Ihr Name und ihr Heimatland erinnern an Griechisches. Sie wird als bewundernswert schön beschrieben. Ihre Herkunft und ihr Wesen tragen einen Glanz von Hellas, aber auch den Schatten antiker Tragik, von der sie am Ende des staufischen Geschlechts verschlungen wurde.
Auch ihr Name hängt mit ihrem Vaterland zusammen. Nach der Sage kam Äneas nach dem Fall von Troja auch nach Epirus; in Butrinto, dem alten Buthrotum, gegenüber der Phäakeninsel Korfu, ist in einer mächtigen Mauer das Tor zu sehen, durch das Äneas beim Besuch der schönen Helena geschritten sein soll.
Helena von Epirus landete, siebzehn Jahre alt, prunkvoll empfangen, am 2. Juni 1259 in Trani, wo die Vermählung mit Manfred, dem um zehn Jahre älteren Sohn Kaiser Friedrichs II., stattfand. Es war die zweite Verehelichung Manfreds.
Die Mutter Manfreds war Bianca Lancia, die Tochter des Bonifacio Lancia d'Agliano. Manfred war vor der vermutlichen Heirat Friedrichs II. mit Bianca Lancia geboren worden. Er galt als Lieblingssohn des Kaisers.
Manfred war wegen seiner körperlichen Schönheit und seiner großen geistigen Gaben geschätzt und geliebt; ihm hatte der Vater sein Falkenbuch gewidmet.
Die zeitgenössischen Chronisten haben dem Gemahl der Helena von Epirus alle hohen Tugenden und alle bösen Laster zugeschrieben, je nachdem, ob sie Freunde oder Feinde der Staufer waren. Sein über die Zeit hinausreichendes Wissen und Handeln, verbunden mit der Vorliebe für ein festliches, durch die Künste, vor allem durch Dichtung und Musik verschöntes Leben, brachte ihm Verehrer und Verächter ein. Gervasio Riccolbaldi von Ferrara sagt von ihm,
»er scheint allen mit Recht wegen seiner geistreichen Art auf allen Gebieten und wegen seiner Freundlichkeit gegen jedermann mit Titus, dem Sohn des Vespasian, vergleichbar zu sein«.
(Titus wird von Sueton als »amor et deliciae generis humani« gerühmt.) Über das von einigen Chronisten gepriesene »Paradies, das durch Manfred wieder auf die Welt gekommen ist«, heißt es in den Monumenta Aquensia des Moriondus, man verehre in diesem Paradies eine Göttin und Herrin der Liebe und einen Gott der Eitelkeiten, um Männern und Mädchen alle Arten von Liebeslust zu lehren.
(»Ibi erat Dea sive ministra amoris et quid dicebatur Deus vanitatum, qui docet homines et puellas ad omnes actus amoris.«)
Das ist auch mit Bezug auf die Königin Helena gesagt. Dante, der ein Jahr vor dem Tod Manfreds geboren wurde (1265), beschreibt Manfred in der »Göttlichen Komödie« als »blond, schön und von ritterlicher Art«.
Manfred war der einzige Sohn Friedrichs II, der sich stets in der Nähe seines Vaters aufgehalten hatte und auch bei seinem Tod zugegen war; er hatte am meisten von des Vaters Lebensart und Lebensführung angenommen, doch scheint, daß, wie oft bei Nachkommen bedeutender Männer, schon etwas von der Festigkeit und Strenge, auch der Gespanntheit des Vaters verlorengegangen war.
Drei Jahre vor dem Tod des Vaters 1247 vermählte sich Manfred in erster Ehe mit Beatrix, der Tochter des Grafen Amadeus IV. von Savoyen, des italienischen Reichsvikars Friedrichs II. Beatrix war die Witwe nach dem Markgrafen von Saluzzo. Es war eine politische Heirat. Im Vertrag erhielt Manfred, der vom Vater schon zum Fürsten von Tarent erhoben worden war, das Land zwischen Genua, Pavia und den Alpen zugesprochen, die strategisch wichtige Verbindung zwischen Italien und Frankreich, und er wurde mit dem arelatischen Königreich belehnt.
Beatrix starb 1257/58.
Als Manfred 1259 in zweiter Ehe Helena von Epirus heiratete, war er seit 1254 nach dem Tod seines Bruders Konrad IV., dem Nachfolger und Erben Friedrichs II, und, weil Konrads Sohn Konradin erst zwei Jahre alt war, in den Kampf mit Karl von Anjou I. um die Herrschaft der sizilischen Doppelmonarchie verstrickt. Karl von Anjou besiegte Manfred 1266 in der Schlacht bei Benevent; Manfred fand den Tod. Danach begann die Leidensgeschichte Helenas, die erst 1271 mit ihrem Tod in der Gefangenschaft des Anjou enden sollte.
Tochter des Königs von Epirus — diese Feststellung muß sich, um Helena in ihrem Lebensraum zu sehen, mit Anschauung und Inhalt füllen.
Epirus umfaßte die westliche Hälfte des nördlichen Griechenland zwischen den rauhen und unwirtlichen Gebirgen der Pinduskette und der freundlichen jonischen Küste, der die Insel Korfu vorgelagert ist. In Epirus entspringen die Flüsse, deren Namen Acheron und Kokytus den Griechen voll düsterem Beiklang waren, auch der thessalische Peneios; hier handelt Goethes Klassische Walpurgisnacht. Das Land, südlich von Illyrien gelegen, erlebte unter Griechen und Römern seine Blüte. Unweit des heutigen Valona lag die bedeutende Universitätsstadt Apolloma, deren Student der spätere Kaiser Augustus war. Später gehörte Epirus zum byzantinischen Reich. Nach der »lateinischen« Invasion des seltsamen vierten Kreuzzugs 1204, der sich mit der Eroberung und Zerstörung Konstantinopels begnügte, wurde das byzantinische Reich für vorwiegend französische Adelige in einige Fürstentümer aufgeteilt. Epirus, in dessen Bereich das heutige Albanien liegt, kam durch den letzten, 1204 ermordeten byzantinischen Kaiser der Kommenen, Alexios Angelos — er ist der Bruder Irenes, der Gattin König Philipps von Schwaben — als Despotat an Michael I. Angelos, den Vater der Helena.
Ihre Mutter ist die heiliggesprochene Theodora Petralypha. Helena wurde mit Geld und Landgütern reich ausgestattet. Manfred erhielt neben der Insel Korfu Durazzo, das alte Dyrrhachium, die Hauptstadt der ehemaligen epirischen provincia nova, einem wichtigen Stützpunkt für die Überfahrt von Griechenland nach Italien (Brindisi). Von Durazzo führte die Via Egnatia nach Byzanz.
Auch diese Ehe zwischen König Manfred und Helena von Epirus war für die Staufer, die stets ihr Augenmerk auf Byzanz gerichtet hatten, wichtig. Friedrich II. hatte deswegen auch die Vermählung seiner Tochter Konstanze mit dem Kaiser von Nikaia (Nicäa), Johann III. Dukas Vatatzes, in die Wege geleitet. Schon die Normannen hatten 1081 durch Robert Guiscard und seine Eroberung von Korfu und Durazzo das byzantinische Reich bedroht.
Im Gegensatz zu Friedrich II, der seine Ehefrauen vom geselligen und öffentlichen Leben fernhielt, stellte Manfred Helena in den Mittelpunkt auch des höfischen Lebens. Sogleich nach der Hochzeit führte er die junge schöne Gemahlin durch sein Königreich, und sie blieb der Schmuck seines jugendlich heiteren Lebens.
Manfred ging keineswegs in einer solchen unbeschwerten Geselligkeit auf. Er, wie sein Vater vieler Sprachen kundig, widmete sich den Wissenschaften und den Schulen des Landes, seiner Vorliebe für den Hafenbau (Salerno, Manfredonia), den inneren und äußeren Staatsgeschäften, schließlich der Auseinandersetzung mit den Päpsten (Urban IV. und Klemens IV.), die im Verein mit dem nach Italien gerufenen Karl von Anjou — er war 1263 in Rom erschienen — den Untergang der Staufer herbeizuführen trachteten. Die Entscheidung fiel am 26. Februar 1266 durch die Schlacht bei Benevent; Manfred wurde besiegt und getötet.
Die Schreckensbotschaft erreichte Helena in der Sarazenenburg Lucera.
Die Schauplätze für die nun folgende Tragödie Helenas werden die mächtigen Räume der staufischen Kastelle Lucera, Trani, Lagopesole und Nocera.
Manfred hätte während der Schlacht sein Leben durch die Flucht retten können, sie aber verschmäht und sich in den schon verlorenen Kampf gestürzt. Nach zwei Tagen wurde das über das verschneite Schlachtfeld irrende Roß Manfreds erkannt, schließlich fand man auch den ausgeplünderten und selbst seiner Kleider beraubten Toten, zwei tödliche Wunden am Kopf und in der Brust. Über einen Esel gelegt, wurde der Tote vom Schlachtfeld gebracht, und ein Eseltreiber rief: »Wer kauft Manfred?« Weil Manfred gebannt war, ließ ihn Karl von Anjou nahe bei der Brücke über den Fluß Calore verscharren. Französische Ritter legten auf den Erdhügel Steine.
Als Helena aus der Ohnmacht, die sie bei der Todesnachricht überwältigt hatte, erwachte, hatten die Hofleute und Diener sie aus Angst vor der Rache Karls von Anjou verlassen, nur ein Bürger aus Trani, Munaldu, und dessen Frau Amundilla, und ein Mann namens Amerusio nahmen sich ihrer an. Sie rieten zur Flucht. Helenas Heimat lag nicht fern und konnte von hier aus leicht erreicht werden. Noch war die Küste nicht von den Soldaten Karls von Anjou besetzt. Ein Mann mit Namen Lupone erklärte sich zur Überfahrt bereit und setzte seinen Segler instand.
Was konnte sich Helena von ihrer Flucht nach Epirus erwarten?
Korfu und Durazzo, die ihr Vater seinem Schwiegersohn abgetreten hatte, waren im Besitz der Erben Manfreds; sie kamen erst 1272 an das Haus Anjou. In Epirus selbst aber hatten sich die Herrschaftsverhältnisse geändert. Schon 1259 hatte Michael VIII. Paläologos den Vater Helenas entthront und Epirus in Besitz genommen; 1261 hatte er sich des kleinasiatischen Kaiserreichs Nicäa bemächtigt und dort Johannes III. Dukas Vatatzes gestürzt, der in zweiter Ehe mit einer natürlichen Tochter Friedrichs II, Konstanze, später Anna genannt, vermählt, also der Schwager Manfreds war. Manfreds Admiral Philippo Chinardo, der 1266 nach Epirus kam, um das Heiratsgut Helenas zu retten, wurde ermordet, und seine Söldner gingen zu Karl von Anjou über. Für die Staufer waren sowohl in Epirus wie in Nicäa die Verbindungen im Hinblick auf das byzantinische Reich abgebrochen. Nun war es Karl von Anjou, der Überwinder der Staufer, der deren Pläne mit Bezug auf Byzanz hegte.
Welche Hilfe konnte Helena also noch in ihrer Heimat erhoffen?
Die geplante Flucht war ein Schritt der Verzweiflung, um zu verhindern, mitsamt ihren vier Kindern in die schonungslosen Hände des Anjou zu geraten.
Nirgends konnte ihr Schlimmeres widerfahren. Vielleicht rechnete sie mit dem Haß Michaels VIII. Paläologos, der Epirus erobert hatte und Kaiser von Byzanz geworden war, gegen den Anjou.
Ihre Pläne und Erwägungen wurden zunichte, die Natur verschwor sich gegen ihre Flucht. Weil Gegenwind das Auslaufen des Seglers verhinderte, begab sich Helena in den Schutz des Burgvogts von Trani. Bettelmönche, die im Dienst Karls von Anjou das Land durchstreiften — sie waren schon die päpstlichen Spione gegen Friedrich II. gewesen —, spürten Helena in Trani auf und überredeten den Burgvogt zum Verrat. Am 6. März 1266 wurde Helena den Reitern Karls von Anjou ausgeliefert und in Trani in Gewahrsam gehalten. Noch waren die Kinder bei ihrer Mutter: die sechsjährige Beatrix, der vierjährige Heinrich (Enrico) und die noch jüngeren Friedrich (Federico) und Anzolino (Enzio). Die Stieftochter, Konstanze, war glücklicherweise außer Landes; sie war mit Peter von Aragonien verheiratet, der nach der Sizilianischen Vesper von 1282 eine wichtige Rolle gegen die Anjous spielen sollte.
Aus dem Kastell Trani, wo vor sieben Jahren ihre Hochzeit gefeiert worden war, wurde sie in den ersten Apriltagen, wohl schon ohne die Kinder, die sie nie wiedersehen sollte, nach Lagopesole vor Karl von Anjou gebracht.
Lagopesole ist der größte Wehrbau Friedrichs II; mit seiner Errichtung war 1242 begonnen worden. Im besonders ausgeschmückten Westteil haben sich Friedrich II und Manfred besonders gern aufgehalten. Lagopesole, an einem See gelegen, der zur Zeit der Anjou noch bestand, steht wie Castel del Monte auf einem Hügel und gewährt einen weiten Blick bis zum Monte Vulture, einem erloschenen Vulkan bei Venosa, dem Geburtsort des Horaz; der Monte Vulture ist auch von Castel del Monte aus sichtbar.
Hier also, wo Helena mit Manfred freudvolle Tage erlebt hatte, stand sie dem herzlosen Feind ihres Gemahls gegenüber. Karl von Anjou scheint — wir können das aus dem Briefwechsel mit dem Papst schließen — mit Helena für ihn vorteilhafte Heiratsabsichten erwogen zu haben, wie auch mit deren Tochter Beatrix, die er deshalb im milderen Gewahrsam auf Castel dell' Ovo bei Neapel hielt als deren Brüder auf Castel del Monte.
Karl von Anjou plante eine Heirat Helenas mit seinem Vetter Don Arrigo (Heinrich), dem Bruder des Königs Alfons des Weisen von Leon und Kastilien. Die Mutter beider war eine Stauferin, Beatrix, die jüngste Tochter König Philipps von Schwaben und der Irene von Byzanz. Wegen dieser Verwandtschaft mit den Staufern war König Alfons der Weise 1257 zugleich mit Richard von Cornwall zum deutschen König gewählt worden.
Karl von Anjou hatte gegenüber Don Arrigo, der den Anjou auf seinem Zug nach Italien unterstützt hatte, Schulden und uneingelöste Versprechungen. In den diesbezüglichen Verhandlungen Karls von Anjou mit dem Papst ist von einer Tochter des Königs von Epirus die Rede. Gemeint konnte nur Helena sein, denn der König von Epirus hatte neben Helena nur noch eine Tochter, Agnes, die mit dem Franzosen Geoffroy de Villehardouin, dem Fürsten von Achaja, verheiratet war.
Der Plan Karls von Anjou zerschlug sich, Don Arrigo gesellte sich zu Karls Feinden und kämpfte, von Tunis gekommen, mit seinen gefürchteten spanischen Reitern an der Seite Konradins bei Tagliacozzo. Don Arrigo war als Gefangener Karls von Anjou bis zu seiner Freilassung 1291 in Castel del Monte und starb 1304 in Kastilien. — Schließlich mochte der Plan Karls von Anjou am Widerstand Helenas gescheitert sein.
Für den März 1267 belegt ein Schreiben Karls von Anjou an den Burgvogt Radulfo de Faiello, daß Helena auf der Burg Nocera gefangengehalten wurde.
Nocera liegt in der Terra di Lavoro zwischen Castellamare und Salerno. Das Kastell führte den Namen Castello in Parco.
Helena hatte einen Teil ihrer Dienerschaft und Habe behalten dürfen. Für den Haushalt wurden ihr jährlich vierzig Unzen Gold zur Verfügung gestellt, die einen bescheidenen Haushalt ermöglichten. Während ihrer Gefangenschaft mochte Helena von dem Zug ihres Neffen Konradin nach Italien, von seiner Niederlage bei Tagliacozzo und seiner Enthauptung im nahen Neapel gehört haben. Der Schmerz über das ungewisse Los ihrer Kinder mochte sie verzehrt haben. Sie starb nach fünfjähriger Gefangenschaft zwischen Ende Februar und Anfang März 1271 im 29. Lebensjahr.
Ihr Grab kennen wir nicht.
Ihren Tod erfahren wir durch ein Reskript Karls von Anjou, das die Entlassung der Dienerschaft Helenas verfügt. Ein auf Befehl Karls aus demselben Jahr aufgenommenes Inventar des Burgvogts von Nocera, Enrico di Porta, zählt den Nachlaß auf: Schmuck, silbernes Tafelgeschirr, Teppiche, einen Schrank aus Elfenbein und Kleider aus Goldbrokat, aber »vetus et comsumptum«, alt und verbraucht — Rest ehemaliger Pracht.
Die Burg Nocera, auf welcher Helena starb, ist heute nur noch eine Ruine.