf anführten, Carrie Chapman Catt und Nettie Rogers Shuler:
»Hunderte von Frauen wendeten all die Möglichkeiten eines gesamten Lebens daran, Tausende gaben Jahre ihres Lebens, Hunderttausende richteten ihr ständiges Interesse darauf und gaben jede Unterstützung, die ihnen möglich war. Es war eine dauernde, scheinbar endlose Kette von Aktivitäten. Die jungen Suffragetten, die die letzten Glieder der Kette schmiedeten, waren noch gar nicht geboren, als sie begonnen wurde. Die alten Suffragetten, die die ersten Glieder geschmiedet hatten, waren tot, als sie endete ...
Es muß bezweifelt werden, ob jemals ein Mann, selbst ein Wahlrechtsverfechter, begriffen hat, was der Kampf um das Wahlrecht für die Frauen bedeutete, bevor er in Amerika schließlich ein Ende finden durfte; wieviel Zeit und Geduld, wieviel Arbeit, Energie und Sehnsucht, wieviel Glauben, wieviel Hoffnung, wieviel Verzweiflung in ihn einflössen. Ein solcher Kampf hinterläßt seine Spuren. Er füllt die Tage aus und hält die Nächte in Bewegung. Arbeiten, Essen, Trinken, Schlafen, alles gehört dazu. Nicht alle Frauen in allen Staaten der Union nahmen an dem Kampf teil. In jedem Staat gab es einige, die nichts davon wußten. Aber in allen Staaten standen die meisten Frauen, wenn schon nicht im Zentrum, so doch zumindest am Rande dieses Kampfes und dieses Interesses. Für sie wurde sein Erfolg eine monumentale Angelegenheit.«[6]
Jener Erfolg konnte nicht alle Hindernisse für die Gleichheit aus dem Weg räumen, wie viele heute hervorheben, aber er ist ein solider historischer Meilenstein. Seit damals hat es unter Frauen, was ihre nächsten Ziele betrifft, nie wieder ein derart großes Einverständnis gegeben; es mag sein, daß wir heute wieder an der Schwelle einer solchen Entwicklung stehen, trotz der augenscheinlichen Uneinigkeit an der Oberfläche. Was klar gemacht werden muß, ist die Kontinuität zwischen der heutigen Revolte und der früheren Bewegung, auch wenn die Widersprüchlichkeiten und Probleme, denen die heutige Frau bei ihrer Suche nach Identität und Erfüllung gegenübersteht, sehr verschieden zu sein scheinen von den Hindernissen, denen ihre Vorläuferinnen gegenüberstanden.
Sie mußten damals nicht nur anderen, sondern auch sich selbst beweisen, daß das Gehirn einer Frau zu denselben intellektuellen Leistungen in der Lage ist, wie das eines Mannes, daß sie nicht erkranken oder sterben würden, wenn sie Logarithmen ausgesetzt werden - oder dem Sport. Sie mußten außer den öffentlichen Vorurteilen auch ihre eigenen Ängste niederkämpfen, nicht damenhaft zu sein oder zu geschlechtslosen Wesen zu werden, wenn sie versuchten, als Ärztinnen oder Politikerinnen auszuharren. Die ersten Mädchen, die von zu Hause fort auf Colleges gingen, hatten Sorge, ob sie einen Ehemann finden würden, wenn sie sich als allzu geistreich oder allzu interessiert an unweiblichen Dingen wie Wissenschaft und Politik zeigten. Die Schlacht mußte geschlagen und gewonnen werden, nicht nur einmal, sondern immer und immer wieder, bis endlich diese Dinge selbstverständlich geworden waren. (Gelegentlich tauchen die alten Geister von neuem auf und müssen von neuem niedergeschlagen werden.)
Die Vorurteile, die diese Frauen in Frage stellten, und die Ängste, die sie überwanden, hatten ihren Ursprung im Bannspruch der Natur, nach welchem Frauen Kinder gebären und folglich Kinder aufziehen und sich um den Haushalt kümmern. Gewohnheit und Sitte zusammen machten aus der Frau ein Wesen, dem man sehr wenig anderes zutraute. Die Frau von heute weiß, daß sie eine ganze Menge anderes kann. Besonders wenn sie sich für das Muttersein entscheidet, muß sie sich dieser Herausforderung stellen und sich fragen, wieviel sie sonst noch tun kann und wie bald. Wie sie diese Fragen beantwortet und welche Wahl sie trifft, das könnte endlich Gegenstand anderer Geschichtsbücher sein. In der Zwischenzeit ist es wichtig, weiter die Vergangenheit zu erforschen und ihre Bedeutung für die Gegenwart zu erhellen. Letztlich können alle Männer und Frauen von einem wahrheitsgetreueren und ausgewogeneren Frauenbild nur gewinnen, das aus einer Geschichte auftauchen wird, die zeigt, daß Frauen aktiv engagiert waren in der Gestaltung ihres eigenen Schicksals und des Schicksals dieses Landes.
Northampton, Massachusetts    
Eleanor Flexner
Februar 1975