Konstanze von Sizilien

Gemahlin Heinrichs VI., Mutter Friedrichs II.

Von Kaiser Heinrich VI., geboren 1165 in Nimwegen, dem Zweitältesten Sohn Kaiser Friedrichs I. Barbarossas und der Beatrix von Burgund, überliefert die Manessische Liederhandschrift Liebesgedichte. Heinrich VI. Autorschaft wurde im Hinblick auf seinen Charakter und seine Lebensart angezweifelt. Man hielt dafür, daß Heinrich VI., wie bei den Troubadours der Landesfürst Wilhelm von Poitiers, als Ahnherr des Minnesangs an die erste Stelle gerückt wurde, indessen die Lieder von Heinrich (VII.), dem unglücklichen Sohn Kaiser Friedrich II., stammen mögen. Man traute Heinrich VI. die zarten Herzensregungen der Minnelieder nicht zu.
Heinrich VI. war ein harter, rücksichtsloser, ja grausamer, in Weltreichpläne vergrübelter Kaiser, der

»das Volk der Deutschen groß und gefürchtet gemacht bei allen Völkern«.
»Dem Volk war er weder freundlich noch wohlgesinnt«,

stellte der Patriarch von Aquileja fest. Innozenz III. schrieb über ihn:

»Des Nordsturms Wut durchfährt die kalabrischen Berge mit einem neuen Beben der Erde, und durch die Ebenen des flachen Apulien jagt er in Wirbeln den Wanderern und Bewohnern Staub in die Augen.« 

Wenn es von Heinrich heißt, er sei wie »der Nordsturm und Winter in den Rosengarten Sizilien« eingebrochen, so spricht daraus auch die allgemeine Abneigung der Sizilianer und Italiener gegen die Deutschen, die ihnen als eigenwillig und rechthaberisch galten und plump, roh und unhöflich erschienen, deren Sprache ihnen wie Hundegebell und Krächzen klang. Heinrich hat diese Urteile und Vorwürfe durch sein Verhalten in Sizilien herausgefordert.
Er streckte seine Hand über Deutschland hinaus nach Byzanz aus, hatte sich durch den gefangenen Richard Löwenherz England lehenspflichtig gemacht und durch das von ihm erpreßte Lösegeld von 100 000 Pfund Silber, nach dem gescheiterten Versuch (1191), Sizilien zu erobern, ein Heer ausgerüstet, mit dessen Hilfe ihm (1194) gelang,
Sizilien zu unterwerfen und dem Reich einzuverleiben. Das hatte Kaiser Friedrich I. Barbarossa durch die Vermählung seines Sohnes mit Konstanze (1186), der Tochter des Königs Roger II. von Sizilien, beabsichtigt.Sizilien, seit dem 9. Jahrhundert nach den Byzantinern im Besitz der Araber, war 1061 — 1091 von den Normannen erobert und mit Unteritalien und Neapel zur sizilischen Monarchie vereint worden. Unter den Normannen war sie das reichste, mächtigste und prächtigste Reich Europas geworden. Nach König Roger II. (1095 — 1154) erschöpfte sich die ungestüme Kraft des Geschlechts; in seinem Enkel Wilhelm II. (1154 — 1189) starb es im Mannesstamm aus. Rogers II. Tochter Konstanze, die Erbin Siziliens, wurde die Gattin Heinrichs VI.

Konstanze war kurz nach dem Tod ihres Vaters Roger II. 1154 geboren worden. Ihre Mutter, die dritte Gemahlin Rogers II., Beatrix von Rethel (Ardennen), entstammte mütterlicherseits lothringischem Adel. Konstanze war schön, stolz und tatkräftig und blieb auch nach ihrer Vermählung eine normannisch-sizilische Patriotin, was den Verdacht weckte, sie sei gegen die Staufer mitverschworen gewesen. Der Minorit Salimbene von Parma nannte sie »ein schlechtes Weib und den Gattinnen ihrer Brüder und der ganzen Familie zur Last«.
Heinrichs Mutter Beatrix von Burgund soll von Konstanze in schweren Träumen verfolgt worden sein. Zeichendeuter des normannischen Hofes hatten vorausgesagt, sie werde ihr Vaterland ins tiefste Verderben stürzen. Daß die Verbindung Konstanzes mit Heinrich VI. die Vereinigung Siziliens mit Deutschland brachte, schon das war ein unerhörtes, ein die Welt aufschreckendes Ereignis.
Konstanze hatte jahrelang im Kloster der Basilianischen Nonnen, nahe dem königlichen Palast in Palermo, und in anderen Klöstern, gelebt. Ob sie freiwillig oder von ihren Verwandten veranlaßt ins Kloster gegangen war, wissen wir nicht, auch nicht, ob sie den Schleier genommen; jedenfalls wurde ihr zum Vorwurf gemacht, das Kloster verlassen zu haben, um zu heiraten.
Vor ihrer Vermählung wurde Konstanze 1185 nach Rieti gebracht, mit einer Aussteuer, deren Schilderungen ans Fabelhafte grenzen. Konstanze war groß und blond und von heller Hautfarbe, sie wirkte trotz des byzantinischen Prunks bescheiden. Sie war 32, Heinrich 22 Jahre alt.
Die Trauung fand am 27. Januar 1186 in Mailand statt, das nach der völligen Zerstörung durch Friedrich Barbarossa vor vierundzwanzig Jahren noch nicht wiederaufgebaut worden war. Da der Dom noch nicht vollendet war, fand die Eheschließung in der Kirche San Ambrogio statt, die aus einem Kornspeicher in einen halbwegs würdigen Zustand gebracht worden war. Der Patriarch von Aquileja vollzog die Vermählung ohne die Zustimmung des Papstes, weswegen Aquileja mit dem Interdikt belegt wurde. Heinrich und Konstanze wurden zugleich mit der Eisernen Krone der Lombarden gekrönt, und Konstanze empfing von einem deutschen Bischof die deutsche Königskrone. Das Festmahl fand in einem rasch errichteten hölzernen Pavillon in der Nähe von San Ambrogio statt.
Nach der Trauung begab sich Heinrich mit Konstanze zur Kaiserkrönung nach Rom, Friedrich Barbarossa kehrte nach Deutschland zurück. (Vier Jahre später ertrank er während des Dritten Kreuzzugs zur Eroberung Jerusalems, das vom Sultan Saladin zurückerobert worden war, im kleinasiatischen Fluß Saleph.)
Während des Italienzugs Heinrichs VI. zur Eroberung Siziliens 1191 — ein Jahr nach dem Tod Friedrichs I. Barbarossas — geriet Konstanze in die kriegerischen Auseinandersetzungen, und auf die falsche Nachricht hin, der Kaiser sei in Neapel der Seuche erlegen, in die Hände der Gegner Heinrichs VI. Sie wurde in einem Turm in Salerno festgehalten, wo sie sich mutig und tapfer verteidigte, bis sie nach ihrer Auslieferung in Messina von ihrem illegitimen Neffen König Tankred würdig aufgenommen, aber als Geisel betrachtet wurde; schließlich mußte sie Tankred auf Befehl des Papstes, reich beschenkt, nach Deutschland bringen lassen.
In Sizilien trat eine entscheidende Veränderung ein.
1194 starb in Palermo König Tankred, dem Heinrich als illegitimen Enkel Rogers II. den Thron streitig gemacht hatte. Im selben Jahr starb auch dessen älterer Sohn Roger, Herzog von Apulien, der mit Irene, der Tochter des Kaisers von Byzanz, verlobt gewesen war. Sie, wie die Witwe König Tankreds, Sibylla, Tochter des Grafen Roger von Acerra, und deren junger Sohn Wilhelm lebten als letzte Normannen in Sizilien. Die Erbin war Konstanze geworden.
Heinrich zog, seine Frau in Italien zurücklassend, gegen Sizilien, das er sich rasch unterwarf. Den Empfang in Palermo beschreibt Otto von Sankt Blasien:

»Die Bürger bereiteten mit großem Aufwand und Eifer einen Triumphzug für den Kaiser vor. Sie schmückten die ganze Stadt und insbesondere die Straßenkreuzungen mit verschiedenen kostbaren Teppichen, und die Straßen in- und außerhalb der Stadt dufteten von Weihrauch, Myrrhe und sonstigen wohlriechenden Spezereien... Mit nicht geringem Eifer hatte der Kaiser sein Heer für dieses Fest vorbereitet. Es war strenge Disziplin vorgeschrieben und jede teutonische Unbändigkeit unter Strafe des Handabhackens verboten. Da zeigte der Kaiser sein im Glanz aller Waffen strahlendes Heer, das im langen Zuge in Zweierreihen Schritt für Schritt zur Stadt marschierte. Der Kaiser folgte mit den Fürsten im kaiserlichen Prunk und Gewand. Als er die Stadt betrat, scholl ihm von allen lauter Zuruf entgegen, und nach der Sitte jenes Landes warf sich das Volk bei seinem Anblick zur Erde nieder. Nachdem er auf diese Weise in der Königsburg aufgenommen war, gab er sich der Ruhe hin.«

Am folgenden Weihnachtstag 1194 wurde er im Dom von Palermo gekrönt. Während der Feier soll er von einer Verschwörung des sizilischen Adels gegen ihn unterrichtet worden sein. Am folgenden Stephanstag bestrafte er die Verdächtigen durch eine Massenhinrichtung auf einer Wiese neben dem königlichen Palast. Hunderte Adelige wurden lebendigen Leibes verbrannt; die Leiche Tankreds und die seines älteren Sohnes Roger ließ Heinrich ausgraben und enthaupten. Das Volk mußte diesen Greueln zuschauen. Der andere Sohn Tankreds, Wilhelm, noch ein Kind, wurde geblendet und entmannt.
Wenige Tage danach erreichte Heinrich die Nachricht, daß Konstanze am zweiten Weihnachtstag in Jesi in der Marc Ancona einen Sohn zur Welt gebracht hatte.
Die Geburt Friedrichs, der auf die Namen Friedrich Roger getauft wurde, veranlaßte den kampanischen Dichter und Weisen Petrus von Eboli, Vergils viertes Hirtengedicht von der Verheißung eines Friedensfürsten auf den Neugeborenen zu deuten; Gottfried von Viterbo begrüßte ihn als den die Zeit erfüllenden Cäsar, als den erwarteten Weltenkönig.
Die Umstände der Geburt gaben Anlaß zu einer überreichen, meist böswilligen Legendenbildung.
Konnte das Kind von einer vierzigjährigen Frau nach neunjähriger unfruchtbarer Ehe geboren worden sein? Konstanze selbst wollte befürchteten Verdächtigungen zuvorkommen. Sie habe, heißt es, das Kind in einem Zelt zur Welt gebracht, in welchem jede verheiratete Frau der Geburt beiwohnen konnte; habe sich auf dem Markt dem Volk mit entblößten Brüsten beim Stillen ihres Kindes gezeigt.
Die Verdächtigungen konnten dadurch nicht aus der Welt gebracht werden. Der Abt Albert von Stade berichtet in seinen Annalen: Die Ärzte aus Salerno

»ließen aber Konstanzes Gebärmutter durch Arzneien allmählich anschwellen, so daß der Kaiser fest glaubte, sie sei schwanger. Inzwischen aber sahen sich die Ärzte nach einem Kinde um, so daß von verschiedenen schwangeren Frauen, die zur Zeit der Niederkunft Konstanzes gebären mußten, nach einem streng geheimen Plan ein Kind geraubt wurde, um zur Zeit der Niederkunft Konstanzes in den Palast an ihr Bett getragen zu werden, wo es so, obwohl woanders geboren, gleichsam von Konstanze geboren wurde und der Sohn eines andern für den Sohn des Kaisers und der Kaiserin gehalten worden ist. Man sagte aber, es sei zweifelhaft, ob jenes Knäblein der Sohn eines Arztes oder eines Müllers oder aber eines Falkners gewesen sei; aber die Leute beteuerten wahrhaftig, es sei der Sohn eines dieser drei gewesen.«

Der stauferfeindliche Minorit Salimbene von Parma hat Friedrich für den Sohn eines Fleischers gehalten, was Friedrich Zeit seines Lebens vorgeworfen wurde.
Der sagenhafte bretonische Wahrsager und Zauberer Merlin aus dem Kreis um König Artus hatte für den zweiten Friedrich eine »wundersame und unverhoffte Geburt« vorausgesagt, was Anhänger und Gegner der Staufer auf ihre Weise auslegten. Schließlich wurde die Voraussage, der Antichrist werde von einer Nonne geboren werden, mit Bezug auf die Vergangenheit Konstanzes, auf Friedrich gedeutet.
Friedrich selber hat später seine Mutter, seine Geburt und seinen Geburtsort auf seine Art pathetisch mythisiert:

»Nach dem Zuge der Natur sind wir getrieben und gehalten, JESU, der Marken adlige Stadt, unseres Ursprungs erlauchten Anbeginn, wo unsere göttliche Mutter uns zum Lichte brachte, wo unsere Wiege geschimmert, mit innigster Liebe zu umfangen: auf daß aus unserem Gedächtnis nicht entschwinde Seine Stätte, und unser Bethlehem, des Caesars Land und Ursprung, in unsrer Brust tief verwurzelt bleibe. So bist du, Bethlehem, Stadt der Marken, nicht die kleinste unter unsres Geschlechtes Fürsten.«

Heinrich ließ seine Gemahlin für Ostern 1195; nach Bari kommen, wo er einen Reichstag abhielt. Der kleine Friedrich blieb in den folgenden drei Jahren in Foligno in der Obhut des Herzogs von Spoleto, zu dem Konrad von Urslingen erhoben worden war. Nach Bari hatte der Kaiser auf 160 Maultieren aus Palermo den Kronschatz und die Königsinsignien bringen lassen, die nach der Reichsfeste Trifels weiterbefördert wurden. Unter der »Beute« Heinrichs befanden sich einige nahe Verwandte Konstanzes: Sibylla, die Witwe nach dem toten König Tankred, deren verstümmelter und geblendeter Sohn Wilhelm, die 15 jährige byzantinische Prinzessin Irene, die Verlobte Rogers, des Sohns des gestorbenen Königs Tankred. Sibylla wurde als Gefangene ins staufische Reichskloster Hohenburg (Odilienberg) im Elsaß gebracht, Wilhelm auf die Feste Hohenems. Irene wurde 1198 dem Bruder Heinrichs, Philipp, vermählt. Heinrich ahnte wohl kaum, daß Philipp schon bald Deutschland für das Waisenkind Friedrich und die Staufer gegen die Welfen verteidigen mußte.
Als nach dem Reichstag von Bari Heinrich neuerdings nach Deutschland aufbrach, stellte er Konstanze an die Spitze des Regentschaftsrates über Sizilien. Mit der Hilfe ausgiebiger Geschenke an die Fürsten ließ Heinrich seinen noch ungetauften zweijährigen Sohn Friedrich zum deutschen König wählen.
In Sizilien war das Blutgericht vom Stephanstag 1194 nicht vergessen. Die sizilianische Unabhängigkeitsbewegung gegen Heinrich und die Deutschen überhaupt nutzte die Abwesenheit Heinrichs, und es wurde vermutet, Konstanze unterstütze oder dulde sie. In Unteritalien schürte Richard von Acerra, der Schwager König Tankreds, den Widerstand gegen Heinrich. Dieser sah sich zur Rückkehr nach Italien gezwungen. Was Heinrich nun an Grausamkeiten verübte, hat mit einer Bestrafung von Aufständischen nichts mehr zu tun. Richard von Acerra ließ er von Pferden durch die Straßen von Capua schleifen; als er nach zwei Tagen noch immer lebte, nachdem er an den Füßen aufgehängt worden war, erlöste ihn sein Hofnarr von den Qualen durch um den Hals gebundene Gewichte, an denen Richard von Acerra erstickte. In Palermo ließ Heinrich den Grafen Giordano, der als Haupt des Widerstandes galt, auf einen eisernen, glühenden Thron setzen und ihm eine glühende Krone mit Nägeln an den Kopf schlagen. Diesen und anderen Folterungen mußte Konstanze an der Seite ihres Gatten beiwohnen. Was Wunder, daß sie vor so viel Grausamkeit zurückschreckte und mit ihren gepeinigten Verwandten und Landsleuten fühlte? Sie wurde, vom Kanzler Walther von Pagliara bewacht, im königlichen Palast gefangengehalten.
Am Reichstag von Bari hatte Heinrich den Kreuzzug gelobt. Als sich das Heer einzuschiffen begann, brach in Sizilien ein neuer Aufstand los — Heinrich versprach eine Generalamnestie. Wollte er die Sizilianer auf diese Weise für sich gewinnen? War das nach dem, was geschehen war, noch möglich?
Auf der Jagd im Waldgebirge unterm Ätna erkrankte Heinrich. Er wollte nach Palermo gebracht werden, kam aber nur bis zu dem in maurischem Stil erbauten Schloß von Favara, dessen märchenhafte Schönheit, Gärten und Springbrunnen der sizilisch-arabische Dichter Abderachman besungen hat. In Fieberfantasien sprach der Kaiser von dem Weltreich, das er zu schaffen gedachte. Dann diktierte er, wieder bei klaren Sinnen, sein Testament — ein Dokument der Zerknirschung. Am 28. September 1197 »fällte ihn der Neid des Todes«. Er starb an der den Staufern verhängnisvollen Malaria. Konstanze war anwesend — es lag schon im Stil der Zeit, sie des Giftmordes an ihrem Gemahl zu bezichtigen. Er wurde im Dom zu Palermo bestattet, wo er Weihnachten 1194 zum König von Sizilien gekrönt worden war. Er war 32 Jahre alt geworden hatte nur sieben Jahre regiert — in den Marbacher Annalen heißt es: »Der ganze Erdkreis geriet bei seinem Tod in Verwirrung.«
Die verwitwete, schwergeprüfte Konstanze versuchte tatkräftig, der heillosen Verwirrung in Sizilien Herr zu werden; es gelang ihr nicht mehr. Ein Jahr nach dem Tod ihres Gemahls erkrankte sie. Sie ließ, wohl in der Ahnung ihres nahen Endes, ihren vierjährigen, bereits zum deutschen König gewählten Sohn am 17. Mai 1198 zum König von Sizilien krönen und übergab ihn und das Land der Obhut des Papstes. Am 27. November starb sie, ein Jahr nach dem Tode Heinrichs. Sie wurde neben ihm im Dom zu Palermo, der Ruhestatt ihres Vaters König Roger II., beigesetzt. Ihr Sohn Kaiser Friedrich II, und dessen Gemahlin Konstanze sollten ihr dorthin nachfolgen.