Irene von Byzanz

Gemahlin König Philipps von Schwaben

Irene, später griechische Maria genannt, trat schon als Kind in den Blickkreis der Staufer. Als Kaiser Friedrich I. Barbarossa während seines Kreuzzugs nach Konstantinopel (Byzanz) kam, waren Feindseligkeiten zwischen ihm und dem Kaiser von Konstantinopel vorangegangen. Dieser, Isaak II. Angelos, war 1185 durch blutige Thronwirren zur Herrschaft gelangt. Er ist der Vater Irenes, ein hochfahrender, wankelmütiger, von Wahrsagern beherrschter Mann. Von ihm hat sich ein lebensnahes Porträt auf einem Mosaik der Erlöserkirche in Konstantinopel erhalten; es zeigt ihn als gekrönten, schwarzbärtigen Mann mit orientalischem Gesicht in der Anbetung von Christus und Maria, die als große Gestalten über ihn emporragen.
Das oströmische, das byzantinische Reich war durch Rivalenkämpfe um den Thron erschüttert. Irene hatte als Kind die Greuel miterleben müssen, durch welche ihr Vater gegen Andronikos zur Macht gelangt war. Schon in den Verhandlungen Friedrich Barbarossas mit dem byzantinischen Kaiser wurde Irene zu einem Objekt der Politik, Ob sie schon damals als Gemahlin für Barbarossas Sohn Philipp ausersehen wurde, wie vielfach vermutet wird, ist zweifelhaft, denn Philipp war eben erst zum Bischof von Würzburg gewählt worden. Immerhin mag die Verlobung Irenes mit einem der Söhne Barbarossas erwogen worden sein, denn Isaak Angelos suchte Hilfe gegen die sein Reich bedrängenden sizilischen Normannen.
Bald schon kehrten sich solche Wünsche und Pläne des byzantinischen Kaisers ins Gegenteil. Nach dem Tod Barbarossas versuchte Isaak Angelos, die Normannen durch verwandtschaftliche Bindung für sich zu gewinnen. Irene wurde trotz ihrer Jugend dem ältesten Sohn König Tankreds von Sizilien, Roger III., verlobt. Sie kam 1193 nach Palermo. Roger starb schon im folgenden Jahr, kurz vor seinem Vater.
In Sizilien war Irene in ebenso unruhige Verhältnisse geraten wie in ihrer Heimat. Der staufische Kaiser Heinrich VI., dem durch die Heirat mit Konstanze, der Tochter König Rogers II., im Jahre 1186 das sizilische Königreich zugefallen war, mußte es sich gegen den Widerstand der Verwandten Rogers und der sizilischen Barone erst erobern. Er tat es mit solcher Strenge und Grausamkeit, daß die Zeit ihn den verheerenden Sturm aus dem Norden nannte.
Nur zwei Jahre lebte Irene in Sizilien, in dem prächtigen Normannenschloß, in dem Lande, in welchem Normannen, Araber und Byzantiner nebeneinander lebten und das der Zeit als Inbegriff unerhörten Reichtums, märchenhafter Pracht und sagenhafter Schönheit galt, das Land von Klingsors Zauberburg und Zaubergarten.
Im Stolz über das ererbte und nun auch eroberte Sizilien, auch aus Freude über den ihm zu Weihnachten 1194 geborenen Sohn Friedrich Roger, den späteren Kaiser Friedrich II., hielt Heinrich VI. 1195 in Bari einen Reichstag ab. Unter großer Prachtentfaltung wurden Heinrich VI. und Konstanze in der Kathedrale San Sabino noch einmal gekrönt und als Herrscher über die sizilisch-apulische Monarchie bestätigt. Auf 160 Pferden war der Kronschatz aus Palermo nach Bari gebracht worden, um von hier nach Trifels zu gelangen. Heinrich VI. erschien in dem mit arabischer Inschrift verzierten Sternenmantel seines toten Schwiegervaters. Zur Beute gehörten auch die festgenommenen Widersacher und die Frauen und Kinder der unterworfenen Adeligen Siziliens; sie wurden von hier auf schwäbische Burgen in Gewahrsam gebracht. Unter ihnen befanden sich König Tankreds Witwe Sibylla, deren geblendeter Sohn Wilhelm — und Irene.
Sie wurde von Kaiser Heinrich VI. zur Gemahlin seines Bruders Philipp bestimmt, und zwar aus politischen Beweggründen.
Hatte Kaiser Heinrich VI. selbst das Königreich beider Sizilien, eines der reichsten, einflußreichsten und schönsten Reiche des Abendlandes, durch seine Heirat mit der normannischen Konstanze erworben, hoffte er durch die Heirat seines Bruders Philipp mit Irene der Erfüllung eines lange gehegten Planes nahezukommen. Durch die Wirren in Byzanz hatte Irene Anspruch auf den Thron. Durch ihre Vermählung mit Philipp wurde die Möglichkeit greifbar, das byzantinische Reich mit dem der Staufer zu vereinen. Der frühzeitige Tod Heinrichs VI. machte solchen Plänen ein Ende.
Was mochte Irene bewegt haben, als sie von Heinrich VI. als Gefangene aus Palermo weggeführt wurde? Hatte sie doch die Staufer in Kaiser Heinrich in ihrer Unerbittlichkeit und Härte kennengelernt. Aber Philipp war ein ungleicher Bruder Heinrichs. »Scharf abgegrenzt waren die reichen und zwiespältigen Anlagen der Staufer verteilt unter die beiden Brüder. Wie Heinrich ihre Härte und Gewalttätigkeit verkörpert, so Philipp alle Anmut, Grazie, Milde, die sich im Gegensatz zu den anderen Staufern bei ihm mit einer wirklichen Frommheit zusammenfand.« (Ernst Kantorowicz)
Philipp, um 1180 geboren, war als jüngster der fünf Söhne Friedrich Barbarossas zum geistlichen Stand bestimmt worden. Sein Erzieher war ein Kölner Scholastiker. Vor seinem Aufbruch zum Kreuzzug bedachte Kaiser Friedrich Barbarossa Philipp nur mit der geringen Pfründe eines Dompropstes von Aachen. 1191 wurde er zum Bischof von Würzburg gewählt. Sein Leben und Trachten waren auf andere als politische Dinge gerichtet; es wurde gemutmaßt, der Kaiser habe an eine künftige Wahl Philipps zum Papst gedacht. Kaiser Heinrich VI. aber lenkte den Lebensweg seines Bruders in eine andere Richtung, zumal die anderen drei Brüder gestorben oder sonst ums Leben gekommen waren. Heinrich belehnte Philipp mit dem Herzogtum Schwaben, mit Tuszien, Spoleto und den Mathildischen Gütern in Ober- und Mittelitalien, einem alten Streitobjekt zwischen Kaiser und Papst.

Schon in Bari als Gefangene Kaiser Heinrichs VI. erfuhr Irene, daß ihr Vater durch seinen Bruder Alexios III. gestürzt und mit seinem Sohn, also dem Bruder Irenes, eingekerkert worden war. Ein Grund mehr für Heinrich VI., die Verbindung zwischen Philipp und Irene herbeizuführen, war doch einer seiner Pläne die Vereinigung des west- und oströmischen Reiches unter Staufischer Herrschaft.
Irene war, nicht zuletzt durch die harten Schicksalsschläge seit ihrer Kindheit, eine stille und in sich gekehrte, fromme und gütige Frau, die schon bald in Philipp einen Gleichgesinnten lieben lernte. Philipp war, wie alle Staufer außer Konradin, mittelgroß, zart gebaut, blond und schön, geistigen und geistlichen Dingen und der Dichtung zugetan, die zu seiner Zeit in Deutschland eine Blüte erreichte.
Pfingsten 1197 wurde in Gunzenlech bei Augsburg die Hochzeit gefeiert. Nach ritterlichen Festlichkeiten und einem kurzen Aufenthalt in der Burg Schweinhausen bei Biberach mußte Philipp Irene verlassen und nach Italien aufbrechen, um seinen dreijährigen, zum König gewählten Neffen Friedrich aus Foligno zur Krönung nach Deutschland abzuholen. In der zweiten Septemberhälfte zog Philipp mit 300 schwäbischen Rittern durchs Etschtal nach Italien, kam aber nur bis Montefiascone. Dort erreichte ihn die Nachricht vom plötzlichen Tod seines Bruders, Heinrich VI., in Messina. Wegen der in Italien ausgebrochenen Unruhen mußte Philipp allein nach Deutschland zurückkehren.
Das ganze Abendland stand nach dem Tod des erst 32jährigen Kaisers Heinrich VI. in banger Erwartung dessen, was nun kommen sollte. Des Volkes bemächtigten sich Angst und Furcht. Rasch verbreitete sich die Kunde, daß einige Menschen durch eine Erscheinung erschreckt worden seien: sie hatten an der Mosel auf riesigem schwarzem Roß Dietrich von Bern gesehen, der dem Reich Jammer und Unheil ansagte. Diese Voraussage sollte eintreffen.
Philipp kämpfte um die Erhaltung des Reiches für seinen Neffen Friedrich, aber die Fürsten wollten keinen König, der noch ein Kind war, zudem im fernen Sizilien lebte. Als der 24jährige Welfe Otto IV. von Braunschweig, der jüngste Sohn Heinrichs des Löwen und Neffe des englischen Königs Richard Löwenherz, ein unerbittlicher Gegner der Staufer, zum König gewählt und gekrönt wurde, entschloß sich Philipp, seiner Wahl zum Gegenkönig zuzustimmen. Beide Krönungen waren fragwürdig. Otto wurde am 17. Juni 1198 in Aachen, der richtigen Krönungsstadt, aber mit falschen Insignien gekrönt, Philipp am 15. August desselben Jahres in Mainz, der falschen Stadt, aber mit den echten Insignien.
Anläßlich der Krönung Philipps offenbart sich dessen Güte und versöhnliche Art. Wie um die Greuel seines Bruders Heinrich an den sizilischen Normannen, die Irenes Verwandte gewesen, zu sühnen, gab er den Gefangenen, die Heinrich aus dem eroberten Sizilien auf deutsche Burgen hatte bringen lassen, die Freiheit, Nur der geblendete und entmannte junge Wilhelm, der Sohn Tankreds und der Sybilla, war inzwischen auf der Feste Hohenems gestorben. Nach einer anderen Überlieferung soll er, Mönch geworden, nur noch kurze Zeit gelebt haben.
Durch die Wahl zweier Könige wurde Deutschland in einen zehn Jahre dauernden Bürgerkrieg gestürzt. Das Getümmel erfüllte besonders die Rheinlande, später auch Sachsen und Thüringen, die furchtbar zu leiden hatten. Macht und Ansehen der Krone erlitten unheilbare Schäden. Papst Innozenz III., wie sein Vorgänger ein unerbittlicher Gegner der Staufer, bestätigte Otto IV. von Braunschweig als König und stellte ihm gegen umfangreiche Zugeständnisse die Kaiserkrönung in Rom in Aussicht. König Philipp wurde gebannt.
Mochte sich auch die Lage Philipps im Kampf gegen Otto mit den Jahren verbessern, die Schatten des langandauernden Krieges lagen über Irenes Leben, die zeitweise abseits auf dem Hohenstaufen lebte, um sich der Erziehung ihrer Töchter zu widmen.
Einen lichten Höhepunkt in der trüben Zeit brachten die Weihnachten des Jahres 1199, die aus Freude über die Erfolge Philipps in festlicher Weise, verbunden mit einem Hoftag, in Magdeburg begangen wurden.
In lebendiger Anteilnahme berichteten Dichter und Chronisten, wie sich am heiligen Christtag der festliche Zug nach dem Dom bewegte. Unter dem Vortritt des Herzogs Bernhard von Sachsen, der des Reiches Schwert trug, schritt König Philipp. Ihm folgte, umgeben von der Herzogin von Sachsen, der Äbtissin von Quedlinburg und anderen adeligen Frauen, Irene. Zu beiden Seiten des Königs und der Königin bildeten die Bischöfe in ihren priesterlichen Gewändern ein ehrwürdiges Geleit. Ihnen folgten die Fürsten, Grafen und Ritter. Das Volk jubelte dem Königspaar zu.
Aus einem Gedicht Walthers von der Vogelweide, der an dem Magdeburger Weihnachtsfest teilnahm, spricht die doch unverminderte sakrale Weihe und Würde des mittelalterlichen Königtums. Irene und Philipp treten uns lebendig entgegen.
Philipp trägt als eines Kaisers Sohn und eines Kaisers Bruder als dritter deren Gewandung, Krone und Zepter. Diese religiös erhöhte Verehrung, auf die Dreieinigkeit anspielend, kommt auch in den für die Gottesmutter geltenden Symbolen zum Ausdruck, die nun Irene zugesprochen werden. Walther von der Vogelweide nennt Irene Rose ohne Dorn und Taube ohne Galle. In den Versen des Dichters erscheinen Philipp und Irene wie vor dem Goldgrund der Miniatur einer kostbaren Handschrift.
Der Spruch Walthers lautet in einer unserem Neuhochdeutsch angenäherten Übertragung:

Es ging am Tag, als unser Herre ward geboren
von einer Magd, die ihm zur Mutter auserkoren
(also am Weihnachtstag),
zu Magdeburg der König Philipp schöne
(in schöner, würdiger Weise).
Da ging eins Kaisers Bruder und eins Kaisers Kind
(Bruder Heinrichs VI., Sohn Friedrich I. Barbarossas)
in einem Kleid, so wie die Namen dreifaltig sind.
Er trug des Reiches Zepter und die Krone.
Er trat sehr leise, und er war nicht gach
(jäh, rasch),
ihm folgte seine hochgeborene Königin nach,
Ros ohne Dorn, eine Taube ohne Gallen
(rôs âne dorn, ein tûbe sunder gallen),
solch Zucht war nirgend anderwo.

Schon damals wurde Irene, nachdem sie, wohl bei der Krönung Philipps, vom griechisch-orthodoxen zum katholischen Glauben übergetreten war, die griechische Maria genannt. Auch ihre Grabschrift in Lorch nennt sie so.
Einen anderen festlichen Höhepunkt in ihrem Leben bildete die nochmalige Krönung Philipps und damit auch ihre Krönung am 6. Januar 120 j im Dom zu Aachen. Zwar war Philipp schon 1198 in Mainz gekrönt worden, auch mit den richtigen Insignien, doch nicht am rechten Ort und nicht durch den rechten Bischof. Das wurde nun in Aachen nachgeholt. Philipp befand sich damals im Aufstieg zur Höhe seiner Macht. Auch dieser Krönung hat Walther von der Vogelweide einen festlich-feierlichen Spruch gewidmet, in welchem Philipp in seiner menschlichen und königlichen Würde erscheint: Die Krone ist älter als König Philipp ist; dennoch könnt ihr als ein Wunder sehen, wie der Schmied die Krone für ihn passend gemacht hat. Sein kaiserliches Haupt ziemt ihr wohl. Kein Guter soll sich davon scheiden, damit das eine das andere (König und Krone) nicht schwäche. Sie leuchten beide einander an, das edle Gestein den jungen, lieblichen Mann. Solche Augenweide sehen die Fürsten gern. Wer je des Reichs irre geh, der schau, über wessen Haupt der Waise (der kostbarste Edelstein der deutschen Krone) steht: dieser Stein ist aller Fürsten Leitstern.
Das Glück konnte Irene wohl an einigen Höhepunkten ihres Lebens streifen, aber treu blieb es ihr nicht. Nicht nur die fortdauernden Kämpfe Philipps gegen Otto trübten es, sondern auch die Verhältnisse in ihrer Heimat.
1201 war ihr aus der Gefangenschaft entkommener Bruder Alexios hilfesuchend zu König Philipp gekommen; 1203 gelangte er in Byzanz wieder zur Macht, wurde aber schon im folgenden Jahr von seinem Oberstkämmerer Alexios Dukas Murtzuphlos gestürzt und getötet. Schließlich wurde, die Idee des Kreuzzugs ins Gegenteil verkehrend, unter dem Einfluß des greisen Dogen von Venedig Dandolo am 13. April 1204 Konstantinopel durch das von Bonifazius von Montferrat geführte französische (fränkische) Kreuzheer erobert, geplündert und zerstört und dem byzantinischen Reich ein Ende bereitet.
So hatte Irene den Untergang zweier Reiche und Geschlechter überleben müssen; das der Normannen in Sizilien und das ihres Vaters in Byzanz. Doch der bitterste Schmerz stand ihr noch bevor.
Gewillt, dem Krieg ein Ende zu bereiten, stimmte Philipp einem Waffenstillstand zu und begann, seine Streitkräfte aufzulösen. Nach zehnjährigem Krieg hoffte Deutschland endlich auf Frieden.
Für den Sommer 1208 hatte Bischof Egbert den König und die Königin zu sich nach Bamberg eingeladen, um sich Tage der Ruhe und Erholung zu gönnen. Am Tage Johannes des Täufers, am Morgen des 21. Juni, wurde die Ehe zwischen Otto von Meranien und Beatrix, der Tochter von Philipps verstorbenem Bruder Otto von Burgund, geschlossen und gefeiert. Nachdem Philipp dem jungen Paar eine Strecke Wegs Geleit gegeben hatte, kehrte er am frühen Nachmittag nach Bamberg zurück, um zu ruhen und sich mit seinem Kanzler, dem Bischof von Speyer, und seinem Truchsessen Heinrich von Waldburg zu unterhalten. Da drang der Pfalzgraf Otto von Wittelsbach mit blankem Schwert in den Raum und verwundete Philipp tödlich. Das war ein Racheakt dafür, daß Philipp dem zügellosen Pfalzgrafen seine Tochter, die ältere Beatrix, versagt hatte. Schon am folgenden Tag wurde der König im Bamberger Dom beigesetzt. Er stand im 30. Lebensjahr.
Die Ermordung Philipps ist der erste Königsmord in der deutschen Geschichte. Die Nachricht verbreitete sich in kürzester Zeit durch ganz Deutschland und Italien. Der päpstliche Nuntius Hugolinus, der sich in Verona aufhielt und die Ermordung Philipps durch das Domkapitel in Trient erfahren hatte, schickte einen Läufer nach Bamberg, um den genauen Hergang der Untat zu erfahren und ihn dem Papst berichten zu können.
»Dieser Läufer sagte nämlich«, so der Bericht des Hugolinus, »daß am letzten Sonnabend vor dem Fest St. Johannes des Täufers (21. Juni 1208) ... Herr Philipp mit wenigen seiner Umgebung die Stadt Bamberg betrat, nachdem er sein Heer auf dem Felde entlassen hatte. Als er um die neunte Stunde (15 Uhr) im Palast des Bischofs ruhte, trat besagter Pfalzgraf, dem Herr Philipp seine Tochter gegeben und wieder genommen hatte, mit dem Herzog von Bayern und dem Markgrafen von Istrien, dem Bruder eben dieses Bischofs, und zehn andern bewaffneten Männern in den Palast, in dem Herr Philipp ruhte, und wurde, als er an die Kammertür klopfte, in gewohnter Weise eingelassen. Als Herr Philipp von ihm, wie gewohnt, fröhliche, scherzende Worte erwartete, zog jener sofort sein Schwert, mit dem er gegürtet war, und antwortete, als Herr Philipp ihm verbot, mit dem Schwerte zu spielen: >Dies soll auch kein Spiel für dich sein!< Und stracks durchbohrte er ihn, die Furcht Gottes hintansetzend, mit dem Schwerte, brachte dem Reichstruchseß Heinrich, der das Verbrechen verhindern wollte, eine tödliche Wunde bei (die sich später als nicht tödlich erwies) und erwürgte Philipp, den er bereits getötet hatte, aus Furcht, er könne noch leben. Und auf diese Weise entsprang der Mörder, geschützt durch den Beistand seiner Helfershelfer.«
Irene verließ die Stätte des grausamen Geschehens und zog sich, begleitet vom Grafen Ludwig von Württemberg, auf die Burg Hohenstaufen zurück.
Das letzte Stück ihres Lebenswegs war nur noch kurz. Die Frühgeburt, der sie am 27. August 1208, zwei Monate nach der Ermordung ihres Gatten, erlag, mag eine Folge der Erschütterung durch den Mord gewesen sein. Auch dieses Kind, an welchem sie starb, war ein Mädchen. Es trug vermutlich den Namen Regina.
Wenige Tage vor ihrem Tod vermachte sie in einem Testament einen Hof in Obereßlingen dem Kloster Adelberg. »Unbegreiflich sind viele Gerichte Gottes«, heißt es in diesem Testament; von dem verborgenen Ratschluß der göttlichen Ordnung ist darin die Rede — wir meinen Worte der von Leid im Übermaß heimgesuchten, trotzdem in den Willen Gottes ergebenen Frau zu hören. Irene — Eirene ist der griechische Name für die Göttin des Friedens; der königlichen Trägerin dieses Namens war in ihrem irdischen Leben kein Frieden gegönnt gewesen.

Die Zeit hat die Spuren des irdischen Lebenswegs Irenes nicht ausgelöscht, aber ihr Grab in der Lorcher Klosterkirche hat sich nicht erhalten. Eine der Malereien an den Pfeilern aus dem 16. Jahrhundert zeigt Irene mit Philipp im Gebet vereint; sie halten eine dreiteilige Tafel mit dem gekreuzigten Heiland, dem Opfer Isaaks und der erhöhten Schlange Mosis; darüber schwebt Maria mit dem Kinde.
Irene ist die letzte aus dem staufischen Geschlecht, die in Lorch bestattet wurde; als einzige Königin fand sie hier ihr Grab.
Aus der Lebenszeit haben sich Sitzfiguren Philipps und Irenes erhalten. Sie werden im Museum der Stadt Regensburg aufbewahrt. Sie stammen vermutlich aus dem Jahr 1207 und wurden als Erinnerung an den Aufenthalt Philipps in Regensburg am heute verschwundenen mittleren Turm der Steinernen Brücke angebracht. Das beschriftete Standbild stellt Philipp dar, der in der linken Hand den Reichsapfel hält, in der rechten ein Reliquiar, eine Schwurkapelle, über der dem König der Lehenseid geschworen wurde. Das weibliche Standbild ist unbeschriftet, doch kann es sich als Gegenbild zur Plastik Philipps nur um eine Darstellung Irenes handeln. Da sich die Figur Irenes an einer dem Wetter ausgesetzten Stelle des Turms befand, ist sie stark verwittert. Die Zeit hat an dem Bildwerk weitergeformt. Die gekrönte Königin erscheint als Mutter, die ein Kind im Schoß hält, eine Darstellung einer Königin, die in jener Zeit sonst nicht üblich ist. Sie erinnert an ein Bildnis der Gottesmutter mit dem Kinde, aber auch an eine Pietà. Wenn Walther von der Vogelweide Irene mit Maria als allem Erdenleid entrückte Rose ohne Dorn und Taube ohne Galle besungen hat, so zeigt dieses Bildwerk Irene als Mater dolorosa.
Des unglücklichen Lebens müde, krank und gebrochen, mag die noch junge Königin dennoch schweren Herzens aus dem Leben geschieden sein, denn alle ihre Töchter waren noch Kinder. Von Söhnen, die zuweilen genannt werden (Rambold und Friedrich), ist nichts Näheres bekannt.
Die Schicksale der vier Töchter Philipps und Irenes bilden ein weiteres Kapitel im Buch über Größe und Verhängnis der Staufer. Die jüngere Beatrix wurde die Gemahlin des Königs von Kastilien und León und Mutter König Alfons des Weisen; Maria wurde Herzogin von Brabant; Kunigunde wurde als Gemahlin des Böhmenkönigs Wenzel I. die Mutter des mächtigen Ottokar II. Das Schicksal aller blieb dem der Staufer mit Licht und Schatten verbunden; keines aber auf so bedeutungsvolle Weise wie das der älteren Beatrix, die für wenige Tage die Gemahlin Ottos IV., des ehemaligen Gegners Philipps von Schwaben, wurde.
Ein Historiker spricht von dem weiten Bogen zwischen der Kaisergruft in Speyer, wo auch Philipp von Schwaben Weihnachten 1214 durch seinen Oheim Kaiser Friedrich II. beigesetzt wurde, und den staufischen Kaisergräbern in Palermo. Zwischen beiden liegt die staufische Grablege im Kloster Lorch, wo Irene ruht. Beim Besuch der Lorcher Klosterkirche gedenken wir Irenes als einer anima Candida mit den Worten auf ihrem verschwundenen Grab, die Crusius 1588 aufgezeichnet hat. Die Inschrift war lateinisch und lautet in deutscher Übersetzung: »Hier ruht die edle und fromme griechische Maria, König Philipps Gemahlin. Laß, Jungfrau Maria, sie auf gnädigem Pfad in den Saal des Königs gelangen!«
Irene, die ihre Kindheit und Jugend in der prächtigen Umwelt von Byzanz und dann in Palermo verbracht hatte, hatte am Ende ihrer Tage Zuflucht auf dem Hohenstaufen gesucht, im Herzland der Staufer, einer fruchtbaren und freundlichen Landschaft. Als der Tübinger Professor Crusius 1588 den Hohenstaufen besuchte und nach Lorch wanderte, »überdachte er bei jedem Schritt, auf welchem Weg und unter welchen Veranstaltungen wohl der Leichnam der griechischen Irene in jenes Kloster gebracht worden sei«.