Beatrix die Jüngere, geboren um 1203, die jüngste Tochter König Philipps von Schwaben und der Irene von Byzanz, lebte nach der Ermordung ihres Vaters und dem Tod ihrer Mutter 1208 bei ihrer gleichnamigen älteren Schwester, die mit Otto IV. vermählt war, in Braunschweig. Nach dem Tod Ottos IV. 1218 holte sie ihr Vetter Kaiser Friedrich II. an seinen Hof. 1219 wurde sie mit Ferdinand III., dem Heiligen, König von Kastilien und Leon, vermählt. Sie starb 1235. Durch ihre Verwandtschaft und das Land, in das sie durch ihre Heirat kam, wurde sie die glücklichste der vier Töchter Philipps von Schwaben.
Verwandtschaftliche Beziehungen verbanden die Staufer mit den herrschenden Geschlechtern in Spanien, soweit es nicht von den Arabern besetzt war; so mit den Königen von Leon, Kastilien und Aragonien. Richildis, eine Nichte Kaiser Friedrich I. Barbarossas, war seit 1150 mit König Alfons VII. von León (1126—1157) verheiratet. Alfons VII. ist der Urgroßvater Ferdinands III. Dieser wurde mit Beatrix der Jüngeren durch ihren Vetter Kaiser Friedrich II., der 1209 Konstanze von Aragonien geheiratet hatte, verlobt. Etwa sechzehnjährig trat Beatrix 1219 ihre Brautfahrt von Speyer nach Spanien an.
Zunächst mag König Ferdinand III. vorgestellt werden.
1199 geboren, hatte er 1217 von seiner Mutter Berenguela Berengaria León, von seinem Vater Alfons IX. Kastilien geerbt. Unter seiner Regierung wurden beide Königreiche vereinigt. Wegen seiner erfolgreichen Kriege gegen die Araber in Spanien und Nordafrika wurde er 1671 durch Papst Klemens X. heiliggesprochen. Ferdinand war nicht nur ein tüchtiger Kriegsmann, sondern auch ein Freund der Künste und Wissenschaften. Er starb 1252.
Um die politischen Verhältnisse der Königreiche León und Kastilien, dahin Beatrix heiratete, zu verstehen, ist ein Überblick über die geschichtliche Entwicklung nötig, denn Spanien hatte im 13. Jahrhundert noch keineswegs das heutige Aussehen. Es war, auch in der Sprache, noch nicht geeint.
Seit 206 v. Chr. hatten die Römer die Halbinsel beherrscht (Hispania) und romanisiert. In den Jahren zwischen 475 und 478 nahmen sie die Westgoten unter ihrem König Eurich in Besitz und behielten sie bis zur arabischen Invasion im Jahr 711. Isidor von Sevilla (um 560 bis 636), romanischer Herkunft, nannte die Westgoten, den politisch reifsten germanischen Stamm, »das erste Volk der Welt«. Ihre mehr als 200 Jahre dauernde Herrschaft hinterließ in Spanien auf allen Gebieten Spuren, die sich bis in die Gegenwart verfolgen lassen. 34 westgotische Könige haben in dieser Zeit regiert, die bedeutendsten von ihnen werden noch heute in Spanien in Denkmälern verehrt; in der Kathedrale von Toledo wird wöchentlich eine Messe nach westgotischem Ritus zelebriert. Der Einfluß auf Baukunst, ritterliche Kultur, Rechtspflege, Heldendichtung (Cid, Waltharilied) und Volkspoesie ist unverkennbar. Noch Ferdinand III., der Gemahl der Beatrix, ließ das damals gültige westgotische Gesetzbuch ins Kastilische übersetzen. Die Krönungsformen waren bis ins 12. Jahrhundert westgotisch. Die Spanier rühmen sich der westgotischen Herkunft; der Sonnenritter redet den Don Quixotte als »godo«, also als Goten an. Die Herrscher von León nannten sich Könige der Goten, die Herrscher von Kastilien betrachteten sich als Nachfolger der westgotischen Könige. 586 waren die arianischen Westgoten zum katholischen Glauben übergetreten, 650 war das Heiratsverbot zwischen Westgoten und Romanen aufgehoben worden, die schließlich, vor allem sprachlich, das Übergewicht gewannen.
Die westgotische Vorherrschaft in Spanien wurde 711 durch die Eroberung durch die Araber (Mauren) gebrochen; sie haben dem Lande in mehr als drei Jahrhunderten eine kulturelle und zivilisatorische Blüte gebracht, die fortwirkte, als die Landstriche von den Christen zurückerobert worden waren.
Von der 795 durch Karl den Großen errichteten nördlichen Mark am Fuße der Pyrenäen wurde Spanien allmählich dem Christentum, das von den Arabern geschont worden war, zurückgewonnen. Die Entscheidung brachte der Sieg König Alfons VIII., der Vater der Mutter Ferdinands III., über die maurischen Almohaden im Jahr 1212. Den Krieg setzte Alfons IX. und vor allem dessen Sohn Ferdinand III. erfolgreich fort.
Romanisch, westgotisch und arabisch sind die Elemente der Königreiche, in welche Beatrix kam. Ihre Struktur glich dem Südreich Kaiser Friedrichs II., der ähnliche Volkselemente zu einer Einheit verband.
Der Minister Ferdinands III., der Erzbischof von Toledo Rodrigo Ximenes de Rada, charakterisiert in seiner »Cronica Hispaniae« die Dona Beatriz de Suabia als »pulcher, composita, prudens, dulcissima« (schön, wohlgestaltet, klug, überaus lieblich), den Staufern eigentümliche Merkmale.
In Speyer wurde Beatrix von einer durch die Königsmutter Berenguela ausgewählten Gesandtschaft in Empfang genommen: dem Bischof Mauricios von Burgos, der Hauptstadt Kastiliens, dem Abt des Klosters von Arlanza in León und dem Prior der Zisterzienser von Rioseco bei Burgos. In Paris wurde Beatrix von dem Kaiser Friedrich II. befreundeten König Philipp II. August empfangen und reich beschenkt. Ein königliches Gefolge gab bis an die Pyrenäen Geleit. In Vitoria wurde die Braut von der Schwiegermutter, in Burgos von dem jungen König erwartet. Nach einem Aufenthalt mit der Königsmutter im Real Monasterio de las Huelgas fand am 30. November in der alten Kathedrale von Burgos die Trauung statt, wobei der König durch seine Mutter zum Ritter geschlagen wurde und Bischof Mauricios sein Schwert segnete.
Die 16jährige glückliche Ehe der Beatrix mit Ferdinand fällt in die noch ruhige Zeit des Landes. Das Leben am Hofe in Burgos bewegte sich gesellschaftlich, geistig und künstlerisch auf einer hohen Ebene; es stand dem in der nachbarlichen Provence und dem am Hof Kaiser Friedrichs II. in Palermo nicht nach. Die kriegerischen Auseinandersetzungen Ferdinands mit den Mauren begannen erst ein Jahr nach dem Tod der Königin. Sie führten von der Eroberung Cordobas 1236 bis zu der Sevillas 1248; das arabische Granada wurde dem König lehenspflichtig. Die vereinigten Königreiche Kastilien und Leon wurden durch die Eroberungen zum mächtigsten Königreich der spanischen Halbinsel.
Wehrhaftigkeit und geistige Bildung gehörten als Ideale der Zeit zueinander. 1239 gründete Ferdinand trotz seiner kriegerischen Unternehmungen gegen die Mauren die Universität von Salamanca, um das, was Italien und Frankreich an Stätten der Gelehrsamkeit und Forschung schon besaßen, im eigenen Lande zu besitzen.
Am Hof von Burgos gab es im Zuge des Übernationalen der mittelalterlichen Kultur, wohl aber auch wegen der deutschen Königin — ähnlich wie am Hof in Prag — auch deutsche Spielleute, Sänger und Musiker. Eine weit durch Südfrankreich und Spanien verbreitete Legende über das Marienwunder von Rocomadour (an der spanisch-französischen Grenze) des Peter von Sieglar (bei Siegburg), von den Spaniern Pedro de Sograr genannt, hat Alfons X., der Sohn der Beatrix, übersetzt in seine Cantigas aufgenommen. Der Gelehrte Hermannus Alemanus (der deutsche Hermann), Übersetzer aus dem Arabischen ins Lateinische, wurde Bischof der nordspanischen Diözese Astorga. Es ist möglich, daß in Burgos auch deutsche Bauleute und Bildhauer wirkten; für den Weiterbau der Kathedrale, vor allem der Türme, sind sie nachgewiesen. Der durchbrochene Helm der Frauenkirche in Esslingen steht mit den Fronttürmen der Kathedrale im spanischen Burgos unmittelbar in Beziehung. (Hugo Kehrer: Deutschland in Spanien).
Wie viele Meister müssen im Lauf von vierzig Jahren an dem Figurenschmuck der neuen Kathedrale, deren Grundstein am 21. Juli 1221 gelegt worden war, gearbeitet haben, der so reich ist wie an keiner anderen spanischen Kirche der Gotik. Wie viele Einflüsse aus Frankreich, vor allem aus der Provence, formten nicht nur an der Architektur mit! Der Figurenschmuck ist ein Bilderbuch der ganzen Epoche. In den Statuen und Porträts der Gründer und Gönner der Kathedrale im Kreuzgang lernen wir die Menschen aus der Umwelt des burgalesischen Hofs jener Zeit kennen, den Bischof Mauricios, den König selbst, dessen Söhne und Enkel, erkennen in ihrem Ausdruck auch den Wandel der Zeit zu einer tiefen inneren Beunruhigung hin, so im Gesicht des »Infanten«. Neben den Sakralplastiken zeigt der Kreuzgang geradezu »unheimlich lebensvolle« Bildnereien eines gotischen Naturalismus, ganze Blätterwälder und Distelgestrüpp mit faunischen Masken und Fabelwesen. Wie hoch die schönen Künste geschätzt wurden, beweisen die anmutigen Darstellungen im Bogenfeld des Südtors des Domes.
Beatrix starb am 5. November 1235 32jährig. Sie wurde im Real Monasterio las Huelgas beigesetzt, das vor sechzehn Jahren die Braut vor ihrer Vermählung beherbergt hatte. Im 16. Jahrhundert, also drei Jahrhunderte später — wie lange blieben Erinnerung und Verehrung wach! — wurden ihre sterblichen Überreste in die 1579 geweihte Kathedrale von Sevilla gebracht. Der Sarkophag steht in einer architektonisch prachtvoll ausgestatteten Nische, bedeckt mit einem schwarzen, golddurchwirkten, von Isabella II. im 19. Jahrhundert gestifteten Grabtuch. Auf einem Kissen liegen Krone und Zepter.
25 Jahre nach dem Tod der Beatrix, 18 nach dem ihres Gemahls, der am 30. Mai 1252 in Sevilla starb, wurde den Ehegatten in der Kathedrale zu Burgos, an deren Grundsteinlegung Beatrix als junge Königin teilgenommen hatte, eine Doppelplastik errichtet. Die Gestalten des Königs und der Königin stehen auf einem Sockel mit dem Rücken gegen die Mauer. Ferdinand reicht Beatrix, die ihm entgegenlächelt, einen Ring. Über die männliche Plastik schrieb Carl Justi:
»Die Züge Ferdinands haben den germanischen Typus wie die deutsche Braut, die noch schärfer sind in den Linien. Das westgotische Blut hatte sich in dem Hause León unvermischt erhalten.«
Diese Einzelgestalten entsprechen der deutschen, nicht der französischen Plastik, die die Gruppengestaltung bevorzugte. (Wilhelm Pinder)
In der Gestalt der Beatrix werden wir an die Plastiken im Naumburger Dom erinnert, die zur selben Zeit entstanden, vor allem an die Reglindis, auch an die der Kaiserin Adelheid im Meißener Dom, die mit dem Naumburger Meister in Zusammenhang erscheint. Aber Naumburg und Burgos zeigen, wie es Hannshuber Mahn (»Kathedralplastik in Spanien«) formuliert, den Unterschied zwischen Land- und Hofadel. Der Geist dieser Plastiken erfüllt auch den burgalesischen Bildhauer, dessen Namen und Nation wir nicht kennen.
Der Künstler hat die Statue der Beatrix aus dem höfischen Geist und im Stil der europäischen, vorweg der staufischen Klassik geschaffen. Die Königin ist in reicher Gewandung dargestellt; die linke Hand hebt, wohl für das Ausschreiten des Fußes, eine Falte hoch; die Finger der rechten Hand liegen gelöst und in spielerischer Anmut um das Mantelband über den Brüsten. Dieselbe Handbewegung zeigt die Naumburger Reglindis. Kennzeichnend ist die hohe burgalesische Haube, die wir sonst nicht finden; sie wird durch ein unters Kinn gelegtes Band festgehalten. Das Gesicht erscheint im Dreiviertelprofil, fraulich reif, anmutig, freundlich, doch selbstbewußt.
Es handelt sich um kein realistisches Abbild, aber ein dennoch individuelles Bild vom Wesen der Königin, wohl stilisiert, aber, wie auch die anderen Porträtplastiken in Burgos, dem lebendigen Menschen nahe. Es ist eines der schönsten Bildwerke innerhalb der wenigen Darstellungen von Staufern, welche uns erhalten blieben. Neben diesem Antlitz tauchte in der Erinnerung das ihrer Egisheimer Vorfahrin auf, das sich porträtgetreu erhalten hat. Ob es sich bei dieser Totenmaske wirklich um das Abbild der Hildegard von Egisheim, der Gattin Friedrichs von Büren (gestorben um 1094/1096), oder um ihre Tochter Adelheid handeln mag, die Grundzüge ihres Gesichts lassen sich in dem der Beatrix auf dem Standbild der Beatrix unschwer erkennen. Überhaupt macht das Porträtbildnis aus der Kirche St. Fides in Schlettstadt deutlich, wie sehr von dieser Frau her das Antlitz der Staufer geprägt wurde.
Mag die Egisheimerin im staufischen Geschlecht weiter gewirkt haben, so ist auch bei Beatrix das mütterliche Erbe in ihren Söhnen unverkennbar.
Der erste, 1226 geborene Sohn Alfons X. ist unter der Bezeichnung des Astronomen oder des Weisen und Gelehrten in die europäische Geistesgeschichte eingegangen.
Alfons X. wurde 1252 Nachfolger seines Vaters Ferdinand III. Schon 1249 hatte er bei der Eroberung Sevillas durch seinen Mut Aufsehen erregt. Mit Hilfe des französischen Königs und des Erzbischofs von Trier und unter Berufung auf seine mütterliche staufische Herkunft wurde er 1257 mit den Stimmen der vier staufisch gesinnten Kurfürsten zum deutschen König gewählt; die vier Stimmen der welfisch gesinnten Kurfürsten erhielt Herzog Richard von Cornwall. Alfons kam nie nach Deutschland, sein Interesse galt dem staufischen Südreich. Sein von ihm beanspruchtes mütterliches Erbe, das schwäbische Herzogtum, verweigerte ihm Papst Gregor X., ein Feind der Staufer.
In Alfons gelangte die geistige Welt des Hofes von Burgos, die sich schon unter seinen Eltern reich entfaltet hatte, zur Reife. Sie ähnelt in vielem der des Hofes Friedrichs II. in Palermo. Seine Gesetzessammlung blieb bis 1501 gültig. Er erweiterte die vom Vater gegründete Universität in Salamanca, ließ die Bibel durch jüdische Gelehrte ins Spanische übersetzen, verfaßte eine Darstellung der Kreuzzüge und die erste Geschichte Spaniens. 1248 berief er fünfzig der berühmtesten Astronomen nach Toledo und vollendete 1252 die nach ihm benannten Alfonischen Tafeln; durch sie wurden die überholten Ptolemäischen Planetentafeln richtiggestellt. Er schrieb mehrere große Gedichte, so eines über die Chemie. Zu Ehren der Muttergottes dichtete er, ein Troubadour der Gottesminne, die Cantigas. Aus seinen Anregungen entstand ein Buch über Tiere und eines über Steine, Beweise für die naturwissenschaftlichen Bemühungen seiner Zeit. Neben der Falkenjagd war das Schachspiel eine der weitest verbreiteten Liebhabereien der höfischen Gesellschaft. Ein Gegenstück zu Friedrichs II. Falkenbuch ist das Schachzabelbuch (Schachbrettbuch) des Alfons, eine gelehrte und metaphysische Ausdeutung des Schachspiels. Wie Friedrich II. die Grundlage für die italienische Schriftsprache schuf, so Alfons für die spanische.
Nach einem erfolgreichen Krieg gegen die Mauren konnte er Kastilien beträchtlich erweitern. Von seinem Sohn Sancho um die Krone gebracht, suchte er Hilfe — bei den Mauren. Er starb am 4. April 1284. In seiner Verlassenheit mochte ihn der von ihm geprägte Ausspruch getröstet haben, daß der Mensch drei Dinge brauche, um glücklich zu sein: Gute Gesellschaft, gute Bücher und guten Wein.
Der zweite Sohn Ferdinands und der Beatrix, Heinrich (Arrigo), ging, nachdem er sich mit seinem Bruder zerstritten hatte, außer Landes, und zwar nach dem arabischen Tunis! Nachdem er im Dienst des dortigen Königs Erfolge und ein ansehnliches Vermögen erworben hatte, zog er 1266 mit seinen spanischen Reitern nach Italien, wo er sich seinem Vetter Karl von Anjou anschloß. Von diesem hintergangen, wandte er sich nach Rom, wurde zum Senator gewählt, und als solcher berief er die angesehensten Welfen auf das Kapitol, ließ sie gefangensetzen (unter ihnen Ursini und Napoleon) und schloß sich, der staufischen Mutter eingedenk, Konradin an, der eben den Kampf um sein Erbe gegen Karl von Anjou begonnen hatte. Heinrich entkam nach der für Konradin unglücklichen Schlacht von Tagliacozzo, verbarg sich im Kloster San Salvatore zwischen Rieti und Terni (oder in Monte Cassino), wurde vom Abt erkannt und unter Mißachtung des Asylrechts an Karl von Anjou ausgeliefert, allerdings unter der Bedingung, daß dieser ihn als Verwandten nicht töten dürfe. Heinrich wurde zu lebenslänglichem Kerker verurteilt. Noch zweiundzwanzig Jahre später befand er sich in Gefangenschaft, die gewiß so schrecklich war wie die aller, die in die Hände Karls von Anjou geraten und nicht hingerichtet worden waren. 1291 wurde er freigelassen und starb 1304 in Kastilien.