Margarete von Österreich

Gemahlin König Heinrichs (VII.)

Nur wenigen Frauen der staufischen Familie, ob ihr angehörend oder nur zugeheiratet, war ein glückliches oder auch nur ruhiges Leben gegönnt gewesen. Das Leben der Margarete von Babenberg wurde in doppelter Weise ruhelos, war sie doch die unglückliche Gattin zweier Könige, von denen der erste ein Staufer war.
So sehr es verlockt, Margaretes Leben nachzuzeichnen, zeigt sich die Schwierigkeit, dazu in der Lage zu sein. Das wenige, das über sie überliefert ist, reicht nicht zu einer inneren Biographie aus. Das Bild, das von ihr gezeichnet werden kann, gleicht den Überresten einer mittelalterlichen Wandmalerei, von der sich nur Bruchstücke des Umrisses erhalten haben. So bleibt auch die Frage ungelöst: War sie eine Frau der damals sich erneuernden Frömmigkeit, oder wirkte sie selbst an dem verhängnisvollen Geflecht machtpolitischer Bestrebungen mit?
Sie war, um 1204 geboren, die Tochter des Herzogs Leopold VI., des Glorreichen, von Österreich und der byzantinischen Prinzessin Theodora Kommenos. Ihr Bruder war Herzog  Friedrich II. der Streitbare, Nachfolger Leopolds VI., der 1230 gestorben war.
Mit Herzog Friedrich II. erlosch, da er ohne männliche Erben war, das Babenbergische Geschlecht im Mannesstamm. Österreich mit Steiermark würde also nach seinem Tod als lediges Lehen ans Reich zurückfallen. Wie konnte eine Nachfolge über die Schwestern Margarete und Konstanze, die mit Heinrich dem Erlauchten von Meißen verheiratet war, gesichert werden?
Österreich war ein wichtiges Reichslehen, nach dem die Nachbarn, vor allem die Könige von Böhmen und Ungarn, die Hand ausstreckten. Kaiser Friedrich II. war darauf bedacht, Österreich für sein Geschlecht zu erwerben. Er brachte die eheliche Verbindung der Margarete von Babenberg mit seinem Sohn Heinrich (VII.), der 1222 zum König von Deutschland gekrönt worden war, zuwege. Sie war ein Werk der Staatsraison, die des Altersunterschiedes nicht achtete. Heinrich war 14, Margarete 21. Die Hochzeit wurde am 29.November 1225 mit großer Prachtentfaltung in Nürnberg gefeiert. Über Margarete schreibt ein Reimchronist:

»Sie wart so einfaltic und guot.«

War das nur eine übliche Redensart?
Die Hochzeitsfeier gestaltete sich turbulent. Wenige Tage vorher war der Erzbischof Engelbert I. von Köln, der Heinrich in Aachen gekrönt hatte und dessen umsichtiger Berater geworden war, einem Mord zum Opfer gefallen. Deswegen kam es während der Hochzeit zu so heftigen Auseinandersetzungen, daß unter dem schaulustigen Volk eine große Zahl Menschen getötet wurde.
Noch andere Schatten lagen über dieser Hochzeit.
Margarete war um sieben Jahre älter als Heinrich. Sie war bereits, als begehrtes Objekt der Ansprüche Böhmens auf Österreich, mit Pfibislaw, einem Sohn Wenzels I. von Böhmen und der Kunigunde von Hohenstaufen, verlobt gewesen. Eine Eheschließung hatte Kaiser Friedrich II. verhindert.
Heinrich hatte sich um die Schwester des englischen Königs, Isabella, beworben, war aber abschlägig beschieden worden.
(1235 sollte Isabella von England die dritte Gemahlin Kaiser Friedrichs II. werden, in Worms, während der vom Vater abgesetzte Heinrich gefangengehalten wurde. Der Altersunterschied zwischen Vater und Sohn betrug nur 16 Jahre.)
Die Ehe Heinrichs und Margaretes drohte zu zerbrechen. Heinrich strebte eine Scheidung an und hatte die Absicht, seine Jugendgeliebte Agnes, die Tochter König Ottokars I. von Böhmen, zu heiraten. Er mochte Agnes durch seine Tante Kunigunde, die mit dem böhmischen König Wenzel I. verheiratete Tochter Philipps von Schwaben, kennengelernt haben. Am Fürstentag in Ulm 1225 war Agnes als Gemahlin König Heinrichs vorgeschlagen worden, aber Kaiser Friedrich durchkreuzte dieses Vorhaben, weil er selbst sein Augenmerk auf Agnes gerichtet hatte. Agnes machte beiden Werbungen ein Ende; sie nahm den Schleier.
1231 befahl der Kaiser seinen Sohn auf den Hoftag von Ravenna, wo auch die Eheschwierigkeiten Heinrichs besprochen werden sollten. Heinrich erschien nicht.
Wie Margarete die verworrene Zeit, in welcher Heinrich sich gegen den Vater auflehnte, um in Deutschland nach seinem Willen zu regieren, durchlebte, wissen wir nicht. Heinrich war nicht nur ein streitbarer Rebell, sondern auch ein lebensfroher und musischer Mensch, eben ein Staufer, unter dem Kunst und Dichtung in Deutschland eine Blüte erlebten. Schon 1235 endete Margaretes Ehe, als Kaiser Friedrich II. seinen Sohn in Deutschland absetzte, als Gefangenen nach Italien bringen ließ und im apulischen Kastell Rocca San Feiice festhielt.
1242 endete Heinrich als Gefangener des Vaters, wohl durch Selbstmord.
Nach dem Tod Heinrichs hielt sich Margarete bis 1245 am Hof ihres Schwiegervaters auf, zusammen mit ihren beiden Söhnen Heinrich, der als Knabe starb, und Friedrich, damals etwa 17jährig, der in die »familia« des Kaisers aufgenommen worden war und sich als Kriegsmann bewährte. 1245 ging Margarete, vom Schwiegervater beschenkt, nach Deutschland zurück, zunächst ins Katharinenkloster in Trier, dann ins St. Markus-Kloster nach Würzburg.
Die Nachrichten widersprechen einander: ob sie den Schleier genommen oder vom Papst daran gehindert wurde, denn sie war ein Pfand in seinen politischen   Geschäften.   Jedenfalls  hatte sich  die verwitwete Königin dem klösterlichen Leben ergeben, was nicht unbedingt für ihre  Frömmigkeit sprechen muß; viele ledig gebliebene und in der Ehe gescheiterte oder verwitwete adelige Frauen zogen sich damals ins Kloster zurück, ohne das Ordensgelübde abzulegen. Ein blasses Licht auf diese Frage mag eine Episode werfen; Margarete schenkte den Dominikanerinnen im Kloster Weil bei Esslingen, die im Ruf mystisch verzückter Frömmigkeit standen, ein Drittel ihrer Königskrone.
König Heinrich, der die aufblühenden Städte den Fürsten vorzog, war oft und gern in Esslingen, wo er einen Musenhof unterhalten haben soll, zu dem auch Provenzalen gehörten;  Heinrich dichtete selbst. Damals  schon mochte  Margarete mit den Dominikanerinnen in Weil bekannt geworden sein.
Der Tod ihres Bruders, des Herzogs Friedrich II. von Österreich, in der Schlacht an der Leitha gegen die Ungarn 1246, veranlaßte Margarete, das klösterliche Leben aufzugeben und nach Österreich zurückzukehren, um das Babenbergische Erbe zu sichern. Ein zeitgenössischer österreichischer Chronist schrieb in seine Annalen:

»Österreich und Steiermark, gleichsam ein einziges Land, saß im Staube, traurig seufzend, seiner Fürsten und Erben  beraubt.«

Margarete fühlte sich als Erbin und Nachfolgerin, und sie urkundete als solche in Wien. (»Königin der Römer von Gottesgnaden« und »Wahrer Erbe des Landes«.) Sie hatte also das politische Geschäft in die Hand genommen. War sie dazu berechtigt?
Zwar war für Österreich die weibliche Nachfolge möglich, aber Margarete war nur die Schwester des letzten Herzogs. Ihre andere Schwester Konstanze war mit dem Markgrafen von Meißen vermählt, dessen Söhne ebenfalls Erbansprüche auf Österreich erhoben. Schließlich war da noch eine Nichte, Gertrud, die damals mit dem böhmischen Wladislaw vermählt war. Diese Ehe war schon im Hinblick auf Österreich geschlossen worden.
In dieser verworrenen Lage um das österreichische Erbe konnte nur der Kaiser das Machtwort sprechen. Es war nicht eindeutig. Einerseits bestimmte er Margaretes Sohn Friedrich als Nachfolger, andererseits gliederte er Österreich und die Steiermark unter den Generalkapitänen Herzog Otto von Bayern und Graf Meinhard von Görz in sein Südreich ein.
Die Frage löste sich von selber. 1250 starb Kaiser Friedrich II, ein Jahr nach ihm Margaretes Sohn Friedrich. Im selben Jahr hatte der böhmische König Ottokar II, von den österreichischen Herrn gerufen, trotz des Widerstands Ungarns, Österreich und die Steiermark an sich gebracht. Um dies zu legalisieren, die Ansprüche anderer Anwärter auf Österreich zunichte zu machen und seine Nachkommenschaft zu sichern, entschloß sich Ottokar, Margarete zu heiraten.
So begann das alte Spiel von neuem.
Ottokar war 23 Jahre alt und in seiner Art und Erscheinung den Staufern verwandt; seine Mutter war eine Tochter Philipps von Schwaben. Er war der reichste und mächtigste Reichsfürst. Die Zeitgenossen nannten ihn den »goldenen« und den »eisernen«. Böhmen brachte er durch die Förderung der deutschen Kolonisation einen neuen Aufschwung.
Margarete aber war 46 Jahre, also doppelt so alt als Ottokar.
Am 11. Februar 1252 fand mit festlichem Gepränge die Hochzeit des Jünglings mit der gealterten Frau in Hainburg statt.
Hatte Margarete um jeden Preis, auch den dieser Ehe, das Babenbergische Erbe retten wollen? War sie durch ihre erste Ehe nicht belehrt worden?
Der steirische Reimchronist läßt König Wenzel I. seinem Sohn Ottokar II. den Rat geben, er fände

»zu Wienen schone wlp, der minne so süezet, daz ir iu sanfte büezet, swaz ir habt gebresten dort«.

Die erste Zeit nach der Vermählung blieb Margarete in Österreich, dann zog sie schon als Königin von Böhmen nach Prag, das ihr einen glänzenden Empfang bereitete.
Was erhofft worden war, blieb aus. Die Ehe blieb kinderlos.
1256 versuchte Ottokar beim Papst die Scheidung zu erreichen. Vergeblich. Es heißt, Margarete habe ihrem Gatten vorgeworfen, er sei an der Kinderlosigkeit schuld, denn sie habe in der ersten Ehe zwei Söhne zur Welt gebracht. Da versuchte Ottokar eine andere Lösung. Er knüpfte mit einem Hoffräulein ein Liebesverhältnis an, aus dem ein Sohn und zwei Töchter hervorgingen. Jenes Fräulein trug die Haare wie ein Page kurz geschnitten, weswegen es die Prager, die mit Scherz- und Spottworten nie geizten, »palcenk« nannten, was »Kurzhaar« bedeutet. Doch auch mit ihr kam Ottokar nicht ans Ziel seiner Wünsche. Die päpstliche Kurie legitimierte zwar die natürlichen Kinder des Königs, schloß sie aber von der Thronfolge aus. Ottokar, inzwischen Herrscher eines Reichs zwischen Ostsee und Adria geworden, fühlte sich mächtig genug, einen anderen Ausweg zu suchen.
Am 12. Juni 1260 hatte er Bela IV., den rivalisierenden König von Ungarn, bei Kroissenbrunn geschlagen. Am 18. November des folgenden Jahres heiratete er, um Frieden zwischen Böhmen und Ungarn zu stiften, Belas Nichte Kunigunde. Die Zustimmung zu dieser Ehe erwirkte er, ohne daß seine Ehe mit Margarete geschieden worden war, durch die Bischöfe von Prag und Olmütz. Bischof Johann von Prag und Bischof Bruno von Olmütz unterrichteten den Papst Urban IV. nur über die Gründe: Ottokar und Margarete seien im vierten Grad verwandt, Margarete habe in Trier ihr klösterliches Gelübde, also auch das der Ehelosigkeit, abgelegt.
Am 18. Oktober 1261 verließ Margarete Prag, zehn Tage später feierte Ottokar in Preßburg seine Hochzeit.
Margarete zog sich nach Österreich zurück und ließ sich in Krems nieder.

»Sie ging zum zweiten Male ins Kloster, wenig von den Leuten geachtet, weil sie, um Heirat und Herrschaft willen, dem ersten Gelübde untreu geworden.« (Raumer)

Sie erlebte noch den kometenhaften Aufstieg Ottokars und seinen Trotz gegen den König, der nach der kaiserlosen Zeit gewählt worden war, Rudolf von Habsburg.
Margarete starb am 18. Oktober 1267, auf den Tag genau sechs Jahre, nachdem sie Prag verlassen hatte. Sie wurde in Stift Lilienfeld bei Sankt Pölten bestattet, das ihr Vater Leopold VI. gegründet hatte.
Elf Jahre später war auch Ottokar tot. Durch Verrat seiner Barone hatte er im Kampf gegen König Rudolf von Habsburg, der ihm die widerrechtlich erworbenen Reichsländer abnehmen wollte, Schlacht und Leben bei Dürnkrut an der March verloren.
Wie weit Margarete der Handlungsweise und den Entschlüssen Ottokars zugestimmt hatte, wissen wir nicht. Es wird vermutet, sie habe schon das außereheliche Verhältnis, dann die Scheidung gebilligt. Dem würde der Bericht des steirischen Reimchronisten widersprechen, Margarete sei durch Gift aus dem Wege geräumt worden. Der Chronist des mährischen Klosters Saar bezeichnet Ottokar als den Veranlasser des Mordes.
In dem Drama Grillparzers »König Ottokars Glück und Ende« (1823) erscheint Margarete als eine der handelnden Personen.
Margaretes Nichte Gertrud, die in erster Ehe mit Wladislaw von Böhmen verheiratet gewesen war, verheiratete sich 1248 mit Hermann von Baden (gestorben 1250). Der Sohn aus dieser Ehe, Friedrich, zog 1267 mit Konradin nach Italien und teilte dessen Schicksal der Hinrichtung durch Karl von Anjou.